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Allgemeiner Anzeiger : 03.03.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-03-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190603032
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- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19060303
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19060303
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1906
-
Monat
1906-03
- Tag 1906-03-03
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Monat
1906-03
-
Jahr
1906
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 03.03.1906
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poUMcke Aunäsckau. Deutschland. * Unter dem Geleite der Prinzessin Friedrich Karl von Preußen hat am Montag die Braut des Prinzen Eitel Friedrich, Herzogin Sophie Charlotte von Oldenburg, ihren feierlichen Einzug in die Reichshauptstadt gehalten. Im Königlichen Schloß zu Berlin wurden sodann die Ehepakten zwischen dem Prinzen Eitel Friedrich und der Herzogin Sophie Charlotte vollzogen. Die kirchliche Trauung fand am Dienstag statt. *Die Gesamtsumme der Stiftungen zur silbernen Hochzeitsfeier, welche die Deputation am Sonntag vormittag im Schlosse dem Kaiserpaar überreichte, betrügt etwa 2V2 Millionen Mark. *Am Montag wurde in Berlin von den deutschen und schwedischen Unterhändlern der Entwurf eines deutsch-schwedischen Handelsvertrages unter Vorbehalt einiger noch unerledigter Punkte aufgestellt. *Die deutsche Friedensgesell schaft, die am Sonntag in Frankfurt a. M. tagte, hat einen Beschluß zugunsten einer deutsch-englischen und deutsch französischen Annäherung ange nommen und eine Reihe von Wünschen für die zweite Haager Friedenskonferenz aufgestellt. Österreich-Ungar«. *Das Herrenhaus nahm die Han delsverträge mit Italien, Belgien und Rußland sowie ein handelspolitisches Ermächtigungsgesetz an. *Jn der Generalversammlung der Stadt repräsentanz zu Budapest verlas der königliche Kommissar Rudnay sein Ernennungs schreiben. Hierauf wurde ein von dem früheren Oberbürgermeister Markus gestellter Antrag, in dem gegen die Entsendung des königlichen Kommissars protestiert wird, einstimmig ange nommen. Dieser Protest hat nicht die geringste Bedeutung. Frankreim. * Die Fortsetzung der Inventar-Auf nahmen in den Kirchen führt fortgesetzt zu weiteren heftigen Zwischenfällen. Bei der In ventaraufnahme in der Kirche Saint Thomas N'guin in Paris wurden mehrere Verhaftungen vor genommen. Von 69 090 Kirchen, welche Frankreich zählt, haben sich bisher etwa 15 000 der Inventaraufnahme unterziehen müssen. Die Regierung beeilte sich, diese ebenso schwierige wie unangenehme Ausgabe in möglichst kürzester Frist zu erfüllen, weil sie schon im Hinblick auf die Neuwahlen die aus diesem Anlasse weite Volkskreise durchziehende Bewegung beruhigt sehen will. England. "König Eduard wird sich am Donners tag in Portsmouth zu einer Reise nach dem Festlande einschiffen. Wohin die Reise führen wird, ist noch nicht bekannt gegeben, jedoch glaubt man in eingeweihten Kreisen, der König von England werde eine Unterredung mit dem Prinzen von Battenberg in Sachen der Vermählung der Prinzessin Ena mit dem König Alfons vonSpanien haben. * Die Blätter veröffentlichen einen Brief des Handelsministers, nach welchem der Entwurf eines neuen Schiffahrtsgesetzes in kurzer Zeit dem Unterhause vorgelegt werden soll. Ferner ist in dem Briefe erwähnt, daß man sich augenblicklich