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Allgemeiner Anzeiger : 17.01.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-01-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190601176
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19060117
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19060117
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-01
- Tag 1906-01-17
-
Monat
1906-01
-
Jahr
1906
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 17.01.1906
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Guntherer vermochte sich, seit ihn Gottfried verlaffen hatte, kaum zu meistern vor Erregung. Unruhig ging er mit auf den Rücken ge- kreuzten HLuden auf und ab, wie ein Tiger in seinem Käfig vor der Fütterung. Traudl saß auf der Ofenbank und spann, während ihre Gedanken bei Gottfried weilten. Als sie seiner zeit die Geschichte von dem Ringkampf ihres Bräutigams mit der Bärenwirtin erfahren hatte, weinte fie; das, was ihr Vater und Gottfried da getan hatten, schien ihrer unwürdig, un ehrlich. Das hätte nicht geschehen dürfen. Allmählich aber machte fie sich, von ihrem eigenen Glück gefangen genommen, damit ver traut, daß ihr Vater nochmals zu heiraten enschlofssn sei. Was ging es schließlich fie an, wenn der Vater in seinem Alter noch eine Frau nahm, fie hatte erreicht, was fie erreichen wollte, und die projektierte Heirat ihres Vaters legte ja ihrer eigenen kein Hindernis in den Weg. Im Geaenteil. der Vater drängte sogar. „Laß ihn, er konnte in der finsteren Stube doch nichts sehen. Und selbst wenn er uns gesehen, so geht es schließlich niemand etwas an. Sie werden es ja obnehin bald erfahren. Wir haben uns nickt zu fürchten/ sagte Gott fried und küßte Vroni von neuem, die dem stürmischen Drängen des jungen Mannes aegenüber willenlos war wie ein Kind, fie, die Starke, die es mit jedem Burschen an Kraft ausgenommen hatte, war einem Stärkeren unterlege», der befreienden, alles überwinden den Liebe. U Oie Ksuern-Orunbiläe. 111 Erzählung aus d. bayrischen Bergen v. M. Neal. (Fortsetzung.! Gottfried zog Vroni wieder an sich, ohne daß sts sich dagegen sträubte. »Ich hab' dich unendlich lieb, Vroni,' flüsterte er, „jetzt weiß ich, was Liebe ist!' Die Bärenwirtin antwortete nicht; wie herr lich, wie wunderbar war das alles, was fie so ost in stillen Nächten, während fie sich ruhe los auf ihrem Bette wälzte, ersehnte, erhoffte, die eine Stunde sollte es ihr gewähren. „Und du, Vroni, du?' rief Gottfried, der sich in einem Zustande des Taumels be fand, „du, hast du mich nicht lieb?' „Nur di alloa, Friedl,' hauchte fie und legte ihren Kopf an seine Schulter. Gottfried zog die Geliebte an sich und küßte fie immer wieder mit einer wilden Heftigkeit, die ihn alles um sich herum vergessen ließ. Ms sich Vroni jetzt auS seiner heißen Um armung wand, in der Furcht, es könnten Gäste kommen, war eS ihr, als ob jemand das Ge- ficht fest an die Fensterscheibe drückte. Es war nur ein Moment, dann war der Kopf wieder verschwunden. „I glaub', es is jemand draußen vor'm Fenster,' rief fie erschrocken, „man belauscht uns!' „Wer soll uns belauschen,' entgegnete Gott fried, ärgerlich über die Störung, „du siehst Gespenster!" „Na, i hab' mi net täuscht, es war jemand am Fensterl' Guntherer verneinte. Dann schloß er das Fenster und durchmaß mit großen Schritten das Zimmer. Jetzt wurde die Tür geöffnet und eine Ge stalt schob sich mit einem kurzen „Grüaß Gott beinand!' ins Zimmer herein. Bei der herrschenden Dunkelheit war der Eingetretene nicht zu erkennen. Guntherer blieb stehen und erwiderte das „Grüaß Gott'. „SZ erlaubt's scho, daß i a bißl auf'» Hoa- gart'n kimm,' sagte der Unbekannte, indem er mehr in die Mitte des Zimmers trat. Guntherer befahl der Traudl, ein Licht an zuzünden. und als fie gleich darauf den Leuchter mit der brennenden Kerze auf den Tisch stellte, fiel ein Lichtstrahl auf das verwilderte Gesicht des Lenzer Sepp. Der Bauer prallte zurück und auch Traudl hatte sich angstvoll erhoben. „Er scheint enk koa b'sondere Freud z'mach'n, mei B'such,' meinte Sepp. „Aba für dös, was i to hab', hab' i gnua büaht, d'rum meinst i ' Die Stirnader Guntherers schwoll an. Wütend griff er nach dem in der Ecke stehenden Stock. „Da berin' hast d' nix z'suacha, a solchane Frechheit is ma no net vorkemma. 'Raus, sag i, oda —' Sepp retirierte gegen die Tür. „I fiehch, daß d' no allaweil da nämli bist, Guntherer, in dein'm Lexikon steht döS Wort .Vageb'n' aa net.' Guntherer erhob den Stock. .Schlag net her, Bauer der Schlag daß fie und Gottfried bald einen eigenen Hausstand gründen sollten. So hatte fie sich denn mit den Dingen, so wie fie lagen, ausgesöhnt. Traudl war keine Natur, die im stände war, sich der Entwicke. lung der Verhältnisse entgegenzustemmen, fie gehörte zu jenen Menschen, die, mehr passiv, sich ihrem Schicksal anzupassen suchen, so gut es eben ging, und die sich, von den Gescheh nissen stets überrascht, ohne großen Kampf in das Gegebene als etwas Unabänderliches fügen. Keine Charaktere, aber herzensgute Leute, die in ihrer Gesamtheit, in ihrem Herdentriebe einen wirkungsvollen Hintergrund bilden für die Minderheit der Individualitäten, die ihrer Zeit das Gepräge verleihen. „Wo a nur so lang bleibt,' sprach Guntherer vor sich hin, „fie scheint rahm hoaß z'mach'n.' „Mei, d' Bärenwirtin werd' halt net nach- geb'n woll'n,' erwiderte Traudl, der Gottfried ebenfalls zu lange ausblieb. „Hol's der Kuckuck, wenn s jatzt net ja sagt und dera G'schicht a End' macht!' „Sie werd scho ja sag'n; wenn oana dös z'weg brinat, na' is da Friedl.' Das Gespräch stockte wieder. Guntherer wi'chte sich, ohne seinen Spaziergang um den Tikch herum zu unterbrechen, mit seinem Taschen tuch den Schweiß von der Stirn. Die Luft im Zimmer war so drückend, so beklemmend. Er öffnete ein Fenster Und ließ den kühlen Wind um seinen Kopf spielen. Das tat gut. „Soll i a Licht mach'n?' fragte jetzt Traudl, der diese Stille unheimlich war. poUtiscke kunälckau. Die Wirre» i« Rußland. 'Die ,Nowoje Wremja' gibt Äußerungen des Ministerpräsidenten Grafen Witte wieder, wonach das Manifest vom 30. Oktober die selbstherrlichen Rechte des Kaisers in keiner Weise schmälere. Witte sprach so dann die Überzeugung aus, daß die aus der Mandschurei zurückkehrende Armee die Wiederherstellung der Ruhe im Innern bedeu tend fördern werde. Demoralisiert seien nur die Truppen im Rücken der Armee, etwa 30 Pro zent. Die Mandschurei-Armee dagegen (70 Pro zent) sei gut diszipliniert und zuverlässig. (Daß die Truppen „im Rücken der Armee', d. h. also längs der sibirischen Bahn, demoralisiert find, ist allerdings bedenllich genug und erklärt die Verhängung des Kriegszustandes über siebzehn Kreise, durch die die Bahn geht.) * In Befolg des ausdrücklichen Befehls des Zaren, den Zusammentritt der ReichSduma nach Möglichkeit zu beschleunigen, macht