Volltext Seite (XML)
politilcke Kunälckau. Zur Wahlbeweguug. Eine Beamtenversammlung des 1. Berliner Reichstagswahlkreises erklärte sich für Unter stützung der Kandidatur des Bodenreformers Adolf Damaschke. In dem Beschluß wurde aus gesprochen, daß in den heutigen Grund- und Bodenverhältnissen mit ihrer schrankenlosen Spc- kulationsfreiheit die Ursache der wirtschaftlichen Not aller arbeitenden Vevölkerungsklassen zu er kennen sei. — Im Wahlkreis Nieder- Barnim, wo Bürgermeister Ziethen-Lichten berg als gemeinsamer Kandidat aller bürger lichen Parteien proklamiert worden war, ist jetzt Professor Dr. Ludwig Gurlitt, der bekannte Vorkämpfer auf dem Gebiete der Schulreform, als liberaler Kandidat aufgestellt worden. — Der Zentrumskandidat für Osnabrück Schwedtmann hat seine Kandidatur, die zu viel fachen Spaltungen Anlaß gegeben hatte, nieder gelegt. Nunmehr wurde der Rechtsanwalt Bitter aus Kiel aufgestellt. — Das Zentnim proklamiert Wahltenthaltung für die Wahlkreise Eisenach, Mühlhausen-Langensalza und Erfurt- Schleusingen-Ziegenrück. — In Olden burg Hl hat der Schuldirektor Huntemann seine Kandidatur zurückgezogen, dafür wurde Bassermann als Zählkandidat aufgestellt. * * * ' Deutschland. * Der Kaiser wird, wie verlautet, im Laufe des Frühjahrs eine Fahrt nach dem Mittelmeer und im Anschluß daran seine Nord landsreise unternehmen. - * Kolonialdirektor Dernburg wird auch einer Einladung der Handelskammer zuHam - bürg Folge leisten und dort einen Vortrag über unsre Kolonien halten. i,.. * Deutschlands Politik in Marokko wurde in den letzten Tagen wieder häufig ver dächtigt, weil zwei frühere deutsche Offiziere in den Dienst des Sultans getreten sind, worin - verschiedene Mächte einen Vorstoß gegen die Abmachungen von Algeciras erblicken. Demgegenüber wird halbamtlich festgestellt, daß . Major v. Tschudi vom Sultan angestellt wurde, während Rittmeister Wolf lediglich als Begleiter des Majors nach Fes geht. * Der bayrische Kultusminister v. Wehner hat eine Dienstreise nach Halle, Berlin, Elberfeld angetreten, um die dortigen Oberrealschulen und technischen Unterrichtsan stalten zu besichtigen. Osterreich-Ungarn. * Trotzdem die Angriffe gegen den unga - rischen Iustizminister mit jedem Tage heftiger werden, wurde im Ministerrat be schlossen, den Minister nicht der gegen ihn er öffneten Hetze zu opfern, da seine Kollegen ihm das Vertrauen schenken; seine Feinde könnten nicht im Besitz irgend welcher Beweise für ihren Vorwurf, daß sich Polonyi habe gelegentlich be stechen lassen, fein. Frankreich. * Die Negierung hat bereits der Öffentlich keit Kenntnis von einigen der Schriftstücke gegeben, die in der Pariser Nunziatur be schlagnahmt wurden. Im wesentlichen handelt es sich um Verhaltungsmaßregeln, die der Pap st seinem Vertreter bei verschiedenen politischen Anlässen gab. Die Dokumente sind bei weitem nicht so bedeutungsvoll, wie man nach der Ankündigung Clemenceaus hätte glauben müssen. *Aus Douai wird gemeldet, daß, als den Rekruten des 15. Artillerie-Regiments in feierlicher Weise die Fahne vorgeführt wurde, ein Unteroffizier sich mit lauter Stimme in geringschätziger Weise über die vielen Ge schichten äußerte, die man wegen eines solchen „Fetzens" machte. Der