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Nachrichten für Naunhof : 13.07.1919
- Erscheinungsdatum
- 1919-07-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id178785101X-191907130
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id178785101X-19190713
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-178785101X-19190713
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Nachrichten für Naunhof
-
Jahr
1919
-
Monat
1919-07
- Tag 1919-07-13
-
Monat
1919-07
-
Jahr
1919
- Titel
- Nachrichten für Naunhof : 13.07.1919
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Jahren alle diese Umstände soweit überwunden baden werd«!, um den Wettbewerb mit den westlichen Völkers die in Lieser Leit natürlich nicht müßig gewesen sink wieder aufnehmen zu können. Inzwischen aber wird eS nötig sein, unsere Volks- Wirtschaft auf den von Grund auf veränderten Zustand der Dinge einzurichten. Denn ein ganzes Volk ist nicht in der gleichen Lage wie der einzelne Geschäftsmann, der während einiger schlechter Jahre untätig von seinen früheren Überschüssen leben kann. DaS wäre selbst bann nicht möglich, wenn wir uns, als Ganzes genommen, noch der großen Reserven aus der Vorkriegszeit erfreuten, während diese in Wirklichkeit in den letzten fünf Jahren aufgezehrt worden sind. Bor dem Krieg hieß eS bei unS, wir müssen entweder Menschen oder Waren ausführen. Es war dies ein Schlagwort, dessen Richtigkeit niemals praktisch nach- geprüft worden ist. Für die Großindustrie und den Großhandel war eS allerdings vorteilhaft. Der Außen handel brachte ihnen große Gewinne, während wir auf der anderen Sette die Gefahren, die in der zunehmenden Abhängigkeit Deutschlands von der Einfuhr ausländischer' Lebensmittel lagen, die wir im Tausch gegen Industrie- erzeugnisse einführten, nicht erkannten. So wurden wir aus einem Volk mit ehemals überwiegend landwirtschaft licher Beschäftigung zu einem Volk, besten Daseins bedingungen in zunehmendem Grade auf die Industrie eingestellt waren. Unter den veränderten Umständen werden wir genötigt sein, diese Entwickelung nach Möglichkeit wieder in umgekehrter Richtung oorzu- nehmen. Selbst bei optimistischer Einsetzung aller Um stände muß man annehmen, daß wegen der Vernichtung unseres Außenhandels, wegen des Mangels an Rohstoffen und der sonstigen mit dem Krieg zusammenhängenden Ursachen etwa der fünfte Teil der deutschen Arbeiter nicht mehr in ihrem bisherigen Berus beschäftigt werden kann. Zusammen mit ihren Familien würden danach etwa sieben Millionen Menschen von dem Gespenst der Arbeitslosigkeit bedroht sein. Es sei ausdrücklich heroor- gehoben, daß diese Ziffer auch in Regierungskreisen ge nannt wird. Es kommt dazu noch der weitere Umstand, daß aus den durch den Friedensschluß von Deutschland abgetrennten Gebieten Hunderttausende von Landsleuten besonders Beamte, teils freiwillig, teils gezwungen nach den deutschen Kernländern zurückgekehrt sind und den Arbeitsmarkt daselbst entsprechend belasten. Es entsteht die ungeheuer wichtige Frage, ob man alle diese Menschen zur Auswanderung verurteilen will, oder ob eS möglich ist, die notwendige Umschichtung der Berufe innerhalb der neuen Reichsgrenzen vorzunehmen. Daß eine Mastenauswanderung mit allen Mitteln verhindert wird, muß jeder wünschen, dem