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Nachrichten für Naunhof : 14.10.1917
- Erscheinungsdatum
- 1917-10-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id178785101X-191710146
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id178785101X-19171014
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-178785101X-19171014
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Nachrichten für Naunhof
-
Jahr
1917
-
Monat
1917-10
- Tag 1917-10-14
-
Monat
1917-10
-
Jahr
1917
- Titel
- Nachrichten für Naunhof : 14.10.1917
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wiederkehren, sei der kleine und mittlere Mann aller Mittel, der Maschinen usw. beraubt. Es werden setzt Theorien oer« treten, dahingehend, daß nur daS Starke und Grobe ein Recht auf Bestand habe, während da- Mittlere und Schwache der Vernichtung preiszugeben sei. Das wäre das Ende unserer Stellung auf dem Weltmarkt. Vizekanzler Dr. Helfferich erklärt, es handle sich um Not« maßnahmen. Die ausgesprochenen Befürchtungen sind nicht berechtigt. Die Ökonomie der Kräfte nötigte uns. oft empfind lich einzugreifen. Es wird Aufgabe der Übergangswirtschaft sein, einen Ausgleich zu schaffen. Im Vrinzip war ein anderes Handeln nicht möglich, sollte nicht noch größerer Schaden ent stellen. Daß es schlimm mit den kleinen und mittleren Be trieben steht, bestätigt auch Abg. Dr. Rieß er (natl.). Die Frage der Rohstoffe wird mit der Auseinander setzung verbunden. Abg. Leicht lZtr.) kritisiert die Schwer fälligkeit der jetzigen Behandlung, der Handel sei beweglicher, ihm solle man den Einkauf der Rohstoffe überlassen. In Bayern bestehe Mißstimmung wegen der Zentralisierung in Berlin. Abg. Hoch (Soz): Die Notwendigkeit der Über wachung der kapitalistischen Kreise durch den Staat habe sich im Kriege gezeigt. Die Regierung tritt vielfach nicht scharf genug auf. Abg. Lie sch ing (Vv.) will das Wirtschaftsleben der Zukunft freigestaltet wissen. Aber die Stillegung war eine absolute Notwendigkeit, wenn sie auch nicht überall zweck mäßig durchgeführt wurde. Die Zwangssyndizierung hat schwere Nachteile und muß im Frieden wieder verschwinden. Bedauerlich ist das Spiel mit dem Gedanken, sie etwa im Interesse der Steuern dauernd zu erhalten. Damit diskreditiert man die Zwangssyndizierung vollends. Aus der Rohstoff versorgung darf man den legitimen Handel unter keinen Um ständen ausschalten, will man nicht alle Handelsbeziehungen abreiben, wie eS jetzt durch die einzelnen Kriegsgesellschaften geschieht. Bei der weiteren Beratung erklärte Ministerialdirektor Müller trotz der Lederknappheit werde man alles tun. um einer Schuhnot durch Herbeischaffung von Ersatzstoffen vorzu beugen. Unterstaatsfekretär Dr. Schwanker betont, es ließe sich kein Termin für die Beseitigung der Syndikate angeben. Im Ziele sind wir einig, das Wirtschaftsleben wieder aufzu- bauen. Dazu können wir uns in der Übergangszeit nicht auf das freie Spiel der Kräfte verlaffen, wir können auf längere Zeit die staatliche Beeinflussung nicht entbehren. — Die Form hierfür muß noch gefunden werden. Nachdem Oberstleutnant Köth noch erklärt hatte, daß die Kriegsgesellschaften nicht Gewinne machen wollen, aber sicher gehen müssen, damit sie kein Defizit haben, und daß in jeder Gesellschaft Reichstagsmitglieder sitzen, die sich genau infor mieren können, wurde eine Resolution deS Zentrums an genommen. die den Reichskanzler ersucht, bei Schaffung von Zwangssyndikaten sich auf