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Beilage zu den Nachrichten für Naunhof. Nr. 95. - Sonntag, den 10. August 1919. 30. Jahrgang. Nie Gesetze über die Kriegsabgaben. Eichhorn tn der Nationalversammlung. 0L Weimar, 8. August. Zum letztenmal trat die Nationalversammlung zu einem Sibungsabschnitt in Weimar zusammen. Nach Beendigung der begonnenen Arbeiten wird die Übersiedlung nach Berlin erfolgen. Ein Teil der Steuer vor la gen soll erledigt, ein anderer Teil reif zur Behandlung tn den Ausschüssen gemacht werden. Die Ausschüsse werden schon tn Berlin tagen. Die Verhandlungen, zu denen nur eine mäßige Anzahl Abgeordneter erschienen war, schleppten sich ziemlich eintönig hin. Auf der Tagesordnung stand da- Gesetz über die außerordentliche Kriegsabgabe und das Gesetz über die Abgabe vom Vermögenszuwach-. Bon den Sozial demokraten wurden zu fast allen Paragraphen Abänderungs anträge, die fast regelmäßig Erhöhung der im Ausschuß fest gesetzten Abgabensätze verlangten, gestellt. Aber ebenso regel mäßig wurden diese Anträge von der bürgerlichen Mehrheit abgelehnt. Im Gesetz über die außerordentliche Kriegsabgabe bleibt es bei der Bestimmung, baß die Steuer sätze mit 5°^ bei den ersten 1V0W Mark beginnen und staffel- förmig steigen bis zu 70^» für die Mebreinkommen über 100 000 Mark. Ebenso werden die Anträge abgekehnt, die bei dem Gesetz über die Kriegsabgabe vom Vermögenszuwachs die festgesetzten Abzugsmöglichkeiten für kirchliche, mildtätige oder gemeinnützige Zwecke streichen wollen. Bemerkenswert in dem Einerlei der Abstimmungen war die Behauptung des Sozialdemokraten Kraetzig, kaum 10°/» aller Steuer deklarationen leien richtig. Der Demokrat Dernburg trat dieser Behauptung entgegen, indem er sagte, eine leicht fertigere und die Ehre des deutschen Bürgertum- schwerer treffende Behauptung könne überhaupt nicht aufgestellt werden. Eine weitere Abwechslung bot das Erscheinen de- früheren revolutionären Polizeipräsidenten von Berlin MchHorn unter seinen unabhängigen Gesinnungsgenossen. Warum er in zwölfter Stunde in Weimar erschien, erfuhr man nicht. Seine Parteigenoffen hüllten sich in Schweigen. Da Eichhorn straf rechtlich verfolgt wird, wurde die Möglichkeit seiner Verhaf tung lebhaft besprochen. Da aber in dielen Tagen die neue Verfassung in Kraft tritt, erscheint eine Verhaftung unwahr- scheinlich, da die Nationalversammlung ihre Zustimmung geben müßte, was nicht anzunehmen ist. Das Haus nahm die beiden Gesetzentwürfe schließlich in zweiter Lesuna ohne wesentliche Verändeiungen an. Die Echil-erhebung des Erzherzogs. Königreich Neu-Angarn! Ganz unverkennbar wird in Budapest die Lage dahin aufgefaßt, daß sie mit hoher Wahrscheinlichkeit, wenn auch vorläufig über eine Art Interregnum zur Wiederauf richtung der habsburgischen Dynastie in Ungarn führen wird. Der maßgebende Einfluß wird England zuge schrieben: Beabsichtigt ist offenbar etne VSSige geographische Neu konstruktion Ungarns unter Einbeziehung von Kroatien, Liavonien — Dalmatien mit den südflavtschen Gebieten von Krain und Kärnten, waK etne beträchtliche Stärkung Ungarns bedeuten würde. Die kroatischen und slovenischen Bauern begrüßen iedenfalls ein derartiges Königreich Ungarn, da sie unter keinen Umständen unter serbische Herrschaft kommen wollen. Die neue ungarische Regierung hat einen sehr rechts' gehenden Kurs eingeschlagen. Die Anhänger des Bolsche wismus sind unter dem Drucke der öffentlichen Meinung sehr harten Verfolgungen ausgesetzt. Die Nepszava, das gemäßigte Organ der Räteregierung,' wurde