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01-Ausgabe Naunhofer Nachrichten : 06.09.1914
- Titel
- 01-Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-09-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1787848183-19140906015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1787848183-1914090601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1787848183-1914090601
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Naunhofer Nachrichten
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-09
- Tag 1914-09-06
-
Monat
1914-09
-
Jahr
1914
- Titel
- 01-Ausgabe Naunhofer Nachrichten : 06.09.1914
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großen Ring, der sich unaufhaltsam nach Westen vorschievt. Daß man im deutschen Hauptquartier mit absoluter Sicherheit darauf rechnet, daß ein erneutes Vordringen der Franzosen in diesen Gegenden unmöglich gemacht ist, geht schon aus dem Umstande hervor, daß Kaiser Wilhelm sich bei der von seinem Sohne geführten Armee befindet. Daß bei den Kämpfen zwischen Reims und Verdun auch die Armee des Herzogs von Württemberg tatkräftig mit eingegriffen hat, darf man wohl ohne weiteres annehmen. Der kronprinzlichen Armee ist aber augenscheinlich der Löwenanteil an dem Siege zugefallen. Sie hatte die schwierigste Aufgabe, da sie nicht nur in der Front kämpfte, sondern auch den gefährlichen Angriff in ihrer linken Flanke, der von der starken Feste Verdun ausging, zurückweisen mußte. Die knappe Form, in der diese gewaltige Waffentat vom Generalquartier mitgeteilt wurde, nimmt ihr nichts von ihrer großen Bedeutung. Man ist auf der deutschen Seite karg im Reden, wuchtig in, Handeln Die Folgen der Schlacht, in der die letzte große französische Feldarmee, deren starker Kern wahrscheinlich durch die schleunigst herangeholten äußersten Reserven bis zu der gewaltigen Zahl von 250 000 Mann entwickelt wurde, eine ent scheidende Niederlage erlitten hat, müssen für unser weiteres Vorgehen nach dem Ziel Paris von glücklichstem Einfluß sein. Die Franzosen haben sich auf die sogenannte zweite, d. h. letzte Verteidigungslinie La Fere—Laon— Reims zurückziehen müssen. Dort werden sie sich voraus sichtlich noch einmal zu einen, letzten Widerstande auf raffen, schon der schönen Geste wegen, auf die man ja bei unseren westlichen Nachbarn mehr gibt als auf tatsächliche Erfolge. Es wird dann auch bei der schönen Geste bleiben. Der schwache Widerstand, der noch aus der zweiten Ver teidigungslinie geleistet werden kann, wird den deutschen Marsch auf Paris nicht lange aufhalten. Ölterreickifeken Sieg rm Kug. Das gewaltige Ringen zwischen der österreichischen und russischen Armee hat auf dem Hauptschauplatz der harten Kämpfe zu einem großen Erfolge der Österreicher geführt. Es ist diesen gelungen, den Feind zum Weichen zu bringen und ibn, schwere Opfer zuzufügen. Der Stell vertreter des Chefs des österreichischen Generalstabes, Generalmajor Hoefer, meldet: Die einwöchige erbitterte Schlacht im Raume Zamosc- Tyszowcze führte am l. September zum vollständigen Siege der Armee Auffenberg. Scharen von Gefangenen und bisher 160 Geschütze wurden erbeutet. Die Russen befinden sich im Rückzüge über den Bug. Auch bei der Armee Dankl, die nun Lublin angreift, sind ununter brochen Erfolge zu verzeichnen. In Ostgalizien ist Lemberg noch in unserem Besitz, gleichwohl ist dort die Lage gegenüber dem starken und überlegenen russischen Vorstoß sehr schwierig. Die Armee