Unteroffizier ist mit Degradation und acht Tagen Gefängnis bestraft worden. * Die Deputiertenkammer nahm einen Gesetz entwurf betr. Abänderung des gericht lichen Beistandes an. * Jm Senate stellte der Minister der öffent lichen Arbeiten den Bau neuer strategischer! Bahnlinien nach der italienischen Grenze für eine nahe Zukunft in Aussicht, da Frankreich nur zwei Zufahrtslinien nach Italien hat, während Deutschland deren acht besitzt. England. * Die N e u o r g a n i s a t i o n der A r m e e, die auf Befehl des Königs baldmöglichst be ginnen soll, sieht vor allem eine beträchtliche Vermehrung der Truppenteile für Telegraphen- und Brückenbau vor. Italien. *Der Papst empfing eine Anzahl franzö sischer Bischöfe in längerer Audienz. Wie es heißt, wurde die Lage der Kirche eingehend be sprochen. Zum Schluß ermahnte der Papst noch einmal die Priester zum Ausharren und gab der Hoffnung Ausdruck, daß die Zeit der Prüfung bald vorüber sein werde. Norwegen. * Dem Storthing wird ein Gesetzentwurf zugehen, wonach der schleunige Ausbau der Flotte und die Vermehrung des stehenden Heeres verlangt wird für den Fall, daß England, Deutschland und Rußland nicht in einen Neutralitätsvertrag mit Norwegen willigen sollten. Spanien. *Bei einer Kundgebung gegen daS Schulgesetz in Bilbao wurden acht Per sonen verwundet und etwa 30 verhaftet. Ruhland. * Schlimme Zeiten find jetzt wieder für die Petersburger Polizisten in ihrem un ausgesetzten Kampfe gegen die Terroristen ange brochen. Kein Tag vergeht, ohne daß mehr oder weniger hochgestellte Männer aus ihren Reihen ermordet oder im Kampfe mit ver dächtigen Leuten getötet werden. Bei einer in der Nacht im Stadtteil Wassiljewskij Ostrow vorgenommenen Haussuchung wurde die Polizei mit einer Revolversalve empfangen, wobei zwei höhere Polizeibeamte und ein Schutzmann ge tötet wurden. Kie Polizei mußte sich unter Salven, die von den Wohnungsinhabern abge geben wurden, zurückziehen. Das Haus wurde von Militär Mstellt. In der darauf folgenden Nacht wurde ebenfalls bei einer Haussuchung im Stadtteil PetersbUrgskij Ostrow ein Schutz mann erschossen. * Zum Präsidenten des ReichSrats für das erste Halbjahr 1907 wurde wieder Staats sekretär Frisch ernannt, zum Vizepräsidenten Geheimrat Golubew. Balkanstaaten. * Der serbisch-italienische Han delsvertrag und das Biehseuchenabkommen sind in Belgrad unterzeichnet worden. *Beim Neujahrsavancement in der bul garischen Armee wurden zu Armee- Inspektoren, die im Kriegsfälle Armee kommandanten sein werden, die bisherigen Divisionäre Iwanow, Petrow und Dikow er nannt. Amerika. * Präsident Roosevelt ist über den Zwist zwischen Kalifornien und Japan äußerst ungehalten. In einer Unterredung äußerte er in bezug auf den Schulstceit in San Francisco, es fei Amerikas unwürdig, die jüngste Weltmacht durch solche Kleinlichkeiten herauszufordern. Afrika. * Kriegsminister Gebbas, der Feldherr des Sultans, hegt die lebhafte Befürchtung, daß Raisuli mit seinen bisherigen Maßnahmen lediglich eine Täuschung des Oberkommandos der scherifischen Truppen über seine eigentlichen Pläne bezwecke. In Wahrheit beabsichtige Raisuli, die Abwesenheit der Sultanstruppen von Fes zu benutzen, um die Hauptstadt samt dem