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Allgemeiner Anzeiger : 20.04.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-04-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190704208
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- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19070420
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19070420
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1907
-
Monat
1907-04
- Tag 1907-04-20
-
Monat
1907-04
-
Jahr
1907
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 20.04.1907
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politische Kunäschau. Deutschland. * Der Kaiser feierte das fürstliche Silber paar von Schaumburg-Lippe zu Bückeburg in einem längeren, herzlichen Trinkspruch und schenkte dem Fürsten die Schaumburg im Wesertal. * Die Denkschrift über Kiautschou, die jetzt dem Reichstage vorgelegt worden ist, weist zahlenmäßig die stetige Entwickelung dieser ostasiatischen Kolonie nach, deren 10 jähriges Besitzjubiläum wir im November d. feiern. Die Einnahmen sind von 1 Million auf 1,37 Mill, gestiegen, desgl. der Wert des Handels von 32,4 Mill, auf 39 Mill. Wenn man in Be tracht zieht, daß dieses Ergebnis in einer Zeit erreicht wurde, wo die geschäftliche Lage in Ost asien keine günstige war, so darf man für die Zukunft das Beste hoffen, um so mehr, als sich jetzt das ausländische Kapital mehr und mehr am Handel in Kiautschou zu beteiligen beginnt. * Die Veteranenbeihilfe kann vom 1. April d. ab auch solchen Neichsangehörigen gewährt werden, die im dänischen Heere die Kriege von 1848 bis 1850 und von 1864 mit gemacht haben. * Die Stadtverordneten - Versammlung in Breslau nahm mit großer Mehrheit die Zuführung einer Wertzuwachs st euer (für unbebauten Boden) an. * Wie aus Hamburg gemeldet wird, hat der Hafenbetriebsverein beschlossen, die Ver handlungen mit den strei k e n d en Hafen arbeitern wieder aufzunehmen, falls die ge samten Hafenarbeiter in diesem Jahre von der Maifeier absehen. Osterreich-Ungarn. *Kaiser Franz Joseph istinPrag eingetroffen und trotz strömenden Regens von großen Menschenmassen empfangen und aufs lebhafteste begrüßt worden. Der letzte Besuch des Monarchen in Böhmen fand vor kaum mehr als neun Monaten statt und galt der prächtigen Landesausstellung in Reichenberg, nachdem vor her etwa sieben Jahre ohne einen Kaiserbesuch in dem Lande der deutsch-tschechischen Sprachen kämpfe vergangen waren. Der greise Kaiser dankte auf die Begrüßungsreden in tschechischer Sprache und fügte in deutscher Sprache den Wunsch hinzu, daß in Böhmen Friede und Ein tracht einkehren mögen. Frankreich. * Wegen der Verfügung des Minister präsidenten, die den Offizieren und Beamten die Teilnahme an der kirchlichen Jeanne d'Arc-Feier in Orleans verbot, ist dort große Verstimmung entstanden. Infolgedessen hat jetzt Clemenceau die Zivilbehörden der Stadt ermächtigt, eine besondre Festlichkeit zu Ehren der Jeanne d'Arc zu veranstalten. Die Mißstimmung dauert aber fort, da man sehr wohl fühlt, daß das Fest ohne die kirchliche Feier, die sonst seinen Mittelpunkt bildete, nach Md nach an geschichtlichem Wert verlieren werde. England. *Zur Begegnung des Königs Eduard mit dem König Viktor Emanuel schreibt das Regierungsorgan, daß die englisch-italienische Freundschaft Italiens Stellung zum Dreibund nicht berühre. Allerdings habe Italien auch Interessen, zu deren Verwirklichung es der Unterstützung Englands bedürfe. * Die englische Reichs- oder Kolonial- konferenz hat in London ihre Tagungen begonnen. Auf dem Programm stehen die beiden wichtigen Fragen der Beisteuer der Kolonien zu den Neichswehrkosten und die Frage der Vorzugszölle, die das Ministerium gegen seinen Willen in das Konfcrenzprogramm aus genommen hat. Italien. * Der Papst sprach