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Allgemeiner Anzeiger : 24.01.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-01-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190601247
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19060124
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1906
-
Monat
1906-01
- Tag 1906-01-24
-
Monat
1906-01
-
Jahr
1906
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 24.01.1906
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politische Kunälebau. Die Wrrre« i« Rußland. * Die Nachrichten ans dem russischen Reiche find in den letzten Tagen wieder ziemlich spär lich geworden. Es ist nur eine Meldung ans Warschau zu verzeichnen, wonach dort fünf Mit- gli^er der anarchistisch-kommunisti schen Organisation wegen verschiedene: Bombenattentate zum Tode verurteilt und in der Warschauer Festung erschossen wor den find. * Die Streikbewegung in Rußland ist, wie eine Regierungsmeldung besagt, voll ständig abgeschlossen. In Petersburg find seit dem 2. d. alle Fabriken und Werk stätten in Betrieb. In Charkow find die Arbeiter friedlich gefiimmt, der Ausstand ist beendet. Alle Industriebetriebe in DM find in Tätigkeit, die Ordnung ist vollkommen wieder hergestellt. In Baku wird auf den Naphtha werken regelmäßig gearbeitet, die Stimmung ist friedlich. * Ein Kongreß der Adelsmarschälle aus ganz Rußland wurde am Mittwoch eröffnet. Jedes Gouvernement hat dazu zwei Marschälle entsandt. Der Kongreß bezweckt außer den Vorbereitungen zu den Wahlen die Ausarbeitung von Maßnahmen, um die ländlichen Unruhen beizulegen und den bäuerlichen Landbesitz zu «weitern. * * * Deutschland. * Der Kaiser hat den Hinterbliebenen des verstorbenen Staatssekretärs v. Richthofen ein herzliches Beileidstelegramm zugehen lassen. * Offiziös wird abermals bestritten, daß in der sogenannten Welfen frage zwischen dem Kaiser und dem Herzog von Cumberland irgendwelche Verhandlungen stattgefunden hätten. *Jn der zweiten badischen Kammer erklärte die Regierung in Beantwortung der sozial demokratischen Interpellation betr. die Ar beiterkammern folgendes: D-e Reichs- Regierung beabsichtige die Ausarbeitung eines Gesetzes betr. die Arbeitervertretung, sobald die Reichsgesetzgebung über die Berufsvereine zum Abschluß gelangt sei. Die badische Regierung sei bereit, im BundeSrat an der Schaffung eines solchen Gesetzes mitzuwirken. Solange dre Gewißheit bestehe, daß daS Reich diese Frage lösen werde, erachte eS die Regierung nicht für geboten, durch die Landesgesetzgebung selbst auf diesem Gebiete vorzugehen. "Die von der Kriegsverwaltung verlangte Errichtung einer Feldzeugmeisterei, Vie sie Preußen fest sieben Jahren besitzt, wurde in der bayrischen Kammer vom Zentrum lebhaft bekämpft. Abg. Dr. Heim behauptet«, daß durch die bisherige allzuhäufige preußische Inspektion der bayrischen Artillerie die Selbst ständigkeit der bayrischen Armee stark gefährdet werde, eine Anschauung, die vom liberalen Führer Dr. C^fselmann, ebenso wie vomKriegs- mmister als unrichtig bezeichnet wurde. Das Zentrum lehnte als Mehrheitspartei mit den Sozialdemokraten die Errichtung einer Feld zeugmeisterei ab. * Eine entgegenkommende Haltung in der BerfassungSfrage ist von der ersten Kammer in Württemberg zu erhoffen. Die Ritterschaft hat am Freitag eine längere Konferenz in der Wahlrechtsfrage gehabt, in der die Meinung überwiegend dahin ging, daß es für den Adel nicht ersprießlich sein würde, wenn er bei seinem Widerstande gegen bas Reformwerk verharre, zumal er damit nicht ein mal mehr bei den Standesherren einen festen Rückhalt habe. Man glaubt infolgedessen, daß die Ritterschaft bei der Schlußabstimmung die Rev fion nicht zum Sch-itern