eingestellt. Zahlreiche Mitglieder der Regierung ff Hun wurden ver haftet und werden vor Gericht gestellt werden. Manifest Nu die Bevölkerung. In seinem Manifest an die Bevölkerung vermeidet Josef von Habsburg zwar jede Anspielung, daß er die Republik um stoßen und zu monarchischen Einrichtungen zu- rücktehren wolle, er lagt auch nicht, daß er als Mit glied des früheren Herrscherhauses^ als früherer Erz herzog heroortritt, sondern nm den ihm von allen Seiten zugehenden Wünschen Folge leiste. Gr unter zeichnet -aS Schriftstück aber alS„Feldmarschall Erzherzog Josef und knüpft daniit an die Mission an, die er im Oktober 1S18über- nommen hatte, als daS Kabi nett Weckerle ins Schwanken geriet Übernahme der Regierungsgeschäfte durch Michael Karolyi vergeblich bemüht hatte, eine Regierung des Grafen Hadik zu bilden, die alle Parteien beS Abgeordnetenhauses ein schließlich der in dem elben noch nicht vertretenen Sozial demokraten umfassen sollte. Von den sofort auSm- schreibenden Wahlen erwartet man mit Bestimmtheit eine Mehrheit für die Monarchie. Wie der Staatsstreich vor sich ging. Auf Grufid von Mitteilungen der neuen Regierung erfährt man über die Art, wie der Umsturz vor sich ging, noch folgendes: Sämtliche ordnungsliebende Organisationen sowie die Beamten sämtlicher Ministerien hielten Konfe renzen ab, in welchen die Lage besprochen wurde. Dabei wurde erklärt. Haß der gänzliche Zusammenbruch Ungarns unvermeidlich sei, wenn sich nicht jemand finde, der eS in zwölfter Stunde rette. Darauf begab sich eine größere militärische Deputation nach Alesnth zu Erzherzog Josef und ersuchte ihn, die Lösung der Lage in die Hand zu nehmen. Nachdem Erzherzog Josef seine Bereitwilligkeit erklärt und in Budapest mit den Entrntemifsionen ver handelt hatte, wurde zunächst die frühere Staatspolizei versammelt und eine freiwillige Truppe von etwa 8000 Erzherzog Joscf. und Erzherzog Josef sich vor der Bewaffneten bereitgefteUt. Eine Abordnung derselben führte die Abdankung der bisherigen Minister herbei, die vorübergehend in Gewahrsam genommen und später wieder freigelaffen wurden. Der Regierungswechsel voll zog sich in der größten Ruhe und ohne Zwischenfall. Sämtliche Missionsleiter versicherten die neue Regierung ihrer wärmsten Unterstützung. Erzherzog Jolef wird im Lause des heutigen Tages >^in Ofener Palais beziehen. Verschiedene Nachrichten. Budapest. Der angekündigte Besuch des Königs Ferdinand von Rumänien wird unterbleiben. Der größte Teil der rumänischen Truppen wird zurückgezogen. Budapest. Der hauptstädtische Magistrat und Bürgermeister Dr. Brody haben ihre Befugnisse wieder übernommen. Wien. Der ungarische Gesandte Boehm ist nach Verbrennung sämtlicher Geheimakten im Automobil ge flüchtet. Am Vormittag erschienen in der Gesandtschaft ungarische Journalisten und Offiziere, verprügelten das Geiaudinbaitspersonal und warfen es aus dem Gesandt- schajtsgebäude hinaus. _ Was zahlt man heute? Preisgestaltungen im In- und Auslande. Die Vossische Zeitung vom 8. August meldet: In Berlin ist Kakao jetzt in vielen Läden für 12 Mark das Pfund zu haben. Amerikanische kondensierte Milch wird für 6,25 Mark die Büchse verkauft. — Aus Altenburg (S.