sich im geheimen Kon sistorium eingehend über den Kirchen st reit in Frankreich aus. „Die Regierung in Paris," sagte er, „sei nicht zufrieden damit, das Kon kordat willkürlich abgebrochen, die Kirche ge waltsam beraubt und die wahren alten Ruhmes titel ihres Vaterlandes verkannt zu haben, be Amerika. *Jn einem Schreiben, das Roosevelt an den Vorsitzenden der Friedensliga in New Dort richtete, bezeichnete der Präsident die Frage des allgemeinen Schiedsgerichtsver trages als die wichtigste Frage für die zweite Haager Friedenskonferenz und drückt die Hoff nung aus, daß die Nationen einen derartigen Vertrag annehmen werden. Die Frage der Einschränkung der Rüstungen sei da gegen nicht eine der wichtigsten. Die eigenartige Stellung der Ver. Staaten mit ihrer kleinen Armee und Marine berechtige Amerika nicht, in dieser Frage andern Nationen gegenüber die Haltung eines Schulmeisters anzunehmen. *Der Kongreß der nationalen Frie densliga in New Jork, an dem auch Ver treter Deutschlands teilnehmen, begann mit dem Austausch heftiger Meinungsverschiedenheiten, weil am Eröffnungstage ein berühmter Pastor in New Jork gepredigt hatte, jedweder Krieg sei wie andre Kümpfe in der Natur notwendig und daher die Friedensliga überflüssig. Der Vorsitzende Andrew Carnegie hielt eine längere Rede, in der er darauf hinwies, daß es haupt sächlich in der Hand des deutschenKaisers liege, den Krieg abzuschaffen. I müht, aus den Herzen ihrer Mitbürger jeden Rest von Religion anszureißen, indem sie jeg- iche Ausschreitung beging, auch die, die der ranzösischen Höflichkeit am meisten widerstrebe, radurch, daß sie jedes private und öffentliche Recht verletzte, den Episkopat und die Geistlich keit verleumdete und versuchte, diese von dem Heiligen Stuhl zu trennen und das gegenseitige Vertrauen zu erschüttern." Der Papst schloß: „Dem Haß werden wir die Liebe, dem Irrtum die Wahrheit, den Beleidigungen und Schmähungen die Vergebung entgegenstellen und Gott bitten, daß die Feinde der Religion aufhören mögen, diese zu verfolgen, sowie daß, wenu die Freiheit der Kirche wiederhergestellt ist, alle, auch solche, die nicht Katholiken, aber Freunde der Zivi lisation und der Rechtlichkeit sind, mit uns zu sammen arbeiten zum allgemeinen Wohl und für das Glück ihres Vaterlandes.", Holland. * Das Haager Bureau hat jene Mächte, die besondere Anträge zur Friedenskonferenz zu stellen wünschen, schriftlich aufgefordert, ihre An träge umgehend einzureichen. Dänemark. * Im Landsthing erklärte der Minister des Äußern in Beantwortung einer Anfrage, daß Dänemark immer anerkannt habe und fort fahren werde, geltend zu machen, daß nach den Bestimmungen des Völkerrechts die Passage durch die dänischen Durchfahrtsgewässer frei und offen für alle Schiffe sei. Hoffentlich verstummen nun die englischen Gerüchte von einer deutscherseits betriebenen und beabsichtigten Schließung der O sts e e. Portugal. * Wegen des Studentenstreiks in Lissabon hat die Negierung die Unterbrechung der Vorlesungen an der Universität Coimbra Md allen höheren Schulen Portugals ange ordnet; nur die höheren Militärschulen bleiben offen. Rußland. *Jn dem Streite zwischen dem Mi nisterpräsidenten Stolypin und dem Präsidenten der Reichsduma über die Grenzen der Machtbefugnis der russischen Volks vertretung ist nicht zum wenigsten durch das entgegenkommende Verhalten des Ministerpräsi denten eine Einigung erzielt worden. Und zwar ist man dahin übereingekommen, daß die Duma in Zukunft Sachverständige zur Abgabe von Gutachlen beiziehen, sie aber nicht zu den Beratungen in den Kommissionen zulassen darf. Damit ist wieder ein Konfliktstoff aus der Welt geschafft, der ein ersprießliches Zusammenarbeiten von Regierung und Duma eine Zeitlang ernst lich in Frage stellte, und Golowin hat sich zweifellos ein großes Verdienst