bringen werde. * Die Wahlrechtskrawalle am Mitt woch in Hamburg haben scharfe polizeiliche Maßregeln zur Folge. Etwa 20 Schutzleute find verletzt worden, darunter einer tödlich Der angerichtete Sachschaden wird auf 100 000 Mark geschätzt. *Die Errichtung einer deutschen Re- gierungsschule in Neu-Guinea ist für April d. in Aussicht genommen. Bisher mußten die Kinder der Europäer alle nach Sysney oder Auckland (Australien) zur Schule geschickt werden, dies soll nunmehr in Fort^ll kommen. Geplant ist ferner eine Schule für Eingeborene, die auch Unterweisungen im Pflanzungsgeschäst sowie auch im Handwerk geben soll. Österreich-Ungar«. *Die österre-chisch-ungarischr Regierung hat Serbien bereits davon verständigt, daß, falls es das mit Bulgarien vereinbarte Zollunion- gesetz der Skupschtina vorlegt, seitens Öster reich die Vertragsverhandlungen sofort abge brochen werden. Es träte dann ein Zustand der V ertra g slo s i gk e it ein und es würde die Grenzsperre für serbisches Vieh erfolgen. * Ein führender deutscher Abgeordneter teilt mit, daß Baron Gauisch in der Tat Dr. Der - schatta den Posten eines Landsmann mini st er S angeboten habe. Auch die Tschechen und Polen sollen einen neuen Landsmannminifter erhalten. Ferner will Baron Gautsch den Tschechen in Königsfeld und den Deutschen in Brünn oder Olmütz eine Universität gewähren. Die Zahl der Mandate soll im allgemeinen vermehrt und die der Deutschen von 198 auf 204 erhöht werden. ««glaud. * Bei den jetzt täglich fortgesetzten Unter- hauswahlen find bis Donnerstag abend gewählt worden: 194 Liberale, 31 Vertreter der Arbeiterpartei, 60 Nationalisten und 82 Unionisten. Auch der frühere Minister Brodrick und der frühere Sekretär der Admirali tät Pretyman find bei den Wahlen unterlegen. Die Liberalen haben 99, die Arbeiterpartei 23, die Unionisten nur 3 neue Sitze gewonnen. Belgien. «Der Artikel 5 der Antwerpener Kredit vorlage, in dem die Instandsetzung der vor geschobenen Befestigungen, ferner die Gewährung eines Kredits von 12 300 000 Frank für die Arbeiten in der zweiten Befestigungslinie sowie die Bildung eines besonderen Fonds von 63 Mill, und die vorläufige Erhebung von 15 Mill, gesordert wird, gelangte in der Kammer zur Annahme. Spanien. *Am Freitag sollte in der Konferenz in AlgeciraS die Frage des Waffen schmuggels in Marokko beraten werden. Aber erstens waren die Protokolle der Dienstag- fitzung noch nicht fertig und dann lag zu der zu verhandelnden Frage von keiner Seite ein Antrag vor. Daraufhin wurde dann von den spanische« Vertretern eine Art Fragebogen an die andern Delegierten verteilt. Zur Bericht erstattung wurden dann fünf Delegierte ernannt, die Konferenz aber auf kurze Zeit vertagt. Amerika. * Seit Jahr und Tag zeigt sich der kratz bürstige Präsident von Venezuela, der übel berüchtigte Castro, als Feind der Europäer. Daran hat auch die Flollendemonstration der Mächte nichts geändert. Castro weiß ja, daß Nordamerika wegen der Monroe-Doktrin das Äußerste von ihm fernhält. Venezuela ist seit einigen Monaten mit Frankreich in Kon flikt. MS nun kürzlich der französische Der- treter an der gastlichen Küste Venezuelas landen wollte, wurde ihm dies durch Castros Regierung untersagt und er mußte nach Panama weiter- fahren. Auf dieses neueste Heldenstück hat Rouvier damit geantwortet, daß er dem Vene- zolanischen Vertreter seine Pässe zustellte mit der Aufforderung, noch am selben Tage das fran- zöstjche Gebiet zu verlosten. Der Betroffene ist noch am Freitag nach Belgien abgereist. DM »FLLLüasr Aus äem Keickstage. Der Reichstag beriet am Donnerstag in erster Lesung den Gesetzentwurf betr. die Übernahme einer Reichsgarantie in bezug auf die Kamerun-Eisen bahn von