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Allgemeiner Anzeiger : 27.03.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-03-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190703279
- PURL
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19070327
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1907
-
Monat
1907-03
- Tag 1907-03-27
-
Monat
1907-03
-
Jahr
1907
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 27.03.1907
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poUtifcke kunölckau. Deutschland. * Am Geburtstage Kaiser Wilhelms I. (22. d.) begab sich das Kaiserpaar ins Mausoleum zu Charlottenburg und legte am Sarkophag einen Kranz nieder. *Als neuer Regent für das Herzogtum Braunschweig wird Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg-Schwerin vom Regentschaftsrate der Landesversammlung vorgeschlagen werden. Diese tritt am Dienstag zusammen und dürfte dann die Wahl vollziehen. — Andern Nachrichten zufolge hat der Regent schaftsrat noch keine Bestimmung über die Person des zukünftigen Regenten getroffen. (Herzog Johann Albrecht hat von 1897 bis 1901 für den minderjährigen Großherzog Friedrich Franz IV. die Regentschaft in Mecklen burg-Schwerin geführt und sich damals das Vertrauen des Landes in hohem Maße er worben. über die Grenzen seines engeren Vaterlandes hinaus ist er als eifriger Förderer aller kolonialen Bestrebungen bekannt.) * Reichskanzler Fürst v. Bülow wird sich zu 14tägigem Aufenthalt an die Riviera (Italien) begeben. * Der Reichstay hat sich nach vier wöchentlicher Tagung bis zum lO. April in die Ferien begeben. Die gesetzgeberische Arbeit, die der Reichstag in der Zeit vom 19. Februar bis 20. März geliefert hat, ist nicht allzugroß. Von den zehn Regierungsvorlagen, die ihm zu gegangen waren, hat er folgende vollständig in allen drei Lesungen verabschiedet: die beiden Kolonialnachtragsetats für 1906, den Entwurf betr. den Hinterbliebenen-Versicherungsfonds, die Vorlage über die Berufs- und Betriebs zählung, die Kontingentierungsvorlage für Brennereien, den Vertrag über den Beitritt Luxemburgs zur norddeutschen Brausteuer gemeinschaft, das Etats-Notgesetz für April und Mai. In erster Lesung wurden erledigt: der Etat für 1907, der Ergänzungs-Etat für 1907, die Maischbottichsteuernovelle; noch gar nicht beraten wurde der Entwurf für den Gebühren tarif des Kaiser-Wilhelm-Kanals. * Das preuß. Abgeordnetenhaus hat sich bis zum 10. April vertagt. * Die hessische Ständekammer nahm einen Gesetzentwurf an, der allen Beamten in Darmstadt. Mainz, Offenbach, Worms, Gießen und Bingen bei einem Einkommen bis zu 2000 Mk. 12 Prozent und über 2000 Mk. 8 Prozent, ferner allen übrigen Beamten des Landes 8 bezw. 6 Prozent ihres Einkommens Wohnungsgeldzuschuß gewährt. Ebenso wurde ein Gesetzentwurf angenommen, wonach die Lehrergehälter eine wesentliche Aufbesserung er fahren sollen. *Der Landesausschuß für Els aß-Loth ringen bewilligte 450 000 Mk. für Zulagen an Mittel- und Unterbeamte, die ein Gehalt bis zu 3000 Mk. beziehen, und stellte für 1908 eine Gehaltsaufbesserung für diese Beamten kategorie in Aussicht, dergestalt, daß sie den gleichen Beamten in Preußen und dem Reiche lm Gehalte gleichkommen. * Die Hamburger Bürgerschaft wählte zum Präsidenten den Landgerichts präsidenten Engel, zum