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Uaunhoser Nachrichten Orts blatt für Albrechtshain, Ammelshain, Belgershain, Beucha, Borsdorf, Eicha, Erdmannshain, Fuchshain, Großsteinberg, Kleinsteinberg, Klinga, Köhra, Lindhardt, Pomßen, Staudnitz, Threna und Umgegend. — Bezugspreis: Frei inS HauS durch Austräger Mk. 1-20 vierteljährlich. Frei inS HauS durch die Post M- 1 30 vierteljährlich. Mit einer vierseitige» -AnMierte» Verlag und Druck: Gü«z S- Eule, Nauuhof. Redaktion: Mavert WiiNg, Ankü»»t-»«-e« Für Inserenten der AmtShauptmann- schäft Grimma 12 Psg. die fünsge- s spaltene Zeile, an erster Stelle und ! für Auswärtige 15 Pfg- i Bei Wiederholungen Rabatt. / Die Naunhofer Nachrichten erscheinen jeden Dienstag, Donnerstag und Sonnabend Nachmittag 5 Uhr mit dem Datum deS nachfolgenden TageS. Schluß der Anzeigenannahme: Vormittag? 11 Uhr am Tage dcS Erscheinens. Nr. 81. Freitag, den 10. Juli 1914. 25. Jahrgang. poincares neue Tarenfakrt. Ms Herr Pomcare noch Ministerpräsident war, fuhr er, während dies sonst in Frankreich nicht üblich gewesen ist, nach Petersburg. Um sich dem Zaren oorzustellen, hieß es. Das geschah denn auch und prompt erhielt Herr Poincaro seinen Großcordon umgehängt und einige nette Geschenke dazu. Aber in der Hauptsache galt der Besuch dem politisch-militärischen Zweck, die Russen zu veranlassen, daß sie ihre Grenze gegen Deutschland wieder stärker mit einbruchsbereiten Truppen belegten und auch ihre strate gischen Eisenbahnen weiter ausbauten. Gewiß, das wolle man tun, erwiderte der russische Premierminister Kokowzew, umgeben von den Herren des Generalstabes, dem franzö sischen Kollegen. Aber dann müsse auch Frankreich ein übriges tun. Und so wurde denn erstens ein neuer russischer Riesenpump verabredet und zweitens die Wieder einführung der dreijährigen Dienstzeit in Frankreich. Das Land ist deshalb noch nicht verarmt, wie ja überhaupt die Leistungsfähigkeit der Völker viel größer ist, als ihre Kleinmütigen meinen. Die neueste inuere Franzosenanleihe, etwas über 800 Millionen Frank, ist vierzigmal überzeichnet worden, und zwar nicht etwa von sogenannten „Konzertzeichnern", sondern von Leuten, die wirklich Papiere dieser Anleihe erwerben wollten, denn man mußte 10 Prozent der gezeichneten Summe als Garantie hinterlegen. Also haben in diesen Tagen die Franzosen über 3000 Millionen hinterlegt. Das war ein schöner Hintergrund für die neueste Kammerdebatte. In dieser Debatte handelte es sich um die Bewilligung von 400 000 Frank Kosten für eine neue Zahrenfahrt Poincares, die er nunmehr als Staatsoberhaupt, nicht mehr als Minister unternimmt. Man glaubte, die Debatte würde zu einem starken Ansturm wider Herrn Poincare und den Ministerpräsidenten Viviani führen, aber es gab nichts dergleichen. Die ganze Affäre verlief in lang weiligster Sachlichkeit. Der alte Sozialistenführer Jaures erhob sich als Redner gegen die Regierungsforderung und begnügte sich mit einer kurzen Motivierung seiner ab lehnenden Haltung, die nicht über den üblichen Phrasendrusch hinausging: man wünsche Freundschaft mit dem russischen Volke, aber nicht mit dem „zaristischen" Rußland, das seine Reichsduma knebele usw. Viviani mies das Eingehen auf die innerrussische Politik zurück und erklärte, um gekehrt werde auch die notwendige Besprechung Poincares mit den führenden Männern Rußlands nicht zu einer Beeinflussung der inneren Politik Frankreichs — er meinte natürlich das Dreijahrsgesetz — führen. Damit gab die Kammer sich zufrieden und bewilligte die 400 000 Frank mit starker Dreiviertelmehrheit, zu der sogar eine ganze Anzahl Sozialisten gehörte. Herr Poincaro wird also wiederum, unter sorgfältiger Vermeidung deutschen Ge bietes, auf dem Seewege sich nach Petersburg begeben, dazwischen