Auffenberg hat unzweifelhaft einen glänzenden Sieg errungen. Wenn sie Scharen von Ge fangenen gemacht und 160 russische Geschütze erbeutet hat, muß die ihr gegenüberstehende russische Armee in voller Zerrüttung über den Bug zurückgegangen sein. Sonst hätte sie sich nicht ihrer Artillerie in diesem ungeheuren Umfang berauben lasten. Das tut nur ein völlig ge schlagenes Heer. Auch die im Norden der österreichischen Front stehende Armee Dankl hat weitere Erfolge zu ver zeichnen gehabt. Sie hatte die Russen bei Krasnik ge schlagen und dringt nun weiter auf Lublin vor. Bei Lemberg allerdings, wo die Russen mit ungeheurer Über macht die österreichische Stellung zu durchbrechen versuchten, haben die österreichischen Truppen einen sehr schweren Stand. Es darf aber zuversichtlich angenommen werden, daß auf diesen Punkt ausreichende Verstärkungen in Anmarsch sind, die den mit großer Heftigkeit durchgeführten russischen Angriff nicht nur rechtzeitig zum Stehen bringen, sondern auch hier ermöglichen werden, zur Offensive überzugehen und die Rusten energisch zurückzuwerfen. Französische Flottendemonstration vor Cattaro. Wien, 3. September. Amtlich wird bekanntgegeben: Am l. September morgens erschien die französische Mittelmeerflotte, be stehend aus 16 großen Einheiten, nämlich Schlachtschiffen und Panzerkreuzern und zahlreichen Torpedofahrzeugen auf große Entfernung vor der Einfahrt in die Bucht von Cattaro. Sie gab 40 Schub aus schwerem Kaliber gegen das veraltete Fort auf Punta d'Ostro ab, ohne den dortigen Werken Schaden zuzufügen. Von der Besatzung wurden drei Mann leicht verwundet. Die Flotte dampfte dann eine Zeitlang in nordwestlicher Richtung, wendete sich sodann in südlichem Kurs, um anscheinend die Adria zu verlassen. Es handelte sich daher offenbar um eine wirkungslose Demonstration der französischen Streitkräfte an unserer südlichen Küste. Ein Norweger über deutsche Tatkraft. Christiania, 2. September. Bei der heutigen Immatrikulation hielt Universitäts professor Gerhart Gran vor den Studenten eine Ansprache, in der er unter anderem ausführte: Man kann seine Sympathien und Antipathien haben, wo man will — in einem trifft sich die ganze Welt in diesen Tagen: in der erstaunten und hingerissenen Be wunderung der deutschen Tatkraft, die überwältigt. Diese gewaltige Tüchtigkeit beruht vor allem darauf, daß kein anderes Volk so durchsetzt ist von Wissenschaft wie das deutsche. Man hat viel von dem preußischen Kriegsgeist gesprochen. Aber darin stehen diesen Preußen sicher hinter vielen Völkern Afrikas und Asiens zurück, und nicht darauf kommt es im modernen europäischen Kriege an, sondern auf die Wissenschaft, diese imponierende Genauig keit, die fast unfehlbar ist. Jeder Knopf trifft seine Leitung und jede Leitung führt nach der Zentrale. Diese wunderbare Organisation ist, fast dem Hirne gleichend, kompliziert: ein unübersehbares Netz sich kreuzender und gleichlaufender Bahnen, von denen jede nach der ihr be stimmten Station hinführt und die sämtlich zu Sem ge meinsamen Ziele gehen, das ihr Bestimmungsort ist. Es ist oft verächtlich gesagt worden, der preußische Soldat sei zu einer bloßen Nummer herabgesunken. Das ist falsch. Nummern wären im gegenwärtigen Kriege wertlos. Jeder Leitungsdraht führt schließlich zu einem individuell bewußten Willen, der beseelt ist von dem Geist der Wissen schaft und Genauigkeit, von dem Eifer, das Äußerste voll bewußt zu tun, da der geringste Mißgriff unheilvoll