das äußerste Maß zu beschränken und die kleineren und mittleren Betriebe zu schonen. Ebenso angenommen wurde ein Zusatzantrag Stresemann, einen gröberen Einfluß der Beteiligten innerhalb der Syndikate sicherzustellen. Dann vertagt der Hauptausschub sich auf Freitag. Rah und Fern. o Die Wartburgfcier der deutschen Burschenschafter. Die deutschen Burschenschafter haben beschlossen, von einer allgemeinen Jahrhundertfeier des Wartburgfestes, das am 18. Oktober 1817 auf der alten Burg bei Eisenach statt fand, unter Berücksichtigung der Kriegsverhältnisse unb der Tatsache, daß viele ältere und junge Burschenschafter im Felde stehen, abzusehen und dafür kleine örtliche Feiern zu veranstalten. Nur die Thüringer Burschenschafter werden sich zum 18. d. Mts. am Denkmal der 1870/71 ge fallenen Mitglieder der deutschen Burschenschaft auf der Wartburg versammeln, um den Gedenktag im Sinne der kriegerischen Zeit würdig zu begehen. 0 Darlehen zur Möbelbeschaffung. Dem Beispiel Frankfurts folgend, beschlossen verschiedene süddeutsche Ge meinden zur Erleichterung der Ehemöglichkeit jungen Brautparen Darlehen zur Möbelbeschaffung zu gewähren. In Köln haben sich gemeinnützige Unternehmen gebildet, die in umfassender Weise durch soziale Maßnahmen daS Eingehen von Ehen zu fördern suchen. o Die grössten Heriugsfänge seit Jahrzehnten find in den Gewäsfern von Rügen gemeldet worden. Die Last der Netze war so grob, daß diese zerrissen. Jedes Netz hatte etwa 1000 Zentner Heringe. Bei dem Preise von SO Mark für den Zentner haben die Fischer gut verdient. In den Binnengewässern ist der Barschbestand so gut ge wesen, wie seit Jahren nicht mehr. o Rauchverbot für Jugendliche. Die Oberpräsidenten in Westpreußen und Posen haben für ihre Provinzen eine Verordnung erlassen, die den Verkauf von Zigarren, Liga- retten und Tabak an Jugendliche unter 16 Jahren bei Strafe verbietet. Jugendlichen ist das Rauchen auf Straßen und Plätzen, in Eisenbahn- und Straßenbahnwagen usw. verboten. O Etruskische Funde in der Schweiz. Oberhalb des Dorfes Vira am Lago Maggiore stieß man beim Durchschnitt einer Geröllhalde auf Marmorblockfunde mit etruskischer Inschrift. Diese Fundstücke beweisen, daß die Etrusker auch diese Stelle an der Völkerstraße durch die Alpen besetzt gehabt haben. o Butter auf Kuchen gestrichen. Der Landrat in SchwiebuS macht folgendes bekannt: »Die Besitzer der Rittergutes Starpel, Frau Martha Kowalsky, geb. Rose, und Frau Anny Alexander, geb. Hirschensohn, haben i» unerhörter Weise gegen die Anordnung über Speisefette verstoßen, indem sie fortwährend reine Sahne getrunken, bei weitem nicht die erforderliche Menge Butter abgeliefert und jedesmal bei ihrer Abreise mehrere Pfund Butter, zuletzt 15—20 Pfund, mitgenommen haben. Auch zum Kucken ist sehr viel Butter verbraucht und der Kuchen noch mit Butter gestrichen worden. Ich bringe dieses pflicht vergessene Verhalten hiermit zu öffentlicher Kenntnis/ O Zur Diphtheriebekämpfung. Angesichts der gegen wärtig vermehrten Zahl von Diphtherieerkrankungen weist Vrof. Dr. Braun in einem Artikel der Arztekorrespondenz auf die große Sterblichkeit der verschleppten Diphtherie erkrankungen unb auf die verhältnismäßige Gutartigkeit früh behandelter Diphtherie hin Es endete mit Tod von den verschleppten Fällen jeder fünfte, von den früh mit Serum behandelten jedoch nur jeder vierzigste Fall. G Russische Eisenbahnräuber. Auf der Wladikawkas- Bahn hat eine Verbrecherbande von 70 Mann die Schienen aufgeriffen und einen Schnellzug zur Entgleisung gebracht. Sechs Wagen stürzten den Damm hinunter. Die Ver brecher haben darauf alle Fahrgäste, von denen acht ge tötet und 50 verletzt worden waren, auSgeplündert. 