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Nachrichten für Naunhof : 12.01.1919
- Erscheinungsdatum
- 1919-01-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id178785101X-191901127
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id178785101X-19190112
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-178785101X-19190112
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Nachrichten für Naunhof
-
Jahr
1919
-
Monat
1919-01
- Tag 1919-01-12
-
Monat
1919-01
-
Jahr
1919
- Titel
- Nachrichten für Naunhof : 12.01.1919
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Kaimauer auf eine Strecke von 80 Metern in den See gespült. Auf dem Urner See hat Ler Orkan drei Menschenleben gefordert. S Die Herzogswürde für Sir Donglas Haig. Wie in maßgebenden Kreisen verlautet, trägt sich der König von England mit dem Gedanken, Sir Douglas Haig für feine Dienste während des Krieges die Herzogswürde zu verleihen. Diese Belohnung soll durch eine namhafte Geldspende der Nation vervollständigt werden, der sich der Dank der beiden Häuser des Parlaments anschließen soll. Für den Admiral Sir David Beatty ist die Pairs- würde zugleich mit einer bedeutenden Geldspende vor» gesehen. . > s Gin Drohbrief an die Königin von Holland. Vor einigen Tagen erhielt die Königin von Holland einen Drohbrief, in dem es heißt, daß, wenn der deutsche Kaiser nicht innerhalb acht Tagen das Land verlassen haben würde, ein Anschlag auf ihr Leben geschehe. Die acht Tage find verstrichen, ohne daß hie Drohung wahrgemacht worden ist. Der in Amsterdam zur Post gegebene Brief wurde photographiert und zur nötigen Aufklärung sämt lichen Kommissionen der politischen Abteilungen zugestellt. Bis jetzt blieben die Nachforschungen ohne Erfolg. G Eine der reichsten Kranen der Wett gestorben. Frau Margaret Olivia Slocum Sage, eine der reichsten und bekanntesten Frauen der Welt, ist im Alter ! o - 90 Jahren in Newyork gestorben. Sie war die Witwe o.s vielfachen Millionärs Russell Sage, der ihr bei seinem Tode ein Vermögen von 70 Millionen Dollar hinterlassen hatte. In den Vereinigten Staaten hieß es, daß im Wörterbuch von Russell Sage das Wort Menschenliebe nicht gestanden hätte; was aber er versäumte, das hat seine Witwe nachgeholt. Im Laufe von einem Jahrzehnt hat sie 25 Millionen Dollar für gemeinnützige Zwecke ver wendet. « «reoespery. «mua nn ungma hatte, wte ein schwedisches Blatt erzählt, eine Stockholmer Familie, der es unter vieler Mühe gelungen war, ein HaushaltsschOein zu ansehnlicher Dicke aufzufüttern. Man freute sich schon auf den saftigen Braten. Doch als man eines Morgens das „teure Familienmitglied" in seiner Behausung besuchen wollte, war der Stall leer. Die Trauer war groß. Da stieß man plötzlich beim Durchsuchen d^s Strohs auf eine wohlgefüllte Brieftasche, die 2000 Kronen enthielt. Bei dem Kampf mit dem widerspenstigen Schwein war sie offenbar dem Dieb aus der Tasche gefallen. s Lawinensturz. Die Gotthardbahn - Kraftwerke Ritomsee wurden, wie aus Basel berichtet wird, durch «ine ungeheure Lawine verschüttet. 