Sultan durch einen kühnen Hand streich in seine Gewalt zu bekommen. In folgedessen ließ Kriegsminister Gebbas alle Wege nach Fes stark besetzen. * Der französische Admiral Touchard wurde mit dem größten Teil seines vor Tanger liegenden Panzergeschwaders nach Frankreich zurückbeordert. Asten. * Der japanische Minister des Äußern richtete ein äußerst freundliches Schreiben an die eng lische Regierung, in dem er der Freude Japans über die Neuordnung der englischen Armee Ausdruck gibt. * Die fremden Gesandtschaften hatten im Palast zu Teheran eine Audienz, um dem neuen Schah von Persien ihre Glück wünsche zur Thronbesteigung anszusprechen. Der Schah richtete an jeden Gesandten einige Worte. Hierauf begab sich das gesamte diplo matische Korps nach dem Takieh-Theater, um dem verstorbenen Schah seine Ehrerbietungen zu erweisen. Wie verlautet, wurde dem ver storbenen Schah öffentlich der Name „Muzaffer der Gerechte" beigelegt. Aus dem Süden des Reiches kommen erneut die Nachrichten, daß der dritte Bruder des jetzigen Schah eine Truppe ausrüste, um Mohammed Ali vom Throne zu stürzen. Über äie neue ruMseke^nleike wird der ,D. WZ aus Petersburg geschrieben: Uber das Projekt des Staatsbudgets für 1907, das zurzeit im Finanzministerium beendet wird, wird im einzelnen noch folgendes gemeldet: Die ordentlichen Einnahmen sind auf 2175 Millionen Rubel veranschlagt; es wird erwartet, daß dieselben 147 Mill, mehr betragen werden als im Jahre 1906. Für ordentliche Ausgaben sollen 2173 Mill, (gegen 1906 mehr 141 Mill.) angewiesen werden. Die bedeutendste Erhöhung der Ausgaben weist die Zinszahlung für Staatsanleihen auf, nämlich 46 Mill. Für die Einführung des allgemeinen Schulbesuchs wird ein Kredit von 5V- Mill., für die Agrarorgani sation ein solcher von 4'/s Mill, beantragt, un abhängig von den im Jahre 1906 für diese Zwecke angewiesenen Summen. Die Aufbesse rung der Lage der Militärpersonen machten die Erhöhung des Ausgabebudgets des Kriegs- resforts um 12 Mill, erforderlich, wogegen die Ausgaben des Marineressorts, besonders für Schiffs- und Hafenbauten, um 23 Mill, herab gesetzt worden sind. Ungeachtet der Erhöhung der Ausgaben sowie der Mißernte in vielen Gouvernements und des Wegfalls der Ein nahme von 32 Mill, infolge der endgültigen Aufhebung der Ablösungszahlungen von 1907 ab decken die ordentlichen Einnahmen nach dem Budgetentwurf vollständig die ordentlichen Aus gaben, wobei sogar noch ein Überschuß von 1,6 Mill, verbleibt. Dieses Resultat ist aus schließlich dem Wachsen der Staatseinnahmen und dem Bestreben der Regierung zuzuschreiben, die Ausgaben auf das unbedingt Notwendigste zu beschränken. Eine wichtige Rolle bei der Deckung der erhöhten Ausgaben fällt dem Branntweinmono pol zu, von dem eine Mehreirmahme von über 104 Mill, erwartet wird. An Mehreinnahmen werden ferner erwartet von den Staatseisen bahnen 14, den Zöllen 11, der Zuckersteuer lO, der Gewerbesteuer 9, der Naphthasteuer 8 Mill, usw. Unter den außerordentlichen Ausgaben sind zur Deckung der Kosten des letzten Krieges 124 Millionen eingestellt worden, was gegen 1906 eine Verringerung um 266 Mill, ergibt. Für den Bau von Eisenbahnen wurden 6 Mill, mehr veranschlagt, zur Unterstützung der Be