0 Zeichnunge» auf die siebente Kriegsanleihe. 30 Mill.: Bayerische Zentraldarlehnskasse für sich und ihre Anschluß gesellschaften. 15 Mill.: Stadt München. 12 Mill.: Berg werksgesellschaft Georg v. Giesches Erben: Sparkasse Osnabrück. 10 Mill.: Gothaer Lebensbank für eigene Rechnung. 4 Mill.: Sparkasse in Schwelm: Bayerische Versicherungsbank Akt.-Ges. 3'/r Mill.: Sparkasse für daS Herzogtum Gotba. 3 Mill.: Sparkasse in Vohwinkel; Louis Busch, Metallwarenfabrik in Mainz. O Eine Heiratserleichtcrung für Militärpersonen be deuten zwei neue Verfügungen des Kriegsministeriums. Offiziere, die sich verheiraten wollen, brauchen, wenn sie verhindert sind, den Einkommensnachweis nicht mehr per sönlich vor Gericht oder vor einem Notar zu führen, sondern können ihn durch einen Bevollmächtigten (Braut, Eltern, Schwiegereltern) führen lassen. Die Sendung größerer Geldsummen oder Wertpapiere ins Feld zur Führung des Einkommensnachweises soll unterbleiben. Bei Gemeinen und Unteroffizieren darf für die Dauer des Krieges von einem Vermögensnachweis abgesehen werden^ Endlich ist die Erteilung der Heiratserlaubnis nicht abhängig zu machen von der Verpflichtung der Eltern oder Schwieger eltern, im Falle eine- Notstandes für die Frau zu sorgen. 0 SL ttttv Mark in französischem Gold, beschlag nahmt. Eine vorläufig noch nicht aufgeklärte Goldbeschlag nahme ist Kriminalbeamten aus Altona geglückt. Sie nahmen zwei verdächtigen Männern eine schwere Hand tasche ab. in der sich französisches Goldgeld im Werte von 52 000 Mark und deutsches Papiergeld in Höhe von 34 000 Mark befand. Die beiden verdächtigen Personen wurden als die Brüder Koppel auS Boryslaw, die zuletzt in Berlin gewohnt hatten, ermittelt. Uber den Erwerb des franzö sischen Goldes machten sie Angaben, die zurzeit nachge prüft werden. 0 VerdevtschungSbeftrebungen bei bayrischen Staats behörden. Aus München wird gemeldet: Nach einer amt- liwen Bekanntmachung haben verschiedene staailiche Be hörden m Bayern statt der fremdsprachlichen deutsche Bc- zeichnungen eingeführt. So werden die Agrikultur-bota- Een Anstalten als Anstalten für Pflanzenbau und Pflanzenschutz, das Hydrotechnische Bureau Landesstelle Gewässerkunde, das Ethnographische Museum Museum für Völkerkunde, die Meteorologische Zentralstation Landes- Wetterwarte genannt. s Sin dentsches Theater in Tarnopol. Tarnovol, das erst kürzlich von unseren Truppen auS russischer Herr schaft befreit wurde, wird in diesem Winter ein deutsches Theater haben. Die Spielzeit beginnt Mitte Oktober. Hermann Wagenfuhr ist militärischerseits zum Leiter des Theaters ernannt worden. Vermischtes. Die 24stündige Tageseinteilung in der Schweiz. Die Schweizerische Naturforschende Gesellschaft, die d eser Tage in Zürich zu ihrer 99. Jahresversammlung zusammen- trat, hat dem Bundesrat nachstehenden Beschluß über reichen lasten: »Die Schweizerische Gesellschaft für Geo physik, Meteorologie und Astronomie hat die Ehre, dem Bundesrat folgenden Wunsch vorzulegen: Für alle öffent lichen Dienste des Bundes werden die Stunden in Zu kunft und so bald als möglich nicht mehr nach der jetzigen Tageseinteilung von zweimal zwölf Stunden berechnet, sondern nach der rationellen Einteilung in 24 aufeinander folgende