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Allgemeiner Anzeiger : 28.07.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-07-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190607289
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19060728
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19060728
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-07
- Tag 1906-07-28
-
Monat
1906-07
-
Jahr
1906
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 28.07.1906
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poMkcde Aunälckau. Deutschland. * Der Kaiser wird seine diesjährige Nord landreise vor Swincmünde beenden, wo die „Hamburg" am 2. August eintrifft. Der Monarch'wird am 3. August den Scharfschieß übungen der Swinemünder Festungsartillerie beiwohnen. ' Der frühere kommandierende General des XV. Armee-Korps, General der Infanterie v. Lewinski, ist in Görlitz gestorben. *Der Vizepräsident des evangelischen Ober kirchenrates, Probst v. d. Goltz, ist Mittwoch früh in Berlin gestorben. * Der Gesetzentwurf betr. die Er leichterung des Wechselprotestes, den das Reichsjustizamt ausgearbeitet hat, ist am Montag veröffentlicht worden. * Zur Ausdehnung der Unfallver sicherung auf Unfälle im öffentlichen Dienst werden im Reichsamt des Innern gesetzgeberische Maßnahmen vorbereitet, die sich darauf beziehen, staatlichen und kommunalen Polizeibeamten, Grsnzbeamten, Bollziehungs- mnd andern Be- amren, die durch ihren Dienst besonderen Ge fahren ausgesetzt sind, bei den aus solchen Gefnhren erwachsenden Unfällen eine angemessene , .. Entschädigung zu gewähren. Aber auch Nicht- s beamte, die zur Unterstützung jener genannten- Beamten tätig sind, und überhaupt Personen, die bei gemeiner Not oder Gefahr auf polizei liche Aufforderung oder unter Umständen, die ein Eingreifen ohne solche Aufforderung recht fertigen, Hilfe leisten, sollen in diese Unfall versicherung einbezogen werden. Damit wird namentlich einem berechtigten Wunsch der frei willigen Feuerwehren entsprochen. * Von den vom Reichstag bewilligten Vils e- leistu n g s g eld ern für die durch den Auf stand geschädigten Deutschen in Süd West afrika ist noch ein Rest vorhanden. Damit sollen nunmehr, nachdem weitere Mttel vorläufig nicht bewilligt worden sind, nur die wirklichen „Farmer" bedacht werden, nicht also auch die Kaufleute, die zugleich Farmer sind. * In Kolonialkreisen wird eifrig die Frage derSchaffung einer ständigen Kolonial- armee nach dem Muster der englischen und französischen besprochen. Es ist nicht unwahr scheinlich, daß sich in der nächsten Session der Reichstag mit einer diesbezüglichen Gesetzesvor lage zu befassen haben wird. * Hinsichtlich der polizeilich e n Straf- , Verfügungen gegen jugendliche Personen im Alter von 12 bis 18 Jahren hat derpreutz. Minister des Innern in ei»m Erlaß an die Regierungspräsidenten und den Polizei- . Präsidenten zu Berlin darauf hingewiesen, gegen jugendliche Übertreter bei dem Fehlen erschwe render Umstände das Strafmaß so zu wählen, daß die Geldstrafe bezahlt und die Umwandlung in Hast vermieden werden kann. Qsterreich-Ungarn. " * In Grätz kam es zu Zusammen ¬ st ö ß e n zwischen den Deutschen und den Tschechen, in deren Verlauf 60 Personen verwundet wurden. * Im ungarischen Abgeordneten hause erklärte am Montag der Handelsminister Kossuth, daß er eine großangelegte Handels politik anstrebe. Die Gemeinsamkeit des Zollgebietes sei für die Dauer der Handels verträge gesichert und Ungarn werde über Fiume und Galatz eine unabhängige Verbindung mit dem Auslande Herstellen und durch die Fördemng der Industrie und den Ausbau der Eisenbahnen und Wasserstraßen die Unabhängigkeit des Zoll gebietes jedenfalls vorbereiteu. , England. *Die 14. Konferenz der Inter parlamentarischen Bereinigung wurde am Montag unter Vorsitz von Lord Weardale, dem Präsidenten der englischen Gruppe, im Oberhause