völkerung in dem Notstandsgebiete wurden 61 Mill, bestimmt und zur Tilgung der in Deutschland Ende 1906 emittierten kurzfristigen Verpflichtungen 53 Mill. Insgesamt betragen die außerordentlichen Ausgaben für 1907 298,6 Millionen. Zur Deckung der außerordent lichen Ausgaben wird beabsichtigt, den Rest der Einnahmen zu verwenden, der bei der Aus führung des Budgets für 1906 verbleiben muß nach vollständiger Deckung nicht bloß des Defizits von 481 Millionen, welcher in diesem Budget aufgeführt ist, sondern auch des Defizits von 158 Millionen vom Jahre 1905, der zu Anfang des Jahres 1906 emittierten kurzfristigen Ver pflichtungen und nach Bestreitung bedeutender außerbudgetmäßiger Ausgaben des verflossenen Jahres. Der für 1906 als Barbestand der Staatsrentei erwartete Rest der Staatseinnahmen, mit dem ein Teil der außerordentlichen Aus gaben gedeckt werden soll, wird wahrscheinlich nicht unter 55 Mllionen betragen. Zur Deckung des andern Teils der außerordentlichen Aus gaben ist eine Kreditoperation beabsichtigt, deren Umfang von den Eingängen des Jahres 1907 abhängen wird. Der Abschluß einer neuen Anleihe ist dadurch begründet, daß unter den außerordentlichen Aus gaben des Jahres 1907 bedeutende Summen zur Deckung der Kriegskosten und zur Unter stützung der notleidenden Bevölkerung aufgeführt sind, die aus ordentlichen Quellen zu decken selbst unter normalen Verhältnissen schwierig wäre. ssab unci ^ern. Zur Beobachtung der totalen Sonnen finsternis am 14. d. war Anfang Januar eine Expedition der Sternwarte zu Hamburg unter Leitung des Professors Schorr nach der Gegend von Djisak in der Goldnajasteppe in Mittel- Asien aufgebrochen. Leider wurde aber in der Hauptsache der Zweck der Expedition durch die Ungunst des Wetters vereitelt; der interessante Vorgang spielte sich hinter einem dichten Wolken- fchleier ab, und die verfinsterte Sonnenscheibe wurde nicht sichtbar. Die Ergebnisse der kost spieligen Expedition sind daher leider nur geringe. Zur Schiffskatastrophe in der Elb- mündnug. Der englische Dampfer „Pengwern", der in der Elbmündung strandete, war mit einer Ladung Salpeter aus Chile nach Hamburg unterwegs. Wie nunmehr feststeht, ist die ge samte Besatzung von 24 Mann in der tosenden Brandung ertrunken. Den gleichen Seemanns tod starb ein eben erst an Bord gekommener Lotse. Strandung des deutschen Dampfers „Lucie Woermann". Die gefährlichen Ge wässer des Golfes von Guinea haben ein neues Opfer gefordert. Wie aus Lome, der Hafen stadt des deutschen Togo-Schutzgebiets gemeldet wird, ist am 9. d. im Nebel an den Klippen der Togoküste der Woermann-Dampfer „Lucie Woermann", Kapitän Schade, gestrander. Voit und Passagiere sind glücklicherweise gerettet. Das Schiff ist noch dicht; Rnderstewen und Ruder sind gebrochen. Der Dampfer „Hans Woermann" versucht, das Schiff abzuschleppen. Die Reisenden konnten die Weiterreise mit dem Dampier „Alexandra Woermann" fortsetzen. Die „Lucie Woermann" hatte am 1. d. Kamerun auf der Reise nach Hamburg verlassen, hat Lagos ange- lausen und ist dann auf der Fahrt nach Lome verunglückt. Ein Raubunfall auf einen Beamten der Hamburg-Amerika-Linie ist in Hamburg auf offener Straße verübt worden. An den Beamten, der die Lohnzahlungsjumme