Stunden von Mittemacht bis Mitternacht." Der Generalstab der schweizerischen Armee, die Generaldirektion der Bundesbahnen, der Post, der Telegraphen- und Zoll verwaltungen haben sich bereits für diese Umgestaltung günstig geäußert. Ludendorffs Borfahren. Nach den Feststellungen und Forschungen deS Rektors Goetze in Demmin ist die Familie Ludendorff eine alte Demminer Kaufmanns- und RatSfamilie; es ist bereits für 1655 ein Paul Ludendorff alS in Demmin ansässiger Bürger nachgewiesen. Der Demminer Stammvater deS HauseS, den» der Erste Generalquartiermeister Erich Ludendorff angehört, war der Kaufmann Johann Ludendorff, der 1664 dem Rat der Stadt als Senator, 1677 bis 1688 als Kämmerer an gehörte; einer ferner Enkel, Carl Otto Ludendorff, machte sich als Kaufmann in Stettin ansässig, wo er 1752 die Ehe mit Sophie Elisabeth Weilandt schloß. Von 'hm stammt im vierten Gliebe Erich Ludendorff, dessen Vater von der Familientradition abgegangen und statt Kaufmann Offizier und Landwirt geworden war. England in Schwulitäten. Ein Neutraler berichtet auS London: Lord Rhondda, der britische Lebeusmittcl- kontrolleur, entfaltet die größte Energie, um die Engländer zum Sparen zu zwingen. Am 3. September traten die Höchstpreise für Fleisch in Kraft. Der Brotpreis ist auf 75 Pfennig für das Vierpfundbrot festgesetzt, aber die groben Kaufhäuser bieten, um Reklame zu machen, bas Brot für 65 Pfennig an. Höchstpreise wurden ferner fest gesetzt für Speck und Schinken. Zucker ist vom 1. Oktober ab nur noch gegen Karten erhältlich, wobei noch der Ladenzwang eingeführt wird. Die Verteilung der Kohlen wird kontrolliert, und sie werden nur noch im Verhältnis zur Zahl der Zimmer geliefert. Sogar die Kontrolle der Streichhölzer wurde beschlosten, da sie in der letzten Zeit infolge der schlechten Verteilung zu fehlen begannen. Die verschiedenen amtlichen Kontrollen können allerdings Preis wucher nicht verhindern. So haben die Untergrundbahn gesellschaften und die Omnibusse ihre Taxe bedeutend er höht. Die Taxameter werden immer seltener, denn auch sie sind für das Petroleum rationiert, das übrigens stark im Preise gestiegen ist; die Chauffeure fühlen sich als große Herren und nehmen nur die Kunden, die ihnen gefallen. „ Wilsons „rechte Hand". Wilsons erster Berater in allen Kriegs- und Friedensfragen ist, wie der »Figaro" offenbart, der „Oberst" House. Dieser „Oberst" ist kein Militär. House stammt aus Texas, und dort gilt das Wort „Colonel" als ein Ehrentitel, der mit kriegerischen Dingen nichts zu tun hat. Als Bryan im vorigen Jahre plötzlich auf daS Amt eines Staatssekretärs des Nutzern verzichtete, glaubte alle Welt, daß „Oberst" House, die „rechte Hand" des Präsidenten, Minister werden würde. House lehnte jedoch ab und empfahl Lansing für die Stelle, wie er zu Beginn der ersten Präsidentschaft des Professor? Wilson das Schatzamtssekretariat abgelehnt und McAdoo dafür in Vorschlag gebracht hatte. Jetzt ist der „Oberst" aber doch in die Öffentlichkeit getreten. House, der nicht reich, kaum wohlhabend ist, befaßt sich mit der Politik sozusagen aus sportlichem Vergnügen, um seinem Freund Wilson beim Regieren zu helfen. Im vorigen Jahre weilte er in Paris, wo man nicht klug aus ihm werden konnte: er ließ sich nicht aushorchen und erzählte nur, daß Wilson eine „bedeutende" Persönlichkeit sei: sprach man mit ihm über Politik, so wußte er dem Gespräch bald eine andere Wendung zu geben und von Regen und schönem Wetter zu erzählen. Er gilt als Idealist und sprach während des Krieges das große Wort: »Ich glaube, daß die Mensch heit auf dem Wege ist, zu begreifen, daß materieller Lohn viel weniger wünschenswert ist als moralischer Lohn." So »moralisch" empfindet bekanntlich auch der edle Herr Wilson! Der Grke von Auchenau. Roman von Herbert von der Osten. 