15 Arbeiter wurden unter den Schneemasfen begraben. Zwei wurden getötet. Der Schnee liegt drei Meter hoch. 0 Umtaufe der Berliner königlichen Bibliothek. Die bisherige „Königliche Bibliothek" zu Berlin w rd von jetzt ab die Benennung „Preußische Staatsbibliothek" führen. o Ein Fremdenverbot für ganz Thüringen steht bevor. Der Arbeiter- und Bürgerrat in Ziegenbrück hat beschloßen, den Sommerfrischenverkehr 1919 vollständig zu unterbinden. Dem Bezirks»ASR in Erfurt liegt ein Gesuch vor, für ganz Thüringen denselben Beschluß zu fasten. Veranlassung zu dieser Maßnahme gab die im vergangenen Jahre in Erscheinung getretene Hamsterei. o Die Wittenberger Museumsdiebe in Berlin er griffe«. Die Einbrecher, die in der Lutherhalle zu Wittenberg eine große Anzahl wertvoller Bücher und Münzen entwendeten und ihre Beute nach Berlin brachten, find in einem Antiquitätengeschäft festgenommen worden. O Sechsstundenarbettstag in Frankfurt a. M. Durch eine Verordnung deS Arbeiterrats wurde in Frankfurt am Main der Sechsstundenarbeitstag eingeführt. Die Maßnahme wurde mit der Notwendigkeit begründet, weiteren Entlastungen von Arbeitskräften vorzubeugen und zugleich die Brennstoffvorräte zu strecken. o Das Hoftheater in Wiesbaden geschloffen. Der außerordentlich gestiegene Mangel an Kohlen, der eine genügende Beheizung und Beleuchtung des ehemaligen HoftheaterS in Wiesbaden unmöglich macht, hat zur Schließung dieser Bühne geführt. G Die Angehörigen der Exkaiserin Zita auf der Flucht. Die „Neue Züricher Zeitung" läßt sich aus Innsbruck melden, daß sich die Mutter der Exkaiserin Zita mit ihren Söhnen EliaS und Rent in Lustenau un Gasthof zum Kaiser von Habsburg befindet. Ihre Ab sicht, in die Schweiz zu reisen, wurde vereitelt, weil ihre Papiere nicht in Ordnung waren. Die Dame wollte an geblich Wertpapiere in Höhe von 20 Millionen Kronen m die Schwerz bringen. D Amerikanischer Überland-Geschwader-Flua. Der amerikanische Nachrichtendienst der Schweiz meldet ans Newyork: Der erste trans-kontinentale Geschwaberflug ist von fünf Militärflugzeugen ausgeführt worden. Die Flieger stiegen am 14. Dezember an der pazifischen Küste auf und kamen am 29. Dezember in Jocksonville (Florida) an. Die Regierung sammelt gegenwärtig Material von Fliegern aus 25 Flugstationen, um einen Luftreiseführer auszuarbeiten. 0 Milchüberflust im besetzten Rheinland. AuS Mörs wird mitgeteilt: Der Kreisausschub bittet in einer Be kanntmachung die Bevölkerung, möglichst viel Milch zu verbrauchen, da infolge der Sperrung des gesamten Ver kehrs nach dem rechten Rheinufer sehr viel Milch ver buttert wird, wobei gröbere Mengen Magermilch frei kommen. Auf den Kopf der Bevölkerung entfällt täglich ein Liter. D Das deutsche Theater in Riga niedergebrannt. Einer Meldung ans Riga zufolge ist das deutsche Theater in Riga das Opfer einer örtlichen bolschewistischen Brand stiftung geworden. Da die Feuerwehr nicht eingriff, ist das stattliche HauS völlig niedergebrannt. S Beschlagnahme erzherzoglicher Güter. Wie die Wiener Blätter aus Teschen melden, hat die polnische Rada Narodowna die Besitztümer des Erzherzogs Friedrich im Teschner, Bialer und Freistädter Bezirk in Besitz ge nommen. Die Warschauer Regierung hat die Beschlag nahme der Güter des Erzherzogs bestätigt. o Es wird nur noch im großen gemaust. In Gotva sind beim Verkauf von Militärpferden an einem Tage nicht weniger als 26 Stück gestohlen worden. An einem anderen Tage waren sieben abhanden gekommen. „Jetzt wird nur noch im großen gemaust!" heißt es dort unter den Soldaten. o Ludendorffs Heimkehr. Einem Leipziger Blatt zu folge ist der ehemalige Generalquartiermeister Ludendorff von seiner Erholungsreise nach Schweden, die er mit Zu stimmung der Regierung unternommen hatte, zurückgekehrt. Er ist gegenwärtig mit der Abfassung einer Rechtferti gungsschrift beschäftigt. 