skandinavische Abstecher machen, und schließlich vollkommen beglückt im Schmucke des blauen Andreas- baudes heimkehren. Von innerer französischer Politik wird man in Petersburg nicht sprechen. Desto mehr aber vielleicht von der äußeren, — und insbesondere von der europäischen Lage um die Zeit, wenn die russischen Millionenreserven Anfang September kriegsmäßig geschult wieder dastehen. Dieses ungeheure Pressionsmittel muß man natürlich ausnützen, zumal da es doch so viel schönes Geld — den Franzosen kostet. Vielleicht ist es der gemeinsamen geistigen Anstrengung des Herrn Poincaro (der nicht um sonst ein Lothringer ist, während die bisherigen franzö sischen Staatschefs des letzten Menschenalters ausschließlich aus denr Süden stammten) und der russischen Minister und Generalstäbler möglich, über die Ausnützung ein gutes München zu ersinnen. Auf alle Fälle haben wir also im Herbst eine gesteigerte Aktivität des Zweibundes zu er- warten, während der Dreibund — sich auf verminderte Aktivität einrichtet. Anders ist das offiziöse Telegramm aus Wien ja nicht zu verstehen, daß die Wiener Regierung — das soll in dem letzten feierlichen Minislerrat unter Zuziehung der Generalstäbler beschlossen worden sein — keinerlei „als diplomatisch zu bezeichnende Schritte" in Belgrad unter nehmen werde. Ums Himmels willen nur keine Unruhe! Der Zweibuud rüstet für eiuen uahe bevorstehenden Moment den Krieg, ist zunächst im Herbst dieses Jahres zu einer starken diplomatischen Pression bereit, im Jahre darauf zu einen: Waffengnnge selbst. Innerhalb des Dreibundes aber will man darauf verzichten, den günstigsten Moment für diese Auseinandersetzung selber zu wählen, sondern läßt lieber die Ereignisse an sich heran kommen. Das ist entschieden hochmoralisch. Ob auch rentabel, das steht auf einem anderen Blatt. Herr Poincarö aber wird seine Zarenfahrt in übermütigster Laune antreten können, da er nirgends eine Abwehr der sraueorussischen Verschwörung wider den europäischen Frieden sieht. drwUckkige Diplomaten. Die amerikanischen Botschafter, Gesandten und Generalkonsuln haben weder neun Ahnen noch das zweite diplomatische Examen oder auch nur das Einjährige. 2>m. allgemeinen sind es Selfmademen, urwüchsige Männer „von unten", die Dollars gemacht und von ihnen reichlich ihrer Partei abgegeben haben. Und dafür hat man sie unter die Diplomaten gesteckt. Der frühere Botschafter in Konstantinopel war ursprünglich Zeitungshändler auf den Chikagoer Straßen gewesen. ,/kRe k'ree ?r68s! IRo k'reo ?r68s!" Von dem Brüllen war ihm der Mund noch offen geblieben. Und als Gesandter riß er ihn noch mehr auf. Ein Kollege von ihm war als Schweineschlächter zu Geld und Ehren gekommen und hatte sich dann seinen Posten sozusagen — oder eigentlich nicht mehr sozusagen — ge kauft. Und gelegentlich erschreckte er, bis er sich dadurch unmöglich gemacht hatte, die Dameu lur fremdeu Bot schaftsräte, indenr er sich die Ärmel aufstreifte und sagte: er köuue gleich wieder ein Schwein schlachten. In Berlin sind wir eigentlich bisher ganz gut weg gekommen. Uns schickte man Gentlemen, einmal sogar einen Professor a. D. Es kam also hier nicht vor, daß etwa so eine amerikanische Exzellenz mit einem kräftigen „Na, oül doy!" dem Kaiser auf die Schulter klopfte. Anderswo sind dafür tolle Sachen passiert. Halb entsetzt, halb be lustigt schaute man den Clownerien zu, und, weiß der Kuckuck, wie es kam: diese Diplomatie in Hemdsärmeln hatte meistens Erfolg. Obwohl sie kein Wort französisch konnte und vom Völkerrecht nicht die geringste Ahnung hatte. Gelegentlich sind die amerikanischen Botschafter posten angeboten worden wie sauer Bier. Ein Redakteur hatte sich um die Wahl des letzten Präsidenten sehr ver dient gemacht, und flugs schrieb