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Nachrichten für Naunhof : 24.09.1919
- Erscheinungsdatum
- 1919-09-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id178785101X-191909245
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id178785101X-19190924
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-178785101X-19190924
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Nachrichten für Naunhof
-
Jahr
1919
-
Monat
1919-09
- Tag 1919-09-24
-
Monat
1919-09
-
Jahr
1919
- Titel
- Nachrichten für Naunhof : 24.09.1919
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Nutzeren Graf Beredt old und die inzwischen aus gewalt same Weise aus der Reihe der Lebenden geschiedenen beiden Ministerpräsidenten Graf Stürgkh und Graf Stephan LiS -a waren. Deutschlands Schuld bestand nur in seiner Nibelungentreue, in seinem Willen, an der Seite deS Bundesgenossen, diesem -um Schutz, in den Kampf zu treten, und die Verpflichtungen eines Völkerbündnisses zu erfüllen, daS deutscher Grütze zum Fluch und Untergange werden sollte. Die Berliner Reichsregierung hatte freilich just in der kritischesten Zeit aller Epochen deutscher Ge schichte einen tiefbedauerlichen Mangel an Selbständigkeit und Voraussicht gezeigt und die Ausführung folgenschwerer Entschlüsse der Wiener Regierung überlassen. Wenn irgend jemand in der dunklen Geschichte der Julitage 1914. ge führt wurde, so war es das Berliner Kabinett.durch das Wiener und nicht umgekehrt, i In Deutschland hat man über alle diese Dinge bis in die höchsten Kreise hinein bis zum gegenwärtigen Augenblick der deutsch-österreichischen Enthüllungen nichts gewußt. Das Rachegeichrei Englands und Frankreichs wegen der angeblichen Berliner Kriegsschuld ließ schließ lich selbst das deutsche Volk an diese glauben, bis endlich jetzt der ganzen Welt die Binde von den Augen ge nommen wird. Früher Aufklärung zu schaffen war nicht möglich, da ja die ehemalige k. und k. Regierung im Besitz des attenmäßigen Materials war und erst der katastrophale Zusammenbruch erfolgen mußte, ehe die Geheimarchive des Ministeriums des Äußern auf dem Wiener Ballplatz ausgegraben werden konnten. Heute, nach den Veröffent lichungen des neureoidierten Rorbuches, steht es für alle unvergänglichen Zeiten eingegraben in die erzernen Tafeln der Geschichte fest: Den Krieg wollten nicht Deutsche, nicht das Volk des Deutschen Reiches und nicht die Bewohner des heutigen Deutsch-Österreichs, diesen Krieg entfesselten grobmagyarische Aspirationen und slawische Gelüste nach Unabhängigkeit und LoSreißunff vom alten Österreich. Kein wirklich deutscher Minister beschloß den Krieg: Graf Leopold Berchtold war alles andere als der Vertreter deutscher Politik. Er fühlte sich als Ungar, wiewohl er nicht diesem Lande entsprossen ist, genau im selben Maße, wie der Vollblutmagyare Stephan Tisza, und Graf Stürgth hatte schon lange seines einst stark betonten Deutschtums vergessen und Hielt es mit den Slawen, deren hochverräterische Politik ihm, demkurzsichtigen, unfähigen Staatsmann, nicht recht zur Erkenntnis kam. Die Ermordung des Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Gemahlin Herzogin von Hohenberg in Sarajewo leitete bloß das Wasser auf die Mühlen jener Staats männer, deren polimchen Ziele nur ein Krieg erfüllen konnte. Das dringende ungarische Staatsinteresse erheischte eine restlose Auseinandersetzung mit Rumänien, von dessen Seite em Bündnis mit Serbien gegen Ungarn drohte. Graf Tisza war zu dieser Zeit noch Kriegsgegner, jedoch bloß deshalb, weil er den Zeitpunkt des Losschlagens