ersten Vizepräsidenten Blinckmann aus der Fraktion der Linken, zum zweiten Vizepräsidenten Persiehl vom Zentrum. Osterreich-Ungarn. *AuS Budapest kommt die überraschende Meldung, daß die bisherigen Ausgleichs- verhandlungen ergebnislos geblieben sind. Die Lage wird als sehr ernst aufgefaßt. Die österreichischen Minister reisten bereits von Budapest ab, nur der Ministerpräsident Freiherr v. Beck bleibt dort, um über die Hauptschwierig keiten und die Fortsetzung der Verhandlungen sowie über die Schaffung eines wirtschaftlichen Zwischenabkommens zu beraten. * Von den ruthenischenStudenten, die an dem Krawall in der Lemberger Univer sität teilgenommen haben, sind 11 für immer und vier auf einige Semester von der Universität ausgeschlossen worden. Frankreich. * Die geplanten großen Manöver des französischen Mittelmeergeschwaders wurden, angeblich infolge Erkrankung des Ad mirals Caillard, verschoben. * Unter den Mitgliedern der Kommission, die zur Prüfung der in der päpstlichen Nunzmtur zu Paris beschlagnahmten Papiere ernannt sind, befinden sich der ehemalige Marine minister Pelletan und der Sozialistenführer JauM. Die Kommission wünscht schleunige Veröffentlich u ng sämtlicher beschlagnahmter Akten. England. * Die Regierung gab nach einer 27 stündigen Sitzung gelegentlich der Heeresetats debatten im Unterhaus die Erklärung ab, Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg- Schwerin. daß sie gegen den Bau eines Tunnels unter dem Kanal zwischen Frankreich und England sei. Infolge der ablehnenden Haltung der Regierung hat die Vorlage über den Bau eines Kanal-Tunnels keine Aussicht auf An nahme und wird daher vermutlich zurückgezogen werden. * Das Polizeigericht hat über die 75 Frauenrechtlerinnen, die einen erneuten Sturm auf das Unterhaus versucht hatten, well die Regierung ihre politischen Wünsche nicht tatkräftig unterstützt, und verhaftet wurden, das Urteil gesprochen. Sie wurden zu Geldstrafen oder zwei bis vierwöchentlichem Gefängnis verurteilt. Italien. * Der Papst empfing den französischen Missionar Kapuzinerpater Bernard, der ihm ein eigenhändiges Schreiben des Negus Menelik von Abessinien und im Auftrage des Negus selbst den Großkordon des Sterns von Äthiopien überbrachte. Der Negus versichert dem Papst, daß den Katholiken Äthiopiens unter seiner Herrschaft der Schutz der Gesetze und die reli giöse Freiheit in vollem Maße gewährleistet werden und daß sie ihm wie einem guten und gerechten Vater vertrauen dürfen. * Der Senat nahm den Gesetzentwurf betr. die Herabsetzung deS Petroleum zolles an. * Die Arbeiterunruhen nehmen einen bedrohlichen Umfang an. In Villa d'Offola, wo die Fabriken aus Mangel an Eisenbahn wagen geschlossen werden mußten, stürmten mehrere tausend Arbeiter den Bahnhof und ent luden gewaltsam einen auf der Simplonlinie durchfahrenden Güterzug. Der Streik ländlicher Arbeiter nimmt auch in den Provinzen Novara und Ferrara zu. In Argenta verhinderten Scharen von Frauen einen Angriff der Kavallerie auf die Aufständischen, indem sie sich mit^ ihren Kindern vor die Pferde warfen. Dänemark. *Das Landsthing hat den Gesetzentwurf betr. staatlich anerkannte Unterstützungs- kassen für Arbeitslose in dritter Lesung genehmigt; damit ist das Gesetz endgültig angenommen. Rußland. *Der Präsident teilte der Duma mit, daß