Duala nach den Manenguba - Bergen. S ellvertretender Kolonialdireklor Erbprinz zu Ho henlohe leitete die Debatte ein, indem er bezüglich der vielbesprochenen Verurteilung einer Anzahl Ka meruner Häuptlinge nähere M neilungen nrch Ein ¬ treffen des Gouverneurs b. Puttkamer und Prüfung der Akten in Aussicht stellte und dabei hervochob, daß die durch die Vorgänge in Ost- und Südwest afrika hervorgerufene unruhige Stimmung in der Bevölkerung von Kamerun die einstweilige Frei lassung der Verurteilten nicht angezeigt habe er scheinen lassen. Für die Eisenbahn selbst machte er wirtschaftliche und militärische Gründe gellend, indem er die Erschließung zukunftsreicher Gebiete und einen Ausschluß der Geländes und die Aufrechterhaltung der Ruhe von der Ausführung der Bahn erwartete. In der Diskussion, an der sich sämtliche „Asrika- fahrer" beteiligten, spielte die Angelegenheit der Akwa-HSuptlinge eine große Roll., sodaß dcr eigent liche Gegenstand der Debatte, die Kanuruncisenbahn, nur nebensächlich behandelt wurde. Sämtliche Redner, mit Ausnahme der Sozialdemokraten, traten für die Vorlage em. Die Wsiterberatung wurde vertagt. Am 19. d. wird die erste Beratung des Gesetz entwurfs betr. Übernahme einer Garantie des Reiches für die Kamerun-Eisenbahn von Duala nach den Monenguba-Bcrgen fortgesetzt. Wg. Erzberger (Zsnir.) polemisiert gegen die Ausführungen des Legationsrais Helfferich vom Donnerstag und des Abg. Semler. Mit dem Abg. Goller mich zu beschäftigen, habe ich keine Veran lassung, nachdem ihn das Organ der freisinnigen Volkspartei abgeschüttelt bat. Wenn Herr Goller von Pfaffenwlrtschast sprach, so läßt sich daS wohl nur aus seinem Tropenkoller erklären. Präsident Graf Ballestrem: EL gibt keinen Abgeordneten mit Tropenkoller. Abg. Erzberger schließt seine Rede mit dem Wunsche, daß Abg. Goller bald seine Versicherung wahr machen und auswandern möge. Stellveltrctender KolonialtirektorPrinz Hohen lohe: Ich stelle noch einmal fest, daß ich gestern nicht von einem „drohenden Aufstand", sondern nur von einer möglichen Rückwirkung des Aufstandes in andern afrikanischen Kolonien auf Kamerun ge sprochen habe. Abg. Semler (nat.-lib.) protestiert dagegen, daß fernen gestrigen Ausführungen der Sinn unter legt werde, als habe er irgendwie die Freiheit der Kritik der Presse über die Kolonialangelegenheiten beschränken wollen. Abg. Ledebour (soz.) polemisiert gegen die Abgg. Sturz und Gollcr. Das Urteil gegen die Ak«aleute stellt einen Rechtsbruch schnödester Art und einen unerhörten Mißbrauch dcr Amtsgewalt dar. Wir protestieren dagegen, daß die unglück lichen Schwarzen noch im Zuchthause sind, obwohl das Urteil noch nicht rechtskräftig ist. Abg. Arendt (freik.) stellt gegenüber dem ALg. Lattmann fest, daß die von der Regierung gewählte Bahntiace die richtige sei. Eine Ver- gnügungStour war unsreStudicnfahrtnachAfrikanicht. Abg. Lattmann (Antis.) verteidigt die Missio nare gegen die Angriffe deS Abg. Goller. Abg. Goller (Hospitant der frs. Vp.) pole misiert gegen den Abg. Erzberger und erklärt den Islam für unentbehrlich in Ostafrika. Abg. Storz ssüdd. Vp.) polemisiert gegen den Abg. Ledebour. Abg. Eickhoff (frs. Vp.) verteidigt seins selbst ständige, koionialsreundliche Stellung innerhalb der freisinnigen BolkSpariei gegen die Behauptungen deS Abg. Ledebour. Nach einigen Worten deS Abg. Erzberger und einigen persönlichen Bemerkungen schließt die Debatte. Die Vorlage geht an die BudgssiomAijston. Es folgt di« erste Beratung des Gis. tz«! twurss betr. die Pensionierung der Offiziere in Verbindung m t dem Gesetz betr. die Ver folgung der Personen der Unterklassen im Heere und in der Marine. Krikgkminister v. Einem: Die gegenwärtige Vorlage gleicht