noch nicht für gekommen erachtete. Graf Berchtold aber war bemüht, den Widerstand des ungarischen Ministerpräsidenten mit dem Hinweis auf das Drängen Berlins zu brechen. Die Entente hat mit Zähigkeit an der Falschmeldung festgehalten, daß der Krieg in dem sagenhaften Potsdamer Kronrat beschlossen worden sei. Die immer wieder holte und niemals geglaubte deutsche Versicherung, daß es einen solchen Potsdamer Kronrat nie gegeben habe, ,st heute aus das glänzendste in ihrer Wahrheit erwiesen, denn es ist eme geschichtliche Tatsache, daß der KnegsbAckluß im gemeinsamen Ministerrat zu Wien am 7. Juli 1914, und zwar damals gegen die Stimme des Grafen Tisza, gefaßt worden ist. Dieser Ministerrat be schloß, eine derart scharfe Note an Serbien zu richten, daß leine andere Austragung des Konfliktes als durch die Krait der Waffen übrigblieb. Dem alten, Willensschwächen und regierungsunfähig gewordenen Kaiser Franz Joseph wurde diese ungeheuer wichtige Note, deren Auswirkung letzten Endes die Zerstörung zweier mächtiger Kaiserreiche war, wochenlang später bekanntgegeben, er hat sie erst am 16. August 1914 unterschrieben! Einer der radikalsten Wortführer des Krieges war der damalige Reichsfinanz minister Dr. Leon Ritter v. Bilinski, der Pole Bilinski, der heute in Warschau eine Führerrolle im neuen Polen reich spielt. Das Ultimatum Osterreich-Ungarns an Serbien wurde am 20. Juli 19!4 dem damaligen k. u. k. Gesandten in Belgrad, Freiherrn o. Giesl, zur Überreichung an die Regierung Peters Karageorgiewitsck übersendet. Hier entsteht die grundlegende Frage, ob Berlin Kenntnis von dem Ultimatum hatte, als es nach Belgrad ging, oder ob es gar, wie man sonst von Ententeseite hörte, sein Urheber und Verfasser war. Das neurevidierte Rotbuch gibt eine Auskunft, die fürderhin niemand wird anzweifeln können: Das Ultimatum ist von der ersten bis zur letzten Zeile, vom -rsten bis zum letzten Worte in Wien verfaßt worden. Sein Schöpfer war der k. u. k. Gesandte Baron Alexander Musulin o. Gomirje, ein Sydslawe. Deutschland hat das Ultimatum — mit Flammenschrist leuchtet es aus den österreichi'chen Akten hervor — erst am Spätnachmittag des 22, (!!) Juli 1914 erfahren. Der verhängnisvolle Stein war schon längst abgerollt, als das Berliner Kabinett darüber unterrichtet wurde. Die Bedenken des damaligen österreichisch-ungarischen Botschafters in Berlin, Gra en S;ögyeny-Marich, gegen eine spätere Überreichung des Ultimatums in Berlin als in Belgrad wurden vom Gra'en Berchtold in einer durchaus ungewöhnlich und undiplo matischen brüsken Weise unterdrückt. Das überaus un glücklich abgefabte deutsche Weißbuch vom 5. August 19 t 4 hat somit ganz zu Unrecht von einem ständigen Ein vernehmen mit dem österreichisch-ungarischen Bundes genossen gesprochen. Es war eine ritterliche Schonung des Verbündeten, die das deutsche Volk jetzt schwer zu büßen hat. Eine weitere wuchtige, unsühnbare Schuld lud Graf Berchtold auf sich, als er die ihm von Deutschland rechtzeitig unterbreiteten englischen Vermitl- lungsoorschläge des Sir Edward Grey unbeant wortet ließ. Die Engländer mußten infolgedessen glauben, daß Deutschland die böse Absicht habe, in den Krieg zu treten, und bis heute hat England au diesem Irrtum fest- gehalten, denn niemand ahnte, daß Deutschlands Schuld am Kriege nur in der nachsichtigen Duldung der eigen mächtigen Handlungsweise Österreich-Ungarns bestand. Man mußte — damals mit Recht — annehmen, daß Deutschland sich seiner Führerrolle in der gemein^men reichsdeutschen-österreichisch - ungarischen Politik nicht