mit der Revision der Bestimmungen betreffend den Abstand zwischen dem Niveau des Decks und der Ladelinie be schäftige, und daß man hoffe, über diesen Gegen stand ein billiges Abkommen mit Deutschland treffen zu können. Ein solches Abkommen bestehe zwar noch nicht, doch hoffe der HLndelsminister immer noch, zu einer Einigung mit Deutschland gelangen zu können. Jedenfalls würden die neuen Bestimmungen im nächsten Monat in Kraft treten. Spanien. "Die Diplomaten in Algeciras haben in ihren Beratungen eine Pause eintreten lassen müssen, bis man die drei vorliegenden Bank projekte durchberaten bezw. geprüft haben wird. In den Fachkommissionen wird um so eifriger gearbeitet. Man wird sich mit dem langsamen Fortgang der Beratungen schließlich wohl oder übe! abfinden müssen, wenn nur das Zie? einer allen Beteiligten annehmbaren Verständi gung dabei nicht aus den Augen verloren wird. Die Konferenzteilnehmer beabsichtigen, falls in der Polizei- und Bankfrage eine Ver ständigung nicht erzielt werden sollte, wenigstens die andre geleistete Arbeit zu retten und das Schmuggelbekämpfungs- sowie das Zollreglement mit Gesetzeskraft auszustatten. "In der Sitzung des Senats be antragte Ministerpräsident Morel möglichst baldige Abstimmung über das Gesetz, durch das bestimmt wird, daß die Zölle in Gold ge zahlt werden müssen. Auf eine an die Negie rung gerichtete Interpellation betr. die Kon ferenz in Algeciras zu antworten lehnte der Ministerpräsident, dem Beispiele Rouviers in der französischen Kammer folgend, ab. Der Senat nahm dann einen Gesetz entwurf betr. Reformierung der Polizei in Barcelona an. Rußland. * Unter dem Vorsitz des Zaren fand am Dienstag in Zarskoje Selo ein Ministerrat statt, in dem über ein kaiserliches Manifest beraten wurde, dessen Veröffent lichung für den 4. März vorgesehen ist. * Der Kongreß des „Verbandes vom 30. Oktober" hat eine Beschlußfassung an genommen, nach welcher die Reichsduma während der Revision des Wahlgesetzes selbst dafür sorgen soll, daß der Minderheit und den zer streuten Bevölkerungsgruppen an den Grenzen eine ihren Interessen entsprechende Vertretung gesichert wird. Ferner soll die Reichsduma über den Gebrauch der Staatssprache in den Schulen und in der Selbstverwaltung Bestimmung treffen. Bezüglich der Arbeiterfrage trat der Kongreß einstimmig den Beschlüssen der Sektionen bei, nach welchen in den Ortschaften, in denen die Industrie eine Rolle spielt, für die Reichsduma Arbeiter als Kandidaten aufzustellen sind. Man bringt dem Verbände in weitesten Volkskreisen großes Vertrauen entgegen und hofft, daß es ihm gelingen werde, mit Hilfe des Minister- rateS die Lage zu klären und dem Lande die so dringend notwendige Ruhe wiederzugeben. "Die Revolutionäre find ununter brochen an der Arbeit. Siebzehn dem „Ver band der Rache" Angehörige, die aus den Ost seeprovinzen nach Helsingf 0 rs (Finnland) kamen, überfielen in HelfingforS die Filiale der russischen Reichsbank, raubten 75 060 Rubel, ermordeten einen Wachtmeister und ver wundeten einen andern. Sämtliche Täter ent kamen. "In dem Prozeß gegen den Leutnant Schmidt find die Hauptzeugen der Anklage bereits verhört; die Verteidiger verzichteten ;abei nahezu vollständig auf ihr Flagerecht. Als ein Zeuge bekundete, daß Schmidt ein Feigling sei, schrie dieser auf: „Mein Leben wird genommen, lassen Sie mir meine Ehre!" Balkaustaate«. * Der serbische Finanzminister trachte in der Montagfitzung der Skupschtina das