0 Der Gothaische Hofkalender und die Revolution. Im Gothaischen Hofkalender für 1919 sind auch die ent thronten Herrscherfamilien im Deutschen Reiche und Öster reich in gewohnter Weise aufgeführt. Dem Ergebnisse der Revolution ist dadurch Rechnung getragen, daß vor die Titel der Monarchen, Thronfolger und Regenten das Wort „vormaK" gesetzt ist. Außerdem ist das Datum der Thron entsagung angeführt, oder, wo sie bei der Drucklegung des Werkes noch nicht erfolgt war, durch Punkte angedeutet. o Schlagende Wetter in einer lothringischen Grube. Wie aus Metz gemeldet wird, ereignete sich in einer Grube bei Mertenbach in der Nacht vom 2. zum 3. Januar ein schlagendes Wetter, dem 70 Leute zum Opfer fielen. Un gefähr 30 konnten aus der Grube herausgeschafft werden. v Eine aufsehenerregende Verhaftung. Der Kasten wart des Berliner Sicherheitsdienstes Bautzer ist unter der Beschuldigung, 45 000 Mark unterschlagen zu haben, verhaftet worden. In die Angelegenheit ist noch ein« Reihe weiterer Personen des Sicherheitsdienstes verwickelt 0 Hamburg ohne Gas. Wie aus Hamburg gemeldei wird, ist dort die Kohlenzufuhr schon seit längerer Zeit sc gering, daß in den nächsten Tagen die Gasversorgung der Stadt eingestellt werden muß, wenn nicht noch im letzter Augenblick Kohlenzufuhren erfolgen. o Französischer Sprachunterricht in der Pfalz. Di« Besatzungsbehörden haben, wie aus der Südpfalz gemeldet wird, die Einführung des französischen Sprachunterrichts in den Volksschulen verfügt. In den Städten Annweiler und Bergzabern soll wöchentlich ein dreistündiger Unter richt, in den Landschulen ein ein- bis zweistündiger Unter richt erteilt werden. Der Unterricht ist nach der Methode der Berlitzschule zu erteilen. o Französische Offiziere und Zivilbewohner. Aus Wiesbaden wird berichtet: Da die HaltlBg mancher Ein wohner von Wiesbaden gegenüber der Besatzung sehr zr wünschen übrig läßt, verfügte der kommandierend« General, daß sämtliche Einwohner, mit Ausnahme de, Frauen, auf den Bürgersteigen den französischen Offizierer ausweichen müssen. Ehrenbezeugungen werden nicht vor der Bürgerschaft verlangt. 0 Schiffsunglück. Der Hamburger Seeschleppdampfei .Möve" deS Nordischen Bergungsverems, der tm flennt der Marine stand und am 23. Dezember Emden verliest um sich zur Demobilisierung nach Hamburg zu begeben, ist weder auf der Elbe eingetroffen noch hat er ein Lebens zeichen gegeben. Er dürste in dem schweren Sturmwette« in der Nacht zum 24. Dezember, das zu einer Sturmflui führte, den Untergang gefunden haben. An Bord be fanden sich Kapitän, Steuermann, ein Deckmann und eir Marinekommando. G Tie'Kriegskaffe der Armee Mackensen veruntreut Ein ungarisches Blatt meldet aus Kronstadt: Die Kriegs- kaffe der Armee Mackensen, die 67 Millionen Lei (1 Lei normal ----- 80 Pfennig) in rumänischen Banknoten deutsche: Herstellung enthielt, wurde von dem Führer der Kasse ir Kronstadt zum Kurse von 90 