für die Kaiarbeiter in Höhe von 1700 Mk. in einem Beutel mit i 'ich führte, trat ein unbekannter, dem Arbeiter- ftande angehörender Mann heran, eniriß ihm den Beutel und ergriff dann die Flucht. Der Täter entkam, ehe jemand an Verfolgung ge dacht hatte. Aufgehobene Spielergesellschast. In einer Wirtschaft in Essen a. d. Ruhr wurde nachts eine Spielergesellschaft, die hinter ver schlossenen Türen dem Glückspiel oblag, ausge- hoben. Die Bank wurde beschlagnahmt. W Setreu bis in äen Hä. 4) Erzählung von Martha Neumeister. Asrtsetzu»g.) Mit begeisterten Worten hatten Elisabeth einige Freundinnen erzählt, daß Herr von Bern storff oft scherzend von dm Kameraden „der ger manische Kriegsgott" genannt werde, und wahr lich, wie ein Mahlender Siegesheld erschien er chr, als seine schlanke Gestatt in der glänzenden . Uniform sich tief und ritterlich vor ihr verneigte und sie in sein schönes jugendfrisches Antlitz mit dem dichten, krausen Blondhaar und den Hellen, leuchtenden Augen blickte, die sie mit aufrichtiger Bewunderung betrachteten. Auch ihn, den weibliche Schönheit nicht so leicht zu entflammen vermochte, und den die Gunst der Frauen überall verwöhnt und gefeiert hatte, entzückte Elisabeths eigenartiger Liebreiz, die vornehme Anmut ihrer Erscheinung sowie die unbefangene Sicherheit ihres heiteren Wesens, das doch stets mädchenhafte Zurückhaltung be wahrte. „Ich glaube, ich habe mir an eurer schönen Ballkönigin heut für alle Zeiten die Flügel verbrannt," sagte Herr von Bernstorff mit lachendem Seufzer zu einem Kameraden, der ihn scherzend neckte, daß er Fräulein von Rex- hausen ausschließlich für sich allein in Anspruch genommen habe. Am folgenden Tage schon machte er bei ihren Eltern Besuch, und in dem regen, ge- säligen Treiben, das ihn zu frohen Festen oder auf der Eisbahn wochenlang fast täglich mit Elisabeth vereime, blühte ihre gegenseitige, junge Liebe unbehindert empor. Seine ge wandten Formen, sein frisches, liebenswürdiges Wesen hatten ihn bald zum allgemeinen, be liebten Festordner in dem großen Verkehrskreise, der ihn mit Elisabeth vereinte, berufen, über all war Herr von Bernstorff ihr erklärter Ritter und brachte ihr, die "sein leichtbeschwingtes Herz zum ersten Male wahrhaft zu fesseln verstanden, in jugendlicher Begeisterung seine Huldigungen dar, die sie mit wonnevollem Entzücken er- ftrllten. Er hatte sich bisher mit geringsten, standes gemäßen Mitteln, die ihm aus einer Stiftung seiner Familie gezahlt wurden, einschränken müssen, was ihm bei seinen entgegengesetzten Neigungen unendlich schwer geworden war. So schien es ihm wahrlich wie ein Wink des Himmels, der auch seiner unbewußten Eitelkeit in jeder Beziehung Genüge tat, die reizende, allgemein gefeierte Elisabeth, deren äußere Ver hältnisse ihm eine gesicherte Zukunft verhießen, sich als sein Weib zu erringen. Als tüchtiger Offizier und vorzüglicher Reiter bekannt, dem seine Vorgesetzten stets das beste Zeugnis aus gestellt, zweifelte er auch nicht an der Ein willigung von Elisabeths Eltern, unter deren Augen ihre junge Liebe unbehindert erblüht war. Wenn auch Herr und Frau von Rexhausen für ihr geliebtes Kind im tiefsten Herzen ein andres Lebensglück, das ihnen in jeder Beziehung