86 Nach Tisch sollte getempelt werden. ES war ein harm loses Spielchen, gegen das die Buchenauer gefinß nichts einznwenden gehabt hätten, denn die Summen, die hier ver loren wurden, konnten auch den unglücklichsten Spieler nicht „den Wuchern in die Klanen" treiben; aber Hasso nahm eS ernst mit seinem Ehrenwort. Er berührte keine Karte. Die anderen jungen Leute wollten sich ausschütten vor Lachen. Man begann über die „Unschuld vom Lande," „das gehor same Söhnchen" zu witzeln. Hasso fühlte sich als die Ziel scheibe des allgemeinen Spottes. Sein krankhaft reizbares Ehrgefühl ließ ihn die Neckereien wie eine tödliche Beleidi gung empfinden. Hätte Hans Rosen nicht schnell seine Eltern herbeigeholt, wäre es noch zu einem Duell gekommen. Wollener, der durch den Rittmeister von dem traurigen Ende des Festes hörte, schützte Hasso vor weiteren Hänseleien, aberdaß er einsamundfreundlos unter seinen Kameraden blieb, das vermochte auch der Oberst nicht zu hindern. Hasso litt unter dieser Vereinsamung viel, viel mehr, als man es bei seiner kühlen, verschlossenen Art geglaubt hätte. Wenn er vor Beginn oder nach Schluß deS Unterrichts allein auf der Reitbahn stand und das Schwadronieren oer Kame raden an sein Ohr klang, fühlte er diese Vereinsamung wie emen körperlichen Schmerz. Wie ein AuSgestoßener kam er sich vor und greisenhaft alt neben diesen heiteren Gesellen, die alle so zuversichtlich und selbstbewußt dem Leben entgegen- schanten, als könne es ihnen nichts als Glück und Erfolge bringen. Er allein erwartete nichts, hoffte nichts, konnte nichts erstreben. Und er wäre gern so fröhlich mit den Fröh lichen gewesen! Leidenschaftlich sehnte er sich nach einem Fteunde. Einen wahren Frendensturm weckte der Freiwillige vom Tümpling daher in des vereinsamten Brust, als er ihn einmal nach der Jnstruktionsstnnde bat, den nächsten Abend bei ihm zu verleben. Die Wonne über die Einladung leuchtete so unverkenn bar auS Hassos Augen, daß der kleine Tümpling verlegen hmzufiigte; „Verspreche,, Sie sich nur nicht zuviel! Es ist keine Gesellschaft. Mem Vater möchte Sie nur gern kennen lernen. Gr ist nämlich ein glühender Bewunderer Ihres Onkels." Hassos eben so freudig erregtes Gesicht wurde plötzlich kalt nnd abweisend. Eine Freundlichkeit, die dem verhaßten Onkel galt, hatte keinen Wert für ihn. Frostig, fast unhöflich lehnte er die Einladung ab. Statt in dem von Glück und Frohsinn erwärmten Tümp- liugschen Hanse sich daß Herz durch des lustigen Axels Le bensfreude erhellen zu lassen, saß er mit seinen bitteren Gedan ken allein. Er hatte sich Bücher auS der königlichen Bibliothek geholt; aber sie waren ihm auch nicht mehr die Freunde, die sie feiner Kindheit gewesen waren. Fremd waren sie ihm ge worden wie Menschen, auS deren Gedankenwelt er sich her- ausgelebt hatte und mit denen er nicht erst versuchte, wieder vertraut zu werden, weil er wußte, daß er doch nur kurze Zeit mit ihnen zusammen bleiben konnte. Während er den Horaz durchblätterte, an dem sich einst seine Knabenphanlasie begeistert hatte, stieg wie au« einem Grabe die Erinnerung an all die lachenden Bilder einer glän