Ermächtigungsgesetz für den Abschluß der Handelsprovisorien mit den Staaten ein, die noch keine Handelsverträge abgeschlossen haben. Die Gültigkeitsdauer läuft mit dem 1. Mai a. St. ab. Die Opposition setzt ihren Widerstand fort, odaß die Verhandlungen nur äußerst langsam vonftatten gehen. Ägypten. "In Kairo find zwei türkische Stabs offiziere eingetroffen, um wegen der Grenz- affäre von Akaba zu verhandeln. Die gyptische Regierung hat den UnterstaaMekretär m Kriegsamte und einen andern Offizier beauftragt, diese Frage mit ihnen zu ver- jandeln. Zugleich wird berichtet, daß das englische Auswärtige Amt dem türkischen Bot- chafter erklärte, die englische Regierung sei, da sie Pforte nicht alle Forderungen Englands erfüllt habe, nicht imstande, die dreiprozentige Zollerhöhung vom 14. März an anzunehmev. Amerika. * Eine äußerst selbstbewußte und fiegessichere Sprache führt Herr Castro, der Präsident von Venezuela, in seinem Streit mit Frankreich. Nach einer Meldung aus Willem stad verkündet Präsident Castro jetzt, daß er Frankreich demütigen werde. Zunächst wolle er die Franzosen aus dem Lande hinaus jagen, dann würden die Amerikaner, EnglSnder und Deutschen an die Reihe kommen, dis, wie er erklärt, schlimmer als Chinesen wären. Die besseren Klassen in Venezuela erklären, daß die Lage im allge meinen Interesse ein Einschreiten der Ver. Staaten erfordere. Castro sei am meisten auf gebracht gegen die Amerikaner, die es nach seiner Behauptung nach Venezuela gelüste. Asten. * In diesem Jahre werden folgende Schiffs- bauten derjapanischenKriegsmarine fertiggestellt: Linienschiff „Satsuma", 19 000 Tonnen groß, im Oktober, geschützter Kreuzer „Kurama", 14 000 Tonnen groß, im August, geschützter Kreuzer „Jkoma" im März und die Depeschenboote „Magazi" und „Dodo" im Juli. „Satsuma" und „Kurama" werden auf der Werft in Jokosuka und „Jkoma" in Kure erbaut. "Die fremdenfeindliche Bewe gung in den südlichen Provinzen Chinas hat sich zunächst wieder in Gewalttätigkeiten gegen die Missionare Luft gemacht. Dabei find vier Angehörige einer englischen Misstonar- s Familie in der Provinz Klangst der Mordlust chinesischer Fanatiker zum Opfen gefallen, wäh rend es der Mehrzahl der schwer bedrohten Missionare glücklicherweise gelang, sich zu reOen. Man hegt fitz- auch in den Kreisen, die bisher an eine fremdenfeindliche Bewegung nicht glauben wollten, ernste Befürchtungen, daß der Angriff auf die Methodistenmsifion zu Nanchang in der Provinz Kiangfi der Vorläufer zu allgemeinen Unruhen sei. Von unct fern Der Kampf gegen vaS DneU vor 2VV Jahren. Am 24. Februar waren es 200 Jahre, daß der Kurfürst von Hannover, Georg Ludwig, ein beachtenswertes Edikt gegen das Duell gab, das in unsern Tagen ganz besonderem In teresse begegnen wird. Er sagt darin, daß er „mit ganz ungnädigem Mißfallen" vernehme, wie das Duell bei seinen Truppen, teils aus „ohnziemlicher Ehrsucht", teils aus Gewohnheit ooch wieder sehr einreiße, darum gebiete er „Unsern Offizieren und Soldaten, daß sie sich alles Querelierens, Ausfordern und Duellierens gäntzlich enthalten sollen". Die Behörden fordert er auf, daß sie auf solch verbotenes Balgen und Schlagen und „dessen Anfängern, Vollsührer, Helfer und Beförderer fleißige Acht haben, dieselben, wann sie betroffen werden, sofort in Arrest und gefängliche Hast nehmen lassen". Bleibe einer von den Duellanten tot auf dem Kampfplatz?, so solle die Leiche „durch die Henkersknechte nach der