eröffnet. Aus 21 Ländern mit parlamentarischen Staatseinrichtungen hatten sich insgesamt 600 Delegierte dazu eingefunden, und zwar hatte Italien die größte Anzahl, nämlich 119, dazu entsandt; Kanada, Mexiko und Serbien je nur einen, Deutschland und Österreich sind durch je 36 Parlamemarier ver treten. * Campbell-Bannerman, der englische Premier-Minister, begrüßte insbesondere herzlich die sechs erschienenen Mitglieder der nunmehr aufgelösten Reichsduma. Er drückte ihnen seine Sympathien aus und schloß mit dem Ausdruck der Hoffnung, daß bald ein neues Parlament in Rußland erstehen möge. *Jm Unterhause erklärte Unterstaats- selretär Runciman auf eine Anfrage bezüg lich der türkischen Zollerhöhung, es sei von der Pforte eine weitere Note an die Botschafter gerichtet worden, die englische Regie- Der Generalstabschef der japanischen Armee, Vikomte Gentaro Kodama, ist gestorben. Dieser hervorragende Militär ist am 5. Februar 1852 zu Tokuyama auf der Insel Shikoku geboren. Im Alter von 16 Jahren kämpfte er für die Wieder herstellung der Macht des Mikado im Norden von Nippon und auf Hokkaido. Im Jahre 1874 war er an der Bewältigung des Aufstandes in Saga, 1876 an einer Expedition nach den Liukiu-Jnseln be teiligt; 1891 unternahm er eine Studienreise nach Europa. Nach seiner Rückkehr wurde er Stell vertreter des Kriegsministers, im Kriege mit China 1894/95 Stabschef des kaiserlichen Hauptquartiers in Hiroshima. Im Jahre 1897 zum Gouverneur von Formosa ernannt, übernahm er 1900 auch das Portefeuille des Krieges im Kabinett Ito. Er wurde dann Chef des Generalstabes und begab sich als solcher im Juli 1904 nach dem Kriegs schauplatz. rung sei jedoch nicht der Ansicht, daß sie den Bedingungen der Mächte entspreche. Italien. * Die italienische Presse bemüht sich vergeblich, ihren Arger darüber zu verbergen, daß sie anläßlich des abessinischen Eisen bahnabkommens von den Engländern und Franzosen so wenig rücksichtsvoll behandelt wird. Gerade seit Mgeciras bildete man sich ein, in allen Kolonialfragen mit den beiden Westmächten ein Herz und eine Seele zu sein. In der Konzession der abessynischen Bahnen durch Menelik stand aber das Interesse Frankreichs dem Italiens entgegen, und. Frank reich hat das seinige im Verem mit England rücksichtslos betont und Italien im Grunde ge nommen dazu gezwungen, in Abessynien, dessen offizieller Beschützer Italien von 1889 bis 1896 war, einen andern Einfluß als zum mindesten ebenbürtig anzuerkennen. — Das ist natürlich deshalb bemerkenswert, weil es wieder zeigt, wie nöüg Italien in Wirklichkeit den Dreibund hat, auf den eine Anzahl italienischer Politiker und Journalisten schon vermeinten, aus Liebe für Frankreich verzichten zu sollen. Holland. * Königin Wilhelminevon Holland ist auf ihrem Lustschloß Het-Loo frühzeitig ent bunden worden. Der Gesundheitszustand der jungen Königin ist sehr zufriedenstellend, so daß man schon in allernächster Zeit ihre Wiederher stellung erwartet. Spanien. * Die Verhandlungen über den neuen deutsch-span ischenHandelsver trag nehmen nach einer Erklärung des spanischen Finanzministers einen normalen Verlauf. Wie verlautet, sollen die weiteren französisch spanischen Handelsvertrags - Verhandlungen zwecks fchleuniger Erledigung in San Se bastian, dem augenblicklichen Aufenthaltsort des st '.gen Königspaares, weitergeführt werden. Rußland. *Aus Anlaß der Auflösung der Reichs- duma macht sich unter den Arbeitern der Hauptstadt eine starke Gärung bemerkbar. Daher wurden sofort die Truppen erheblich verstärkt. In der Residenz ist gegenwärtig eine Truppen macht von 22 000 Mann konzentriert. Die Bahnhöfe werden scharf von Militär bewacht. Inzwischen hat der neue Ministerpräsident seine Amtstätigkeit begonnen. Wie verlautet, will er seine ganze Kraft daran setzen, bei den Duma neuwahlen den Einfluß der Radikalen zu brechen. Man darf gespannt sein, ob es Stolypins Maßnahmen