die Regierung bekannt, daß vom 28. Januar ab öffentliche Wahlversammlungen statt finden dürfen. Damit wird endlich für die von den verschiedensten politischen Sonderqruppen geschürten Volksleidenschasten ein hinreichendes Ventil geschaffen, das ein Nachlassen der hoch gradigen Spannung herbeiführen und den Staat vor neuen schweren Erschütterungen be wahren dürste. * Neuerdings erteilen dis in Mit au und Riga ansässigen revolutionären Komitees den Bauern gegen ein mäßiges Entgelt die „Er laubnis', die wenig geschützten Wälder der baltischen Gutsbesitzer nach Belieben abzuholzsn. 'Der ,Slowo' zufolge ist der Bericht des Statthalters tm Kaukasus nicht vollständig ver öffentlicht. Die Lage im Kaukasus sei höchst beunruhigend, olle Verkehrswege seien in den Händen der Aufständischen. 'In Rjeschiza nahmen die Truppen 15 Lettenführer gefangen, außerdem ! ist einer erschossen, der Hauptfübrer Grand i entkam. Die Gemüter beginnen sich zu be ruhigen. Denlschland. 'In dem Befinden des erkrankten Staats sekretärs Frh. v. Richthofen ist eine leichte Besserung ein getreten. Immerhin gibt sein Zu stand noch immer zu Besorgnissen Anlaß. 'Die Pensionsversichernng der Privatbeamten rückt dank der energischen Tätigkeit, die die verschiedenen Privatbeamten vereine nach dieser Richtung entfalten, all mählich in den Bereich der gesetzgeberischen Möglichketten. Das im Kaiserlich Statistischen Amt bearbeitete Material der Erhebung über ! die wirtschaftlichen Verhältnisse der Privat- ! beamten ist soweit behandelt, daß mit der ! Fertigstellung der für den Reichstag bearbeiteten ! Denkschrift für den Sommer gerechnet werden r kann. Die Denkschrift wird auf Grund der ! Enquete Auskunft geben, wie weit die Privat- s angestellten durch Privatverficherung gegen Alter, S Invalidität und Tod bereits gedeckt find, fie z wird auch über die Arbeitslosigkeit der Prioat- z beamten Anhalt geben. Das Reichsamt des z Innern widmet der Entwickelung der Frage z seine regste Aufmerksamkeit. z 'Diemeiningische Regierung ist dem z vom Landtag angenommenen Beschlusse, daß s der Antrag Bayern auf Gewährung von Tage- g gelbem an Schöffen und Geschworene im s Bundesrat von dem Vertreter Meiningens unter- 8 stützt werden möge, beigetreten. — In Jena 8 find in der neuen Schöffenliste zwei Namen s auS dem Arbeiterstande ausgenommen worden. 8 Das Gcwerkschaftskartell Jena hatte vor einigen s Monaten an den zuständigen Bezirksdirektor 8 und an das Amtsgericht das Ersuchen gerichtet, s bei der Auswahl der Schöffen auch Angehörige 8 des Arbeiterstandes zu berücksichtigen. — In 8 Frankfurt a. M. find auf Grund einer von Z dem GewerksLaftssskretär eingereichten Vor- s schlagsliste mehrere Arbeiter als Schöffen, der 8 Gewerkschastssekretär selbst, obwohl er nicht zu 8 den vorgeschlagenen Personen gehörte, als! Hilfsgeschworene ausgelost worden. — IM Bremen find drei Buchdrucker als Harris schössen für 1906 auSgelost worden. — M Leipzig stehen auf der diesjährigen Liste der Geschworenen zwei Arbeiter, ein Markthelfer und ein Stellmacher, in Nürnberg ein Zimmermann verzeichnet. — In Stuttgart befinden sich unter den Schöffen des Amts gerichts fett einigen Jahren eine Reihe von Arbeitern verzeichnet. 