-ö.) wird berichtet, daß jetzt für Butter 8 bis 12 Mark das Pfund bezahlt wird, für Kaffee 12 bis 16 Mark, für Kakao 18 biS 20 Mark das Pfund. Pfeffer kostet 24 Mark das Pfund, Kümmel 20 Mark das Pfund, Strickwolle ist für 40 Mark das Pfund zu haben. — In Stendal kostet ein Pfund Kernseife jetzt 10 Mark, dänische Fettseise, etwa 150 Gramm, wird für 1,50 Mark das Stück ver kauft. Salatöl, etwa zwei Zehntel Liter, kosten 6,60 Mark. In der Preisbewegung der meisten Waren ist neuerdings ein Stillstand eingetreten. Der „Matin" verzeichnet nach den Anschlägen in den .Hallen" die folgenden Zwischenhändlerpreise aus Paris: Rindfleisch 2 bis 4,50 Frank (1,60 bis 3,60 Mark) das Kilo Vorderviertel, 2,80 bis 5,60 Frank Has Kilo Hinter- wertel, Kalb 3 bis 6,60 Frank, Hammel 4,60 bis 8,60 Frank, Schwein 6 bis 8,80 Frank das Kilo. Kaninchen rostet 6,60 bis 7,30 Frank das Kilo, im Kleinhandel 3,65 Frank das Pfund; Huhn 9 bis 11 Frank das Kilo, im Kleinhandel daS Pfund von 5 Frank an. Gewöhnliche Butler 8 bis 9,40 Frank das Kilo, Butter aus dem Departement Charente 9,50 bis 12,60 Frank, nomännische Butler 8,60 bis 10,60 Frank das Kilo. Französische Eier losten 310 bis 620 Frank das Tausend; ein Ei im Klein- hrndel 70 Centimes (56 Pf.), was der „Matin" als zu teuer bezeichnet. Nie „Befreite«". Stimmungsbilder aus dem polnischen Landtag. Ein charakteristisches Bild vom neuen polnischen Landtag entwirft ein holländischer Berichterstatter, der kürzlich in Warschau weilte.. Zwischen dem letzten polni schen Landtag, dem vierjährigen deS JabreS 1791, und dem heutigen liegt mehr alS ein Jahrhundert der Sehn sucht nach staatlicher Freiheit und Selbständigkeit, und diese Sehnsucht der Polen ist jetzt erfüllt. Die Sitzung hat noch nicht begonnen. Die Abgeord neten wandeln paarweise und einzeln zwischen den Bänken. Während der Sitzung wandeln nur zwei: der auS dem ehemaligen österreichischen ReichSrat bekannte sozial demokratische Abgeordnete DaszynSki und ein alter Mann mit langem Vollbart und einem kleinen Käppchen. Sein seidener Kaftan und seine tappenden Pantoffeln sind bald bei den Glaubensgenossen, bald bei den Sozial demokraten. Er spricht kein Wort, bleibt nur überall ein Weilchen stehen und geht lautlos weiter, unbeholfen wie ein Kind, zwischen dem Gehörten hin- und herpenbelnd. Der Mann ist von Beruf Rabbiner, und die Polen nennen ihn, obwohl er ganz anders beißt, Jankel. Das ist der TypuS eines von dem polnischen Nationaldichter Mickiewicz gelchaffenen „polnischen Juden" oder Juden-Polen, eines Bürgers, der „Polen über alle- lieb gewonnen hat" und als sicher und zuverlässig gilt. Es wird irgend ein neues wichtiges Gesetz vor- gelesen. Ode Langweile liegt über dem HaiS. Nur beim Abstimmen wird alles laut, aber niemand weiß Bescheid, und Verlegenheit belebt das Bild! Jemand aus der Opposition schlägt ein anderes Projekt vor. Der Marschall bringt eS zur Abstimmung, und die Bauern schreien, daß nur über den Regierungsvorschlag beraten werden dürfe. Der altgewiegte Parlamentarier Duszynski sieht gar nicht ein, weshalb nicht auch diese Stimme angehört werden könne wie die der Regierung. Wiederabstimmung, und dann erst bemerkt man, daß gar kein formeller An trag gestellt worden sei. Und io geht die Sitzung weiter. ES drängt sich die Frage auf: wonach haben sich eigentlich diese Polen so sehr gesehnt? Ist denn diese Unabhängigkeit und dieses Selbstverwalten der eigenen Flüsse und Wälder (denn etwas andere- tut dieser wieder »um Leben auserstandene Staat wirklich nicht) mehr oder besser als daS, was früher war? Ist das die Vertretung des Vo!keS, daS ein Jahrhundert lang die Tragik der ganzen Weit gepachtet und den Jammer der „Sklaverei" in Generalvertretung genommen zu haben schien. Dieses Parlament, ist gelinde gesagt, dos rückschrittlichste in uropa. „Die wenigen Parteiführer", so schreibt der Holländer, „die imstande waren, mir bestimmte Pläne zu