bester gelingen wird, als einst denen Wittes, ein der Regierung ge nehmes Parlament zu erlangen. Der neue Premier hat eine Kundgebung erlassen, in der er zur Aufrechterhaltung bezw. Wiederherstellung von Ruhe, Ordnung und Sicherheit ermahnt und erklärt, der Kampf der Regierung richte sich gegen die Feinde der Gesellschaft und nicht gegen die Gesellschaft selber. * Von den inWiborg versammelten Mit gliedern der aufgelösten Duma erklärten die Konstitutionell-Demokraten, daß sie ihre Mandate niederlegen. * Der Stadlhauptmann von Peters burg hat auf Grund des über die Stadt ver hängten Zustandes des außerordentlichen Schutzes Versammlungen und Umzüge verboten und die Hausbesitzer sowie die Portiers zur Unterstützung der Polizei verpflichtet. * Der Ob erpro ku rator des heiligen Synods, Fürst Schirinsky Schach- matow ist auf sein Ersuchen unter Belastung der Würde als Senator seines Postens ent- hoben worden. Balkanstaaten. *Die Konsuln der vier Schutzm sichte auf Kr et a haben eine Audienz beim Prinzen Georg nachgesucht, um ihm eine von den Re gierungen jener Mächte vereinbarte Note zu überreichen. Amerika. * Alle von den Bundeskonsuln im Aus land beglaubigten Geschäftsdok umente müssen von jetzt ab Stempelmarken wagen, sonst sind sie ungültig. Dadurch soll jede Übervorteilung verhindert werden. * Im Friedensvertrage in Mittel amerika ist, wie die Unterhändler dem Staatsdepartemant in Washington mitgeteilt haben, die Zurückziehung der Truppen innerhalb von 3 Tagen, und die Abrüstung innerhalb von 8 Tagen vorgesehen. * Präsident Castro hat ein neues Ministerium gebildet, in dem Joss de Jesus Paul die auswärtigen Angelegenheiten, Eduardo Colis die Finanzen und Julio Torres Cürdenas das Innere übernommen haben. Afrika. * Der italienische Gesandte in Tanger, Malmussi, erklärte, es sei wohl richtig, daß er jüngst in Fes kurz vor der Abreise Schwierig keiten wegen des Konferenz-Protokolls hatte, er könne aber die in Tanger verbreitete Meinung, daß der Sultan fünf Jahre und mehr zur Vorbereitung der Reformen ver langte, nicht für zutreffend erklären. Asien. *Der Chef des Generalstabs der japanischen Armee, General Kodama, der die Seele des siegreichen Krieges gegen Rußland war, ist plötzlich gestorben. *Aus Furcht, die persischen Behöben könnten während der Abwesenheit der geistlichen Würdenträger, die sich sämtlich aus der Haupt stadt Teheran entfernt haben, eine Ver folgung vornehmen, sind Studenten und die Häupter der Kaufmanns- und Handwerkerver bände in die englische Gesandtschaft geflüchtet. 2ur Zuflölrmg äer Duma. Wie vorauszusehen war, hat der Zar dem Ukas bezüglich der Duma-Auflösung nunmehr ein Beruhigungsmanife st an das Doll folgen lassen. Dieses Manifest legt zunächst die Gründe dar, die den Zaren zur Auslösung des jungen Parlaments zwangen, betont sodann, daß die Lösung der Land frage, die Hebung des Bauern st andes nach wie vor das Hauptziel der Regierung sei, und ver sichert, daß nach dem festen Willen des Zaren die Einrichtung der Volksvertretung an sich er halten bleiben solle. Wie Wohl der Staatsstreich seit einigen Tagen von der zarischen Regierung vorbereitet war, läßt der Umstand klar erkennen, daß 40 Linienbataillone, die gesamte Gardekavallerie, die zweite Gardedivision und vier Maschinen gewehrkompanien in Petersburg zusammcn- gezogen sind. Die Stimmung ist in allen Teilen des Landes sehr gedrückt. Ans Blätter meldungen ist jedoch nicht viel zu erfahren, da, wie erst jetzt bekannt wird, seit dem 21. d. alle links st ehendenBlätterunterdrückt worden sind. — Von Wiborg (in Finnlands aus, wohin sich die meisten der bisherigen Duma-Abgeordneten zur Beratung der Lage begeben haben, werden sie ein Manifest an das russische Volk erlassen, das mit den Worten schließt: „Die Regierung ist nicht berechtigt, ohne Einverständnis mit der Volksvertretung vom Volke Steuern zu erheben und das Volk