zenden Zukunft in ihm auf, die ihn in seinem einsamen Stu dierstübchen zu Buchenau berauscht hatten. Wie eine Wunde brannte sein zerschellter Ehrgeiz bei dem Gedanken, daß sein Studium jetzt nur eine Spielerei war. Wirklich in den Kern der Sache einzudringen, vermochte er ja doch nicht Den Höhenweg, der z,nn Hellen Lrchte des Wissens führt, erklimmt man nicht in ein paar freien Stunden. Ein zorniger Lebensüberdruß packte den Jüngling. Es wurde ihm ein Vergnügen,mach dem Unterricht auf der Reitbahn sein junges Vollblut zu den verwegensten Kunst- stückchen anzuspornen. Er spielte geradezu mit seinem Leben. Den Kameraden flößte er dadurch Respekt ein. Sie hörten auf, den Tugendspiegel zu belächeln, dessen Tollkühnheit selbst die Offiziere staunend bewnnderten. Einmal sah ihn auch Wolkener. „Sie sind ein brillanter Reiter," lobte er Hasso. „Sollten wir einen Krieg zusammen mitmachen, so werde ich an Sie denken, wenn eS einen Ritt auf Leben und Tod gilt. Znm Zeitvertreib aber dürfen Sie nicht so waghalsig sein; denn ein unglücklicher Sturz kann Sie zum Krüppel machen, und daß ist noch schlimmer, als wenn man dat Genick bricht." Don diesemTage an wagteHasso keine Reiterkilnststiicke mehr, 10. Kapitel. Seitdem der Neffe in Berlin war, wurde auf Buchenau Sonntags das Eintreffen des Postboten von dein Herrn mit sichtlicher Spannung erwartet. Der wöchentliche Rapport, den HanS Dietrich sich zu diesem Tage bestellt hatte, traf pünkt lich ein: aber ein Bild von dem Leben des Jünglings konnte der Freiherr sich aus den kurzen, knappen Berichten nicht ma chen. Der Oberst, der sich erst so warm und anerkennend über Hasso ausgesprochen, hatte auch lange nicht geschrieben. Freudig begrüßte Hans Dietrich deshalb die Eröffnung deS Reichstages, die ihm Gelegenheit bot, sich durch den Augenschein von dem Treiben deS Neffen zu überzeugen. Marga pflegte dem Gatten immer erst nach den Weih- nachtSserien in die Residenz zu folgen. Herzlich nahm sie auf der Rampe von ihm Abschied. Wie es seine Gewohnheit war, wandte sich der Freiherr noch einmal um, ehe er ins Dorf einbog, und da bemerkte er, daß Marga ihm noch immer nachschaute. „Was sie für scharfe Angen hat," dachte er, als das Battisttüchelchen in ihrer Hand aufflatterte, und wie rei zend sie anssah, von den Abendsonnenstrahleu wie in golde nem Rahmen gefaßt! Ein warmes, zärtliches Empfinden wei tete ihm das Herz, daS noch immer von dein holden Bild der jungen Frau erfüllt war, als der Break längst über das holprige Pflaster deS Städtchens donnerte. Während HanS Dietrich an dem Blumengeschäft in der Hauptstraße vorbeifnhr, in dem Paul Hoheneggs seine zahlrei chen Flammen mit duftigen Spenden zu versorgen pflegte, erinnerte er sich plötzlich an Ellens Jubel, als sein Brnder bei einer derartigen Besorgung, vielleicht um die Summe abznrnnden, einmal an sie einen Blumengruß gesandt hatte. Ob seine kleine Marga sich wohl über sine solche Aufmerksam keit von ihm auch freuen würde ? Wahrscheinlich! Die Frauen waren nun mal so töricht, an solchen Firlefänzchen Gefallen zu finden. Sein Arm zuckte, als wollte er die Pierde haltet». Hau? Dietrich hätte eS auch gern getan und wagte es nur nicht, »veil gerade ein bekannter Offizier mit der Blnmenfee ver handelte; denn er fürchtete, der Leutnant könnte im Kasino er zählen, daß der Bncheuaner auf seine alten Tage anfinge, der § eigenen Frau die Kur zu schneiden. 232,2s
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