Heller feilgeboten. Kleiner« Budapester Banken machten sich das Geschäft zunutze Die Behörden in Budapest haben mehrere Ankäufer be reits ausfindig gemacht und ihnen hohe Steuerstrafen auf erlegt. Volkswirtschaft. * Die Versorgung mit Seefischen dürste demnächst giß werden. In der Nordsee haben etwa 85 Dampfer innerhalb der freigegebeneu Zone nach Hornsrtff-Borkumriff zu die Fischerei ausgenommen; eine gröbere Anzahl von Schiffen steht in kurzer Zeit zur Ausfahrt bereit. Die neueren Meldungen sprechen von Fischmengen, wie sie seit Menschengedenken in der Nordsee nicht dagewesen sind. Man glaubt, baß heftige vulkanische Bodenumwälzungen im Meere und Aufruhr in der tobenden Tiefe die Ursache einer riesenhaften Abwanderung aus Islands Fischereigewästern ist. Auch im Kattegatt stehen Unmengen von Fischen, namentlich Hering und Dorsch Schon vor 14 Tagen wurden in Gotenburg Heringe masten > weise, und zwar über 100 Stück zu 10 Pfennigen versteigen! Die ersten deutschen Fischdampfer brachten von ihrer «rsten Reise etwa 3000 Zentner Fische nach Hamburg. 4k Etntgungsverhandlungen tm Ruhrrevier. Die Vt- treter des Zechenverbandes Katen mit den Verketern der Angestellten zu einer Besprechung der bei letzteren vorliegenden Wünsche auf dem Gebiete des Änstellungsvertrages und über Bekiebsfragen zusammen. Es wurden alle Forderungen ein. gehend erörtert. Der Zechenoerband sagte zu, in nächster Zett zu den aufgeworfenen Fragen Stellung zu nehmen und dann erneut mit den Angrstellten-Verbänden zu verhandeln. Die zu treffenden Abmachungen sollen rückwirkend ab k Januar 191» gelten. Vermischtes. Ein prophetisches Wort über die Provinz Pose«. Vor etwa zwölf Jahren ließ der Landesökonomierat Wendorff unter Lem Titel „Der Kampf der Deutschen und Polen um die Provinz Posen" eine Schrift erscheinen deren prophetische Schlußsätze heute faft restlos Wirklich!« geworden sind. „Sollte das Unglück eines Kriege-', s» lauten diese Sätze, „zwischen Deutschland und Rußlant kommen, so wäre der Pole der dritte, der sich freute, denn bann wäre die Möglichkeit der Auferstehung Polens ge geben. Sollte Rußland gewinnen, so würde eS allerdings von seinem Reiche keine Provinzen abtreten, und auS den kleinen preußischen Landstrichen, in denen Deutsche und Polen gemischt wohnen, ließe sich ein Reich, selbst wie das Herzogtum Warschau, nicht errichten. Sollte aber Ruß land verlieren oder wegen seiner allzu gewaltigen Aus dehnung sich einstmals zerteilen, so ließe sich eher denken, daß das Kongreßpolen von 1815 vielleicht mit erweiterten Grenzen entstände. Dann aber würden die Deutschen in der Provinz Posen erst recht keine Ruhe vor den Polen haben, denn diese würben, nachdem sie einen eigenen Sta« t mit der Hauptstadt Warschau erlangt haben, Deutschland dafür keineswegs dankbar sein, sonder« immer mehr, un" also die Provinz Posen Hatzen wollen." Ein bedenkliche- Telegramm. In diesen Tagen wurde auf dem Bahnhof in Helmond in Holland ein Telegramm mit folgendem Inhalt angehalten: „An N. N. in Alkmaar. Ein Japaner tot, ein Lothringer im Sterben, Sendung nicht angenommen. Was tun? L." DaS klang verdächtig und bei der herrschenden Spionenfurcht war es kein Wunder, daß sich die Militärzensur über die Depesche besorgte Gedanken machte. Der Absender erhielt