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Istvrqgmttq.I Sie nickte. Ja, das Ivar ihr aus der Seele gesprochen. Nur er und sic wußtcn's,— o, nur er, — nur sie. „Ich sage nichts, zu niemand," versprach sie, „und wenn !>c mich zerstückeln wollen. Behüt' «sie Gott, Herr von Briger, ich schweige!" „Behüt' Sie Gott, Fräulein Mania!" Er sagte es mit unverhohlener Innigkeit. — Es war ihr bei den nie gehörten Lauten seiner sonst stets so beherrschten Stimme, als müsse sie aufjauchzen vor Wonne. Er drückte einen Kuß auf ihre Hand, von der sie den Hand schuh gestreift hatte, und sie gab ihm einen ihrer Veilchensträußc, den er nun in der Hand behielt. Innerhalb des Gitters blieb sie stehen und winkte ihm. Er wandte sich um, und sie sah ihm nach, bis er verschwun den war. — Wie im süßen, wüstseligen Traum ging sie ins Haus. Eine Stunde später kamen die Herrschaften zurück. Mania hatte sich schon mngekleidet, es war heute abend Empfang bei Ihrer Hoheit, und sie hatte die Funktion der «tarne ck'atour im vollsten Maße zu erfüllen. Dabei zeigte die Herzogin eine bei ihr ungewöhnliche Ver stimmung, sprach in schroffen! Tone mit Mania und war über haupt wie umgewandelt gegen ihre Lebensretterin, die ihrer seits sich das Verhalten nicht erklären konnte. Als die Herrschaften nach der Soiree sich zurückgezogen und olles aufbrach, wurde Mania durch einen Lakaien noch einmal in das Boudoir Ihrer Hoheit befohlen. Das Ivar noch niemals vorgekommen, Mania war recht müde, denn es war bereits gegen Mitternacht, und sie sehnte sich nach Ruhe und Einsamkeit, um noch einmal die süße, be glückende Stunde in der Erinnerung zu durchleben, die ihr heute zuteil geworden war. „Lesen Sie mir noch eine Weile vor!" befahl die Herzogin in strengem Ton, als das Hoffräulein, sich tief verneigend, an der Tür stehen blieb. Kaum hatte sie das Buch ergriffen, das die Herrin ihr bezeichnete, als diese dazwischen rief: „Wie sehen Tie denn aus?" Mania blickte erschrocken an sich nieder, war etwas an ihrer Toilette in Unordnung? Sie war so peinlich sauber und eigen, daß sie selbst ein solches Versehen als Schmach empfunden hätte. „Nicht Ihr Anzug," sagte ärgerlich ihre Herrin, „Ihre Angen! Haben Sie geweint? Das verbitte ich mir! Ihre Niedlichkeit ist eigentlich das einzige, was Sie wertvoll macht. - Nun entstellen Sie sich auch noch. Was soll das heißen?" Mania schwieg. — Ihr Herz schlug fast hörbar. Solchen Tadel hatte sie von ihrer .Herzogin noch niemals hören müssen. Air schossen nun wirklich Tränen in die müden Angen. Und dabei dachte sie an Ulrich, und was er sagen würde, wenn er sie so gedemütigt erblicken würde. Sie dachte ganz konfuse, und während sie bestrebt lvar, die verräterischen Tränen zu trocknen, lächelte sie-ein süßes, träumerisches Lächeln bei dem Gedanken an ihn. „Warum lächeln Sie so malitiös?" rief Herzogin Andy. „Verzeihung, Hoheit!" Tief errötend verneigte sicb daS Fräulein. „Es — es lag mir ganz fern, malitiös zu lächeln." Tann, überwältigt von der ganz ungewöhnlichen Strenge der sonst so gütigen Herrin, sagte sie hilflos: „Ich — ach, Ew. Hoheit, — ich bin totunglücklich, Höchstihr Mißfallen erregt zu haben." Da schmolz das künstlich produzierte Eis am Herzen Nndvs, und sie sagte wärmer: „Sie sind aber noch ein dummes, klei nes Mädchen, Mania. Sie sind unvorsichtig und leichtsinnig und dürfen Ihren Nus nicht so unbedacht aufs Spiel sehen." Mania blickte verdutzt ihre.Herrin an, sie verstand den Sinn dieser Rede absolut nicht, und der Stolz der Rcbinowsky fing an, in ihr zu rebellieren. „Ich setzte meinen Ruf nicht aufs Spiel, Hoheit!" sagte sie herb. „Schon gut, darüber morgen!" verwies die Herzogin den Widerspruch, „gute Nacht!" Damit Ivar Mania für heute entlassen und durfte nun lange Stunden hindurch ihren Kopf zermartern über den Sinn der Worte, die die hohe Frau gesprochen. Aber schließlich siegte die Müdigkeit, und mit einem schon halb geträumten: „Ob er nun schon zu Hause sein mag?" schlief sie ein. Am andern Morgen wurde sie sofort zur Herzogin befohlen. „Jch-Habe mit Ihnen heute ernstlich zu reden," begann diese. „Ick) deutete Ihnen bereits gestern an, daß Sie Fehler gemacht haben, Ihre augenscheinliche Ignoranz ließ mich die Besprechung bis heute verschieben." Und nun brachs los, die ahnungslose junge Hofdame saji überwältigend, die