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6356 Börsenblatt s. d, Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. aufgeflihrt wurde, liegt in der Nähe des Kapitols und wird von der Straße I, dem östlichen Kapitol, Straße II und Straße 8 begrenzt. Es bildet die Fortsetzung der Parkreihe, die sich östlich vom Washington Monument hinzieht. Ur sprünglich war ein Entwurf der beiden Architekten Smithmeyer und Pelz preisgekrönt worden. Dieser wies die äußerste Raumersparnis auf, mußte aber auf Wunsch des Kongresses umgearbeitet werden, wobei Smithmeyer die Lichthöfe vergrößerte und neben dem Oberlicht auch Seitenlicht in ausgiebigster Weise heranzog. Doch erst ein dritter noch weiter vereinfachter Plan fand Genehmigung, und der Bau wurde begonnen, aber bereits am 18. Juni 1888 wegen enormer Überschreitung der veranschlagten Kosten inhibiert. Die leitenden Architekten wurden entlassen und die Fort führung im Oktober desselben Jahres General Casey über tragen, nachdem dieser die Pläne im einzelnen noch weiter eingeschränkt hatte Casey leitete den Bau bis zu seinem im März 1896 erfolgten Tode, unterstützt von B. R. Green, der das Werk bis Februar 1897 zu Ende führte. Die Ge- samtkosten beliefen sich auf 6 344 585 Dollars. Das im Stil der italienischen Renaissance gehaltene großartige Gebäude ist aus fast weißem Granit unter Verwendung von Marmor zu den Architekturteilen hergestellt. Auch innen ist absolut feuersicheres Material: Granit, Ziegel, Marmor, Eisen, Stahl, Terrakotta verwendet. Manche Räume weisen Holzdielen auf; aber auch diese liegen auf Terrakotta oder Ziegeln. Der imposante Lesesaal hat 32 Meter im Durchmesser. Die Mitte füllt im Halbkreis das Katheder der Aufsichtsbeamten; hinter diesem steht der Schrein fiir das Paternosterwerk zur Beförderung der Bücher im Hause und nach dem Kapitol, mit dem die Bibliothek durch einen Tunnel in Verbindung steht. Der nach außen folgende Ring ist im Innern zur einen Hälfte als Polstersofa, zur andern Hälfte als Aus gabetisch für die bestellten Bücher gearbeitet; die Außenseite bildet Lesetische. Die beiden äußern Ringe sind aus zwei seitigen Lesetischen zusammengesetzt. Die Repositorien in den Büchersälen, im ganzen 69 200, sind aus Stahl, leicht an Gewicht und überall gleich groß hergestellt, so daß die Ein legeböden bei Umstellungen beliebig wieder verwendet werden können. Das Gebäude wird durch zahlreiche Fenster und, wie erwähnt, durch Oberlicht erhellt. Das Ganze setzt sich aus einem stattlichen Mittelbau, den langgestreckten, durch vier Seitenpavillons abgeschlossenen Flügeln und einer gewaltigen Kuppel zusammen. Noch vor Übersiedelung der Bibliothek in das eigne Heim war Spofford am 30. Juni 1897 von der Leitung der Anstalt entbunden worden. Sein Nachfolger wurde John Russell Poung*). Er war 1841 auf einer Farm in Pennsylvanien geboren und in Philadelphia erzogen. Von Haus aus Journalist, hatte er später die Rechtswissenschaft studiert, blieb aber in engster Verbindung mit der Presse und arbeitete seit 1872 für den klorv H-lc Ksralä mehrere Jahre hindurch als Korrespondent in Großbritannien, Deutsch land, Frankreich und Spanien. 1877 wurde er von General Grant eingeladen, sich an einer Reise um die Welt zu beteiligen. Er schilderte seine Eindrücke in einer Reihe von Artikeln, die er später als zweibändiges Werk unter dem Titel »^.rounä tbs vorlä svitb xensral Kraut,. New Dork 1879« herausgab. In China befreundete er sich mit dem bekannten chinesischen Staatsmann Li Hung Chang; er wurde 1882 als amerikanischer Gesandter nach Peking geschickt, wo er bis zum Ende der Präsidentschaft Arthurs 1885 blieb. Von 1885 bis 1890 war er für den Herold in London tätig und seitdem in New Jork selbst. Von 1892 bis 1893 bekleidete er die Stellung eines Vizepräsidenten der Eisenbahngesell- 143, 22. Juni 