zu« Militärdienst einzuberusen. Daher seid Ihr jetzt, wo die Regierung die Duma aufgelöst hat, berechtigt, weder Geld noch Soldaten zu geben. Wenn die Regierung jedoch, um sich Geld zu verschaffen, Anleihen machen sollte, so sind der artige ohne Zustimmung der Volksvertretung gemachte Anleihen ungültig. Das russiM Volk wird sie niemals anerkennen und braucht sie nicht zu bezahlen. Gebt also bis zur Berufung der Volksvertretung keine Kopeke dec Krone und keinen Soldaten der Armee. Seid standhaft in Eurer Weigerung; Eurem einigen, unbeugsamen Volkswillen kann keine Macht widerstehen. Bürger! In.diesem erzwungenen, doch unumgänglichen Kampfe werden Eure Ver treter mit Euch sein." Die Lage des Russenreiches ist durch die Auflösung der Duma überaus ernst und es er scheint fraglich, ob die Zusicherungen im Mani fest des Zaren genügen werden, den aufziehen den Sturm zu beschwören. Von unä fern. Das Motorboot der Kaiserin gestrandet. Hier traf die Nachricht ein, daß das neuer baute Motorboot „Hela", das für den Dienit der Kaiserin in Cadinen bestimmt ist, bei dem heftigen Weststurm an der Westküste Willows bei Dranske gestrandet ist. Das Fahrzeug ist mit drei 30 Pferdekräste starken Daimler- Motoren ausgerüstet. Man hofft, es bei ab flauendem Wind zu retten; ein Stralsunder Regierungsdampfer ist zur Hilfeleistung beordert, konnte aber des hohen Seeganges wegen bei Wittower Posthaus nicht auslaufen. Die „Hela sollte in Saßnitz eintreffen zur Übernahme von Spiritus. Auch der Bergungsdamv!« „Rügen" ist von der Strandung benachrichtigt. An Bord des verunglückten Bootes befindet sich der Erbauer, Herr Remmers-Hamburg. Regulierung der Oder. Nach dem hier im Oberpräsidium ausliegenden Plan zur Regelung der Hochwasser-, Deich- und Borflut verhältnisse an der oberen und mittleren Oder sollen die einzelnen Arbeiten nur nach und nach in Angriff genommen werden; diejenigen, die zur Senkung des Hochwasserspiegels beitragen, gelangen zuerst zur Ausführung. Im ganzen glaubt man einen Zeitraum von mindestens 15 Jahren in Aussicht nehmen zn müssen. Die Kosten für die Ausführung der Arbeiten sind aus 59 Millionen angenommen worden. K OLe M-ZAc ÄLr6erL^ligkeit. 21s Roman von Maximilian Brhtt. (Fortsetzung.) Fassungslos hatten sich die Zeugen schon nach Vorlesung der ersten Sätze angesehen. Schreck, Entsetzen malten sich in den Zügen Stephanies, die sich von dem Stuhl, auf dem sie sich hatte nieder lassen dürfen, zitternd erhob und mit angstvoll aufgerissenen Augen dem Vorleser auf die Lippe» starrte, während sie ungeduldig die bebende Hand nach dem inhalt schweren Blatt ausstreckte, als wüste sie sich erst mst eigenem Blick von dem Ungeheuer lichen überzeugen, das darauf geschrieben stand. Eckenörecher hatte sich stöhnend dem Unter suchungsrichter zugewandt. „Aber da? wäre ja eine ganz furchtbare Lösung!" sagte er. „Diese Kühle, diele Ruhe des Tons — woher nimmt sie ein Mensch nach solch einer Tat, wenn er nicht schon ein ganz abgefeimter Ver brecher ist?" Tante Gusti war von Haushoher nur durch crnstmahnende Blick? zurückgehalten worden, schon wählend der V.^l-sung ihrem Entsetzen und ihrer Empörung Lust zu machen. Jetzt brach sie in die Worie aus: „Das soll ein Brief meines Neffen sein? Das soll Benjamin geschrieben haben? . . . Fine schmähliche Mystifikation liegt hier vor, nichts andres!" Der Untersuchungsrichter nickte gedanken voll. „Tie gebrauchen ja das Wort, das ich selbst anzuwenden mich veranlaßt sah. Aber trotz alledem ist daran nicht zu zweifeln, daß das Schreiben tatsächlich die Schriftzüge Ihres Neffen trägt." Die alte Dame preßte die Stirn in ihre Hände. Einräumen mußte ste dem Unter suchungsrichter ja immerhin, daß auch sie heute morgen, als fie den Brief in den Fingern des Briefträgers gesehen, des festen Glaubens gewesen sei, Benjamins Handschrift auf der Adresse vor sich zu haben. „Und Sie werden nach Einsichtnahme in