Verleumdungen eines anonymen Briefes, dessen Urheberin Mania in dem ihr feindlich gesinnten Fräu lein Lenz vermutete, das vielleicht vom Fenster aus mitange sehen hatte, wie sie sich von Briger verabschiedet hatte. „Hoheit, ich bitte, zu glauben," sagte Mania fest, „daß diese Anklage, — ich, — die Tochter des Obersten von Rcbinowsky, — habe mir ein unwürdiges Rendezvous mit einem fremden Manne gegeben, erlogen ist." „Wo waren Sie also? Wer hat Sie begleitet?" „Begleitet hat mich auf Miß Lobsters Erlaubnis hin nie mand, und ich war nur eine Stunde fort," sagte Mania und be schrieb den Weg, den sie gegangen, ohne Ulrich zu erwähnen. „Sie waren aber nicht allein?" inquirierte die Herzogin. Mania gedachte ihres Versprechens: Und wenn sie mich zerquetschen, — ich sage nichts. Sie neigte den Kopf und er rötete jäh: „Nein!" sagte sie. Und dann eine rettende Idee: hatte sie den biedern Quast nicht gehen sehen? Konnte er es nicht gewesen sein, der sie ein Stückchen begleitet und von Waldau erzählt hatte? Daß sie ihm begegnet war, stimmte ja. „Herr Hauptmann von Quast begegnete mir," sagte sie zaghaft. „O," eine strahlende Freundlichkeit erhellte das schöne Ge sicht der Herzogin Max Ferdinand, „der brave Quast, nun dann freilich, Kleine, dann ist der ganze Alarm hinfällig." Und freundlich strich sie Mania über die glühenden Wangen: „Und zur Belohnung wollen wir den Hauptmann hevzitieren, morgen zu Tisch, und er soll uns recht, recht viel erzählen," lächelte sie, „seine Karte hat er so wie so bei Bodenbachs abgegeben." Neuer Schreck, neue Not für die arme kleine ckame cl'atour. Was sollte sie machen? Gelogen hatte sie ja nicht gerade, aber auch nicht die Wahrheit gesagt. Sollte sie sich Bodenbachs au vertrauen? Nimmermehr, das hieß an Ulrich von Briger wort brüchig werden. So stammelte sie: „Ich glaube, Hoheit, Herrn von Quasts Kommando geht mit heute zu Ende." „Das wollen wir schnell erfahren, liebes Kind." Die Her zogin drückte auf den Knopf der elektrischen Klingel und befahl dein eintretenden Kammerlakaien, den Hofchef, Herrn von Bo denbach, herüberzubitten. Dieser erschien sogleich und konnte über Herrn von Quasts Anwesenheit keine Auskunft geben, war auch sehr eilig, da der Herzog bereits die Equipage und Herrn von Bodenbach zur Be gleitung befohlen hatte. „Herr von Westbin dürfte Ew. Hoheit besser orientieren können," sagte er. „Ich werde sofort Auftrag geben." „Jedenfalls ist Herr Hauptmann von Quast morgen zur Tafel zu bitten/' sagte gnädig die junge Herzogin. „Pardon, Ew. Hoheit," sagte Bodenbach, „wenn ich aber mals Einspruch erheben muß, morgen ist Dejeuner beim Reichs kanzler, um 5 Uhr das Wohltätigkeitsfest der Hanseaten, um 8 Uhr Rout bei der Fürstin Arberg, nm 10 Uhr Ball in der russischen Botschaft. Ebenso sind die folgenden vier Tage voll kommen besetzt." „Aber — ich hätte unserer Mania so gern die Freude ge macht." „Nun, vieleicht läßt sich irgendwie die Einladung ein schieben." „Tun Sie, was,Sie können, lieber Baron," rief die Her zogin, „wir verlassen uns ganz auf «ie." Mania sah den Fortgehenden mit tiefverängstigten Augen nach. Dann mußte sie ihrer Herrin vorlesen. Im Laufe des Tages hatte die Herzogin den Hauptmann von Quast so ziemlich aus dem Gedächtnis verloren, erst als sie am andern Tage kurz nach ihrer Rückkehr vom Diner beim Reichskanzler mit Mania im Boudoir saß und den Wagen er wartete, der sie zur Fürstin Arberg führen sollte, meldete plötz lich der Lakai den Hauptmann von Quast. Mania zitterte und wurde leichenblaß, die Herzogin aber rief: „Sehen Sie, Kleine, wie nett der gute Bodenbach Wort hält. Also, vorwärts," dann zu dem Diener: „Bitten Sie den Herrn in den blauen Salon und servieren Sie uns Tee und Sandwichs." Eine Minute später verbeugte sich Hauptmann von Quast bis zur Erde vor der Herzogin von Wartensteiu, hinter welcher Mania bleich und zitternd wie Espenlaub stand. Nach einigen begrüßenden Redensarten sagte Andy lachend : „Also Rendezvous gibt man sich, Herr von Quast?" „Rendezvous?" Er sah etwas geistlos auf die hohe Frau. „Ew. Hoheit belieben zu scherzen." „'Nein, nein," lächelte die Herzogin, „mit Nichten und im Gegenteil, mein Kapitän, Mania hat schon gebeichtet." Quast dachte sich in allem schuldigen Respekt, ob seiner hohen Gönnerin vielleicht ein bischen nicht wohl sei, aber er sah