Deutschlands Zukunft am Herzen liegt. Träte zu dm blutigen Ver lusten des Krieges von etwa zwei Niillionen Männern und den Verlusten, die uns durch Gebietsabtretung auf gezwungen sind, auch noch ein Abgang durch Auswande rung, so ist kein Zweifel daran möglich, daß die Bevölke rung Deutschlands auf einen Stand finken würde, bei dem seine Hoffnungen auf die Wiedereinnahme einer Großmachtstelluug endgültig begraben sein müßten. Darum gibt es gegenwärtig keine dringendere Aufgabe, als durch eine großzügige Jnnenkolonisation die AuswanberungS- gefahr zu bekämpfen. Es gift eine neue Völkerwanderung innerhalb Deutschlands zu organisieren und jene Menschen masten, die in ibrem städtischen Beruf keine Existenz mehr finden, der landwirtschaftlichen Beschäftigung zuzuführen. Die ungeheuren Schwierigkeiten dieser Umsiedlung liegen auf der Hand. Es bedarf dazu einer langen Übergangs zeit, die freilich durch zielbewußte Unterweisung abgekürzt werden könnte. Jene deutschen Industriearbeiter, die lange vor dem Krieg durch die Ferne oder durch lockende Prospekte oersührt worden sind, nach Brasilien oder nach Kanada auszuwandern, haben in verhältnismäßig kurzer Zeit die Schwierigkeiten des Berufswechsels überwunden. Warum solli e dasselbe nicht in der Lüneburger Heide oder auf den Hochmooren der Senne möglich sein, wo hinter dem Ankömmling die deutsche Agrikulturtechnik, ein städtisches Hinterland mit vorläufig unbegrenzter Auf nahme'ähigkeit und die materielle Unterstützung der Ge samtheit steht? Vor allem aber dürfen wir uns auf die eiserne Not verlassen. Sie ist von jeher ein guter Lehr meister gewesen. Itah und Ier«. o Festessen auf dem Lande. Während die wöchent lichen Fleischrationen noch weiter herabgesetzt werden und die städtische Bevölkerung sich schwer seufzend in ihr Hungerschicksal findet, -eigen sich in manchen Gegenden Deutschlands immer noch, teilweise sog« mehr als je, gewisse Auswüchse, die den Beweis liefern, baß der dortigen Bevölkerung jedes Verständnis für die Not der Allgemeinheit fehlt. Die große» Festesten bet Bauern hochzeiten, an dyien oft M Personen und mehr teil nehmen, kommen wieder in Brauch. Um 8 Uhr morgens bereits wird mit der Haupttätigkett deS TageS, dem Essen, begonnen, und baß die Festgäste nicht von Graupen und Marmelade auf Karten leben, braucht wohl kaum - erörtert zu werden. Zu bedauern bleibt, daß die öffentliche Brandmarkung solcher Auswüchse nicht viel hilft. o Mit Gasbomben »mb Handgranate« zur Kirsche«, ernt«. DaS als Kirschenparadies weithin bekannte Dörflein Gerbrunn bei Würzburg hat trotz deS reichen diesjährigen KirschenfegenS ben Pfundvreis auf 2 Mark unter dem Baum festgesetzt. Die zahlreichen Kirschew auskäufer aus den Großstädten suchten auf die kirschen erntenden Bauern gütlich einzuwirken, den Preis herab- zuietzen, sonst würde man sie aus den Baumkronen heraus- holen. Plötzlich beantworteten die Bauern daS Drängen der Kirschenliebhaber mit Schrotschüsten. Innerhalb weniger Minuten war eine richtige Schlacht im Gange. Mit Gasbomben und Handgranaten holte man die Kirschenbauern aus den Bäumen und jagte die sämtlichen Kirschenerntler vor daS Dorf, daS besetzt wurde. Ver schiedene Bauern wurden dabei schwer mißhandelt. Die Kirschen wurden abgepfiückt, gewogen und der Betrag