'In Kamerun find die Häuptlinge, die gewagt haben, sich über den Gouverneur v. Puttkamer beim Auswärtigen Amt zu beschweren, zu harten Freiheits strafen verurteilt worden. Dem ,Hamb. Fremdenbl.' geht auS Kamerun ein schriftlicher Der wicdergewLhlte französische SenatS- präsident FallZöres. Bericht über die Gerichtsverhandlung zu. Nach elftägigsr Verhandlung erfolgte die Verurteilung von King Akwa zu neun Jahr Gefängnis, zwei Großhäuptlinge wurden zu stoben und drei Jahr, drei Häuptlinge zu zweieinhalb und anderthalb Jahr, die Ufterhäuptlinge zu je drei Monat Gefängnis verurteilt. Andre Gründe, als lediglich die Unterzeichnung der Beschwerde, lagen nicht vor; wenn trotzdem auf so Hohs Strafen erkannt wurde, ging das Gericht von der Überzeugung au?, daß die Beschwerde über den Kopf des Gouverneurs hinweg direkt an den Reichskanzler ein Akt von Unbotmäßigkeit sei, der dis Autorität der Regie rung schädige. Demgegenüber machten die An geklagten geltend, daß alle Beschwerdcpunkte dem Gouverneur vorgeiragen, aber von ihm unberücksichtigt gelassen Norden seien, so daß sich die Kameruner in ihrer Not direkt nach Berlin hätten wenden müssen. * Der Gouverneur v. Okafrrka, Graf Götzen, hält die Lage im Schutzgebiete nun mehr für so weit gebessert, daß er im Februar seine Urlaubsreise nach Deutschland antreten zu können hofft. Frankreich. * Der Senat wählte seinen Präsidenten Falliöres mit 48 Stimmen Mehrheit wieder. Derselbe hat somit alle Aussicht, auch zum Präsidenten der Republik gewählt zu werden. England. * Die aus dem Prinzen Arthur von Connaught, dem Admiral Seymour und dem General Kelly Kenny bestehende englische Sonderbot schaft, die dem Kaiser von Japan den Hosenbandorden überbringt, hat am Donnerstag die Reiss nach Japan anaetreten. 'Die englischen Zeitungen veröffentlichen zwei Briefe, die die englisch-deutsche Annäherung fördern sollen. Der eine trägt die Unterschriften von 41 deutschen Ver tretern der Kunst, Wissenschaft und Literatur, der andre die von ebensoviel maßgebenden Ver tretern der englischen GesellschastsUassen. 'Das Exekutivkomitee der britischen sozia- listsscheu Partei hat seine Anhänger zur W ah l- e n t h al Lung aufgefordert. Holland. 'Der Vertrag zwischen Deutschland und Holland betr. das Nieder- lassungsrecht von Deutschen und Meder ländern in Holland bezw. Deutschland und bete, die Ausweisung mittelloser Ausländer, ist am Donnerstag von ver Erste« holländischen Kammer angenommen worden. Spanien. 'Die Eheschließung des Prinzen Ferdinand vonBayern mit der Infantin Maria Theresia von Spanien sand unter großer Prachtentfaltung am Freitag in der Madrider Schloßkapelle statt. Aste«. * Der Wortlaut des chinesisch-japa nischen Vertrages ist nach dem ,Dsi!y- Telsgraph' am Mittwoch in Tokio bekannt ge geben worden. Der Vertrag soll auch ein ge heimes Abkommen enthalten, durch welches China gehindert werde, irgend einer andern Macht zu erlauben, fick mit der Frage des Eisenbahnbaues Kirin-—Tschangtsun und Sinmingting—Mulden zu befassen. Das Blatt fügt hinzu, es sei klar, daß die » stasiatische Frage nicht dauernd erledigt sei, sondern daß mm fie nur während der Zeit der Ruhland zugestandenen Pachtungen ruhen lasse. China sei entschlossen, sich so bald als möglich von jeder fremden Einmischung los zu m a H e n. * Die japanische Regierung hat in Aussicht genommen, mehrere Auslandsstationen für ihre Marine einzurichten, jedenfalls in der AbsiLt, durch eingehendere Kenntnis fremder Verhältnisse den japanischen Verkehrs- und Handelsbeziehungen dis Wegs zu ebnen. Fürs erste ist eine Station für europäische Gewässer mit dem Standort im Mittelmeer