be geben habe und Osterreich-Ungarn nur der Vollstrecker der Entschlüsse des mächtigeren und größeren deutschen Verbündeten sei. Was alle Welt zu glauben Grund halte, warum sollten es die Feinde nicht glauben, in deren Interesse es lag, Deutschland vor dem Forum des Weit gerichtes als den Schöpfer des Weltkrieges zu brand marken. Heute beweisen mit unmeßbarer Schwere Urkunden das Gegenteil. Aus der Konzilianz des deutschen Kaisers, der sie mit dem Verlust des Thrones, mit der Bertreibuna inS Sxil^unb mit der Zertrümmerung seines Reiches büßte, aus der Schwäche Bethmann Hollwegs, nicht aber au- dem Wille« beider, den Funken in das Pulverfaß zu werfen, entstand die Tragik de- Weltkrieges. DaS deutsch- österreichische Rotbuch ist eine flammende ^Verteidigung r- schritt Deutschlands. CS geht entlastet und schuldlos m sein namenloses Elend. . . . /iurl/Lrcüs. * Am 2S Zull 1S14. Was ein Mitarbeiter des W. T. B. ausplaudert. Für die Beurteilung der Frage, ob die Berliner Ne gierung rechtzeitig Kenntnis von dem österreichischen Ul i matum an Serbien erlangt hat, ist eine Enthüllung v > Wichtigkeit, die ein früheres Redaktionsmitglied deS halb amtlichen Wölfischen Telegraphen-Bureaus, Victor Schut, in der Soz. Korr, macht. Er schreibt: Im Juli 1S14 war ich Redakteur in der Berln er Zentrale von Wolffs Telegraphischem Bureau. Als tolct ei machte ich am Abend des 23. Juli 1914 mit anderen Kollegen Dienst, als die in Belgrad um 8 Ubr überreickie Note der Wiener Regierung erwartet wurde. Allgemein wurde angenommen, baß die telephonische Ubermi temng durch das amtliche Wiener Korreipondenzdureau gegen 7 Ubr. spätestens gegen V»8 erfolgen würde. Ader es wurdr 8, '/-9, ja S Ubr, und der erwartete Anruf blieb immer noch aus. Inzwischen begannen aber auch die amtlichen Berliner Stellen nervös zu werden: ein telephonischer Anruf folgte dem anderen. Namentlich das Auswärtige Amt und die Reichskanzlei riefen fortwährend an: .Was ist mit der österreichischen Note? Was steht in der Note? Wo bleibt die Note?" Unter den amtlichen Persönlich keiten, von denen ich mit Bestimmtheit sagen kann, daß sie diese und ähnliche Fragen telephonüch, und zwar wieder holt an uns richteten, sei hier der damalige Chef der Reichs kanzlei, Wahnschaffe, die rechte Hand Bethmann Hollwegs genannt. Auf unseren Mederholten Bescheid, daß wir noch immer nichts aus Wien erhalten hätten, baten diese Herren dringend, man möchte ihnen den Inhalt der Nole, sobald er gekommen wäre, telephonisch mitteiten. Erst gegen halb zehn Uhr erfolgte der erste Anruf des Wiener KorrApondenz- bureaus, welches gleich mittelste, das Dokument fei autzer- ordentlich lang und werde kaum innerhalb fünf Anrufen übermittelt werden können. Als dies den obenerwähnten Stellen zur Kenntnis ge bracht wurde, wuchs deren Nervosität augenscheinlich immer mehr, denn zuerst woll en sie, daß man ihnen den Wort laut, sobald er vorliege, durch Boten zusende, sodann aber — es war inzwitchen schon 11 Uhr abends geworden — schickten sie den Lcgatronsrat v. Weber ins Wolfffche Bureau, der auf das vollständige Dokument warten sollte. Aus allen diesen Anrufen und Fragen ging für mich deutlich hervor, daß die Wtlhelmstraße (das Auswärtige Amt) daS in Belgrad überreichte Dokument nicht kannte, und zwar weder in. feinem Inhalt, noch in seiner Länge, noch in seinem Wesen. Sie wußten nicht, daß es ein Ultimatum war, denn sie fragte immer wieder nur nach der Note, und daß unsere Staatsmänner keine Ahnung von der Länge deS Schriftstückes hatten, geht aus der Bitte hervor, eS ihnen