den Bauern per Postanweisung zugesandt. o Andenken an Hindenburg. Vom Generalfeld marschall Hindenburg find bei seinem Scheiden aus der Armee verschiedenen Offizieren des Hindenburg-Korps und der O. H. L. Ehlendegen verliehen worden, die auf der Klinge den Namenszug deS Generalfeldmarschalls tragen. o Der deutsch-englische Luftpostverkehr, der bereits seit Anfang März zwischen Köln und Folkestone besteht, hat bis Ende Mai schon 2276 Briefsäcke von England nach dem besetzten RheinLand befördert und von dort 886 Brief säcke nach England. 0 Deutsch um jeden Preis. Die Zeitungen aus dem Saargebiet enthalten eine Notiz, wonach bei Bekannt werden der Friedensunterzetchnung sich eine Anzahl von Gymnasiasten heimlich auf den Weg über den Rhein ge macht haben. Zu ihren Mitschülern hatten sie geäußert, sie wollten unter allen Umständen deutsch bleiben. 0 Hochzeitsurlaub aus dem Gefängnis. Wie ein Akt auS einem lustigen Filmstück mutet ein Vorfall an, der sich kürzlich im Berliner Ratskeller zugetragen hat. Der Reisende Otto Warnicke*hatte eine längere Gefängnisstrafe zu verbüßen. Auf Veranlassung seines Rechtsvertreters gewährte die Staatsanwaltschaft dem im Gefängnis sitzen den W. einen eintägigen Urlaub zum Zwecke seiner standes amtlichen Trauung. Ein Beamter wurde, damit die Sache möglichst unauffällig vor sich ging, hochzeitlich gekleidet und erschien mit dem Strafgefangenen auf dem Standes amt. Nachdem die Trauungszeremonie vorbei war, ließ sich der Transporteur durch die Bitten der Schwieger eltern verleiten, seine Zustimmung zu geben, im Ratskeller ein kleines Hochzeitsmahl einzunehmen. Nachdem man einige Flaschen getrunken hatte, blieb der Kellner zufällig etwas lange aus und mit den Worten: .Ich muß mal nachseben, wo der Kerl steckt/ sing der im Hochzeitsfrack befindliche W. nach dem Büfett und — soll heute noch wiederkommen. Der Transporteur wird sich nun wegen Entweichenlassens eines Gefangenen zu verantworten haben. Solche Fälle von.Urlaubsmißbrauch" Gefangener häufen sich jetzt übrigens. o Ans Gram um das Vaterland ... In Regens burg erschoß sich der Großindustrielle Kommerzienrat Laux, Vorsitzender der oberpsälzischen Handelskammer, wegen der traurigen deutschen Wirtschaftslage. v Wasserkatastrophe in Südmähren. Infolge eines Wolkenbruches schwollen Olschawa und March derart an, daß sie die ganze Umgebung überschwemmten. Auf der Bahnstrecke zwischen Novaras und Ungarisch-Brod stieg das Wasser bis eineinhalb Meter über Normalstand. Die Eisenbahnverbindung mit der Slowakei ist unter brochen. Die ganze Gegend zwischen Ungarisch-Hradisch und Ungarisch-Brod steht unter Wasser, auch Luhaschovitz ist überschwemmt. Der ganze Bezirk wurde von Hagel schlag heimgesucht: stellenweise lagen die Schloffen über ein halbes Meter hoch. Der Schaden ist gewaltig. Menschenoerluste find glücklicherweise nicht zu beklagen. o El« «eueS Reichswappe«. Der bekannte Wappen- Kenner Dr. Kekulö p. StradtznW hak eine« Vorschlag für Laß Wappen deS neuen Freistaates Deutschland gemacht, wobei er sich von Ler Absicht leiten lieb, Reichsfarben und Wappen in Einklag zu bringen und letzteres von allem unnatürlichen Beiwerk zu befreien. Vorgeschlagen wird von ihm ein einköpfiger, ungekrönter, rot bewehrter schwarzer Adler in goldenem Schilde. o