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Nachrichten für Naunhof und Umgegend : 01.07.1921
- Erscheinungsdatum
- 1921-07-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1787861864-192107017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1787861864-19210701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1787861864-19210701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Nachrichten für Naunhof und Umgegend
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Jahr
1921
-
Monat
1921-07
- Tag 1921-07-01
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Monat
1921-07
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Jahr
1921
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Eine SchtcksalSstunde, nicht minder schwer wie in jene« Augusttage« des JachreS 1914! Parteihaß und Parteihader haben uns getrennt, unser Leben vergiftet, Feindschaft in unseren Reihen gesät, wo Liebe und gegenseitiges Verstehen herrschen sollten. Sind wir denn nicht alle Kinder eines Landes, Schicksalsgenossen in schwerem Leid und tiefster Bedrängnis!? Haben wir nicht gemeinsam die furchtbaren Jahre des Krieges durch lebt, so manches Mal in bitterer Not einander suchend? Die kommende Zeit verlangt ein einig Volk, das in allen feinen Gliedern bereit ist, das Unvermeidliche zu tragen und sich aus dem Dunkel unserer Tage zu einer helleren Zukunft emporzuarbeiten. Ungeheuer sind die Aufgaben, die unser harren. Gilt es doch, Summen aufzubringen, die selbst in dieser Zett des gänzlich veränderten Zahlen sinnes nur schwer vorstellbar sind. Das wird aber nur möglich sein, wenn ein jeder unter uns seine Pflicht tut an seinem Teile. Arm rind reich, Kapitalist und Arbeiter, jung und alt — an einen jeden ergeht der Ruf! Niemals werden die Lebensfragen des deutschen Volkes gelöst werden können durch die Entfesselung ge hässigen politischen Kampfes, dadurch, daß man die Brand fackel des Parteigezänkes in die Trümmerwelt unseres staatlichen Daseins schlendert. „Von diesem Standpunkt aus werden wir das große Problem nicht meistern können. Es wird dazu guter Nerven und ruhiger Objektivität be dürfen." Diese Worte des Reichskanzlers zeichnen den Weg vor, der bei der Behandlung der kommenden ein schneidenden Finanzrefrom zu gehen sein wird. Diese »ruhige Objektivität" wird den unvermeidlichen Inter- essenkämpfen ihre Schärfe zu nehmen haben, wird dazu führen müssen, daß alle, die leisten können, bis zum äußersten das Ihrige tun. Auch jene, die über bisher noch nicht im gleichen Maße wie andere erfaßte Steuer quellen verfügen, werden im Hinblick auf den tiefen Ernst der Stunde dem Staate, d. h. der Volksgesamtheit, geben, was des Staates ist. Für den alles zersetzenden wirtschaft lichen Egoismus ist in der schwersten Zeit der deutschen Not kein Raum. Das dürfen wir ganz besonders bei den bevorstehenden Steuerkämpfen nicht vergessen, sollen wir jemals wieder einen Wiederaufstieg des deutschen Volkes zu neuer Größe erleben. Heute muß der „Wille zum Opfer" aus der klaren Erkenntnis unserer unabweisbaren Notwendigkeiten herauswachsen. Oie Erweiterung -er Freilisten. Verkehr zwischen besetztem und unbe setztem Gebiet. Die angeknndigte umfangreiche Erweiterung der Frei listen für den Verkehr zwischen dem besetzten und unbe setzten Gebiet ist erfolgt. Unter dem Druck der schweren