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komite. Da? einzige Tatsächliche NII oll den wirren Bildern war nnd blieb die Eisenbahnfahrt, auf der sich Hofrat Eder augenblicklich befand. Ja. — er saß im Schnellzug nach Mün chen, nm dort für eine Kunststudie des Prinzen Frazzilo die nötigen Vorbereitungen nnd Grundlagen zu schaffen. So lau tete sein Auftrag offiziell, und man hatte ihm viel Glück zu diesen: angenehmen und glanzend honorierten Auftrage ge- wünscht. Nur Graf Edwin kannte den wahren Auftrag und der war davon nicht entzückt. Jin Schnellzug nach München, wa rum denn so schnell? Es kam ihm wie eine Ironie vor, daß er in einem Schnellzuge reiste; jeder andere wußte, warum er schnell nach MünckM wollte, Franz aber wußte es nicht genau, sein Geschäft mißlang vielleicht ganz! Was Wohl sein väterlicher Freund, Kommerzienrat Roß in Berlin, beim Empfang des Absagebriefes zu der neuen Wen dung der Dillge jagen würde? — Streber, Fürstcndiener! Solche Worte töten nicht, sie konnten den gleichgültig lassen, der sich bewußt war, seiner Ehre nichts vergeben zu haben. Vor allem wollte und mußte er standesgemäß leben und das gewährte ihm seine neue Stellung. Daß es keine Sine kure Ivar, wurde ihm immer klarer, je schärfer er sein Ziel ins Auge faßte. Wenn der Weg, auf dem er es zu erreichen hoffte, von vornherein ein Irrweg Ivar? Dann ward dis kaum be gonnene Karriere jäh unterbrochen und die alte Wanderschaft begann. Die alte? Diese alten, sorglosen, entzückend schönen Wanderungen durch ganz Europa, in Beginn, Unterbrechung und Weiterführung so völliq in seinen Willen gegeben, sie konnten sich leider nicht mehr in gleicher Weise wiederholen, da ihr Grundlage, das entsprechende Vermögen, fehlte. Dann hieß es eben von Brotkorb zu Brotkorb wandern, und das war nicht so lustig wie ein frisches, freies Wanderleben. Nun denn, Frau Necessitas ist eine Dame, die man am ehesten los wird, wenn man ihr den Willen tut. Wenn man schon gezwungen ist, das Joch der Weißen Sklaverei zu tragen, dann ist ein lie benswürdiger Prinz immerhin einem ungebildeten Kom missionsrat vorzuziehen. Er beschloß darum, sich der Lösung seiner Aufgabe mit allem Eifer hinzugeben, und vertraute dem guten Glücke, das ihm bisher hold gewesen. Wi'eder wie vor Jahren fuhr er nach seiner Ankunft in München nach den „Nier Jahreszeiten" und begann die frühe ren Künstlerbekanntschaften aufs neue anzuknüpfen. Selbstver ständlich war sein erster Gang zu Albert u. Co., um nach der Platte Nr. 22 222 zu forschen; er machte Einkäufe und sonstige Bestellungen, die sein Vorgehen nur maskieren und sein öfteres Wiederkommen motivieren sollten. So geschickt er aber auch manipulierte, viel mehr als in jenem Geschäftsbrief gestanden lwtte, brachte er nicht heraus. Im Grunde genommen war es für den Zweck seiner Sendung auch gleichgiltig, wer jene Mar morbüste geschaffen, wenn es nur einen anderen Weg gegeben hätte, zu erfahren, wen die Büste darstellte. Darauf hatte er sicher gerechnet, wenigstens den Bildhauernamen zu erfahren; wäre ihm das im ersten Anlaufe geglückt, so mußte bas übrige leicht sein. Mißmutig gestand er sich ein, daß er troh mehr- wöchentlichem Aufenthalt in der Angelegenheit der Marmor- üüste noch nichts vor sich gebracht hatte. Unwillig und nieder geschlagen gab er dem Grafen Edwin in H . . , über den Stand der Sache Nachricht. Viel hielt er sich in der gerade im Glaspalaste befindlichen Ausstellung aus; ihn interessierten bei seiner augenblicklichen Gemütsverfassung hauptsächlich die Bildhauer, nach den Oel- malereien oder Aquarellen schaute er kaum hin. Seine bei den Studien gemachten Beobachtungen legte er in Aufsätzen nieder, welche ein Münchener Kunstblatt zum Abdrucke brachte, mit dem er von früher her in Verbindung stand. Die Kunstkritiken er regten Aussehen wegen ihres Freimutes und wegen des Um standes, daß nur Werke der Bildhauerkunst besprochen waren, die bei einer großen Ausstellung von der Kritik bei der Ueber- fülle anderer Bildwerke gewöhnlich stiefmütterlich behandelt zu werden pflegten. Allein für seinen Hauptzweck, den Künstler der Marmor büste, von der er nur die Photographie kannte, zu ermitteln, inigen die Besuche in der Kunstausstellung nichts bei. Er kannte eine Anzahl Künstler, wie Professor v. Meyerheimb und andere, allein er war noch nicht dazu gekommen, diese Be kannten «ufzusuchen, nunmehr hielt er es an der Zeit, das Ver säumte nachzuholen. Professor Meyerheimb hatte er einmal flüchtig in der Ausstellung gesehen und gesprochen; ihm hatte er die Photographie