gefestigter erschien, erhofft hatten, so wollten sie doch Elisabeths Neigung, ohne dieselbe jemals zu begünstigen, nicht hinderlich sein. Mit sorgenvollem, elterlichen Bangen sahen sie daher dem Fastnachtsabend entgegen, an dem als Abschluß der vielen, glänzenden Feste dieses ungewöhnlich langen Winters ein Maskenball im Kasino statt finden sollte, der ihre Tochter mit Herrn von Bernstorff wieder zusammenführen würde. Heimlich hatte Elisabeth bereits Tage und Stunden gezählt, die sie noch von dem viel- versprochenen Wend trennten, dem sie mit hoffnungsfroher Sehnsucht entgegen sah. Nun endlich war dem kurzen, nebelgrauen Tage die ersehnte Dämmerung gefolgt, und in seliger Erwartung, wie als Kind vor der Christ bescherung, zog sie sich zum Ankleiden in ihr Stübchen zurück. Träumerisch lächelnd löste sie ihr langes, dunkles Haar, das sie in weichen, welligen Strähnen umfloß, da wurde ihr ein Brief überbracht, dessen Aufschrift ihr zum ersten mal seit langer Zeit die feste, eigenartige Hand schrift ihres Jugendfreundes Georg wieder vor Augen führte. Ein jäher Schrecken durchzuckte sie, als sie den eng beschriebenen Bogen entfaltete; sie schob die brennenden Kerzen auf ihrem Spiegeltische näher heran, warf die wirren, lang geringelten Locken weit zurück und las mit bebenden Lippen, während tiefe Blässe allmählich ihr Antlitz überzog: „Meine liebe, teure Elisabeth! We soll ich diesen Brief beginnen, nachdem ich Dir so lange nicht geschrieben, und der nun so wichtiges Dir überbringen soll I Wohl magst Du, wenn Du Deines fernen Freundes gedacht, mir ernstlich zürnen über mein langes Schweigen, aber meine Gedanken, Elisabeth, sind allzeit bei Dir gewesen. Ich meine, Du müßtest es fühlen, wie sie Dich umschweben Tag und Nacht. Leere, nichtssagende Worte Dir zu schreiben, das ver mochte ich nicht länger, so schwieg ich, bis ich heut rückhaltlos vom Herz zum Herzen zu Dir sprechen darf. „Du weißt es, Du mußt es ja wissen, was meine Seele erfüllt, so lang ich zu denken ver mag, das ich Dich liebe, Elisabeth, heiß und unendlich liebe! Mir ist's, als wäre die Liebe zu Dir ein Teil meines eigenen Selbst, als spräche ich als Mann jetzt nur aus, was ich seit meinen Knabenjahren, mir selbst noch unbewußt, gefühlt und empfunden habe. Jetzt weiß ich, welch heißes Glücksgefühl mich durch flutete, so daß ich den Schmerz in meiner ver wundeten Hand nicht fühlte, als ich mein zitterndes, weinendes Prinzeßchen bei seinem Sturz aus dem Fenster ans Herz gedrückt. Jetzt will ich Dir auch gestehen, warum ich Dich am Tage Deiner Kommunion wie ver zaubert angeschaut, als Du in Deinem weiße« Kleide, so jungfräulich hold und schön wie der blühende Lenz ringsum, füll träumend in Eurem Gärtchen standest. „Es war mir, als ob ein blendender Licht» strahl plötzlich mein innerstes Denken erhelle, wie Schuppen fiel es mir von den Augen, imd zum ersten Male war ich mir voll und klar bewußt, daß aus der unbefangenen Freund schaft unsrer Kinderjahre leidenschaftliche Liebe für Dich, als Zweck und Ziel meines Lebens, in meinem Herzen erblüht sei. Ich kämpfte mit mir selbst einen schweren Kampf, denn ich wußte, was ich Dir in Deiner ahnungslosen Unschuld und Deinen verehrten Ettern schuldig §