ist, von dem Kamerqdschaftsgefühl und der gemeinsamen Vaterlandsliebe. Das kommt alles zusammen. Diese Organisation müssen wir bewundern, diese Gedanken energie, mit der ihr Grund gelegt ist, diese Wissenschaft- liche Konsequenz, mit der sie durchgeführt ist. Hierin haben alle Nationen von den Deutschen zu lernen. Die gesamte Abendpreste bringt den angeführten Leit der Rede, die von den Studenten begeistert ausgenommen wurde. Veneäikt XV., cler neue Papst. Sehr schnell ist diesmal das in Rom seit Montag, 81. August, zur Wahl des neuen Papstes versammelte Kardinalkollegium zum Resultat gekommen. Am vierten Tage des Konklaves, Donnerstag, 3. September, zeigte sich der neue Papst dem in zahlloser Menge vor dem Vatikan harrenden Volke. Gewählt-» ist der bisherige Kardinal della Chiesa, Erzbischof von Bologna. Er hat als Papst den Namen Benedikt XV. angenommen. Benedikt XV. wurde am 21. November 1854 zu Pegli in Norditalten geboren, voll"ndet also in diesem Jahre das 60. LebeMahr. Im Alter von 24 Jahren wurde er zum Priester geweiht. In der Seel sorge war er fast gar nicht tätig, sondern trat alsbald in den Ver waltungs- und poli tischen Dienst der katho lischen Kirche. 1883 ivurde er Sekretär der päpstlichen Nunziatur in Madrid, als dort als Nuntius der spätere Staatssekretär Papst Leo Xlll., Rampolla, waltete. Mit diesem ging della Chiesa vier JMe später nach Rom, wo Rampolla das Staatssekretariat antrat. Giacomo della Chiesa wurde Kabinettssekretär, 1901 erhielt er den Posten eines Unter- staatssekretärs. Unter Pius X. stieg della Chiesa zum Stellvertreter des Staatssekretärs Merry del Val empor und wurde gleichzeitig Erzbischof von Bologna. Erst im letzten Konsistorium, das der verstorbene Papst Pius X. am 12. Mai dieses Jahres abhielt, wurde dclla Chiesa mit dem Kardinalspurpur geschmückt. Der neue Papst galt während seiner ganzen Laufbahn als interessante und bedeutende Persönlichkeit. Vielfach betrachtete man ihn als Anhänger der Bahnen des ver storbenen Kardinals Rampolla, jedoch will man anderer seits wissen, daß er eine durchaus selbständige und seines eigenen Weges wohl bewl/ßte Persönlichkeit ist. Als er nach der Wahl, mit den Insignien des Ober hauptes der katholischen Kirche bekleidet, ins Innere der Peterskirche trat und die Menge segnete, erscholl überwältigender Jubel, trotzdem sein Name, ähnlich wie bei der Wahl seines Vorgängers, vorher kaum als Papst kandidat genannt worden war. Mit der Wahl des Namens Benedikt XV. knüpft er an die Regierungszeit des hervorragenden Papstes Benedikt XIV. an, von 1740 bis 1758, der während seines Pontifikats zuerst die im Jahre 1701 errichtete preußische Königswürde an erkannte. Der Krieg. Großes Hauptquartier, 4. Sept. Amtlich wird gemeldet: Reims ist ohne Kamps beseht worden. Die Siegesbeute der Armeen wird nnr langsam be kannt. Die Truppen können sich bei ihrem schnellen Vorgehen wenig darum kümmern. Noch stehen Geschütze und Fahrzeuge in freiem Felde verlassen da, die Elappenlruppen müssen sie nach und nach sammeln, bis jetzt Hal nur die Armee des General obersten von Bülow genauere Angaben gemeldet. Bis Ende August Hal sie 6 Fahnen, 233 schwere Geschütze, 160 Feldgeschütze, 79 Maschinengewehre und 166 Fahrzeuge erbeutet und 12934 Gefangene gemacht. Im Östen meldet Generaloberst von Hindenburg den Ab transport von mehr als 90000 unverwundelen Gefangenen. Das bedeulel die Vernichtung einer ganzen feindlichen Armee. Generalquarliermeister