dem Präsidium außer dem Budget ^Gesetz entwürfe übergeben worden wären, deren Inhalt in der Erklärung des Ministerpräsidenten Stolypin angedeutet wurde. In einer der nächsten Sitzungen wird beschlossen werden, in welcher Reihenfolge diese Gesetzentwürfe geprüft werden sollen. Balkaustaaten. * Die rumänische Regierung, die durch die Bauernunruhen völlig überrascht wurde, konnte die schlimmsten Greuel, die von den auf ständischen Bauern an den Juden verübt wurden, nicht hindern. In Mihaleny flohen Hunderte von jüdischen Pächtern, alles Eigentums beraubt, über die österreichische Grenze. Die Regierung beschloß einen Gesetzentwurf gegen diePächter- vereinigungen in der Kammer einzu bringen, der dem Landwucher steuern soll. Man hofft, daß ein solches Gesetz die Gemüter be ruhigen wird. Im übrigen werden große Streit kräfte aufgeboten, um weitere Unruhen mit Waffengewalt zu verhindern. * Ministerpräsident Gudew gab in der Sobranje die Erklärung ab, daß das neue Kabinett in der inneren und äußeren Politik in die Fußstapfen desKabinettsPetkow treten werde. Amerika. *Jn dem Kriege zwischen Honduras und Nicaragua scheint sich der Sieg nach manchen Wechselfällen auf die Seite der an greifenden Nicaraguaner zn neigen. Nach einer Washingtoner Meldung bedroht die nicara guanische Armee die Hauptstadt von Honduras; auch sind die Küstenstädte von Honduras der feindlichen Flotte überlasten. Die Ver. Staaten, sowie England haben Kriegsschiffe in die mittelamerikanischen Gewässer entsandt, um ihre Staatsangehörigen und deren Interessen zu schützen. Afrika. * Bei Eröffnung des Transvaal- Parlaments teilte der Oberkommiflar Earl of Selborne mit, das Ministerium werde baldigst Maßregeln gegen die Beschäftigung von Chinesen in den Minen treffen. Über äie Ankunft von Süäweltafrika schreibt der ,B. L.-A/: „Nachdem der Friede in Südwestafrika wiedsrhergestellt ist, bildet natur gemäß die Wiederherstellung der vernichteten Farmen und die Besiedelung neuer, geeigneter Gebiete die Hauptsorge der Kolonialverwaltung. Bekanntlich haben zahlreiche Angehörige der Schutztruppe, die unten gefochten haben, den Wunsch geäußert, sich ansiedeln zu dürfen. Aber auch andre Personen, die zum Teil nennens werte Kapitalien in Ackerbau und Viehzucht in Südwestafrika anlegen möchten, melden sich in großer Zahl, ebenso viele Handwerker und Kleingewerbetreibende, die den erhofften Auf schwung der Kolonie mitmachen wollen. Der Leiter der Koloniabteilung hat sich nun ent schlossen, die Ansiedlung zwar systematisch, aber vorsichtig, unter tunlichster Sicherheit der ange- botenen Kapitalien zuzulassen. So werden An siedler, denen die Kolonie unbekannt ist, auch wenn sie das notwendige Kapital nachweisen, nicht ohne weiteres zugelasten. Vielmehr hat Kolonialdirektor Dernburg bestimmt, daß solche Anwärter zunächst in die Kolonie gehen, bei einem ansässigen Farmer studieren und arbeiten müssen und erst, wenn sie nach sechsmonatiger Lehrzeit, nachdem sie Klima und Bodenverhält nisse kennen gelernt haben, so viel Vertrauen in ihre Zukunft als Farmer in Südwestafrika setzen, daß sie bleiben wollen, wird ihnen gegen möglichst preiswertes Kaufgeld Land überlasten. Auf Anfrage der Kolonialleitung haben zahl reiche Farmer sich bereit erklärt, kauflustige Schüler gegen verhältnismäßig geringes