den Bescheid, daß die Depesche auS amtlichen Gründen nicht abgesandt werden könnte. Man kann sich aber die Ge sichter der hohen Herren auf dem Amt oorstellen, alS der Absender stocken mitteilte, eS handle sich in dem Tele gramm nur um — Rassekaninchen, denen die Bahnfahrt nach Helmond schlecht bekommen wäre. 26 Aergmanns Töchterlein Roman von Martin Förster. Nach kurzer Prüfung rief er auS: „Was ist das? Daß sind ja Scheine! Beim Himmel! Gerade die, welche dem jungen Diedrich gestohlen wurden! Hier habe ich die Nummern!" Wäre ein Blitzstrahl plötzlich vor Franz Degom in die Erde gefahren, er hätte nicht erschrockener und bestürzter sein können. Bis dahin glaubte er es mit einem, allerdings unver zeihlichen Mißverständnis zu tun zu haben. Aber nun, was war daS? Aeffte ihn ein Teufelsspuk? Waren die Mächte der Hölle gegen ihn loSgelassen, um ihn zu verderben? Kaum wissend, was er tat, sprang er auf den Inspektor -u und packte ihn an den Handgelenken. „Was? Was sagen Sie?" schrie er zornig. „Scheine ! Wo kommen die Scheine her ?" „Das frage ich Euch!" sagte der Inspektor gelassen, indem er fick aus dem eisernen Griff Franz Degows zu befreien suchte. „Es sind positiv die Scheine, die dem Neffen des Berg werkbesitzers geraubt wurden. Wie kommen dieselben in Euren Besitz?" „Ich weiß eS nicht," rief Franz außer sich. Er hob be schwörend die Arme hoch. „Gott im Himmel ist mein Zeuge, daß meine Hand niemals diese Scheine in den Kasten gelegt hat!" Der Beamte zuckte die Achseln. „Ihr werdet Eure Nn- tchuld beweisen müssen," sagte er kühl. „Einstweilen, es tut mir leid, aber auf diese Verdachtsmomente hin bleibt mir nichts übrig, als — Euch verhaften zu lassen." Franz schrie auf wie ein verwundetes Tier. Er saut auf einen Stuhl und schlug die Hände vor das Gesicht. Er rieb sich die Stirn. War es denn möglich? Konnte dies Wirklich keit sein? Es war ein Traum, ein schrecklicher Traum, aus den bald ein um so schöneres Erwachen folgen mußte. „Der Haftbefehl ist hier," sagte der Inspektor, unbewegt durch den Jammer deS unglücklichen Mannes, indem er das zweite Dokument auß seiner Tasche zog. „Wollt Ihr ihn le sen?" Gr schob den Bogen in DegowS Hand, welcher ihn mit flimmernden Augen durchlas. Dann beherrschte er sich mit aewaftsamer Anstrengung, biß sich heftig auf die Lippen und las nochmals langsam jedes Wort des amtlichen Schreibens. Als er unten den Namen seines Nebenbuhlers und Arbeit gebers gewahrt«, sprang er auf, wie von einer Natter gesto chen. Aber er bezwang sich aufs neue und fragte nur mit hei- serer Stimme: „Wie kommt ek, daß Herr Albert Diedrich un terschrieben hat?" „Sehr einfach," war die Antwort. „Ich ging zu ihm, weil er der nächste Friedensrichter ist." „Sie gingen zu ihm, er kam nicht zu Ihnen?" Nein." „Es ist also nicht sein Werk?" „Nein, es ist das meinige," lautete die triumphierende Antwort. „Ich hatte meinen Verdacht, und eS scheint, daß ich mich nicht irrte. Seid Ihr bereit, mit mir zu gehen?" „Was bleibt mir übrig?" sagte der junge Mann bitter; „aber ich erkläre Ihnen feierlich, daß ich unschuldig bin. Mag der Schein noch so sehr gegen mich sein, es wird mir ge lingen, mich von deni schmählichen Verdacht zu reinigen." „Ich hoffe eS, aber einstweilen sieht es nicht so aus," meinte der