telephonisch mttzutcilen. Die Tatsache, daß der Chef der Reichskanzlei Wahnschaffe sich unter den AnruHeuden befand, beweist, daß der erste Beamte des Reiches, der Reichskanzler v. Bethman« Hollweg, ebensowenig von dem Charakter und dem Inhalt des verhängnisvollen Berchtoldsch u E>aborales wußte, wie wir selbst. Es ist selbstverständlich ganz und gar ausgeschloffen, daß irgendeiner dieser Herren vorsätzlich di-- Komödie gegen über der Reoaktion des Wölfischen Bureaus hat spielen wollen. Diese Erklärung Schiffs, eines ernsten und zuver lässigen Journalisten, ist von größter Wichtigkeit; sie be weist mehr als alle Ausführungen deS Rotbuche- die Unschuld, aber auch die Fahrlässigkeit maßgebender Regierungsstellen in Berlin in den kritischsten Tagen des deutschen Vo.kes. , Was die presse sagt. W ' Deutsche Blätter. Tägliche Rundschau: .So lab das Bündnis in Wirk lichkeit aus: das militärisch, wirtschaftlich und kusturell un endlich überlegene Deutschland wurde von dem habsburgischen Diplomatenklünget als politisches Werkzeug benutzt, und zwar mit solcher Geschicklichkeit, daß es erst heute, nach dem .Frieden"' von Versailles und St. Germain möglich ist, dem eigenen Volke und der feindlichen Welt nachzuweisen, daß Deutschland zwar unfähig, aber friedliebend geleitet worden ist." Lokal-Anzeiger: .Es wird gezeigt, daß Graf Berchtold durchaus nicht sich von Berlin gängeln Uetz, sondern im Gegenteil, daß die deutsche Politik vollständig von dem öster reichischen Minister ins Schlepptau genommen wurde und die deutschen Staatsmänner im entscheidenden Augenbl ck gegen ihre bessere Überzeugung den österreichischen Forderungen nachgaben. Daß man aber sich in einen solchen Krieg gegen die eigene bessere Q erzeugung von einem schwächeren Bundes- genossen hineintreiben läßt, verrät eine solche Unfähigkeit, datz man es den Ententestaaten nickt verübeln kann, wenn sie solchen Versicherungen Deutschlands bisher nicht Glauben ge schenkt haben." Kreuzzeitung: .Unverständlich bleibteS, daß die deutsche Negierung in jenen unheilvollen Julitagen mit Rücksicht auf die ungeheuer und klar erkannten schrecklichen Leiden, in die ganz Europa durch einen Weltkrieg gestürzt werden mußte, nickt mit größter Rücksichtslosigkeit gegen die politische Kurz- sichtiokeit, Zerfahrenheit und Indolenz in Wien eingeschritten ist. Selbst vor der Drohung einer Aufkündigung des Bünd nisses durfte nicht zurückgeschreckt werden." Vossiscke Zeitung: .Die deutsche Passivität, ein seniler Botichaster Österreichs in Berlin und planvolle Ränke des leitenden Ministers auf dem Ballplatz — das sind die Elemente, die unmittelbar vor Kriegsausbruch zu entscheiden der Bedeutung üch zusammenfinden." Berliner Tageblatt: »Aus den Akten . . . geht hervor, daß die aste deutsche Regierung samt dem Kaiser in unver antwortlicher Leichtfertigkeit Osterreich-Ungarn ohne weiteres ihre Unterstützuklg -»gesichert hat, obne sich große Sorge über die ganze Tragweite einer derartigen Blankovollmacht zu machen." Die Wiener öffentlichkeil. Die gesamte Wiener Preffe bespricht die Veröffentlichung über die Vorgeschichte des .Krieges. Die Beurteilung der Schuldfrage sowie des Zeitpunktes und der Zweckmäßigkeit der Veröffentlichung im jetzigen Augenblick ist je nach der Parteirichtung der Blätter und ibrer während des Krieges beobachteten Haltung geteilt. Die .Arbeiter-Zeitung" begrüßt die Herausgabe des neuen RotbuckeS durch das StaatSamt deS Nutzern, da hierdurch viele Wahrheiten enthüllt würden, welche allerdings niederschmetternd seien, da sie un umstößlich die