Entgelt in ihre Farmen aufzunehmen. Dagegen gestattet die Kolonialverwaltung zuverlässigen, tatkräftigen Männern, die während der letzten Kämpfe die Kolonie kennen gelernt haben, sich sofort nieder- zulasten. Männer, die zwei Jahre und länger unter dem Zelt gelebt haben, werden es auch noch ein halbes Jahr weiter tun, bis sie sich ihr Farmhaus aufbauen können, ohne von vornherein Geld dafür anzulegen. Auf diese Weise hofft die Kolonialverwaltung die Über gangszeit für die Kolonie und für die Farmer am besten zu überwinden und schließlich dahin zu kommen, daß jeder Farmer neben dem schwarzen Arbeitspersonal noch einen Weißen als seinen Stellvertreter sich wird halten können. In der Voraussetzung, daß die angekündigte Entschädigungsvorlage für die Farmer vom Reichstag angenommen wird, kann dann ein gesunder Aufbau und ein normales Wachstum der Ansiedlungen erwartet werden. Der Strom der Handwerker und Kleingewerbetreibenden wird ebenfalls vorläufig eingedämmt, damit auch jeder, der hinausgeht, Beschäftigung findet und keine Existenz aufs Spiel gesetzt wird. Man wird von diesem ruhigen und planvollen Vorgehen deS Leiters der Kolonialabteilung im Interesse der Kolonie und der Ansiedler nur mit Befriedigung Kenntnis nehmen können." ^on unä fern. t. Kaiserliche Belohnung einer jugend lichen dreifachen Lebensretterin. Ein mut volles Mädchen ist die 12 Jahre alte Tochter des Rittergutsbesitzers Rohde zu Zanderborken in Ostpreußen. Im Juli v. rettete es nämlich drei in einen Teich gefallene, des Schwimmens unkundige Kinder bei eigener großer Lebens gefahr vom Tode des Ertrinkens. Der Kaiser hat jetzt diese brave Tat durch eine öffentliche Belobigung geehrt und dem Mädchen für später die Verleihung der Rettungsmedaille in Aus sicht gestellt. — Auch den Schulmädchen Elise Otto und Elfriede Landeck zu Jeschkendorf in Schlesien wurde für die Errettung eines 5jährigen Knaben vom Tode des Ertrinkens im Auftrage des Kaisers eine öffentliche Belobigung durch den Regierungspräsidenten ausgesprochen. X Unter dem Verdacht der Spionage verhaftet wurde in Itzehoe ein französischer Deserteur. Wie jetzt von dort weiter berichtet wird, ist inzwischen die Freilassung des Ver hafteten erfolgt. Er wandte sich von Itzehoe nach Tondern, um den Zeitungsverleger Thamsen zu fordern, weil dieser den Artikel über die in Itzehoe erfolgte Verhaftung in seinem Blatte gebracht hatte. Der Franzose erschien in der Wohnung des Verlegers und verlangte Genugtuung, indem er seine Karte abgab. Der tief in seiner Ehre gekränkte Ein dringling verließ die Wohnung erst, nachdem er auf die Folgen von Hausfriedensbruch auf merksam gemacht worden war. Am andern Tage erhielt die Polizei den Auftrag, den Mann festzunehmen; dieser hatte es aber in zwischen vorgezogen, spurlos zu verschwinden. Nene Unfälle auf der Grube Klein- Rofsel«. Auf dem zur Klein-Rosselner Grube gehörigen Schacht Karl verunglückten durch niedergehendes Gebirg zwei Bergleute. Der eine war sofort durch Bruch des Rückgrats tor, der zweite erlitt einen komplizierten Schädel bruch und starb bald danach. Beide Verunglückte hinterlassen Witwen und Kinder. — Zwei Leichen der auf Grube Klein-Rosteln bei der großen Katastrophe umgekommenen Bergleute wurden noch aufgefunden; unter Bruch liegt jetzt nur noch das letzte