Staatssekretär Bryan an ihn, ob er nicht Vertreter der Vereinigten Staaten in Petersburg werden wolle; man werde dafür sorgen, daß er nichts zu tun habe, und für seine Frau sei es doch nett, am Zarenhofe alle Feste mitzumachen. „Also nimm nur an, alter Junge!" schrieb der Staatssekretär. Derselbe Staatssekretär, der seinerseits gegen ein kolossales Honorar Vorträge — im Zirkus hält. Ein wenig kritischer als alle seine Vorgänger ist der jetzige Präsident der Vereinigten Staaten gegenüber seinen Vertretern im Auslande. Einen von ihnen, den Gesandten Williams in Athen, hat er soeben abgesägt, ohne sogar den Staatssekretär zu fragen, der sich eben wieder auf einer Konzertreise befindet. Präsident Wilson war etwas „peinlich berührt" von dem Auftreten dieses Herrn, der zwar über viele Millionen verfügt, aber Manieren hat, wie ein angeheiterter Steinträger. Mister Williams ist von Athen nach Durazzo gefahren, um dort — Ordnung zu machen. Sporthemd, aufgekrempelte Ärmel, Seiden gürtel: „Ualloll, AO on!« So platzte der Brave in Albanien herein, verlangte die Minister zu sprechen und erklärte „namens der Vereinigten Staaten", er werde vermitteln. Diese ungenierte Art ging selbst den dortigen Hammel- dieben über die Hutschnur. Sie schmissen Williams, auf gut deutsch gesagt, zum Tempel hinaus. Nun wurde er giftig. In Athen wieder angekommen, erklärte er zum Gaudium der internationalen Diplomatie frank und frei, die albanische Regierung sei eine Bande von Halunken und der Fürst sei ein Trottel ersten Ranges. Eine solche Hemdsärmeligkeit ist denn doch noch nicht dagewesen — und so mußte denn Präsident Wilson den „lieben Partei- freund", obwohl seine Kränkung der Wahlkasfe sehr teuer zu stehen kommen wird, kurzer Hand abberufen. Wieviele andere müßten ihm eigentlich folgen? Einen einzigen, den vorvorigen Botschafter in Berlin, hat es gegeben, der sich eine prunkende Phantasieuniform machen ließ und die europäischen Kollegen in allem Äußerlichen nachäffte. Alle übrigen kommen selbst zu Hofe im schwarzen Bürgerhabit, allenfalls mit einem Grobkordon über der Weste, aber natürlich mit der Hand in der Hosentasche. Das ist so die Art, mit der sie in Mexiko und anderen amerikanischen Staaten die besten Geschäfte machen. Allenfalls auch noch iu Koustantinopel. Im Abendlande aber wird ihnen das »ft zum Verhängnis. Und Wilson schwitzt Blut. keine neue Veeresvermekrung. Erklärung des bayerischen KriegsmintsterS. München, 8. Juli. In der heutigen Sitzung der bayerischen Kammer er klärte Kriegsminister v. Kreß, er könne nur wiederholt betonen, daß ihm von neuen RüstungSvorlagc» nichts bekannt geworden sei. Das Gesetz von 1913 sei not wendig gewesen, aber nicht über das unufngängliche Maß hinausgegaugen, noch werde dies sonst geschehen. Wegen der Neuregelung bzw. Beschränkung der Berechtigung zum Einiährig-Freiwilligen-Dieust schwebten Verhandlungen mit dem Reich. Die Berechtigung könne nur bei mangelnder moralischer Qualifikation entzogen werden. Die Zugehörigkeit zur Sozialdemokratie sei an und für sich kein Grund zur Entziehung, wohl aber die Art der Betätigung dieser Gesinnung. Die Frage, ob auch der bayerische Generalstab wie der sächsische nach Berlin ver legt werden soll, wurde von: Minister glatt verneint. Da gegen antwortete er ausweichend in der Duellfrage. Diese sei zu kompliziert, um über Nacht mit Gewalt erledigt werden zu können. Die Beseitigung des Duells müsse aÄmählich durch Erlöschen von selbst erfolgen. Aus die Beschränkung des Duells hätten die bisherigen Vorschriften gut gewirkt. Vie I^age in Albanien. Fürst Wilhelm rettungslos aufgegeben. Durazzo, 8. Juli. Trotzdem es seit beinahe zwei Wochen vor Durazzo zu keinem Zusammenstoß mehr zwischen den Truppen des Fürsten und den Aufständischen gekommen