um die Entwicke lung seines Vaterlandes dadurch erworben, daß er sich nicht darauf versteifte, zweifelhafte Rechte der Duma zu verfechten, sondern der Regie rung die Hand zu einem annehmbaren Ver gleiche bot. Zus ciem Aeickstage. Der Reichstag setzte am Montag die zweite Be ratung des Etats für das Reichsamt des Innern fort. Abg. Horn (soz.) besprach, wie alljährlich bei diesem Gegenstände, die Lage der Arbeiter in der Glasindustrie. Abg. Dirksen (freikons.) kündigte einen freikonservativen Antrag über die Reform der Gesindeordnung im preußischen Abgeordnetenhause an und polemisierte dann gegen die Sozialdemo kratie und ihren gegen die Arbeitswilligen bei Streiks gerichteten Terrorismus. Staatssekretär Graf Posadowsky bemerkte hierzu, daß sich das Reichsjustizamt bei der Schaffung des neuen Straf gesetzbuchs auch um eine schärfere Fassung aller gegen ungerechtfertigten Zwang gerichteten Be stimmungen bemühe, da aber gegen eine Ein schüchterung Arbeitswilliger mit außerordentlichen Mitteln um so weniger anzukämpfen sei, als sich in der Mehrzahl der Fälle nachträglich weder Anzeiger noch Zeugen finden. Abg. Potthoff (frs. Vgg.) wies gegenüber dem Abg. Dirksen auf den Terro rismus hin, der seitens mancher Arbeitgeber, z. B. der Hamburger Reeder, erfolgt sei. Auch den Privat- und Staatsbeamten dürfe das Recht auf freien Zusammenschluß nicht verkümmert werden; die Einzelstaaten und Eisenbahnverwaltuugen seien harte Arbeitgeber. Abg. Junck (natl.-lib.) trat gleichfalls für ein freies Koalitionsrecht ein, er sprach die Erwartung aus, das neue Bereinsgesetz werde besser sein, als die Gewerkschaftsborlage, und ein Werk im Sinne des Grafen Posadowsky, von dem man sich noch viel Gutes versprechen dürfe. In ähnlichem Sinne sprach dann noch der Abg. Schiffer (Zentr.), der Vorsitzende des christlichen Gewerkschaftsverbandes. Am 16. d. wird die zweite Lesung des Etats des Reichsamts des Innern fortgesetzt. Abg. Sachse (soz.): Auch der Abg. Schiffer hat das Lied der andern Parteien gegen die Sozial demokratie angestimmt. Von den polizeilichen Schikanen kann auch unsre Partei ein Lied singen, namentlich bezüglich der Behandlung der Gewerk schaften, denen man unter allen möglichen Vor wänden die Versammlungssäle abtreibt. Wenn die Reichspartei sich die Sozialpolitik des Frhrn. von Stumm zum Muster nimmt, so danken wir dafür. Frhr. v. Stumm hat seine Arbeiter vollständig rechtlos gemacht, er gestattete ihnen nicht einmal, sich zu verheiraten. Von einem Terrorismus in dem von Herrn v. Dirksen behaupteten Umfange ist keine Rede, vielmehr kann man von einem allzu großen Terrorismus der Unternehmer sprechen. Ich hoffe, daß die Regierung sich nicht von den Scharf machern aufs Glatteis führen läßt, und daß sie nicht der Forderung nach einem neuen Zuchthaus gesetz nachkommt. Die Unfallverhütungsvorschristen in den Bergwerksbetrieben müssen, um sie auch für die ausländischen Arbeiter wertvoll zu machen, in verschiedenen Sprachen zum Anschlag gelangen, dadurch würde ein großer llbelstand beseitigt werden. Abg. v. Staudy (kons.): Abg. Naumann hat sich namentlich über das langsame Tempo in der Sozialpolitik beschwert. Ich hoffe, daß er nach der trefflichen, staatsmännischen Rede des Grafen Posadowsky andrer Ansicht geworden ist. Es fällt keiner Partei ein, eine Fortbildung unsrer Sozial politik nickt für nötig zu halten. Von einem Miß trauen gegen die Arbeiter ist nicht die Rede. Miß trauen haben wir nur gegen die Agitatoren, die in unzulässiger Weise niedrige Instinkte bei den Menschen hervorzurufen suchen, welche alles nieder reißen wollen, was besteht und unbedingt bestehen muß, und was uns und auch Herrn Naumann hoch und heilig ist. Bezüglich der Zusammenlegung der drei großen Versicherungsarten scheint sich der Staatssekretär widersprochen zu