Opfer, Peter Müller aus Kochern. x Vorläufig aus der Untersuchungs haft entlassen wurde gegen Hinterlegung einer Kaution in Höhe von 10 000 Mk. Der Hof- und Leibjäger des Fürsten von Schwarzburg- SonderShausen, Isermann, der unter dem Ver dacht, die Privatschatulle deS Fürsten um 25 000 Mk. erleichtert zu haben, festgenommen worden war. Die kürzliche Verurteilung Iser manns zu neun Monat Gefängnis erfolgte, wie jetzt näher bekannt wird, weil er sich eine Zigarrenrechnung in Höhe von 640 Mk. an geblich doppelt bezahlen ließ. Der Angeklagte bestritt in der Verhandlung, diesen Betrug ver übt zu haben. K Getreu bis in äen Hoä. LZ) Erzählung von Martha Neumeister. (ForN-tmigU Elisabeth beschloß auf Georgs dringende Bitten, nicht mehr nach Wiesbaden zurückzu kehren, sondern den Haushalt vorher hier auf zulösen und ihre Sachen nach ihrer Abreise ihm zusenden zu lasten, damit er ihre künftige, gemeinsame Häuslichkeit mit Hilfe seiner Mutter, die wie bisher bei ihnen bleiben würde, wäh rend Elisabeths Aufenthalt in Rußland fettig einrichten könne. „Zum Weihnachtsfeste folge ich dir dann auf das stolze Schloß unsrer Kinder," sagte er mit strahlendem Lächeln, „um dich als mein geliebtes Weib in unser eigenes, trauliches Heim zurückzuführen." So trennten sie sich in seliger Hoffnung baldigen Wiedersehens. Mit innigen Motten schilderten ihr Georgs Briefe die rührende Freude der alten Mutter über seine Verlobung mit ihr; fast mit der gleichen Ungeduld und Sehnsucht wie er selbst, sähe sie zunächst Elisabeths Be such bei ihnen entgegen, um sich, wie er scherzend schrieb, Äug' in Auge überzeugen zu können, daß das „Prinzeßchen" nun wirklich noch ihr Töchterchen werden wolle. Seine treuen Liebesworte, die er ihr täglich sandte, waren sonnige Lichtblicke in den füllen, arbeits vollen Wochen, die Elisabeth in der allen Heimat noch durchlebte. Die Auflösung ihrer kleinen Häuslichkeit, in der sie ihr erstes, junges Glück einst begründet hatte, ward ihr trotz aller be glückenden Hoffnungen doch unendlich schwer. Da sie ihrer Tochter erst mündlich ihre bevor stehende Heirat mitteilen wollte, mochte sie die selbe auch ihren Freunden hier nicht anver trauen, so sehr sie auch mit Fragen über den Grund ihres Wegzuges von Wiesbaden be stürmt wurde. Sie fühlte wohl, daß sie den Vermutungen nicht wehren koritte, die ihr ferneres Geschick mit dem Leben ihres lang jährigen, überall verehrten Freundes vereinten, doch mit der ruhigen Sicherheit ihres' Wesens erklärte sie, zunächst nach kurzem Aufenthalt in Bettin zu ihrer Toch! er zu reisen und von dort aus ihren Bekannten hier nähere Mit teilungen über ihren künftigen Wohnort senden zu wollen. Wohl sah sie voll inniger Sehnsucht dem Wiedersehen mit Georg und Enka freudig und hoffnungsvoll entgegen, aber dennoch waren es bange und wehmütige Empfindungen, die ihr Herz bewegten, als sie am letzten Abend vor ihrer bedeutungsvollen Reise ihr leeres, verödetes Hejm zwischen den gepackten Kisten und Koffern üef aufatmend durchschritt. Zum letzten Male ging sie jetzt zu der stillen Ruhestätte ihres Gatten hinaus, und in stillem Gebet kniete sie an dem eufeugrünen Hügel. All die Jahre tiefen Leids und stiller Trauer, die sie hier durchlebt, standen mit deutlicher Klarheit vor ihrer Seele, während sie langsam auf dem Heimwege den