Geschäftsstockungen, die als Folge der Zwangsmaßnahmen an manchen Stellen der rheinischen Wirtschaft eingetreten sind, hat die Rheu^ landkommissivn für eine ganze Reihe von Waren, insbe sondere solche der Textilindustrie, die Ausfuhr aus dem be setzten tn das unbesetzte Gebiet von jeder Genehmigungs pflicht befreit. Eine weitere Erleichterung ist für den Ver kehr zwischen den Banken des besetzten und unbesetzten Gebietes angeordnet worden. In Zukunft sollen nämlich Pakete mit Wertpapieren, sowie Wertsendungen im Ver kehr zwischen Banken des besetzten und unbesetzten Ge bietes ohne Bewilligung des Emser Amtes versandt wer- i den dürfen. Die Nhcinlandkommission hat außerdem eine ; Freiliste zusammengestellt, die für die Einfuhr über alle Grenzen des besetzten Gebietes Geltung haben soll, also so wohl für die Einfuhr aus dem unbesetzten Deutschland wie aus dem Ausland. Soweit sich diese letztere Freiliste j auf den Verkehr mit dem unbesetzten Deutschland bezieht, ist auch sie selbstverständlich zu begrüßen. Ihre Aus dehnung auf die westliche Reichsgrenze indes bedeutet eine ! Öffnung dieser Grenze für zahlreiche Artikel, deren Ein fuhr die deutsche Leistungsfähigkeit und damit auch die Fähigkeit Deutschlands zur Reparation auherordrutlich schwächen muß. Oer polnische Rückzug geht weiter Die erste Zone erledigt. Die Räumung Oberschlesiens durch die Polen hat energischer begonnen. Besonders im Norden und Süden § wird der Rückzug bemerkbar. Die Lage in Oberschlesien ! ist im allgemeinen etwas ruhiger geworden. Dennoch ist darin und auch in den Anzeichen des Rückzuges nicht ein Aufhören des polnischen Aufstandes zu sehen. Die eigentliche Kampftätigkeit ist eingestellt. Nur hin und wieder werden Apo-Kommandos beschossen. Im Indu striegebiet herrscht aber noch schlimmster Terror. Die ! Stimmung der Bevölkerung ist daher verzweifelt. Augen- ! zeugen berichten aus Rybnik, daß die Stadt furchtbar lei- ! det. In der Gegend von Czernowica find polnische Trup ! penansammlnngen festgestellt worden. Verhaftungen, Er pressungen und Verschleppungen sind an der Tages ordnung. ! Der englische General Hennicker hat dem Führer des deutschen Selbstschutzes mitgeteilt, daß der Rückzug der polnische» Insurgenten aus der ersten Zone des Räu- , mnngsplanes tatsächlich beendet ist. Daraufhin hat Ge ncrnl Hoefer gemäß der getroffenen Vereinbarung sofort sie Umgruppierung des deutschen Selbstschutzes eingeleitet Die Polenführer halten in den Dörfern Versammlungen ab und erklären, im Falle einer nnaünstiaen Entscheidung wur den sie den Kampf gegen Deutschland von neuem be ginnen. Aus Ratibor Hamme wessen Flüchtlinge ein, denen ix den letzten Tagen polnische Gestellüngsbesehle zugestellt worden sind. Die deutsche Bevölkerung östlich der Oder befindet sich in großer Besorgnis vor den kommenden Ereignissen. Was ei» Franzose sagt. Gustav Hervn bezeichnet in eitlem Leitartikel der „Victoire" die Zustimmung des Generals Hoefer zu dem Rückzugsplan der Jrlteralliierten Kommission in Ober schlesien als einen netten Beweis für den deutschen guten Willen. Worum, fragt er, versteift sich der Minister- vrästdent in diesem Augenblick gegenüber der neuen deut schen Regierung mit ihren demokratischen Teildenzen dar auf, die Aufhebung der im Rheinland gegen die alte reak- rionäre Regierung ergriffenen Sanktionen