Schuld der habSbuigiscken Regierung ergäben, von der der Krieg mit Vorbedacht beschlossen und mit Tücke in die Tat umgesetzt worden sei DaS Blatt hebt die Haltung der Berliner Regierung hervor, welche es mit den Ver mittlungsversuchen ebenso aufrichtig und ernst gemeint habe wie England. Eimge sreiheistiche Blätter wie .Morgen" messen »war auch die Hauptschuld der habsburgischen Re gierung bei, verlangen aber die Herausgabe aller Dokument« und werfen die Frage auf, warum die Veröffentlichung nicht viel früher erfolgt sei, zu einem Zeitpunkt, wo sie die deutschen Stammesgenoffen eben/" wie daS deutsche Volk in «^nerrelck von ickwerem «erdacht hält- befreie« Md feine Lage bet den FrieüenSoerhandluugen hätte oerdMern können. Das .Neue Wiener Tsablatt" und die .Neue^reie Vresse" batten andererlMs den Zeitvuntt der Veröffent lichung für verfrüht. Sie bezeichne« mit Hinweis auf die tiefer liegenden Ursachen des Weltkrieges und auf gewiße Vorgänge in den Berbandsstaaten die Enthüllungen aus einem emsigen Staatsarchiv alS völlig einseitig unü unzu reichend und nicht geeignet, die »olle Wahrbett an den Tag W bringen. Sie berwetfeln daher die Zweckmäßigkeit der Veröffentlichungen. Mit ähnlicher Begründung, doch weit schärfer lehnt die .ReickSpost" die Enthüllungen ab. Das Blatt verharrt dabet, daß die Hauptschuld, da man zurzeit aus Opportunität von Frankreich und England nicht sprechen dürfe, vor allem in Belgmd und Petersburg gelegen habe politische Rundschau. Deutsches Reich. Reichsstädtebund und Kommunalisierung. Auf der Vecm.er Tagung des Reicksslädtebundes sprach Syndikus Dr. Haffke (Berlin) über die Frage der Komnnmaliiierung. Zunächst behandelte er dqß Problem der Verstadtlichung der Kinos und wünschte eine Au-dehnung der Kom munalisierung auf Stellem-ermittlungsanstalten, Prioat- fparkasseu und Apotheken. Jedoch wandte er sich energisch gegen die Kommunalisierung deS Lebensmittelhandels. Mit der Verstadtlichung des Lebensmittelhandels habe marr bisher wenig Erfolge gehabt. Der Redner warnte überhaupt vor jeder Kommunalisierung, wenn die Ge meinden nicht imstande seien, mit der Verstadtlichung deS Lebensmittelhandels zugleich auch d-e Erzeugung der von ihr kommunalisierten Waren in eigene Regie zu nehmen. Wahlniederlage der Unabhängigen in Braun- schwcig. Bei den in Braun chweig, Wolienbüttel, Blanken- buig, Helmstedt und Bad Harzburg vorgenommenen Magistcatswahlen haben die Unabhängigen eine gänzliche Niederlage erlitten. In der Stadt Braunschweig wurde der bisherige Oberbürgermeister gegen den Kandidaten der Ur abhängigen mit überwältigestder Stimmenmehrheit wiedergewählt. 4- Die Reichswehr als Gerichtsvollzieher. In der Stadt Braunschweig ist der Voltssreund, das Organ der Braunschweiger unabhängigen Sozialisten, in der Nacht von den rechtmäßigen Eigentümern, den Braunschweiger Mehrheitssozialisten, unter dem Schutz von Reichswehr- truppen in Besitz genommen worden. Die unabhängigen Sozialisten hatten den Volksfreund in der Revolutions- nacht im November vorigen JahreS besetzt, obgleich die Zeitung nach der Spaltung der asten Partei durch Gerichtserkeuntnis den Mehrheitsfozialisten zugesprochen wo: dey war. 4- Unfähigkeit polnischer Beamter. In Schildberg in der Provinz Posen hatten die Polen den deutich-n Bürgermeister gegen Zahlung einer Abfindung abgesetzt und einen Polen an seine Stelle berufen. Ob er dem Amte gewachsen war, war gleichgültig, Hauptsache, er war Pole. Seine echt polnischen Eigenschaften hatten bald die echt polnische Wirtschaft zur Folge. Traurigen Herzens