haben, er nahm jetzt gegenüber früheren Erklärungen eine ab lehnende Stellung ein. Staatssekretär Graf Posadowsky: Es würde sich nicht empfehlen, die großen, auf gewaltige Industrien ausgebauten Berufsgenossenschaften auf zuheben, die ebenso wie die Krankenkassen und landwirtschaftlichen Genossenschaften große Ver mögen gesammelt haben. Dadurch würde auch sehr viel tatsächliche Sachkenntnis verloren gehm. Das Verfahren innerhalb der Korporationen muß vereinfacht werden, aber die Schaffung eines großen zentralistischen Organismus für jedes Land oder jede Provinz ist, wenn überhaupt möglich, so doch nur schrittweise durchzuführen. Darin gebe ich dem Abg. Staudy allerdings recht, daß man heute, wenn es sich um die erste Schaffung der drei Versiche rungszweige handeln würde, keine getrennten Organismen ins Leben rufen würde; wenn der Herr Abgeordnete aber die gegenwärtige Vorlage sehen wird, so wird er finden, daß sie ein großes Maß von Arbeit in sich enthält und einen sehr großen Fortschritt bedeutet. Man hat ferner das bestehende Markensystem getadelt; eingehende Prüfun gen haben uns aber davon überzeugt, daß dieses System allein den beiden wichtigsten Faktoren der Arbeiterversicherung, nämlich der Länge Ler Arbeits zeit und der Höhe des Lohnes Rechnung zu trage» vermag. Redner stellt sodann gegenüber dem Ws- Dirksen fest, daß die Aushebung des Verhinduugs' Verbotes zwischen politischen Vereinen im Iah" 1899 auf Grundlage des Regierungsversprechens dei Reichskanzlers Hohenlohe erfolgt sei, somit mit de» „Arbeitswilligengesetz" (der ZuchthausvorlagH keinem Zusammenhang gestanden habe, und besprich! dann in kurzen Worten einen mit seiner eignen mcrkung über die Einführung einer englischen Iuva' lidenversicherung im Zusammenhang stehenden NrW Lord Roseberys in den .Times'. Abg. Trimborn (Zentr.) präzisiert die Stellv»! des Zentrums zu den einzelnen Resolutionen. Abg. Müller- Meiningen (srs. Vp.) tritt M eine Ausdehnung des Vereins- und Versammlung!' rechts auf die Frauen ein. Darauf wird ein Antrag auf Schluß der Debatte angenommen. ES folgt die Abstimmung über die Resolutione« zum Etat des Neichsamtes des Innern. Diese e" gibt die Annahme sämtlicher Resolutionen mit Aus' nähme der Resolutionen Pauli (kons.) betr. A«' sammlung eines Reservejonds bei der Unfall' verstcherungsgesetzgebung — und Albrecht n. Ge» (soz.) betr. den Achtstundentag in der Glasindustrie- Darauf tritt das Haus in die Spczialdebatte ei» Eine Reihe von Titeln wird debattelos ge nehmigt. Es folgt das Kapitel „Allgemeine Fonds". Äbg> Held (nat.-lib.) wünscht eine größere Förderung der deutschen Küstenschiffahrt. Der Antrag wird naS kurzer Debatte angenommen. Abg. Erzberger (Zentr.) bemerkt bei de« „Dampfersubvcntionen", daß die gesetzliche 14lägW Fahrt der Ostasrikalinie nicht eingehalten worde» und daß die Frachttarife im freien Verkehr billiget seien. Staatssekretär Graf Posadowsky: Bei de« vom Vorredner gerügten Verhältnissen handelt ei sich lediglich um provisorische verjuchsweise Ei«' richtungen; die gegenwärtigen Verhältnisse der O«' afrika-Linie entsprechen den Bedürfnissen unsrer Kolonien, und ich empfehle Ihnen aus praktische« Gründen, es vorläufig ohne gesetzliche Festlegung i« belassen. Direktor des Reichsamts des Innern vo« Joncquiöres: Eine regelmäßige 14 tägige Ve" bindung ist lediglich im Interesse der Post gelegen! für den Personenverkehr ist sie vorläufig noch nit« unbedingt notwendig. Eine Abänderung des G" setzes dürste nicht geboten sein. Die Meinung, daß die Tarife auf einer subventionierten Linie billig" sein müssen als im freien Verkehr, ist unrichtig, ei«e subventionierte Linie muß unter Berücksichtigung der Subvention noch eine mäßige Verzinsung briuge«- Das ist der Grundsatz der Kalkulation. Abg. Semler (natl.) pflichtet den