Schindgrube und zu unehrlichem Begräbniß, der Thäter aber sofort nach gehaltenem Standrecht und Befinden vom Leben zum Tode gebracht werden." Auch die Sekundanten sollen zu „gebührlicher Strafe" gezogen werden. Auf dem Karneval getötet. Bei dem Straßenmaskentreiben in Trier wurde eine männliche Maske durch Stiche tödlich verletzt. Auch der Bruder des Erstochenen wurde durch Stiche schwer verwundet. Der Mörder ist ver haftet. Im Delirium. In Braunschweig ermordete der dem Trünke ergebene Maler Niemann seine beiden Söhne im Alter von zwei und fünf Jahren, indem er ihnen den Hals durchschnitt. Darauf verübte er Selbstmord durch Erhängen. Auf offener Straße erschossen. In Runzen, Kreis Ohlau, wurde der Gutsbesitzer Max Kunisch, als er nachts aus dem Gasthause nach Hause ging, durch zwei Schüsse ermordet; vom Täter fehlt bis jetzt jede Spur. Selbstmord einer Oberprimaners. In Greifenberg in Pommern hat sich ein Ober primaner des dortigen Gymnasiums auf dem Kirchhof erschossen. Der Unglückliche war seit längerer Zeit nervenleidend gewesen und des halb ein halbes Jahr aus der Prima beurlaubt. Jetzt erst konnte er zur Reifeprüfung zugelassen werden. Am zweiten Tage der schriftlichen Prüfung wurde der junge Mann abermals von einem Nervenkrampf befallen. Kurz nachdem er sich hiervon etwas erholt hatte, vollführte er die unglückselige Tat. Schrecklicher Tod. Im Krankenhaus zu München.Gladbach fiel ein 21 jähriges Mädchen, das plötzlich Krämpfe bekam, in eine mit heißem Wasser gefüllte Badewanne und starb an den erlittenen Verbrühungen. DaS goldene Münchener Herz hat sich im Hofbräuhaus in München wieder einmal bewährt. Dort beobachteten Kellnerinnen, wie ein gut gekleideter junger Mann wiederholt mit der Zeche an zwei aufeinanderfolgenden Togen durchging. Es gelang, ihn dann abzufassen, und da stellte es sich heraus, daß der junge Mensch, ein Kaufmann, sein ganzes Einkommen an seine kranke Mutter und einen kranken Bruder verwendet und selber nichts mehr zu essen hatte. Nachdem die Richtigkeit dieser An gaben bestätigt war, erließen ihm die Kellnerinnen die Beträge und schenkten ihm noch je 1 Mk., während die daneben fitzende Stammtischgesell schaft einen ansehnlichen Betrag zusammenlegte und dem jungen Manne aushändigte, wodurch er der Not vorerst enthoben ist. Seltene Treue. Von einem, der noch länger um seine Braut „gedient" hat als Iakob um Lea und Rahel, berichtet die,Franks. Ztg/: Der Major des 23. Feldjägerbataillons Rudolf Edler v. Militsch hatte sich vor zwanzig Jahren als Lentnant mit einer jungen Bürgerstochter, Etelka Müller, verlobt und hatte fie nicht heiraten können, da die Kaution fehlte. Jetzt ist er zum Major befördert, und während der ganzen Zeit dauerte das Verlöbnis fort. Nun mehr entschloß sich der Offizier, sich an den obersten Kriegsherrn zu wenden, damit dieser ihm ermögliche, endlich die Braut zum Altar zu führen. Vorige Woche bat er in einer Audienz den Kaiser Franz Joseph um die Er laubnis, ohne Kaution zu heiraten. Diese Erlaubnis wurde ihm gewährt und dieser Tage fand in Vilis-Csaba die Trauung des Paares statt, das so lange treu auf seine endliche Ver einigung gewartet hatte. Ei« frecher Musenmsdiebstahl. In das Museum zu Tours (Frankreich) brachen in einer der letzten Nächte Diebe ein, indem fie mit Hilfe eines Baugerüstes durch das Fenster einstiegen, und es gelang ihnen, eine wertvolle Sammlung von antiken Kameen und ein kost bares Degengefäß, das historischen Wert