Beamte. „Der erdrückende Belastungsbeweis ist da." „Gott stehe mir bei; ja, ich kann nichts dagegen machen," stöhnte Degow. „Ich bin das Opfer eines teuflischen Planes. T r Schuldige oder eitler der Schuldigen muß mir dies ange tan haben, um den Verdacht auf mich zu lenken." „Nun, beruhigt Euch nur, junger Mann!". suchte der In spektor den völlig Verzweifelten zu beruhigen. „Wollt Ihr Euch noch ein wenig zurechtmachen? Es ist kalt draußen." „Wohin führen Sie mich?" fragte Franz Degow, wäh rend er mechanisch seinen Anzug vervollständigte. „Ins Dorfgefängnis, aber morgen werdet Ihr vermutlich nor den Friedensrichtern des Bezirks-Polizeihofes in P. er scheinen müssen." „Muß ich zu Fuß gehen, Sie werden mir doch keine Hand schellen auleaen?" „Ihr müßt gehen, denn Droschken gibt es in Lallgenau nicht," erwiderte der Inspektor, als sie zusammen die Treppe hinunterstiegen, von dem Gerichtsdiener und der schreckens bleichen Wirtin gefolgt. „Aber wenn Ihr mir das Versprechen geben wollt, ruhig zu fein und keinen Fluchtoersnch zu ma chen, so will ich Euch nicht binden." „Ich danke Ihnen, Herr Inspektor, ich will alles venvrs- chen," sagte Degow dumpf. „Warum sollte ich entfliehen wollen? Für mich ist ja ohnehin alles zu Ende." Er reichte seiner Wirtin die Hand, die sie schluchzend ergriff. Um sie zu trösten, zwang der junge Mann sich beinahe zm Heiterkeit. „Seid nicht so traurig?" sagte er. „Ich bin unschuldig, und das wird sich sehr bald herausstellen. Es muß ja noch Gerem- tigkeit geben. Sagen Sie jedem, der nach mir frägt, daß ich nichts furchte und bald wiederkommen werde." Nach diesem Abschied verließ er mit dem Inspektor und dem anderen Polizeibeamten das HauS. Dank dem unfreundlichen Wetter hatten st« so gnt wie gar keine Begegnungen. Ein paar Knaben, die sie sonst sicher nicht ungeschoren gelassen hätten, waren zu eifrig mit Gchue - ballen beschäftigt, um sich stören zu lassen. So «rreichten üe ungehindert unter dichtem Flockengewirbel die Polizeiftatiou. ES war dies ein altmodisches Backsteingebäude, welches un gefähr ein halbes Dutzend Räume enthielt. Zwei oder drei von diesen wurden zu verschiedenen Zwecken von d«r Polizei be nutzt, zwei andere dienten zum Gebrauche für den Inspektor, und das letzte Zimmer, daS mit einer festen Tür und stark vergitterten Fenstern versehen war, als zeitweilige» Gefäng nis für die Uebeltäter des Ortes. In diesem letzteren wurdi: Degow untergebracht und auf seilte Bitte ein Feuer ange- zündet. Er bat dann noch einmal, den Inspektor sehe,» zu dürfen, und sprach diesem gegenüber den Wunsch aus, au seine Freunde zu schreiben. Der Gefragte erkundigte sich, wer diese Freu,»de seien, und als ihm der Unterauffeher und dessen Tochter genannt wm- den, gab er bereitwillig feine Zustimmung, ließ Papier, Feder und Tinte bringen und versprach, dm Brief besorgen zu lassen Franz Degow setzt« sich sofort nieder und erleichterte Jutta gegenüber sein Herz. Gr teilte ihr mit, welches unge ahnte, unerhörte Unglück über ihn gekommen war und, be- schwor sie, ihm zu vertrauen und an seine Unschuld zu glau ben. Nur di« Hoffnung, daß sie und ihr Vater treu zu ihm halten würden, vermöchte ihn in seiner Verzweiflung anfrein i zu erhalte»i. 237,20
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