zu ver- weigcrn? Er fürchtet, der Schwäche angeklagt zu werde». Er fürchtet die politische Unerfahrenheil vieler junger Ab geordneten, die von ihrem Haß gegen Deutschland oder non ihrer Furcht vor ihm verblendet die Räumung der Kohlenhusen am Rhein und die Beseitigung der Zoü- Unie als einen Rückzug betrachten würden. Will man die demokratischen Tendenzen in Deutschland begünstigen oder nicht? Wenn ja, so hebe man die Sanktionen auf. Es ist unehrlich, Sanktionen aufrecht zu erhalten, wenn die Ursache, die sie veranlaßt hat, verschwunden ist. Oer Reich-Hau-Hal« für 1S21. 53 430 Millionen ungedeckt. Für das Rechnungsjahr 1921 schließt der gesamte Reichshaushallplan im ordentlichen Etat mit 48 459 Millionen Mark in Einnahme und Ausgabe. Es fehlen an ordentlichen Einnahmen 4 250 Millionen Mark zur Her stellung des, Gleichgewichtes zwischen Einnahmen und Ausgaben. 49180 Millionen Mark sind im außerordent lichen Haushalt ungedeckt und durch Anleihen zu be- schafsen. Unter den außerordentlichen Einnahmen von 10,5 Milliarden Mark befindet sich eil« Betrag von 7,8 Milliarden Mark aus dem Reichsuotopfer, der zur Deckung von Ausgaben des außerordentlichen Etats mit heran- gezogen werden soll. Aus dem Reichsuotopfer wird für das Rechnungsjahr 1921 eine Einnahme von insgesamt 10 Milliarden Mark erwartet. Für die Reichspost- und Tclegraphen-Verwaltung sind die Fehlbeträge für 1921 veranschlagt mit 4 515 Millionen Mark. Die Ausführung des Ultimatums in hauShaltsrechüicher Beziehung ist im Haushalt für 1921 noch nicht zum Ausdruck gekommen, sie wird einem besonderen Nachtragshaushall Vorbehalten bleiben. Enöe des englischen Kohlenstreiks. Loudon, 29. Juni. Amtlich wird gemeldet, daß der Streik der Berg arbeiter endgültig beigelegt ist. Der englische Bergarbeiterstreik Hal ein Vierteljahr gedauert. Er ist bemerkenswert durch das Eingreifen der Regierung und durch die große« Erfolge, die die Arbeiter erzielt haben. Die Beilegung der Differenzen erfolgte in einer Zu sammenkunft zwischen den Bergarbeitern und Lloyd Ge orge selbst. Die Arbeit in den Bergwerken soll sofort wieder aus genommen werden. Da die Bergarbeiter die Bedin gungen der Regierung angenommen haben, stellt die Re gierung eine Summe vou zehn Millionen Pfund Sterling zur Verfügung, um die Löhne in der Zeit des schlechten Geschäftsganges aufrecht zu erhalten. Zum erstenmal ist durch einen großen industriellen Streik der Grundsatz einer Gewinnbeteiligung der Arbeiter festgelegt worden. In Zukunft sollen in jedem Bergwerksbezirk von dem Übergewinn 83 Prozent für Extralöhne und 17 Prozent für Extradividenden verwendet werden. Während den Arbeitern ein Lohn von 20 Prozent über den Standard lohn von 1914 gesichert wird, hat das Abkommen bezüg lich der Gewinnbeteiligung den Ziveck, die Produktion zu erhöhen und die Dauer des Friedens in der Industrie zu sichern. Man kann also sagen, daß die Arbeiter so ziemlich alles erreichten, was sie wollten, ja sogar in einem Punkte noch mehr. Die Bergwerksbesitzer hatten 20 Prozent des Reingewinns sür sich beanspruchen wollen, sie begnügen sich nun mit 17 Prozent. Dafür verzichten die Bergleute auf die Schaffung einer nationalen Ausgleichskasse. Die Bergleute haben die Zusicherung der 10 Millionen Pfund von der Regierung dadurch erreicht, daß sie sich ver pflichteten: 1. die