1907. schaft in Philadelphia, 1893 bis 1894 die des Präsidenten der Union b-saxus daselbst. Er blieb bis zu seinem Tod Haupteigentümer des seinerzeit von ihm gegründeten kbilsäelpbi» LvenivA 8tsr. Am 1. Juli 1897 wurde er Bibliothekar der Kongreßbibliothek. Er führte die Bibliothek in das neue Gebäude über*) und, obwohl von der Fachpresse mit einigem Mißtrauen ausgenommen, blieb er doch redlich bemüht, seine verantwortungsvolle, schwierige Stellung nach Kräften auszufüllen. Die im Laufe der Zeit erschienenen gesetzlichen Bestimmungen betreffend die Wirksamkeit der Kongreßbibliothek waren zum erstenmal in den revidierten Statuten von 1873 zusammengestellt worden. Die ur sprünglichen Beschränkungen in bezug auf die Entleihung von Büchern hatten damals insofern eine Erweiterung erfahren, als außer dem Präsidenten und Vizepräsidenten der Union, den Senatoren und den Mitgliedern des Repräsentanten hauses noch eine Anzahl von Verwaltungschefs des Privilegs der häuslichen Benutzung von Bibliothekswerken teilhaftig wurden. 1875 kamen dann noch die in Washington lebenden Aufsichtsratsmitglieder der 8witbsoviau Institution hinzu, 1890 und 1894 die Vorstände weiterer Behörden wie der Obiok ok sllKinosrü k. 8. und einige andre. Karten durften nach wie vor nicht verliehen werden. Die Benutzung der Bibliothek in den Leseräumen war dagegen immer weitern Kreisen gestattet worden. 1892 beschloß der 52. Kongreß, daß die staatlichen Sammlungen mit Einschluß der Kongreßbibliothek den wissenschaftlichen Forschern und den Besuchern höherer Lehranstalten offenstehen sollten. Nach den Beschlüssen des 54. Kongresses vom Jahre 1897 blieben zwar die Beschränkungen in der Entleihung von Büchern bestehen, die Benutzung innerhalb des Bibliotheks gebäudes aber wurde jedermann, ohne daß er weitere For malitäten zu erfüllen hatte, gestattet. Die Verwaltung des Gebäudes war seit der Übersiedelung der Bibliothek in das neue Haus von der eigentlichen Bibliotheksverwaltung ge trennt und dem um den Neubau verdienten Bernard Richardson Green als 8upsriutsuäsut ok librsr/ builäiuA snä xronuäs übertragen worden. Der Bibliothekar des Kon gresses, der, wie mir sahen, früher vielfach nur durch seinen persönlichen Einfluß auf die Mitglieder der Bibliotheks kommission das Interesse der ihm unterstellten Anstalt hatte vertreten können, wurde nunmehr zur maßgebenden Persönlichkeit. »Ibo lübrarisu«, heißt es in der L-ppropriatiou ^.ot des Kongresses von 1897, »sbali walco rulos auä rsgu- latiovs kor tbs goverurnout ok tbs Illbrar/ ok Kouxrsss«. Er muß (wie der Leiter von Ooxrixcht Oküee) 20 000 Dollars, der Verwaltungsvorsteher des Gebäudes 30 000 Dollars als Sicherheit hinterlegen. Vom Präsidenten ernannt, haben beide ihre regelmäßigen jährlichen Berichte dem Kongreß zu unter breiten, wie sie auch für die Verwendung der bewilligten Fonds verantwortlich sind. Sie setzen die ihnen unterstellten Beamten ein und haben das Recht, sie, wenn nötig, zu entlassen. Poung reorganisierte den Beamtenstab der Bibliothek, der entsprechend den größeren Verhältnissen im neuen Gebäude nunmehr — abgesehen von der Hausver waltung — aus 108 Angestellten bestand, während Spofford noch zuletzt sich mit 42 hatte begnügen müssen. Uoung machte aus den Sammlungen der Pflichtexemplare, Karten, Manuskripte, Musik und Graphischen Künste besondre Ab teilungen und richtete einen Lesesaal für Blinde ein. Aus seiner Feder stammen die beiden Berichte für 1897 und 1898. Doch schon am 17. Januar 1899 starb er. Während des Interims bis April 1899 führte Spofford wieder die Direktorialgeschäfte. Es waren s. Z. mancherlei *> Auf dem Kapitol verblieben nur zwei Handbibliotheken, eine für den Senat (8suato llibrar^) und eine für das Reprä sentantenhaus (llouss llibrar^). *) Bgl. Report ok tbs llibrarian ok Oouxress kor 1899, S. 17—18.