und eine solche an der Westküste Amerikas geplant. Als Vorbote der Stationsschiffs darf das im Sommer in England erwartete Ge schwader unter Admiral Togo wohl betrachtet werde», das daun im Herbst einen Besuch in den Ver. Staaten von Amerika abstatten wird. Kus äem K.eicbsrage. Der Reichstag setzte am Donnerstag die Be ratung Ler Steuervorlagen fort. ReichSschatzsekretär Frh. v. Stengel empfahl in längerer Rede nochmals feine Steuer- und FinanMoiekte. Was die pro jektierten Verkehrs steuern betrifft, so ist der Schatz- sekretär gern bereit, den Wünschen des Reichstages entgegenzukommen. Abg. Patzig (nat.-liö.), der von Bier- und Tabakssteuervorlagen wenig erbaut ist und noch weniger von den Verkehrssteuern, empfahl die Besteuerung der Eiscubahnüberschüffe der Einzel- staaten, wogegen sich der preußische Finanzminister Frh. v. Rhetnbaben mit aller Entschiedenheit auS- jprach. Abg. Graf v. Kanitz (kons.) wollte von der Erbschaftssteuer nichts wissen, als Ersatz befürwortete er die Einführung einer Weinsteuer, des Tabak monopols und eines KohienauSfuhrzolleS. Abg. Barbeck (sts. Tp.) beleuchtete insbesondere die Ver kehrsfeindlichkeit der Stengelschen Steuerpläne Abg. Gamp (freikons.) schlug ein Spiritusmonopol und eine Fnseratensteuer vor. Abg. v. Gerlach (frs. Vgg.) sprach sich für eine kräftige Erbschafts steuer aus. Am 12. d. wird zunächst beschlossen, das Straf verfahren gegen den Abg. v. Gerlach (fts. Bag.) wegen Vergehen gegen das Urheberrecht einzustellen. Der Niederlassungsvertrag mit den Nieder landen und der Vertrag mit der Schweiz betr. die Errichtung deutscher Zollabferti gungsstellen auf den Bahnhöfen in Basel werden debcttelos in erster und zweiter Lesung an genommen. Sodann wird die Generaldebatte über die Reichsfinanzreform fortgesetzt. Abg. Werner (Antis.) tritt für eine ReichS- einkommensteuer ein und wendet sich gegen die Brau-, Tabak- und Fahrkartensteuer. Abg. Osel (Zentr.) wendet sich gegen die von der Rechten borgeschlagene Reichswein- steuer. Entgegen der Behauptung des ReichS- schatzsekretärS hat das Zentrum bisher entschieden an dem 8 6 des Flottengesetzes festgehalten. Eine Erweiterung der Erbschaftssteuer empfiehlt sich namentlich im Hinblick auf die englischen! Steucrverhältnisse, ebenso vielleicht eine Erhöhungi der Schaumweinsteuer. Die Zigarettensterl« ist mehr eine Papierstener, die der Steuerhinterziehung Tür z und Tor öffnet. Bei der Braustener bilden das > Surrogatverbot und die Staffelung zweifellos eine Verbesserung, aber eine Verdoppelung der bisherigen Steuer ist auf keinen Fall zu rechtfertigen. Hinsicht lich der Verkehrssteuern schließe ich mich der all gemeinen Verurteilung an, die fie erfahren haben. P Abg. Geher (soz.) polemisiert gegen den preußischen Finanzminister Frh. von Rheinbaben ' und zieht sich eine Rüge des Vizepräsidenten Grafen r Stolberg-WernigeroLe zu, weil er dem Minister „illoyale Verdrehung" vorwirft. Redner bekämpft sodann speziell die Tabaksteuer. Durch die Einfüh rung der Zigarettensteuer sowohl wie der neuen Tabaksteuer würden Tausende von Arbeitern brotlos werden. Die ganze Finanzresorm sei keine Refor- t mierung, sondern eine Deformierung unsres Wirt- > schaftsshstems. s Abg. Lichtenberger (nat.