von Stein. Grohes Hauptquartier, 3. Sept. Amtlich wird gemeldet: Bei der Wegnahme des hoch im Felsen gelegenen Sperrforls Gioel haben sich ebenso wie bei Namur, die von Oesterreich ausgesandten schweren Motor-, bastenen durch Treffsicherheit und Wirkung vortrefflich bewährt Sie haben uns ausgezeichnete Dienste geleistet. Die Sperrsesle Hirson, Les Ayvelles, Conde, La Fere und Laon sind ohne Hamps gewonnen. Damit befinden sich sämtliche Sperrbesesligungen im nördlichen Frankreich außer der Festung Maubeuge in unseren Händen. Gegen Reims ist der Angriff eingeleitet. Die Kavallerie der Armee des Generalobersten von Kluck streift bis Paris. Das Westheer Hal die Aisnelinie überschritten und seht den Vormarsch gegen die Marne fort. Einzelne Vor huten haben sie bereits erreicht. Der Feind besindel sich vor den Armeen des Generalobersten von Kluck, von Bülow, von Hausen und des Herzogs von Württemberg im Rückzüge aus und hinter die Marne. Vor der Armee des deutschen Kronprinzen leistete er im Anschluß an Verdun Widerstand, wurde aber nach Süden zurückgeworfen. Die Armeen des Kronprinzen von Bayern und des Generalobersten von Hoeringen haben immer noch starken Feind in befestigten Stellungen. Im Oberelsaß streifen deutsche und französische Ableitungen unter gegenseitigen Kämpfen. Im Osten ernten die Truppen des Generalobersten von Hindenburg weitere Früchte ihres Sieges. Die Zahl der Ge fangenen wächst täglich. Sie ist bereits aus 90000 Mann ge stiegen. Wieviel Geschütze und sonstige Siegeszeichen noch in preußischen Wäldern und Sümpfen stecken, läßt sich nicht über setzen. Anscheinend sind nicht zwei, sondern drei russische kom mandierende Generale gefangen. Der russische Armeefuhrer ist nach russischen Nachrichten gefallen. Generalquarliermeister von Stein. Die belgische Regierung versucht noch immer die Welt mit großartig klingenden Nachrichten zu täuschen. Sie läßt ausposaunen, daß an dem guten Erfolg der belgischen Waffen nicht zu zweifeln ist. König Albert von Belgien verwundet. In Wirklichkeit sieht man aber in Antwerpen die Dinge so hoffnungslos an, wie sie in Wahrheit für die Belgier liegen. Auch der Widerstand der belgischen Truppen läßt mehr und mehr nach. Aus den Ausfall gefechten wird sehr schnell ein Rückzug. Über Kopenhagen wird gemeldet: Das Bombardement von Mechel» am 1. September richtete großen Schaden an. König Albert, der sich bei feinen Truppen befand, wurde an einer Hand durch ein Granatstück leicht verwundet. Der König leitete persönlich den Rückzug der Truppen. Die Granate schlug in seiner unmittelbaren Nähe ein, die Hinterräder seines Automobils wurden zertrümmert. Ein „Zeppelin" wirst Bomben auf Antwerpen. In Antwerpen lebt man in beständiger Furcht vor dem Bombardement durch die deutschen Zeppelin-Luft schiffe. Überall sind Sicherheits- und Verteidigungs maßnahmen gegen die Gefahr von oben getroffen. Trotzdem gelingt es den kühnen deutschen Luftschiffern immer wieder, Bomben in die Stadt zu werfen. Ein „Zeppelin", -er am S September früh kEPor 4 Uhr über Antwerpen flog und von der Stadt ziemlich scharf beschaffen wurde, vermochte gleichwohl, mehrere Bomben abzuwcrfen, wodurch zehn Häuser schwer be schädigt wurde«. Füuf Bombe« solle« a«f eine Vieh weide gefalle« sei». Es gab viele Tote. Auf den „Zeppelin" wurde ein heftiges Feuer aus Mitrailleusen und Kanonen eröffnet, doch konnte er un beschädigt wieder zurückkehren. Paris in Erwartung der Deutschen. Wie in Antwerpen, so ist auch in Paris die Stimmung verzweifelt. Der große Sieg der deutschen Armeen zwischen Reims und Verdun, die Flucht der Regierung nach Bordeaux, die Entblößung Lilles von jeder Garnison, das sind Nachrichten, die auch dem Verblendetsten die Augen öffnen müssen, daß Paris aufs schwerste bedroht ist. Und nun schlägt die nicht so zuversichtliche Stimmung, die n.