Wiederaufnahme der Arbeit sofort anzu ordnen ohne auf den Entscheid der Generalversammlung zu warten und 2. das Abkommen mit den Bergwerksbs- sitzern als „fortdauernd" zu erklären. Was darunter zu verstehen ist, erfahren wir aus der Mitteilung, die Lloyd George über das Streikende an dar Unterhaus gerichtet hat: Das Abkommen ist bis zum 30. September 1922 gültig und kann von beiden Seilen drei Monate vorher gekündigt werden. Es wird im Uinerhause besprochen werden. - - politische Rundschau. Deutsches Aeich. Die Finanznot der Gemeinden. ' " - de In seiner Schluß tagung beschäftigte sich der Verband Rheinisch-Westfälischer Gemeinden hauptsächlich mit der Finanznot der Gemeinden und der Aufstellung der Haus haltspläne. Um diese Not zu beheben, wurden verschiedene Vorschläge in Entschließungen niedergelegt. U. a. ivurde verlangt, daß die Gemeinden baldigst einen Ersatz für die Ausfälle erhalten, welche sie durch die Anteile zum Reichs einkommensteuergesetz erleiden. Sodann habe unbedingt eine scharfe Abgrenzung der Zuständigkeit für die steuer liche Hebeberechtigung zwischen Reich, Ländern, Provin zen, Kreisen und Gemeinden zn erfolgen. Dabei ist es notwe«tzig, daß den Gemeinden bestimmte große Steuer- arte» überwiesen werden. Rücktritt Escherichs Forstrat Escherich hat an die Kreis- und Gauhaupt- lente seiiler Organisation ein Abschiedswort gerichtet, wo rin es heißt, daß er nunmehr sein Ehrenamt als Lanocs- hanptman» in die Hände derjenigen zurücklegt, deren Ver trauen ihn ans seinen Posten berufen hat. Die Redefreiheit in« besetzten Gebiet. Die Tätigkeit der politischen Parteien im besetzte» Ge biet wird durch eine neue Verorduung des Kommandie- rrnden Generals des Brückenkopfes Düsseldorf erheblich beschränkt. Künftig muß jedem Gesuch für die Abhaltung eiilcr Versammlung eine Niederschrift der zu haltenden Rede wenn nicht vollständig, so wenigstens in« Entwurs beigefügt werden. Die deutsch französischen Verhandlungen. Vor« amtlicher französischer Leite wird über die be gonnenen Verhandlungen in Paris berichtet: Teilnehmer waren auf deutscher Seite Staatssekretär Bergmann und Präsident Guggenheimer, auf französischer Seite Minister Loncheu. und aus deu beteiligten Ministerien die Herren Seydoux, Tanery uud Eheyston. Beraten wurde die Frage der Restitutionen und Ersatzlieferungen gemäß einer Anregung der Reparationskommission. Die Verhandlun- gen über diesen Gegenstand Werder« fortgesetzt werden. Zunächst wird iiber die Liefernng von Materialien be richtet werden. Verband der SchlichtuttgsauSschüffe. Eine Konferenz der SchlichtuilgsanSschüffe zahlreicher deutscher Städte, die in Halle unter Beteiligung von Ver tretern des Reichsarbeftsministeriums, des preußischen Handelsministeriums und sonstiger Regierungsvertreter tagte, beschloß die Gründung eines Verbandes deutscher Schlichtuugsausschüsse. Die Tagung beschloß ferner Ab- Änderungsanträge für die neue Schlichtungsordnung. DaS Unglück auf Mont Cenis. Der Hattptausschnß des Landtages beriet über das Unglück auf der Zeche Mont Lents. Berätst Hchfelv gab etne ausführliche Darstellung des Unglücks. Alles freche für eine Kohlenstaubexplosion, die d^rch einen Schuß der- anlaßt wurde. Nachgewiefen sei, daß die Schießmeister nicht beteiligt waren. Energische Unschädlichmachung des Kohlenstaubes sei erforderlich. Die Wirkung