der vorjährigen, doch sind die Ver besserungen hinzugefügt, die die Vudeikommission wünschte. Ich bitte das hohe Haus, die Vorlage so schnell wie möglich Gesetz werden zu lassen. Abg. Graf Hompeich (Zmtr.) gibt nameuL seiner Fraktion folgende Erklärung ab: Wir be teiligen uns nicht bei der ersten Lesung an der Debatte über den materiellen Inhalt der Vorlage. Die Gründe für dieses ungewöhnliche Verhalten ein zusehen, überlassen wir dem Reichstag und der ReichSrcgierung. Ich beschränke mich also darauf, die Überweisung der Vorlage an die Budget- komumsion zu beantragen. Arg. Graf Oriola (nai.-lib.): Die Vorteile der Vorlage, die prinzipiell.» Foktschritie erkenne ich gern an, aber ich muß, wie schon im Vorjahre, eine gerechte Berücksichtigung der jetzt schon Pensio nierten und dann möglichst bald eine Reform dcr Ncliktenberforgung fordern. Staatssekretär im Reichsschatzamt Frh. von Stengel: Auch die Verbündeten Regierungen hoffen aas ein baldiges Z isiandekommcn der PenfionS- geietze. Gegen die Ausdehnung der rückwirkenden Kraft der Vor lagen aus alle alten Pensionäre habe ich mich bereits im Dezember 1904 ausgesprochen, das würde zu einer jo erheblichen Vermehrung der Ausgaben führen, daß eine solche Ausdehnung daS Schicksal der Vorlagen gefährden würde. Für di! Kriegsteilnehmer ist die rückwirkende Kraft vorgesehen, aber darüber können wir nicht hinausgehen. Ao soll daS Geld Herkommen? Abg. Lesche (soz.) tritt für Überweisung an die Budgetkommission ein. Abg. v. Massow (kons.): Es wäre doch be schämend, wenn wir den heiwkehrenden Afrcka- kriegern gegenüber wieder die Politik der Dreh orgelversorgung irren müßten, und dabei leitet uns namentlich das Wohlwollen für die unteren Chargen. Die Armee ist daS gesundeste Bollwerk unsres Vaterlandes, bleibt dieses intakt, so pfeifen wir auf sämtliche großmäulige Redner am 21. Januar. Eine schleunige Verabschiedung würde dem Vat-rlande nur zum Segen gereichen. Abg. Mugdan lsss. Vp.) bedauert, daß nicht auch die Zivilbcamten der Armee mit in das Gesetz einbezogen werden und tritt für Überweisung an die Budgetkommission ein. Abg. Liebermann v. Sonnenberg (Antis.) bedauert den Antrag auf Überweisung der Vorlage an die Budgetkommisston. Abg. Mommsen (frs. Vgg.) schließt sich dem Anirage auf Verweisung an die Budgetkommisstoa an. Wenn der Abg. v. Massow, dem Beispiele seines Freundes v. Erffa folgend, die sehr vagen Gerüchte von einem am 21. Januar bevorstehenden Tumulte kolportierte und darauf hinwieS, daß die Offiziere auch hierbei ihre Schuldigkeit tun würden, so war dieser scharfmacherische Ton gerade b-i dieser Vorlage, wo volle Einmütigkeit herrscht, unange bracht mid unverständlich. Nach weiterer Beratung, an der sich die Abgg. Werner (freik.) und v. Oertzen (freik.) be teiligen, wird die Vorlage an die Budgctkommission verwiesen. Es folgt die erste Beratung deS Gesetzes wegen Abänderung des Gesetzes hetr. die Statistik deS Warenverkehrs des deut schen Zollgebiets mit dem Auslands. Abg. Beumer lnat.-ltb.) begrüßt die Vorlage, die eine wertvolle Ergänzung der jetzt bestehenden Bestimmungen darstelle. Namens seiner Frcunde schlägt Redner vor, diese Vorlage keiner Kommissions- bcratung zu unterziehen, sondern sie im Plenum zu erledigen. Adg. Graf Kanitz (kons.) schließt sich diesem letzten Wunsche an, indem er die gewaltigen Fort schritte deS Entwurfes anerkennt. Abg. Kämpf (frs. Vp.): Auch meine Freunde entsprechen gerne dem Wunsche auf Verhandlung im Plenum. Wir erkennen gern an, daß die grund sätzliche Einführung des AbschätzungsverfahrenS und die nur ausnahmsweise vorznnehmcnte Wertangabe eine wesentliche Verbesserung der gegenwärtigen Zu stande bedeutet. Trotzdem haben meine