entschloß sich die polniicke Stadtverordnetenver sammlung, ihn zu beseitigen und einen anderen echten Polen mit dem Amte zu betrauen. DaS Ergebnis: Die Zustände in der Stadtverwaltung wurden immer pol- nischer. Aber der Geldbeutel der polnischen Steuerzahler wurde dünner, und das war peinlich.. Was geschah, die polnische Stadtverordnetenversammlung holte sich den ab- geietzten deutschen Bürgermeister zurück, der nun unter den von ihm gestellten Bedingungen die polnische Karre wieder am den Damm bringen mutz. Da der deutsche Bürger meister der polnischen Sprache nickt mächtig ist, so wird wohl oder übel in Schildberg die Sprache der Kommunal verwaltung eben wieder deutsch. Das gleiche wird auch aus dem stockpolnischen Städtchen Tiemessen berichtet. * Da- fehlende Revolutionsideal. Auf dem Lyoner Gewerkschaftskongreb erklärte der Führer der Syndikalisten Merrhein: Um Revolution zu machen, braucht man ein Ideal. Der Krieg hat den Idealismus getötet und alle schlechten Eigenschaften geweckt, selbst in der Arbeiter klasse. Man will Geld, nichts als Geld. DaS ist eS, was die Revolution unmöglich macht. Plan muh heute gegen die Woge der Unmoral, die alle sozialen Schichten, Arbeiterklasse noch mehr als die anderen, zu überfluten d oht, ankämpfen. * Weyulstre.k and Tteuerverwetgerung. Der Gothaer Bauernbund fordert in einem Aufrufe zum Schulstreik aut. Die Vertrauensmänner des Bundes haben ein stimmig folgende Forderungen beschlossen: 1. Zurücknahme des Religionserlaffes: 2 Rücktritt des Ministerialüezer- neuten für Schulwesen Jacobi; 8. Wiedereinsetzung der Schulinspestoren. Solange dir e Forderungen nicht restlos erfüllt sind, darf kein Gothaer Bauer feine Kinder zur Schule schicken. Gibt die Regierung auf diese Pcotest- maßnahme nicht nach, so wird die Bauernschaft jede Steuerzahlung an d'ese Regierung verweigern. Des weiteren wird die Bürgerschaft zum Anschluß an das Vorgehen aufge ordeit. Der Schulstreik, den sich die große Mehrzahl der Gothaer Ortschaften angeschloffen hat, beginnt io ort. -4- Neue Regierungspräsidenten. Die preußische Re gierung hat zu Regierungspräsidenten ernannt in Gum binnen den Geheimen Regierungsrat Freiherrn v. Braun, in Frankfurt a. O. den Schriftsteller Ludwig Bartels, in Stralsung den Stadlrat Dr. HauSmann aus Stettin. -4- Der ehemalige König von Bayern ist in Sig maringen bei feinem Schwiegersohn, dem Fürsten von Hohenzollern, zum dauernden Aufenthalt eingetroffen. Er hatte bisher in Zizers in Granbünden, wo ihm der Bischof von Chur in dem diesem gehrenden Jesuitenkloster ein Asyl geboten hatte, gewohnt. Aus In. und Ausland. Braunschweig. Das Wahlresultat für die Magistrais- ratSwahlen in der Stadt Braunschweig stellt sich folgender maßen dar: Deutschnationale 14 900, Deutsche Demokraten 11683. Unabhängige 15 755, Mehrheitssozlalisten 5350Stimmen. Hamburg. Eine direkte Dampferlinte Hamburg- Niederländtsch-Jndien ist mit dem bolländischen Dampfer .Lombok eröffnet worden, der von Hamburg nach Soera- daya lJava) abgegangen ist. Amsterdam. Aus Petersburg wird gemeldet, datz die Sowjetregierung beschlossen bat, mit den Ententemächten auf der von dielen aufgestellten Grundlage in Verhandlungen elnzutreten. Brüssel. Der König empfing den holländischen Ge sandten van Weede, der sein Abberusungslchretben üder- relckte. Washington. Wilson sagte in einer Rede, datz, wenn Deutschland die Honenzollern wieder auf den Thron se e, Deutichland für immer aus dem Völkerbünde und der Gesell schaft entfern! weiden müsse. . i
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