ist, gilt die Lage des Fürsten Wilhelm als völlig unhaltbar. Selbst die hiesigen ausländischen Diplomaten machen kein Hehl mehr daraus. Des Fürsten letzte verzweifelten Versuche, sich zu halte», werden mit Interesse, aber ohne Glauben an ihr Gelingen verfolgt. Sogar von den drei Vertretern des Dreibundes halte» ihn zwei für verloren. Auch der französische und rumänische Gesandte sehen keine Rettung mehr. Der englische Delegierte macht auS seinem ablehnenden Urteil kein Hehl. Der jetzt fertiggestellte Entwurf der Statuten für die albanische Fremdenlegion sieht folgende Bedingungen vor: Alter 18 bis 30 Jahre, vorausgegangene militärische Dienstzeit, Besitz von hundert Kronen, Unbescholtenheit, Tauglichkeit, Unterwerfung unter die Kriegsartikel, Ver pflichtung auf ein Jahr, Annahme der albanischen Staats angehörigkeit für diese Zeit. Geboten soll werden freie Verpflegung und für die Gemeinen dreißig, für Unter offiziere sechzig, für Feldwebel neunzig Kronen Sold, später bei gut verbrachter Dienstzeit Anstellung ick Staatsdienst. König ferämanäs Sekretär. Als russischer Spion fest genommen. Budapest, 8. Juli. Wie die hiesigen Blätter melden, ist der in der ungarischen Stadt Miskolcz wohnende frühere Sekretär des Königs von Bulgarien namens Rudolf Polyak wegen Spionage zugunsten Rußlands verhaftet worden. Als Privatsekretär begleitete Polyak den König der Bulgaren auch nach Berlin, wo er mit dem Attache der Berliner russischen Botschaft bekannt wurde. Dieser bewog ihn zur Spionage. Polyak ließ sich in Miskolcz nieder, führte ein flottes Leben, besuchte jedoch auch Wirtshäuser, wo Unteroffiziere verkehren. Es gelang dem äußerst intelligenten Mann, aus fallengelassenen Bemerkungen den ganzen Aufmarschirungsplan des sechsten Korps zusammenzufügen und den: russischen Generalstab zur Verfügung zu stellen. Bei der Spionage spielt angeblich der frühere preußische Ulanenleutnam Paul Grabenstein, welcher ihn in Miskolcz zn besuchen pflegte, die Vermittlerrolle. Die ungarische Polizei wurde auf Polyal infolge seiner verschwenderischen Lebensweise aufmerksam. Man beobachtete ihn, ging ihm bis Stracina bei Dobschau nach, wo in einem Waldhaus Dokumente versteckt waren. Polyak wurde vor das Budapester Gericht gebracht und hier wurde die provisorische Haft über ihn verhängt. Polin Icke kunäfckau. veutkckes Lelck. -I- Der Landtag des Fürstentums Lippe-Detmold nahm in dritter Lesung bei namentlicher Abstimmung die Vorlage zur Versorgung des Fürstentums mit Elektrizität durch eine Tochtergesellschaft der Allgemeinen Elektrizitäts- A.-G. in Berlin mit 13 gegen 8 Stimmen an. Danach wurde der Landtag geschlossen. * In den ersten fünf Monaten dieses Jahres ist ein Slusfuhrüberschust an Schweine» in Deutschland zu ver zeichnen, wenn auch nur ein kleiner. Es wurden nämlich ausgeführt 33 853 Schweine, eingeführt dagegen 33 765. Die Ausfuhr ist mit 33 354 Stück fast ganz nach Österreich- Ungarn gegangen, wogegen die Ausfuhr von dort nach hier völlig aufgehört hat. * Die Forderung nach Abänderu»g der Matrikular- beiträge, also der Beiträge, die die Bundesstaaten zu den Reichslasten zu leisten haben, ist erneut im bayerischen Abgeorduetenhause erhoben worden. Und zwar erklärte dec Vorsitzende der Zentrumsfraktion, Chefredakteur Held, daß das jetzige System der Berechnung der Matrikular- beiträge zu einer förmlichen Verarmung Bayerns führen müsse. Es sei unbedingt notwendig, bald zu einer Ver edelung der Matrikularbeiträge zu kommen nach dem Maßstab der Leistungsfähigkeit an Stelle der jetzigen Be rechnung nach der Kopfzahl. Finanzminister v. Breunig stimmte dem Zentrumsredner zu und erklärte es als Pflicht der Regierung, trotz aller Schwierigkeiten einen Weg zur Veredelung der Matrikularbeiträge zu suchen.