hatte, zu entwenden. Der Wert der gestohlenen Gegenstände wird auf 50000 Frank geschätzt. Probefahrt durch den Simplontuuuel. Die amtliche Besichtigung des SimplontunnelS fand nunmehr statt. Au der Probefahrt, die in einem aus zwei Lokomotiven und zwölf Personenwagen bestehenden Zuge stattfand, nahmen 690 Personen teil. Eine Dame im Lustballon über den Kau al. Am Dienstag fuhr zum erstenmal eine Dame in einem kleinen Luftballon über den Kanal von England nach Frankreich. Frau Bremer, die Gemahlin eines eifrigen Mit gliedes deS Londoner Luftschifferklubs, unter nahm die kühne Fahrt. Sie fuhr zusammen mit zwei Herren um ein Viertel nach zwei Uhr von London auf, und bei gutem Winde ging eS schnell nach Süden weiter. Als man über ;en Kristallpalast hinweg fuhr, befand man sich schon in einer Höhe von 2000 Fuß. Uber den Kanal ging die Fahrt so schön uiw glatt vor ich, daß sich die Gesellschaft zum Essen nieder- «tzte und das Mahl verzehrte, das aus ÜLnrften, Brot, Kuchen und Champagner be fand. Um halb sechs Uhr war die französische Wste unweit Boulogne erreicht, und da die Dunkelheit einzutrcten begann, so wurde der Ballon heruntergelassen, und nach wenigen Minuten erfolgte die Landung ohne jeden störenden Zwischenfall. A Vie letzte Kate. 4) Roman von Karl Schmeling. Korts-tzmlg.) „AL ja — Sie wissen daS nicht l" erwiderte Luise lebhaft. „Ich war natürlich recht ängst lich, als ich den bezeichneten Platz erreichie. Ich sah zuerst niemand, bis ich an die Ecke dieser Straße kam. Dort standen zwei, dem Anscheine nach noch junge Leute, die bei meinem Erscheinen laut auflachten. „Wahrhaftig, fie kommt!" rief der eine. „Sage doch, fie ist gekommen I" erwiderte der andre. Damit traten beide unter weiteren Reden, die ich nicht ver stand, auf mich zu. Ich hatte einen so heftigen Schreck bekommen, daß ich im ersten Augenblick glaubte, in die Erde finken zu müssen. Die Berührung durch die Hand eines jener Menschen gab mir jedoch neue Kraft. Ich glaube, ich schlug nach ihm, zugleich aber eilte ich, nur von dem Gedanken an Sie erfüllt, Ihrer Woh nung zu. Eine drstte Stimme rief, mich nicht so leichten Kaufes davonkommen zu lassen. Gesehen habe ich diesen Menschen, der im Schatten der Häuser gestanden haben muß, jedoch nicht. Ich hörte Tritte und weiteres Lachen hinter mir und flog deshalb förmlich hierher." „Aber hätten Sie nicht gleich an Ort und Stelle um Hilfe rufen können, mein Fräulein?" meinte Weilmann. „Nicht etwa, daß ich Ihnen nicht gern Ausnahme gewährte, sondern um die Menschen, welche fich so Unerhörtes erlaubten, kennen zu lernen und zur Rechenschaft ziehen ru lassen —" i „Ich dachte nicht daran." erwiderte die junge Dame kleinlaut. „Ich schämte mich neben dem Schreck, welchen ich bekommen hatte, auch wohl zu sehr, um es selbst zu veranlassen, daß mich jemand in so zweideutiger Lage sah." „Aber das Billett, mein Fräulein," sagte der Leutnant, „haben Sie es bei fich? Darf ich eS sehen?" „Hier ist es," erwiderte Luise und reichte Weilmann das Papier hin. Der Leutnant betrachtete und prüfte das Schriftstück sehr eingehend. Die Adrcss' war nur an Luise R., ohne daß der letzte Name ausgeschrieben war, gerichtet. Der Inhalt des Briefes lautere: „Teure Luise, kommen Sie heute abend um neun Uhr bestimmt auf den Denkmalsplatz. An der Ecke der Gärtnerstraße werde ich Sie er warten, ich habe Ihnen etwas Wichtiges zu sagen. Ewig Ihr F." „Die Handschrift hat allerdings eine gewisse Ähnlichkeit