Ttrastennnruhen ««d Bürgerwehr. In Bochum haben infolge der großen mit Plünderungen verbundenen Unruhen Polizeipräsident, Magistrat, Arbeiterrat und SicherheitSwehr einen Aufruf erlösten, in dem zur Bildung einer Reservewehr aufgefordert wird. Grundsätzlich erfolgt nur listenmäßig die Aufstellung dieser Reservewehr, die nur im Notfall zusammentreten soll. Jede Berufsstörung soll vermieden werden. Jeder Bürger, ohne Unterschied der Partei, ist willkommen; er muß jedoch mindestens 24 Jahre alt, zuverlässig und unbestraft sein. 0 Energische Mastnahmen gegen den Schleichhandel. Die braunschweigische Kreisdireltion Gandersheim Hal radiale Maßnahmen gegen den Schleichhandel mit Vieh getroffen. Nach einer Verfügung werden in Zukunft ohne Ausnahme jedem Viehhalter, der ein Stück Vieh im Schleichhandel verkauft hat, zur Strafe zwei Stück Vieh ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Bedürfnisse sofort enteignet und abgenommen werden. Solches Vieh, das von Biehhaltern den mit der Überwachung der Vieh bestände und mit der Aufbringung des Schlachtviehes be auftragten Viehenteignungskommisfionen verheimlicht wird oder verheimlicht werden soll, wird gleichfalls ohne Rück sicht darauf, ob eS sich um Schlachtvieh handelt oder nicht und ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Bedürfnisse, enteignet und sofort abgenommen werden. Außerdem werden die Vtehhalter wegen Verheimlichung noch in die gesetzliche Strafe genommen und ihr ganzer Viehbestand wird ohne Zahlung einer Entschädigung beschlagnahmt. D Die Tschechen gegen di« Bismarckbilder. Der Diener deS Turnvereins in Warnsdorf (Böhmen) erhielt von einem tschecho-slowakischen Soldaten den Auftrag, das im Gastzimmer deS Turnhallenschankes hängende Bismarck- btld zu entfernen. Der Diener weigerte sich, dem Auf trage nachzukommen, da für ihn nur Verfügungen des Turnrafts maßgebend seien. Kurz darauf erhielt der Turnrat einen mit Bleistift geschriebenen Zettel eines tschecho-slowakischen Offiziers mit dem Befehle, das Bismarckbild zu entfernen. Abends versammelten sich die Turner, und der Turnwart nahm das Bismarckbtld mit den Worten von der Wand: „So komm denn herunter, du Alter aus dem Sachsenwalde. Keine fremde Hand soll dich berühren. Voll Zorn und Schmerz wollen wir das traurige Werk verrichten, zu dem man uns zwingt." In tiefer Bewegung verließen die Turner die Halls. S Keine Flugpostverbindung in Schweden. Die schwedische Vostverwaltung hat das Ersuchen des öster reichischen Fliegers Ebner abgeschlagen, auf der Strecke zwischen Stockholm und Gotenburg eine Flugpost einzu richten, weil nach ihrer Auffassung die Möglichkeiten für eine reguläre Postverbindung auf dieser Linie zu gering seien. s Die Opfer des Erdbebens in Italien. Nach den nunmehr vorliegenden Feststellungeu hat das Erdbeben in Toscana annähernd 500 Menschenleben gekostet. Viele Tausende find noch immer obdachlos. S Das Ozeanluftschiff in Amerika angekommen. Nach einer Reutermeldung aus Newyörk ist das Luftschiff „R 34" am Sonntag auf dem Flugplatz Haxelhurst ein getroffen. Danach hat das englische Luftschiff in 103 stündigem Fluge zwar nicht ben beabsichtigten und vorbereiteten Platz au der West-, sondern einen Flugplatz an der Ostspitze von Long Island erreicht, etwa 180 Kilo meter von