die Schrift des Briefes erst recht keinen Zweifel daran mehr äußern l" sagte Haushofer. Das Schriftstück wurde der alten Dame hin gehalten. Sie musterte es in wachsender Er regung. Zornig rief fie schließlich: „Aber der Inhalt stimmt nicht! Das kann mein Neffe nicht geschrieben haben!" „Und was haben Sie für Gründe anzu geben ?" Tante Gusti atmete immer hastiger. Sie antwortete nicht direkt auf die Frage. „Wo war der Ingenieur Struck, als dieser Brief ge schrieben wurde?" hielt fie dem Richter auf geregt entgegen. „Tante Gusti!" schrie Stephanie ver zweiflungsvoll auf. „Es wird mir schwer genug," ließ sich die alte Dame in ihrem dünnen, weinerlichen Tone vernehmen, „meine Meinung offen auszu- sp-echen, weil ich weiß, daß ich meiner Nichte damit wehe tue. Aber nun heißt es alle Rück sicht beiseite lassen. Hätte meine Nichts nicht iortwährerd noch versucht, den eigentliche' Täter in Schutz zn nehmen, nie würde sie selbst in diese grausame Lage geraten sein, in der fie sich nun befindet. Aber wenn fie sich nicht retten will, so muß ich fie retten." „Sie steigern unsre Spannung, Fräulein von Reck," drängte Haushofer. „S ien Sie kurz: wie erklären Sie sich den Brief?" „Ich bin nach wie vor der Überzeugung, baß kein andrer als Arnold Struck die Untat begangen hat. Er haßte seinen Nebenbuhler, Benjamin haßte seinen Schwager aber nicht. Im Gegenteil: man konnte sich kein rührenderes Verhältnis denken, als jenes zwischen den beiden Schwägern war. Bwjamin liebte den Gatten seiner Schwester ebenso aufrichtig, wie er Stephanie selbst liebte. Er hat ihn nicht ge tötet, er hatte auch -rar keinen Grund zu solch einem Verbrechen. Urd wenn er, sicher vor Verfolgung, weit von hier im Ausland, plötz lich sich selbst der Tat bezichtigt, dann ist nur anzunehmen: er ist von Struck gekauft!" Stephanie war vor der Tante zmückg<wichsn. Düster starrte fie nach ihr hin. „Ein Mann wie Arnold Struck braucht den Betrug eines Fremden nicht! Wenn er die Tat begangen hätte — er würde sich Ihnen, so wahr ein Gott im Himmel lebt, gestellt haben!" „Ihr blindes Vertrauen könnte uns rühren," ließ sich der Untersuchungsrichter vernehmen, „wenn es u s nicht anderseits mit Zorn Über den Trotz erfüllen müßte, den Sic immer von neuem der Justiz entgegenbringen. Mit Ihrer Tante bin ich allerdings der Ansicht, daß Ihr B uder Benjamin weit entfernt davon gewesen itt, jenes Verbrechen begangen zu haben. Mit Ihnen bin ich der Meinung, daß auch Arnold Struck einen tätigen Anteil an dem Verdrecken nicht gehabt hat. Aber die Überzeugung sich mir aufdrängen, daß die beiden Männer, die an Ihre Schuld glauben mußten, ja, höchst wahrscheinlich darum wußten, sich im Auslande zusammengefunden haben, um durch sirr Selbst« bezichtigung, sicher vor Verfolgung und vor Strafe durch den Arm des ird schen Richter?, Sie zu retten!" Fräulein von Reck hatte in steigender Er regung den Ausführungen des Untersuchung?« richters gelauscht. „Mein Heiland — so fassen Sie die Sache auf, Herr Landrichter?! Aber ich beschwöre Sie: so meinte ich es doch nick'! Meine Nichte ist unschuldig — ohne Zweifel unschuldig. ..." „Genug jetzt," wehrte Haushofer ab, „dar über werden die Geschworenen zu befinden haben. Meine Pflicht ist in dieser Angelegen heit getan." Stephanies Hände hatten sich wie im Gebet zusammengefunden. „Gott wird uttch erlösen aus diesem Jammer. Die Wahrheit muß anS Tageslicht kommen. Ich verliere den Glauben an den Himmel nicht und auch nicht an die Gerechtigkeit und Barmherzigkeit meiner Richter!" Der Untersuchungsrichter schloß die Ver nehmung und enfließ die Z ugen. Stephanie wurde von ihren Balertem wieder in die Mitte genommen, um zu der untsn haltenden Dioichle gebracht zu werden. Dabei kam es zu einer aufgeregten Szene; denn Fräulein von Rca wollte sich von der Untersuchungsgefangenen durchaus nicht trennen.
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