mit der meinigen," sagte Wrilmann nachdenklich, „auch ist F. der Anfangsbuchstabe meines Vornamens, wie R. derjenige Ihres Vaternamens. Dennoch möchte ich fast be haupten, daß hier eine Verwechselung der Per son vorliegt, die möglicherweise dem sehr unge schickt gewählten Boten zur Last fällt —" „Nein, nein," erklärte Fräulein Luise sehr eifrig, „der Knabe nannte meinen Namen, als er das Billett brachte und behauptete bestimmt, daß es für mich sei —" „Dann freilich," meinte der Leutnant, „aus verschiedenen unklaren Anzeichen läßt fich zuletzt I auch ein voller Beweis zusammensetzen. Es kann fich jemand einen unanständigen Scherz erlaubt haben; doch könnte auch eine Nieder trächtigkeit im Spiele sein —" „Ich bin es, Herr Leutnant!" rief eS plötz lich draußen, während zugleich kräftig an die Tüe gepocht wurde. Weilmann öffnete, und sein treuer Friedrich betrat das Zimmer. Der Bursche machte große Augen, als er eine Dame im Zimmer vorfand. Dergleichen war ihm noch nicht vorgekommen, seit er bei dem Lentnant v. Weilmann war! Er sagte indessen kein Wort, sondern legte die Schlüssel auf den Tisch, um dann ab zuwarten, daß ihm sein Herr die Erlaubnis zum Sprechen geben werde. „Nun," saate der Leutnant denn auch sebr bald, „was hast du wahrgenommen, Friedrich ?" „Die Herren find die Gärtnerstrabe entlang bis zum Platze gegangen," antwortete der Bursche, „und fie haben fich dort in die Ressource begeben." „Sie haben fich unterwegs auch nirgends aufgehalten?" fragte der Leutnant Wetter, „mit niemand gesprochen? Nicht unter sich eine besonders laute Bemerkung gemacht? Keine überlaute Heiterkeit gezeigt?" „Nichts von allem," erklärte Friedrich, „fie haben zwar laut mit einander gesprochen, auch gelacht, doch nicht gerade auffallend." „Es ist gut, du kannst gehen," schloß Weil- mann das Examen. Friedrich schob infolge dessen hinaus. „Mein Verdacht gegen die beiden Herren scheint grundlos zu sein," sagte der Leutnant, fich wieder an die junge Dame wendend. „ES ist mir das eigentlich sehr lieb. OS eine Ver folgung erscheint, muß eine spätere Überlegung der Sache, überhaupt die Zukunft lehren. AuS dem Billett, wie aus der ganzen Sache tritt uns jedoch auch noch eine zweite Erscheinung entgegen, über die wir nicht so leicht hinweg gehen dürfen, mein wertes Fräulein." „WaS wollen Sie damit sagen, Herr von Weilmann?" fragte Luise stutzend, „ich verstehe Sie nicht im geringsten." „Man scheint in gewissen Kreisen," fuhr der Leutnant fort, „Beziehungen zwischen unS zu vermuten, welche nicht bestehen, und ferner an- -unehmen, daß wir nötig haben, diese Be ziehungen vor dem Vater zu verbergen und ge heim zu halten —" Luise errötete und machte eine heftige Be« ' I wegung. Weilmann hielt inne. Die junge Dame faßte fich schnell wieder; fie hob daS Auge zu dem jungen Mann empor und blickte ihm voll und fest in das Gesicht. „Beziehungen, welche nicht bestehen —" sagte Luise langsam und sinnend. „Ich glaube, Herr v. Wellmann, wir spielen schon leit längerer Zeit zu unsrer Qual Versteck miteinander. Wir kennen jeder den wunden Fleck des andern und tun doch, als wäre eS nicht der Fall. Wir wissen recht gut, daß wir einander nichts mehr zu verbergen haben, und fahren doch damit fort." „Wenn Sie mich in solcher Weise zu einer Erklärung auffordern, Fräulein Reuser," ant wortete der Leutnant nach kurzer Pause, „so bin ich freilich gezwungen, die Wahrheit zu be-
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