der Beriese lung werde vielfach übertrieben. Die systematische Beriese lung in den Abbaustrecken habe nicht den beabsichtigten Erfolg gehabt. Großbritannien. X Waffenstillstand in Irland? Matt glaubt, daß man am Vorabend eines Waffenstillstandes in Irland steht. Die Regierung hat das Einstellen der Hinrichtungen ange- ordnet für die Dauer der Verhandlungen, die eröffnet werden sollen. Sie verlangt andererseits von den Sinn- feinern, daß sie auf Vie terroristischen Akte verzichten. Die englische Regierung soll bereit sein, oie Einheit Irlands anzuerkenuen und würde geneigt sein, Irland ein natio nales Parlament zu bewilligen, welches in Dublin tage» würde. Die Sinnfeiner würden eine Autonomie Irlands aunehmen. Inzwischen führen die Truppen Verstärkungen vor, denn die Regierung ist der Ansicht, daß die Ordnung in Irland wieder hergestellt werde«« muß, was sich auch ereignen mag. In ver Grafschaft Cork wurden republi kanische Truppe»« bei eiuer Zusammeukunft überrascht. 45 Manu wurde» verhaftet. Ein republikanischer Offizier wurde bei dem Versuch, zu entfliehen» erschossen. Aus Zn« und AnSianS. Berlin. Der zum Konsul des Reichs in Liverpool ernannte Legationsrat Dr. v. Dehn Schmidt ist dort eingetroffen und hat die Geschäfte des Konsulats übernommen. Stuttgart. Die Reichstagung deutscher Uhrmacher forderte in einer Entschließung die Aufhebung der Luxus st eu er und Verzicht auf Erhöhung der Umsatzsteuer. Wien. Der bayerische Spartakistenführer Dr. Max Levin, der sich bis vor kurzem unter falschem Name«« in Wien aufgehalten hatte, hat die russische Grenze überschritten und die Reise nach Moskau angetreteu. Brüssel. Die Heereskommission hat mit 10 gegen 5 Stim men bei 2 Enthaltungen einen Gesetzentwurf angenommen, der für die Jnfanterietruppen der Jahrgänge 1920, 1921 und 1922 die Dienstzeit auf 10 Monate festsctzt. Athen. Der griechische Kommissar in Konstantinopel hat Bericht erhalten, vaß die Beförderung von Flüchtlingen aus Nicodemia beendet ist. Die Regierung hat Maßregeln ergriffen, um 30 000 Flüchtlingen Arbeit und Unterkunft zu sichern. Ottawa. Der Vorsitzende drr Veteranen aus dem Welt kriege hat in einer Soldatenversammlung vor den Kräften, die im Begriffe sind, eine neue Weltkatastrophe zu verursache«, gewarnt. Er forderte einen bestimmten Versuch, unter allen Soldatenorganisationen eine Einigung zustandezu- bringen. Oer sechste Kriegsbeschul-igienprozeß General Stenger und Major Crusius unter Anklage. Leipzig, 29. Juni. Vor dem Reichsgericht begann heute der sechste der KriegS- bescbuldiatenprozesse. Angeklagt sind, und zwar aus franzö sische Anschuldigung hin, der frühere Generalleutnant Stenger und der frühere Major Crusius. Unter den Zeugen, die ge- ! laden sind — es sind mehr als fünfzig — befindet sich dies- ! mal, im Gegensatz zu den früheren „Krtegsvcrbrecher"-Prozes! m, kein Ausländer. Der Verhandlung wohnen wieder mehrere Ver- trcter der Entente bei, darunter vier Franzosen. ! Die Anschuldigungen, die gegen die beiden Angeklagten ' erhöbe«« worden sind, datieren aus dem Jahre 1914, also aus den ersten Kriegslagen. General Stenger soll damals einen Korpsbesehl gegeben haben, in dem es hieß, daß keine Gelun genen zu machen, französische Gefangene und Verwundete vielmehr sofort zu töteu seien. Major Crusius soll dann in Ausführung dieses Befehls die