wohlbekannten Waldpfad zu der kleinen, an Erinnerungen so überreichen Anhöhe hinauf schritt. Ein rauher Wind wehte die gelben Blätter von den trocknen Zweigen; wie mit geheimnisvollem Flüstern raschelte das welle Laub zu den Füßen der einsamen Frau, die sich füll auf die Bank unter dem Linden baum setzte, durch besten fast kahle Äste schwere Regenwolken grau und trübe hindurchschimmer ten. Hier an dieser Stätte hatte sie den Freund ihrer Kindheit nach Jahren der Trennung zuerst wiedergesehen, hier war ihr Gatte sanft und friedlich entschlafen, hier hatte sie vor kurzem den Bund ihrer neuen, alten Liebe mit Georg geschloffen. War es denn möglich, konnte ihr nach der Trübsal ihres Lebens jetzt, an der Schwelle des reifen Frauenalters, noch ein neues Liebesglück erblühen? Kalt und trübe umwehte sie die Herbstessümmung der Natur, und wie ein leises Frösteln durchlief es sie schauernd. 15. Von treuesten Wünschen ihrer Freunde be gleitet, reiste Elisabeth am andern Tage nach Berlin, wo sie Georg in der Frühe des nächsten Morgens am Bahnhof empfing und mit strah lender Freude in ihr künftiges gemeinsames Heim feiner Mutter zuführte. Bis zur Tür des Vorgärtchens, das die kleine Villa in einer der füllen Seitenstraßen des Tiergattens umrahmte, war ihr Frau Seeström entgegen gekommen und schloß die Braut ihres Sohnes mit tiefer Be wegung in die Arme. „Gott segne deinen lang ersehnten Einzug hier, Prinzeßchen," flüsterte sie leise. Wie traulich und behaglich glänzten die Hellen, freundlichen Räume im herbstlichen Sonnenschein, wie wohl und glücklich fühlte sich Elisabeth in der Liebe ihres Georg, in der rührenden Freude seiner Mutter, die ihr immer wieder versicherte, wie eS m der Tiefe ihres Herzens allzeit ihr innigster Wunsch gewesen, sie Tochter nennen zu dritten, und daß nun die endliche Erfüllung desselben wie ein Gottes segen ihr Alter verkläre und erhelle. „Weißt du noch, Prinzeßchen, wie du mich einst daheim in dem früheren Häuschen deiner Eltern besucht und dich so Wohl und heimisch bei mir gefühlt hast?" fragte sie herzlich. Elisabeth nickte ihr sinnend zu. „Ja, wie im Traume kam es damals über mich, als wäre ich durch Nacht und Nebel gewandert und hätte bei dir eine neue, sichere Heimat gefunden," erwiderte sie leise, „darf der Traum jetzt Wahr heit werden, Mutter?" Tief gerührt blickte die alte Frau zu ihr empor und küßte sie innig auf die Stirn. „Nun kann ich in Frieden heimgehen," sagte sie lächelnd, während sie zärtlich Elisabeths Hand ergriff, „denn ich lege meine Hausfrauen pflichten nun aus jüngere Schultern und weiß das Glück meines Georg in deiner Liebe ge- sichert und geborgen. Seine Gesundheit hat mir in letzter Zeit manche Sorge bereitet," fuhr sie bekümmert sott, „nach geistigen und körper lichen Überanstrengungen, wie sie sein Beruf hier so oft herbeifühtt, stellen sich häufig böst Herzbeschwerden bei ihm ein. Von seinem letzte» Besuche bei unserm armen, kranken Hans, beste» trostloser Zustand ihn aufs tiefste erschüttert hatte, kehrte er matt und angegriffen zurück, wenn er auch in seiner Rücksicht auf mich niemals über sein Befinden klagt." Mit jähem Erschrecken bückte Elisabeth, an Georgs Seite auf dem Sofa in seines Wohnzimmer saß, zu ihm empor; auch Pe hatte
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