Ausführung«« des Direktors des Reichsamts des Innern bei und betont, daß die Ostafrika-Linie von den Kolonie« allein nicht bestehen könne. Abg. Arendt (frei!.): Ich glaube, daß di« Ostafrika-Linie den Interessen unsrer Kolonien ent' spricht; ob ihr Fahrplan formal noch dem Gesetz von 1894 genügt oder nicht, ist unter solchen Ge> sichtspunkten doch nebensächlich. Abg. Noske (soz.) bemerkt zum Titel „Zuschuf zu dm auf Grund des Jnvaliden-Vcrsichcrungs' gesetzcs zu zahlenden Renten", daß der Zuschuß diesmal geringer sei als im Jahre vorher, trotzde:« die Zahl der Unfälle gewachsen ist. Der Titel wird bewilligt. Ohne weitere erhebliche Debatte werden be' willigt: der Nest der „Allgemeinen Fonds", da! Kapitel „Reichskommissariate", das Kapitel „Bundes» amt für das Heimatwcsen", bei dem die AbM- Kulerski (Pole), Brcjsli (Pole), Bebel (soz.) und Müller-Meiningen (frs. Vp.) über die Erschwerung der Naturalisation von Ausländern Klage führe« und Unterstaatssekreiär Wermuth eine Revision des Gesetzes in Aussicht stellt. Ferner wird fast ohne Debatte erledigt: das Kapitel „SchiffsVermessung!' amt", die „Entscheidenden Disziplinarbehörden", die „Behörden für die Untersuchung von Sccunsällen", „Statistisches Amt" und die „Normal-Eichungs' kommission". Darauf vertagt sich das Haus. Von uns fern. Die Geschenke des Kaisers an das Carnegie-Institut in Pittsburg (Ver. Staaten) bestehen, wie Staatsminister v. Möller am kündigte, in einem wertvollen Werke del Staatsölonomie aus dem Ministerium des Innern, Nachbildungen wertvoller Stahlstiche aus dem 15. bis 18. Jahrhundert, Porträts des Kaisers, des Prinzen Heinrich, Washingtons, Roosevelts und Jeffersons, einer Sammlung alter persischer Gedichte und einer Sammlung militärischer Schriften fowiewissenschaftlicherWerlc. K Gestörtes Glück. 2j Kriminalroman von A. v. Trystedt. (Fortsetzung.) Wenngleich Fokmer, der ein sehr klares Auffassungsvermögen besaß und eisernen Fleiß au die Erlernung des technischen Postdienstes setzte, sich alsbald die nötigen Kenntnisse dieses m unsern Tagen so komplizierten Dienstes an geeignet hatte, so gab es doch noch mancherlei Dienstverrichtungen, die ihm, wie man zu sagen pflegt, nicht recht von der Hand wollten. Es war dies kein Mangel an Geschicklichkeit des jungen Mannes, die Ursache des „Andenfingern- klebens", wie sein älterer Kollege ungeschicktes Arbeiten nannte, lag vielmehr darin, daß der Vorsteher der Postanstalt Fokmer bis vor kurzem nur von Zeit zu Zeit aushilfsweise zu den Postdienstgeschäfien heranzog. Dieses Nichtvertrautsein mit den technischen Funktionen seines neugewählten Berufes, das unter Umständen manches Gefahrvolle in sich birgt, sowie eine ausgesprochene Vertrauens seligkeit im Geldverkehr schienen Fokmer ver hängnisvoll geworden zu sein, wenn wir aus seinem geschilderten Charakter eine Veruntreuung des, wie der alte Steiner angedeutet, plötzlich verschwundenen Geldbriefes nicht für wahrschein- Lch halten können. Bei seinen Kollegen stand Fokmer, trotzdem er außer der Dienstzeit selten mit ihnen ver kehrte und seine Zeit ausschließlich dem Studium seines Faches oder den Wissenschaften widmete, in besonderer Achtung, da er freundlich und be scheiden austrat, gern sich belehren ließ und bereitwilligst bei sich darbietender Gelegenheit andre im Amte vertrat. Nur sein kopfhänge risches grübelndes Wesen gefiel ihnen nicht. Trotzdem lebte er mit den Kollegen im Frieden und erfreute sich, da sein Lebenswandel ein sittlich lauterer war, der besonderen Gunst aller, die ihn näher kennen gelernt hatten. Amalie hatte im Postamte am Abend der Verhaftung Fokmers nur so viel von dem Vor steher der Postanstalt erfahren, daß es sich um das rätselhafte Verschwinden eines Geldbrieses mit mehreren tausend Mark handle, welchen unterschlagen zu haben Fokmer