Erschießung französischer Ge fangener uud Verwundeter augeordnet habe««. General Sten ger bestreitet die Richtigkeit dieser französischen Angaben und schildert den wahren Sachverhalt. Er und feil« Stab seien nach der Schlacht bei Saarburg (21. August) dort französtsci en Soldate«, die sich tot oder verwundet stellten, hinterrücks be schossen worden. Auch von den Bäumen herunter hätten die Franzosen geschossen. An sich sei gegen solche Kriegslisten nach völkerrechtlichen Grundsätzen nichts einzuwenden, aber es »Nüsse dann natürlich auch der Gegenpartei erlaubt sein, sich mit allen erdenklichen Mittel»« gegen Überfälle dieser Art zu wehren, und so habe er denn seine Umgebung und vielleicht auch größere Truppenkörper, die vorüberzogen, vor der« angeblich toten Franzosen gewarnt und in gerechter Notwehr gejagt, daß es nicht darauf ankäme, Gefangene zu machen, sondern die auf den Bäumett sitzenden Feinde wie Spatzen herttnterzuschießeu. Fn einem schriftlichen Korpsbesehl würde er so etwas natürlich niemals zum Ausdruck gebracht haben. Der Angeklagte Major Crusius, der seinerzeit als Haupt mann der 58. Brigade zugeteilt war, will den Befehl zur Cc- ssmeßuna eines Franzosen, der auf dem Schlachtfeld? sich »m gestellt habe, nicht selbst gegeben Haber«, sondern nach einem Beseht des Majors Müller gehandelt haben. Major Müller- habe sich dabe« auf einen Brigadcbeschl berufen. General Stenger, der im Kriege schwer verwundet worden ist und ans Krücken geht, erklärt es nach einmal sür ausgeschlossen, daß er einen solchen Befehl gegeben habe. Major Müller sei »o», und cs sei nicht scstzustelleu, wie er gehandelt hat. Major Crusins ist, wie von deu ärztlichen Sachverständigen scstgestcllt wird, schon rncbnuals schwer nervenkrank gewesen und das Erinne rungsvermögen hat ihn wiederhol« verlassen. Deutscher Krankenkaffentag. F r e i b u r g i. B., 29. Juni. Hier begänne»« die geschäftliche»« Beratungen des Gs- samwerbandes der Krankenkasse»» Deutschlands. Der Ver- bandsleiter, Abgeordneter Behrens, erläuterte in sei ner Begrüßnngssprache kurz die Aufgaben der Kranken kassen. Als Vertreter des Reichsarbettsministeriums gab Oberregieruugsrat Hoppe vom Reichsversicherungsamt der Hoffnung Ausdruck, daß die Verhandlungen zur wei teren Lösung der sozialen Fragen beitragen mögen. Nach dem Geschäftsbericht über das Jahr 1920 gehören dem Gesamtverbaud 620 Krankenkassen au. Die Einnahmen betragen etwa 125 000 Mark, die Ausgaben 50 000 Mark. Den» Reservefonds wurden 41000 Mark überwiesen. Ein Vertreter des Reichsarbeftsministeriums referierte über die gesetzliche»« Änderungen auf dem Gebiete der Kranken- kassenversicheruttgeu. Eiue besondere Gesetzesnovelle für die Verdoppelung des Entbiudungsbeitrages, Erhöhung des Stiügeldes und die Heranziehung des Mindesteinkom mens znr Krankenkassenbeitragspflicht vor« 2500 Mark aus 80W bis M000 Mark wurde vorgcschlagen. Abgeordneter Ziegelmeier erklärte sich mit der Erhöhung der Bei- tragSsnmme ans 10WO Mark einverstanden, warnte aber vor einer Überspannung der Beitragsleistuug für die In validenversicherung. Geschäftsführer Lauf aus Essen be richtete über die Ruhegehaltsversicherung. Ein von ihm begründeter Antrag znm Beitritt zur Ruhegehaltsver sicherung wurde nach kurzer Aussprache angenommen.
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