gezeigt unter irgend einem Vorwand, aber die Antwort erhalten: „Wenn die hier dargestellte Marmor büste in München ausgestellt worden wäre, würde ich sie kennen. Wer weiß, was für ein obskurer Bildhauer sie verfertigt haben mag. Wäre er ein Künstler von Ansehen gewesen, so IMjp maii seinen Namen sicher beigesetzt. Sie können dreist an nehmen, lieber Bar»n, daß Sie da keine besondere Entdeckung machen würden; jedenfalls ist das Sujet keiner literarischen Bearbeitung wert. Es ist recht schön, daß diese Suche nach einem unbekannten Bildhauer Sie wieder einmal nach München gebracht hat. Lassen Sie sich bald einmal bei mir sehen und vergessen Sie nicht, nach der „Türkenkneipe" zu kommen. Den Besuch hatte er noch nicht gemacht und in der „Türken kneipe" war er ebenfalls nicht gewesen; nun wurde er plötzlich eifrig, seine alten Bekannten aufzusuchen, und erschien auch eines Abends in der Künstlerkneipe. Er fand da viel neuen Nachwuchs und gute Unterhaltung, nur nicht das, was er suchte, Auskunft über den Künstler der Marmorbüste, die in ihrem photographischen Nachbild die Unterschrift „Ein junges Mäd chen" trug, welche Naivität die Heiterkeit der jungen Künstler erregte. Dieses heitere Völkchen, dem Sorgen kaum dem Namen nach bekannt waren, nahm auf einer Kneipe keine Sache ernst, und auch Eder mußte manche Spottrede über sich ergehen lassen, die er geduldia hinnahm oder launig erwiderte. Er wußte, wie man mit Künstlern verkehren mußte. Die Photographie ging von Hand zu Hand und jeder übte seinen Witz daran. Ganz unten am Tische meinte ein Bildhauer, sie nannten ihn Elimar Ernesti: „Das Ding kommt mir bekannt vor, sollte nicht der Weraschek so eine Biiste in seinem Marmor- Olymp haben?" Baron v. Eder hatte die Worte nicht verstanden, aber be merkt, daß unten am Tafelende einer das-Bild ernst betrachtet hatte; er stand daher auf und ging hinab, da er das Bild ohne hin zurückhaben wollte. Mit Ernesti war er nur flüchtig be kannt und auch erst seit neuerer Zeit. „Darf ich mir mein Bild wieder erbitten?" „Gewiß, lieber Baron," versetzte Elimar, „bitte, nehmen Sie doch ein wenig hier unten bei uns Platz. Ick) sagte eben, das Ding da, ich meine die Büste, komme mir bekannt vor." „So? Wie heißt der Bildhauer?" „Oho, so meine ich's nicht, aber die Büste habe ich schon gesehen. Wenn ich nicht irre, besitzt sie Weraschek —" „Ah; Weraschek, wer ist das?" „Ein Kunstliebhaber, ein Mäcenas, ein reicher Mann und im gewöhnlichen Leben Bankier, es genügt, nicht wahr?" „Sie kommen öfters in sein Haus, Herr Ernesti" „Q nein, Herr Baron, aber ich hatte einmal einen kleinen Auftrag — und bekam bei der Gelegenheit den Wintergarten des Krösus zu sehen. In diesem Garten befinden sich viele Marmorkunstwerke, deren Sujets meist der Mythologie ent nommen sind. Dort glaube ich auch diese Büste gesehen zu haben; sie wird z» der Gruppe der Venusbilder gehören." „Hierin irren Sie sich jedenfalls, die Büste ist sicher nach dem Leben gearbeitet und antikisiert in keiner Weise; sie atmet förmlich modernes Leben. Sehen Sie den Schmuck, die Haar tour, das lebendige Auge —" ,',Ja, sicher, ich meinte auch nur wegen der offenherzigen Behandlung der Arbeit den Venuscharakter erkennen zn müssen." „So, das ist etwas anderes. Ich halte die Büste geradezu für eine Porträtbüste einer auch jetzt noch recht jugendlichen Persönlichkeit —" „Woraus schließen Sie das, Baron? «sie setzen mich in Erstaunen. Wie kann man dergleichen an einem Kunstwerk erkennen?" Baron v. Eder fühlte, daß ihn seine Phantasie sortgerissen hatte, ungereimtes Zeug, zu reden; er bemerkte kleinlaut, daß er für seine Vermutung allerdings keine Gründe angeben könne; man glaubte, der gemütliche Baron habe bereits zu tief ins Löwenbräu gescham und lächelte noch über ihn, als er schon wieder oben bei seinen Bekannten saß. Diese quälte er durch seine Fragen nach dem Bankier Weraschek so lange, bis man ihn bei allen Heiligen bat, doch endlich von interessanteren An gelegenheiten zu reden. Das brachte ihn zur Besinnung und R.uhe, er wußte vorerst genug und durfte nicht auffällig werden. Er machte die Knei perei noch eine Weile mit und schloß sich dem Bildhauer Ernesti an, weil dieser in der Nähe der „Vier Jahreszeiten" wohnte. Ernesti tat ihm den Gefallen, von freien Stücken noch einiges über Weraschek zu erzählen. „Vian erzählt sich, daß der Bankier aus Südrußland stammt und als junger Mann in das Bankhaus Herden kam. Tatsache ist, daß er nach Herdens Tod die Witwe heiratete. Kinder sind nicht vorhanden. Die nunmehrige Frau Weraschek 9*