dringend ver dächtig erscheine. Mit aller Reserve hatte der dem jungen Beamten wohlwollende Vorgesetzte gegen die von dieser Nachricht wie nieder geschmetterte Braut die Äußerung getan: Nach den Ermittelungen über den so eigentümlichen Fall und den sich hierbei ergebenden Neben umständen schiene Fokmer allerdings dringend der Untreue verdächtig, aber nach seiner persön lichen Überzeugung hielte er ihren Bräutigam einer solchen verbrecherischen Tat nicht für fähig. War das nun des Mannes wirkliche Über zeugung gewesen oder wollte dieser der be stürzten jungen Dame nur einige tröstende Worte mit auf den Weg geben, immerhin war Amalie beruhigter gegangen als gekommen. Auch die Mutter Amaliens, der eine ge schwätzige Freundin schon am Tage nach der Verhaftung ihres demnächstigen Schwiegersohnes diese Nachricht geflissentlich überbracht hatte, zeigte sich darüber durchaus nicht so beunruhigt und ergriffen, als man hätte vermuten können. „Herr Fokmer", sagte sie sanft und würde voll, „ist ein Ehrenmann, der einer gemeinen Handlung unfähig ist. Glauben Sie mir, wer so wie ich, Blicke in sein selbstloses, edles Herz getan hat, wird nie zu dem Glauben zu über reden sein, der Mann sei doch nur ein elender, heuchlischer Verbrecher." Das etwa war die erste Antwort auf die verleumderischen Reden andrer, die sich herbei ließen, in wegwerfender Weise über den Ver hafteten zu sprechen. 3. Es ist nun wohl an der Zeit, den Tat bestand des vorliegenden Falles durchzugehen. Wir können dies an der Hand der stattgegehabten Untersuchung. In den vorigen Kapiteln wurde bereits er wähnt, daß der Postsekretär Fokmer im Ver dachte stand, einen Wertbrief unterschlagen zu haben. Der in Frage stehende Brief war am 30. Oktober in Hamburg von einem Bankhause an die Adresse Rother u. Komp, in D. nnt sechstausend Mark in Banknoten zur Post be fördert worden und am Spätnachmittage des nächsten Tages in D. auf dem Postamte richtig eingetroffen. Der Beamte, welchem die Bearbeitung der angekommenen Postsachen zurzeit oblag, war Fokmer gewesen. Genannter Wertbrief war mit mehreren andern unter denen ein zweiter mit ebenfalls sechstausend Mark Wertinhalt sich be funden hatte, gleichzeitig in D. eingegangen, in das betreffende Eingangsbuch für Wertsendungen richtig eingetragen, aber nicht zu Händen der Empfänger, Rother u. Komp., gelangt, was d« Chef dieser Firma veranlaßte, nach dem Ba» bleib des Wertbriefes, der am 1. November bereits erwartet wurde, zwei Tage spät« auf dem Postamte Nachfrage zu halten. Die Bestürzung und Ratlosigkeit unter dem ganzen Postpersonal war eine große, als »ach langem Suchen und Forschen festgestellt war: der Wertbrief ist, während Fokmer ihn unter den Händen hatte, in Verlust geraten — ge stohlen wagte man im ersten Augenblick »och nicht zu sagen. Diese fatale Entdeckung wurde am 2. No vember nachmittags, also zwei Tage nach Eis gang des Wertbriefes, gemacht. Der Vorfall wurde postseitig und auch vor* Empfänger iu den ersten Tagen tunlichst gehen» gehalten, da man noch der Meinung war, der Wertbrief würde sich wiederherbeischaffen lassen. Er konnte zwischen die abzusendenden Briese geraten und mit diesen nach einer andern Post austatt weiter gesandt sein, was ja schon ost passiert war. Mein diese einzige, schwache Hoffnung er wies sich bald als trügerisch. Auf alle tele graphische Anfragen wegen des Geldbriefes bei den in Betracht kommenden Postaustalte« lauteten die Antworten stets verneinend. Wo ist der Geldbrief geblieben? fragte mas sich endlich, als man vor d« nackten Tatsache stand: der Geldbrief fehlt. Nächst Fokmer wurde von diesem Verlust« der bejahrte Vorsteher der Postanstalt, Post direktor Schulz, am meisten getroffen. De« schon an die vierzig Jahre in dem Postdienst«
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