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Beilage zu den Nachrichten für Naunhof Nr. 133.—Sonntag, den 11. November 1917. 38. Jahrgang. Der To- Adolf Wagners. Adolf Magner, der berühmte Volkswirtschaftler und Patriarch der Berliner Universität, ist infolge einer Arterien- Verkalkung gestorben. Er war mit Gustav v. Schmöller, der ihm vor wenigen Monaten im Tode vor- anging, der Hauptträger des sogenannten „Kathe- dersozialismus', welcher Name zuerst gegen ihn geprägt worden ist. Beide haben als Universitäts- Professoren die höchsten für sie erreichbarenEhr «n erlangt: sie waren auch dem Titel nach Exzellen zen und sind durch die Berufung ins preußische Herrenhaus ausge zeichnetworden. Wagner hat bei der Lösung aller groben Aufgaben des Wirtschafts-, Volks- und Staatslebens bahn brechend oder fördernd mitgewirkt. Er ist als einer der ersten für die Verstaatlichung der Eisenbahnen eiugetreten, war einer der Hauptmitarbeiter an Bismarcks Schutzzoll« und Sozialpolitik, wirkte zu Beginn der Wer Jahre als wissenschaftlicher Werber für die Re form der preußischen Besitzbesteuerung, wurde am Anfang« unseres Jahrhunderts einer der eifrigsten Fürsprecher der Schaffung einer groben Kriegsflotte und trat später mit dem ganzen Gewicht seines großen Namens für di« Bülowsche Zoll- und Handelsvertragspolitik und für die Reichsfinanzresorm, hierbei besonders für die allgemeine Erbschaftssteuer, in die Schranken. Es hat Wagner in seinen: langen Leben nicht an mancherlei persönlich zuge spitzten Fehden gefehlt, aber wohl kaum einer seiner Gegner hat ihm schließlich die Anerkennung seiner Rechtschaffen heit, Wahrhaftigkeit und wissenschaftlichen Unbestechlichkeit versagen können. Eine Zeitlang hat sich Wagner auch als Parteipolitiker betätigt: er hat in den Wer Jahren mehrmals für den Reichstag kandidiert und gehörte von 1882 bis 1885 als Mitglied der deutschkonseroativen Fraktion dem preußischen Abgeordnetenhaufe an. Parteipolitisch stand ihm damals Ctoecker am nächsten. Geboren wurde der jetzt verstorbene Gelehrte am 25. März 1835 in Erlangen als Sohn des Physiologen Rudolf Wagner. Im Alter von 23 Jahren schon begann er an der Wiener Handelsakademie seine Laufbahn als Hochschullehrer. Er kam dann als ordentlicher Professor an die Universität Dorpat, von, da nach Freiburg i. Br. und 1870 als Professor der Staatswiffenschaften nach Berlin. Der akademischen Jugend, für deren Freiheits rechte er stets warm eingetreten ist, war er ein vorbild licher Führer und Fremrd. , Nonaufragen. Wirtschaftspolitische und technische Möglichkeiten. Der Besuch deS Graten Czernin in Berlin beim «uen Reichskanzler gilt sicherlich zunächst der erneuten Bekräftigung des einmütigen Willen- zur Durchführung der beiderseitigen Kriegsziele bei den großen Mittelmächten. Aber die KriegSziele, an die man zuvörderst denken mutz, stehen nicht als in sich abgeschloffene Gebilde da, sie hängen ursächlich und unlöslich zusammen mit der Entwicklungs möglichkeit der inneren wirtschaftlichen Verhältnisse. Im j Deutschen Reiche sowohl wie in Osterreich-Ungarn. Und für diese unter dem HabSburgzepter vereinigte Monarchie ! bildet die Frag« nach der Ausnutzungsfähigkeit der Donau > eine der ersten und wichtigsten Aufgaben, die zukünftiger > Lösung entgegenzufübren find. Aber auch für da- Deutsche > Reich gewinnt die Donaustraße einstweilen noch nicht über- ! sehbare Wichtigkeit durch ihre Bedeutung für Bayern i und weiter für das ganze Reichsgebiet. In Bayern haben die wirtfchafts- und verkehrspolitt- fchen Zukunftshoffnungen und -wünsche einen natürlichen KristallisatiorrSpunkt im Donauproblem. Man möchte in j Bayern — und begegnet sich dabei natürlich mit ähnlichen Zielsetzungen in Ler habsburgischen Monarchie — die bisher verkehrSanne Donau zu einer lebhaft befahrenen Groß- fchiffahrtsstraße von starker internationaler oder doch „mitteleuropäischer' Bedeutung machen. Handelsver tretungen, Kongresse, die Tagespresse widmen diesem Plan dauernde und gründliche Aufmerksamkeit. In