Newyork entfernt. Trotz widriger Windver hältnisse hat eS also sein Ziel jedenfalls annähernd er reicht. Ein deutsches Marineluftschiff hatte es während des Krieges auf 104 Flugstunden gebracht. Bunte Tages-Chronik. Berlin. In AU-Reetz bei Wriezen wurde an zwei be- tahrtea Schwestern ein Dovpelraubmord verübt. Dortmund. Auf der Zeche „Victor" ereignete sich auS unbekannter Ursache eine Explosion. Zwei Bergleute waren sofort tot, während , zwei lebensgefährlich verletzt wurden. Rewyork. Das englische Luftschiff „R. 34" bat am Donnerstag abend die Rückfahrt nach Schottland angetreten. Mm den Aefih. Roman von RinaMeyk«. 12 „Ich soll Doktor Hermsen au-weichen?" stotterte sie, ganz -erwirrt von dem Wunsch des VaterS. „Ja, warum denn, fieber Papa? Doktor Hermsen ist ein alter, guter Bekannter, nn sehr anständiger, junger Mann, den jeder Mensch in un- /«rer Stadt kennt und achtel!" „Eben deshalb!" unterbrach der Vater sie gereizt. „Ich jabe für meinen Wunsch sehr viele und sehr wichtige Gründe; vor allen Dumm aber liegt mir daran, daß meine Tochter, )ie Komtesse ElliS von Wittgenstein, nicht in daß Gerede der Leute kommt, eiuek Doktor Hermsen- wegen! — Räume ?b, wenn Du fertig bist, möchte ich mit Dir sprechen.Ge segnete Mahlzeit!" „GleichfMS, Papa!" DaS junge Mädchen stand gehorsam auf und begann daS gebrauchte Geschirr in die Küche hinauSzutragen. Ihr Gesicht trug einen ernsten, nachdenklichen Ausdruck, und ganz wider ihre sonstige Gewohnheit ordneten ihre Hände langsam Salz, Brot und einiges Gerät in den altfränkischen Schrank a»Ler gegenüberliegenden Wand. G War am Gude der Brief, von dem er vorhin gesprochen, die Ursachen aller dieser ungewöhnlichen Erscheinungen? Einen scheuen, forschenden Blick warf sie auf deS alten Man nes zusammengesunkene Gestalt, der seinen Platz am Fen ster wieder eingenommen hatte. Wirklich, da faltete er schon wieder die eng beschriebenen, gelblichen Blätter auseinander. ElliS Neugierde begann allen Ernstes rege zu werden, aber sie war ein zu wohlerzogene- Mädchen, um den Vater mit indiskreten Fragen zu belästigen Sie erfuhr alle» zu seiner Zeit, eS hieß also ruhig abwärten, bis er selbst mit seinen Mitteilungen begann. „Goll ich Dir die Zeitung oorlesen, Papa?" fragtest«. „DaS Blatt scheint heute eine Merwe interessanter Nachrichten zu bringen. Sieh doch nur diese Reihe von Telegrammen i" Herr von Wittgenstein ließ den offenen Brief langsam auf die Knie sinken, und sein« leuchtenden Nugen glitten mit eigenem Ausdruck über das bräunliche Gesicht seiner Tochter. Ur sucht«, wie sie da in dem grauen Alpakta-Fähnchen, da bei aller nonuenhaften Einfachheit und Anspruchslosigkeit die Füll« und Reinheit ihrer jugendlichen Formen nicht ver hüll«» konnte, vor ihm stand, sich oorzustellen, wie sie auS- sehen würde im gestickten Brokatkletde, mit den Familien brillanten derer von Plauen an Hal- und Arrnen. Keine Schönheit im eigentlichen Ginn« de- Wortes war sein Kind, aber ihr« ganze Erscheinung trug den Stempel ungesuchter Vornehmheit, und da- bedeutete mehr, als alle übrigen, schnell oerblüheuden Reize. „Nein, mein Kind!" erwiderte er mit leisem Kopfschütteln. „Die Zeitung laß für heute sein, ich habe über viel wichtiger« Dinge mit Dir ;p» sprechen. Setz« Dich zu mir, laß un- plaudern." „Gern, Papa, wenn