Freunde doch noch einige Bedenken gegen das Gesetz. Nachdem Untcrstaatssekreiär Wermut dem Abg. Kämpf einige Aufklärungen gegeben hat, wird die erste Lesung beendet. Debaitelos wird die erst« Beratung deS Gesetzes betr. die Wertbestimmung der Einsuhr scheine im Zollverkehr erledigt. Darauf trit! Vertagung ein. Präsident Graf Ballestrem: Obwohl mir bis jetzt von feiten der RcichSregierung keine offizielle Mitteilung über das höchst bedauerliche Ableben des Frh. v. Richtbosen, auch nicht über die Zeit der LciLenfcicrlichkeit gemacht worden ist, so ist mir doch aus den Zeitungen beides bekannt. Ich weiß, daß morgen 3 Uhr die Feierlichkeit staltfindet. Ich glalide, daß, ebenso wie ich, viele Mitglieder dieses Hauses das Bedürfnis haben, diesem ousgemchveren und liebenswüldigen Staatsmann die letzte Ehre zu erweisen. Deshalb schlage ich vor, morgen keine S tzmig abzuhalten. (Bravo.) Nächste Sitzung Montag. Von I^iak unci f-ern. T<r letzte Weihuachtspaketverkehr weist im Reiche noch mehr als in Berlin eine be trächtliche Steigerung auf. Nach einer vom Reichspostamte ausgestellten Statistik wurden in den 69 Städten des ReichSpostgebietS, die nach der vorletzten Volkszählung über 50 000 Ein wohner haben, Weihnachten 1905 11010 602 Pakete aufgegeben und bestellt. In Betracht gezogen sind die 14 Tage vom 12. bis zum 25. Dezember einschließlich. Die 69 Städte halten am 1. Dezember 1900 zusammen 11 264 559 Einwohner, sodaß merkwürdigerweise ungefähr gerade ein Paket auf einen Einwohner käme, wenn sich die Städte inzwischen nicht erheblich vergrößert hätten. Weihnachten 1904 hatte die Zahl der Pakete 10 638 737 betragen. Ler Zuwachs gegen das Vorjahr beträgt also 371805. A Oie lZAurrn-lZiUfkircie. 4Aj Erzählung auS d. bayrischen Bergen v. M. N cal. Der Guntherevbauer zog sein Kind an fick und sagte leise, als ob er ihr nicht allzu weh tun wollte: „Arm'S Deandl, ja, es is wahr, waS da Lenzer g'sagt hat, er hat recht berichtfl!" Traudl erschien zuerst alles wie ein Traum. SIS der Sepp fie gestern verlassen batte, da zweifelte fie, aber fie hoffte noch. Sie sagte fich, daß der Bursche nur diese Verleumdung vorgebracht habe, um Gossssied bei ihr anzu- schwärzen und dadurch eher seinen Zweck zu erreichen. Sie konnte und wollte nicht glau ben, daß ihr Friedl so schlecht sein sollte. Und jetzt — jetzt sagte ihr der eigene Vater, daß AlS Traudl nichts auf seine Mitteilung er widerte, sprach Guntherer ingrimmig weiter: .Der Lump, der miserablige, — — der Gauner, der a'wifsenlose, hat di' wirkli' hinter- ganga und mi' dabei betrog'» und belog'»!" DaS Mädchen konnte nicht sofort alles das fragen. waS fich ihr auf die Lippen drängte, io saffungölos machten fie die Worte des Paters. ,D' Bärenwirtin Kat 'n in ib^ Nctz g'lockt, und da drinn iS a hänga blieb'»," erzählte Guntherer weiter. .Der nixnutzige Loder hat di' sitzen lassen und mit da Bron: a G'spufi ana'fangt. Und desz'weg'n san mir zwoa Listern hart auauandri g'ratem" Landl starrte den Bauern mit weit auf- gerissenen Augen an. .Dös mit dir sei net de richtige Liab g'wen, hat a g'iagt, er war mit dir nia glückli' wor'n, hat a g'sagt, und d'cum hat a fi' d' Bären- wirtin g'numma, hat a g'sagt, der ausg'schamte Spitzburl der, weil er moant, mit der iS a beffa g'st-llt." Gurchcrer tat eS wohl, sich die Wut so von der Leber herunter zu reden, es wurde ihm leichter, je mehr er schimpfte und wetierte. Das Mädchen aber sagte kein Wort, fie hatte fich von ibrem Vater forigcmacht und fitzte fich aus die Ofenbank, ihr bleiches Antlitz in den Händen bergend. So hatte es kommen müssen. Seine Schwüre, seine Küffe, seine Liebkosungen, alles war Lüge, alles war Ver stellung. Er hätte mit ihr nicht glücklich werden können, und doch versichert« er ihr stets, wie glücklich er sei. Ja, ist es denn möglich, so schlecht zu sein! Hat fie daS verdient, war fie nicht ganz in ihm aufgegangen l Und jetzt? Ihr schlanker Leib schüttelte fich in heftigem Schluchzen. DaS kann fie nicht ertragen. DaS ist zu viel des Leidens. „Tröst' di', Traudl," begann Guntherer wieder, dem gleichfalls daS Weinen näher stand; .