-lib.): Als lang jähriger Fachmann will ich die Gründe darlegen, die mich und meine Freunde veranlassen, gegen die Besteuerung des Rohtabaks zu stimmen. Wenn. 1882 nach Bismarcks Vorschlag das Tabakmonopol eingeführt wäre, hätte es rentabel sein können, heute ist das, nachdem sich die Industrie so gut entwickelt hat, ausgeschlossen. Dis Vorlage von 1879 ist viel besser aiS die heutige. Auch diese Vorlage belastete aber den Rohtabak schon zu sehr. Die Industriellen haben sich geholfen durch eine QualitStSverminderung. Statt nun dieses wirtschaftlich schädliche und sozial politisch bedenkliche Gesetz zu reformieren, schlägt man uns eine Erhöhung der Steuer vor. Die billige Zigarre zu S Pf. soll dadurch mit über 100 Prozent ihres Wertes belastet sein. Warum soll gerade der Tabakstengel mit 4(0 Prozent seines Wertes besteuert werden? Dieser Stengel, Herr b. Stengel (Heiterkeit), ist doch gerade die Würze dieser Zigarre. Wir können diesen ausländischen Zusatz nun doch einmal nicht entbehren. Abg. Riff (frs. Vgg.): Namens und im Auf trage sämtlicher elsässischer Abgeordneten erkläre ich mich gegen die Ausdehnung der Erbschaftssteuer auf Abkömmlinge und Ehegatten, und zwar weil durch diese Ausdehnung den Landes fiSkuS von Elsaß- Lothringen ein Verlust treffen würde, den zu er tragen er nicht fähig sein würde. Die Erbschafts steuer bildet für die Reichslande seit mehr als hundert Jahren fast die einzige Einnahmequelle. BunderaiSbevollmächtigter für Elsaß.Lothringen Geheimrat Halley: Ich danke dem Vorredner für sein Eintreten für die Interessen der Reichslande in der Frage der Erbschaftssteuer. Gerade für Elsaß-Lothringen ist die Frage der Ausdehnung ber Reichssrbschaftksteucr auf Deszendenten und Ehe gatten ungleich wichtiger als für sämtliche übrigen Staaten, da die Reichslande allein im Deutschen Reiche eine auf Abkömmlinge ausgedehnte Erb- schastssteuer besitzen. Die Einnahmen aus der Be steuerung der Abkömmlinge und Ehegatten betragen für unser kleines Land immerhin 1350000 Mark. Wir würden also bei einer Ausdehnung der Reichssrb- schaftSsteuer auf Kinder und Ehegatten die am meisten Leidtragenden sein, und eS wird sehr schwierig sein, den Ausfall zu decken. Auch gegen die Erhöhung der Brausteuer haben wir vom Standpunkte unsres Landes aus sehr ernste Bedenken. Ursprünglich sollten wir vom Jahre 1904 ab zur norddeutschen Brausieuergemeinschaft gehören, wenn uns aber. durch eine Erhöhung der Brausteuer unser jetziger Reinertrag im Betrage von 2400 000 Mk. verkürzt werden sollte, dann würden wir kernen Wert darauf legen, in die Brausteuergememschaft ausgenommen zu werden. Abg. Held (nat.-lib.): In der Frage der Erb schaftssteuer nehme ich einen andern Standpunkt ein, als mein Freund Büsing, auch lehne ich eine Erhöhung der Tabaksteuer rundweg ab, dagegen halte ich eine Wehrsteuer für durchaus annehmbar. Darauf wird die Wciterberatung vertagt. Von l^ab unä fern. Der Absturz a«f Helgoland ist durch den Zusammenbruch einer großen Höhle im Felsfuß nördlich der Schutzmauer entstanden. Vorboten hatten sich schon Anfang Dezember gezeigt, wo an der betreffenden Stelle Riffe und Senkungen auftraten. Evlschädigunge« für Lprrmberg. Wie aus Spremberg berichtet wird, betragen die Personen-Entschüdigungsansprüche, das Sprem- berger Eisenbahnunglück betreffend, nicht, wie es bisher hieß, 1V- Millionen, sondern sechs Millionen Mar!. Es werden allein für den getöteten Grafen 1V- Mill. M. und für Justiz rat Rochow (Görlitz) 800 000 Mk. einmalige Abfindung und insgesamt 56 000 Mk. jährliche Rente geiordert.
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