Du eS lieber magst." „Ich muß eS Inn, ElliS, unser heutiges Gespräch wird über Deine Zukunft entscheiden!" Kleber meine Zukunft?" Die Arbeit, die ElliS zur Hand genommen hatte, sank in den Gchoß, und erschreckt blickten ihr« Augen in die d«S Dater». „Meine Zukunft, Papa?" „Ja, mein Kind!" nickte der alt« Herr gedankenvoll. „Ich sprach vorhin von einem Brief — hier ist er, Du kannst ihn nachher lesen, wenn Dn willst. Drese- Schreiben kommt von der Gräfin Elisabeth von Plauen, einer alten Bekannten früherer glücklicher Tage, ynd enthält ein« Werbung um Deine Hand für ihren einzigen Sohn, den Reichsgrafen Her bst von Plauen, «irrem der oornehmsftn Magnaten und reichsten Rittergutsbesitzer unserer baltischen Provinzen! Ich hoffe, Du nimmst diesen ehrenvollen Antrag an, meinen Se gen hast Du im voraus i" Mit weitgeöffneten Augen hört« EMS dies« unerwartet« Votschast an. Sie glaubt« zu träumen und tastet« mechanisch nach ihrer Stirn, al- wolle st« sich davon üb«rzeng«n, daß st« wirklich wach«. Blitzschrftll zuckte noch einmal die Erinnerung an daS Gespräch mit Hermsen durch ihren Geist, ihr heißer, leidenschaftlicher Wunsch nach einem Umschwung ihr«r ärm lichen Verhältnisse, chr fchilftrnd« Traum von «inem Glück, daS in festem, von glänzenden, goldenen Adern durchzogenen Boden Wurzel schlug, um stolz und freudig emporznblü« Heu — daS alles sollte Wirklichkeit werde«? So — als Hütt» der Zauberstab einer gütigen Fee die Pforten ihres Leben? berührt und mit lächelnden Lippen „Sesam, öffne Dich" ge sprochen ? „Ich habe wohl nicht recht gehört, Papa, oder Deine Worte falsch verstanden!" vermochte sie endlich verwirrt her« oorzustammeln. „ES ist doch nicht möglich, daß eine vor nehme, mir gänzlich unbekannte Dame allen Ernste- b«i Dir um mein« Hand für ihren Sohn werben sollte." „Trotzdem aber ist e- so, ElliS k Du weißt, denke ich, daß unpassende Scherz« nicht zu m«inen Angewohnheiten ge. hören!" „Gewiß, Papa, da-weiß ich. Ich meinte auch nicht da ganz bestimmt nicht, aber wie soll ich e- Dir nur erklären? Du hast bi- jetzt niemal- erwähnt, daß Gräfin Plauen in den Krei- Deiner früheren Bekannten gehörte, trotzdem Du oft und gern von Dein« Vergangenheit sprachst." In Herrn von Wittgenstein- Antlitz zuckte e» wunderlich bei dieser Gewiffen-frage, ein Zug von Verlegenheit malte sich in seinen Zügen. „Gewiß, Kind, Du hast vollkommen recht, Dich über die« s«n Umstand zu wundern! Ich habe zu Dir in der Tat uie* mal- von der heutigen Gräfin Plauen gesprochen, weil ich ersten- keine Veranlassung dazu fand, und weil — sie da mals, als sie zu meinen nahen und nächsten Bekannten ge- hörte — noch nicht diesen Namen führte. Al- junges Mäd chen hieß st« — Elisabeth von Helgen — Komtesse Elisabeth von Helgen; nach ihrer Verheiratung bin ich niemal- mehr mit chr zusamm«ngekomm«n." Scheu irrten seine Blick« üb«r das leis« gerötete Gesicht der Tochter, deren dunkel umschattete Augen mit dein Aus- druck höchster Spannung an seinen Lippen hingen; tu ner vöser Hast glätteten sei»»« abgezehrten Finger den verblaßten Stoff der seidenen Deck« auf seinen Knien. „Elisabeth von Helgen," fuhr «r mit eigentümlich beleg- t« Stimm» fort, „stand mir einmal, in meiner Jugend, ey» nah».* 248,20
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