entwickeln, sind mit ihren Ansichten so weit von modernen Auffassungen entfernt, wie die Dörfer, aus denen sie kommen, von der Eisenbahn. Es gibt tn diesem Hause fast gar keinen echten Parlamentarier, und der Landtags- nmrschall TrampezynSki (ehemaliges Mitglied des preußischen Landtages) bedauert es und gibt eS ganz offen zu. Die wenigen geschulten Herren kommen aus dem Wiener ReichSrat, dem opposiüonslo.en Landtag in Lemberg oder der Berliner Parlamentsschule. Arger noch ist eS, daß diele Menschen nicht einmal den guten Willen zum Schaffen einer neuen Ordnung und kaum das richtige Verständnis für die Mission der Polen in der europäischen Kultur mit ihren Mandaten tn dieses Haus gebracht haben. Sie verlieren sich in einem Doktrinärtum und stehen mit der Hartnäckigkeit deS polnischen Bauern fest und unentwegt aus dem Weltstandpunkt von anno dazumal. Dieses Haus ist intolerant wie keines: alle Europäer sind Feinde des Polen, alle muß man hinrichten, vernichten, zertreten. Dies ist der Ton nicht nur der Bauern, sondern auch der von einem wahren Fieber ergriffenen Intelligenz! Die Behörden behandeln die Bevölkerung barsch und unliebenswürdig. Die Minister sind uripopulär bis auf den Minister der schönen Künste Przesmycki, Ler unter dem Namen „Miriam" sich große Verdienste um die pol nische Literatur erworben hat; sehr oft kennt die Bevölke rung nicht einmal ihre Namen. Der ganze große Staats betrieb ist ungeschult. Der Apparat ist sehr kompliziert, man macht in allem riesige Schwierigkeiten, einen Paß ins Ausland zu erlangen dauert monatelang, wenn man nicht die nötige Unterstützung hat. Aber auch die Pro tektion nützt nicht immer. Der Beamte weigert sich, Len Leiter einer anderen Behörde anzuerkennen; alles ist Willkür und Frage der guten Laune. Der vielgefeierte Pilsudski, den die Deutschen längere Zeit etngesperrt hatten, ist finster, stark, ganz Wille in einer einfachen Soldatenbluse, gewesener Revolutionär, nun Diktator und Republikaner, Militär und Rebell: alle Eigenschaften der polnischen Helden ohne die Grundeigen schaft, ohne Herz. Er ist Staatsobersymbol des heutigen Polens, das so wenig gemeinsam hat mit der alten pol nischen Kultur. Er, nicht der vielgewandte und viel- gewanderte Paderewski, ist der wahre Vertreter dieses merkwürdigsten aller neu aus dem Nichts gezauberten Staaten. Dies kann man nicht stark genug betonen. Bittere Not in Polen. Der Vorwärts veröffentlicht weitere Berichte aus Polen und schildert das unbeschreibliche Elend der dortigen Bevölkerung. Die Lebensmittelnot habe ihren Höhepunkt erreicht und der Hungertyphus wüte allerorten und fordere tausende von Opfern. Bei einer Einwohnerziffer von 400 000 habe Lodz nicht weniger als 110 000 Arbeitslose. Ein 400-Gramm-Brot koste in Warschau 3 bis 4 Mark, ein Paar Stiefel 650 bis 700, ein Hemd 70 bis 80 Mark. Besonders scharf wendet sich der Vorwärts gegen die polnischen Führer und schreibt: „Der Bürgermeister von Posen, v. Drweski, ohnehin ein vermögender Advokat, be zieht 24 000 Mark jährlich nebst Repräsentationsgeldern in unbekannter Höhe; der Polizeipräsident von Posen, Rzepecki, ein früherer Hausdiener von Wertheim in Berlin und Former von Beruf, „Oberst" Lange ebenso viel; natürlich haben die Herren je ein Auto zur Verfügung. Adjutanten, luxuriös eingerichtete Bureaus usw. Dem gegenüber erhalten die Mitglieder der Bürgerwehr, meist verheiratete Leute mit 4 bis 6 Kindern, sage und schreibe 200 Mark monatlich, Stadtsekretäre, Assistenten 1800 Mark jährlich (solche Angebote findet man täglich im „Kurier Poznanski"). Phantastisch geradezu sind die Gehälter der Mitglieder der Naczelna Rada, Korfanty, Prälat Adamski (Millionär und Auffichtsrat von einem Dutzend Banken und Aktiengesellschaften), Poszwinski, Rymer, die monat lich 10000 Mark für ihre schwere, in Automobilreisen und Ansprachen bestehende Tätigkeit beanspruchen." Unmenschlichkeiten gegen Deutsche. Schon hundertfach ist über Unmenschlichkeiten der Polen gegen grundlos internierte Deutsche berichtet worden. Aber auch Angehörige anderer Nationalitäten wurden davon betroffen. So schreibt jetzt ein aus dem polnischen Lager Strelkowa entflohener ukrainischer Ober leutnant entsetzliche Dinge. An dem Tage, als er ins Lager kam, sah der Oberleutnant, wie ein Soldat vom Grenzschutz eingebracht wurde, auf den etwa 15 Be wachungsmannschaften mit ihren aus Telephondraht geflochtenen Putschen einschlugen. Am nächsten Tage erfuhr M., daß der Soldat infolge der Mißhandlungen gestorben sei. Ein deutscher Husarenoffizier wurde geohr- feigt und geprügelt, so daß sein ganzer Körper Wunden aufwies. Der Adjutant des Lagerkommandanten, der polnische Leutnant Malinowski, entblödet sich nicht, bei der Mißhandlung der deutschen Gefangenen hilfreiche Hand zu leisten, indem er diesen, während sie blutig ge schlagen werden, den Fuß auf den Nacken fetzt oder ihnen den Revolver oorhält. Die schon stark abgenützten Baracken des Lagers bieten gegen die Einflüsse der Witterung nur mangelhaften Schutz. Die Verpflegung der Insassen ist völlig unzureichend. Früh und abends erhalten sie schwarzen Kaffee und einmal täglich einen Gerstenbrei mit kleinen Fleischstücken. Die Bekleidung der Gefangenen, die man schon auf dem Transport aus raubt, so daß sie nur das Notwendigste mitbringen, ist sehr schlecht. Unter diesen Umständen leiden im Lager etwa 3000 Personen an Unterleibstyphus, Hungertyphus, Grippe und anderen Krankheiten; dabei fehlt es zumeist an ärztlicher Behandlung. Die Wachtposten schießen, besonders nachts, in die Baracken, so daß durchschnittlich in jeder Nacht 6 bis 6 Personen verwundet werden, die bei dem Mangel an ärztlicher Behandlung und Pflege sterben. Offiziere und Mann'chatten sind im allgemeinen im Lager getrennt untergebracht, nur die deutschen Gefangenen nicht. Die Ukrainer werden schon schlecht behandelt, aber die Deutschen noch viel schlechter. . 1 . Berlin amüsiert sich. Der Boxkampf. Dem tanzenden und spielenden Berlin ist jetzt das beende gefolgt. Mit der einen Ausnahme, daß es beim Tanz und Spiel aktiv war, während es sich beim Boxen passiv verhält: Berlin läßt boxen, füllt aber Abend für Abend den ZirkuS und folgt den Kämpfen mit gleicher Inbrunst, wie etwa der Spanier dem Stierkämpfer. Eine vorzügliche Schilderung^eineS Vorabends im Zirkus, die beste, die über diese Schau geschrieben wurde, finden wir im Vorwärts, die wiederzugeben wir uns nicht enthalten können: Der riesige Ztrku- ist Halbdunkel. Um so Heller hebt sich dus mit Stricken umspannte Viereck ab, tn dem die Kämvfe flnttsinden. Die Dtusik spielt einen Walzer, die Lust ist ge schwängert mit Schweiß, Stallgeruch und Staub. Die Menge schmatzt und lärmt. Dann plötzlich anschwellendeS Getöse. Die beiden Kämpfer haben Len Ring betreten. Sie setzen sich gegenüver. Der Schiedsrichter verliest die Namen und kündigt Herausforde- rung-kampf mit allen Mitteln an. Die beiden Gegner über- lassen sich mittlerweile den Händen ihrer Masseure. Man streift ihnen die Handschuhe über, reibt sie ab, läßt sie trinken. Um jeden von ihnen sieben dicht gedränat Freunde, Trainer