über an solchen wortbrüchigen Lumpen sollt' ma' si' gar net awreg'n. Aba i wer'» scho' zwinga, sei' Versprech'n einz'iösn, so geht ma' mil'm oanzig'n Kind vom Gunthererbauer net nm, dös soll a st' mirka." .Na, Vata, wann a net selb» kimmt, wenn an d' Liab net hertreibt, na' lass'» laus'», i haü'» net auf," erwiderte Traudl, feuchten Auges zu ihrem Vater aufblickend, der wohl weislich verschwieg, daß ihn die Sache ebenso anging, wie das Mädchen. .Wann a meint, mit da Vroni glücklicher z' wer'n wie mit mir, ra' will i rahm net im Weg fteb'n. A zwun- gane Liab iS nix, da fehlt a's Glück." „Nix da, so leichten Kaufs kimmt a ma' net los, entweder er halt fei' Wort oder — —" sagte Guntherer, der seine alte Beweglich keit wieder gefunden hatte, und, vor Traudl bintretend, mit den Armen herumfuchtelte, als bätte er Gottfried vor fich. „I laß nu' net von dem herg'lausana Windhund blamir'n! So wahr i Guntherer hoaß, i bring da 'n Wieda, tot oda lebendi', ins Haus!" Traudl schüttelte den Kopf, dann erhob fie sich von der Bank, band ein Tuch um und verließ das Zimmer. Guntherer 'chaute ihr schmerzbewegt nach, dann ballte er die Hand und stieß zwischen den zusammengepreßten Zähnen einige Vcr vünschun- gen bervor — Die Glocken läuteten gar feierlich zum sonn täglichen Gottesdienst. Die Töne klangen vom Winde getragen, weithin durch daS Tal und riefen die Menschen in die Kirche, um Gott zu danken 'ür all daS Herrliche, das er zu ihrer Freude vor ihnen ausgebreitet hatte. Von allen Seiten strömten die Bauern und Bäuerinnen im Sonntagsstaat herbei; selbst von den Berg- höien waren sie herabgekommen, um wieder einmal gemeinsam mir andern Leuten GotteS Wort zu kören. Vor dem eisernen Tor des t.einen Fssedhv'es, der dis Krche umgab, stände» die jungen Burschen, ihre Pfeife rauchend. Jeder Vorübergehende wurde genau gemustert, besonders die Mädchen mußten fich ciner scharfen Prüfung unterwerfen, und da flog so manches Scherzwort hinüber und her- über, so manche Neckerei ließ die, welche fie anging, erröten. Dort im Schatten, hart an der weißgeiünchten Mauer des Kirchhofe-?, hatte sich eine Gruppe älterer Bauern gebildet, die eifrig von den Ausfichten der Ernte, von der Politik und von den schlechten Zeiten sprachen. Das haben schon ihre Voreltern so gemacht, fie machen eS ebenso und die nächste Generaiion wird von dieser Gepflogenheit nickt obwe'chen. Im Bauern steckt ein gutes S-ück Konser vativismus, der gleichzeitig sein bester Schutz liegen die destruktiven Tendenzen der städtischen Kultur ist. Frauen mit schwarzseidenen Kopf tüchern, den farbigen Fürder vorgebunden und am Mieder Meines Geschnür, eilten in die Kirche, dem einen oder andern der Männer einen Gruß zuwerfend. Langsam, als ob er sehr müde sei, kam jetzt der Gunthererbauer auf die Kirche zugeschnssen. Sein Erscheinen erregte allgemeines Aussehen. Die Burschen nahmen schweigend die Hüte ab. während die älteren ihm ein aufrichtige» „Grüaß Gott" zuriefen. .Na, aa Wieda auf die Füaß?" „Schaua, da Gmühcrer, schlecht fichchst aus — „Bist denn Wieda her'gestellt?" so ginoe. die Fragen durcheinander. Guntherer ub» wehrte ab und trat mit den übrigen in Kirche, denn man begann bereits zum zw -r- Male zu läuten Aus dem „Grauen Bären" traten jetz: dis
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