Regensburg erscheint unter der Redaktion eines bayerischen LandtagS- abgeordneten eine besondere Halbmonatsschrift „zur För derung deS Verkehrs, des Handels und der Industrie auf und an der Donau und den mit ihr zusammenhängenden Flüssen und Kanülen'. Im vorigen Jahr hat auch der Reichstag bereit- einen sehr stattlichen Kostcnbeitrag für die Vorbereitung der wichtigsten der in Frage kommenden Kanalprojekte der Donau—Main-Verbindung bewilligt. Die geringe Der- ! kehrsbedeutung, die die Donau bisher besaß, geht gleich- ! mäßig auf technische wie auf wirtschaftliche Umstände zurück. Trotz der zahlreichen Teilregulierungen weist di« Donau technisch als Schiffahrtsweg noch sehr erhebliche Unvollkommenheiten auf, die transporterschwerend und transportverteuernd wirken. Die Tiefe der Fahrrinne ist bei niedrigem Wafferstand an manchen Stellen sehr gering; das schließt die Verwendung größerer schiffe aus oder zwingt zu kostspieligen Umladungen. Bei hohem Wasser- stände wiederum stelle» etliche veraltete Brücken ähnlich miß liche SchiffabrtSbinderniffe bar. Ladeplätze und Winterhäfen find nicht i« genügender Zahl vorhanden, die ReguKerung am Eisernen Tor entspricht nicht völlig den BedürfnWen der Großschiffahrt. Die Folge dieser Mängel war bisher et»« Langsamkeit, Unregelmäßigkeit und Kostspieligkeit der Beförderung, die im groben Verkehr eine Konkurrenz mit bcm Seetransport kaum zuließ. In der gleichen Richtung wie die technischen wirkten wirtschaftlich« Hemmungen. An den ganzen Donauufern find keine bedeutenden Ihr* dustrien sngesiedelt. Der Verkehr geht deshalb über wiegend nur zu Berg; der Beförderung von Agrarerzeug nissen Ungarns und deS Balkan- donauaufwärts stehen keine nennenswerten Talfrachten deutscher und österreichi scher Jndustriewaren gegenüber. Das bedeutet natürlich schlechtere Ausnutzung des Laderaum- der Schiffe und da mit Verteuerung der Frachten. Endlich ist der Mündungs oerlauf der Donau wirtschaftlich ungünstig; statt in der natürlichen Handelsrichtung über den Balkan zum Mittel- meer, führt sie in eine „Sackgaffe', in ein abgelegenes Binnenmeer, dessen Ufergebiete uur beschränkte ProduktionS- und Verkehrsbedeutung besitzen. Die technischen Schwierigkeiten der Donauschiffahrt können zweifellos in weitem Umfange beseitigt werden, j Man kann die Fahrrinne gleichmäßig gestalten und für j Schiff-gefäße größeren Tiefgang- einrichten, man kann ! rücken umbauen, Ladeplätze und Winterhäfen anlegen. Nicht ganz so leicht und so vollständig ist die wirtschaft liche Ungunst der Verhältnisse zu überwinden. DaL beste, wa- hier geschehen kann, besteht darin, durch den Bau von GroßschiffahrtSkanälen die Industrie künst lich an das Donauufer (oder vielmehr an eine Fort setzung de- DonauuferS) heranzubringen. Kanal- Projekte, die ja nicht neu find, bilden deshalb Len wesent lichsten Teil deS wirtschaftlichen DonauprogrammS. Man denkt an Verbindungen des Rhein- (LaS oben erwähnte Donau- Main-Projekt!), der Weser (Wer di« Werra), der Elbe und der Oder mit der Donau — teils auf deutschem, teils auf österreichisch-ungarischem Gebiet«. Natürlich müssen diese SchifsahrtSstraßen so au-gebaut werdrn, daß möglichst im ganzen Strom- und Kanalgebiet ein um- ladungsfreier Großschiffsverkehr stattfinden kann; jeder Um schlag setzt die Konkurrenzfähigkeit der Binnenwaffer- straßen gegenüber dem Meere herab. Daß technische Donauoerbesserung, Kanalbau und dazu noch eine einheitliche, öffentlich regulierte Ver kehrs- und Tarifpolitik der DonaufchiffahrtSgesellschaften den Verkehr auf dem großen Strom« Süddeutschkands innerhalb gewisser Grenzen (die teils durch die Beschränkt heit de- in der Richtung de- Donaulaufs möglichen Güteraustauschs, teils durch die generell bleibende M«r- legenhett de- Seetran-vortt gegeben sind) erheblich be leben können, steht auß«r Zweifel. Allerdings fordert ->e Herstellung der Voraussetzungen dieser Verkehrssteigerung beträchtliche Mittel. Man betont jedoch neuerduW- gern — und nicht ganz mit Unrecht —. daß die Rentabilität