-m Siegen und dem schnellen Marsch nach Berlin träumte, bedenklich um. * Verluste der Engländer bei Helgoland. London, 2. September. Der „Daily Graphic" berichtet: Die englische Flotte ist vom Helgoländer Gefecht zurückgekehrt. Ein Schiff, dessen Name ungenannt bleibt, trug schwere Spuren des Kampfes. Es hatte vierzehn mit Holzstücken verstopfte Löcher. Auch die Brücken waren verbogen. Das Schiff hatte Tote und Verwundete an Bord. Der erste deutsche Schuß hatte die Dynamomaschine getroffen, und das Schiff wurde in Dunkel gehüllt. Spätere Schüsse fegten die Schornsteine weg, zerstörten Maschinen und drangen in die Offiziersmesse ein. Deutsche Flottenerfolge in Ostasien? Nach einer Kabelmeldung deS „New York Journal os Comerce" aus Schanghai vom 14. August liefen zwei Kriegsschiffe, jedes mit vier Schornsteinen, arg zngerichtet und mit vielen Verwundeten an Bord, am 13. August im Hafen von Hongkong ein. Über die Identität der beide» Kriegsschiffe verlautet in Schanghai nichts offizielles, doch glaubt man, daß es entweder die beiden englische» armierten Kreuzer „Minotower" und „Hampshire" oder die französischen Kreuzer „Duplex" und „Montcalm" sind. Sie sollen einen Zusammenstoß mit deutschen Kreuzern gehabt haben. Englands Furcht vor der Türkei. Frankfurt a. M., 3. September. Die „Frankfurter Zeitung" meldet aus Rom: Aus Ägypten wird berichtet, England lasse eine kleinere Flotie von Kreuzern und Torpedojägern an der Küste von Syrien und Palästina kreuzen, da das Gerücht umgehe, die Türkei sammle in Syrien ein Heer zum Einfall in Ägypten. * Das französische Manifest. Auch das Parlament flieht. Die aus dem von unseren siegreichen Truppen be drohten Paris weichende Regierung hat einen Aufruf an das Volk erlassen, zwischen dessen hochtrabenden Worten man unschwer die völlige Ratlosigkeit der führenden fran zösischen Männer herausliest. Auch die Deputiertenkammer verläßt den unsichern Boden der Hauptstadt. Das Mani fest lautet: Franzosen! Seit mehreren Tagen stellen erbitterte Kämpfe unsere heldenhaften Truppen und die feindliche Armee auf die Probe. Die Tapferkeit unserer Soldaten l»rt ihnen an mehreren Punkten bemerkenswerte Vorteile eingetragen, dagegen hat uns im Norden der Vorstoß der deutschen Streitkräfte zum Rückzüge gezwungen. Diese Lage nötigt den Präsidenten der Republik und die Re gierung zu einem schmerzlichen Entschluß. Um über das Heil der Nation zu wachen, haben die Behörden die Pflicht, sich zeitweilig von Paris zu entfernen. Indessen wird der hervorragende Oberbefehlshaber der französischen Armee voll Mut und Begeisterung die Hauptstadt und ihre patriotische Bevölkerung gegen den Eindring ling verteidigen. Aber der Krieg soll gleichzeitig im übrigen Lande weitergeführt werden. Ohne Furcht und Nachlassen, ohne Aufschub und Schwäche wird der heilige Kampf für die Ehre der Nation und die Sühne des ver letzten Rechtes weitergehen. Keine unserer Armeen ist in ihrem Bestände erschüttert worden. Wenn einige von ihnen sehr bemerkenswerte Verluste erlitten haben, so sind die Lücken sofort von den Depots aus wieder ausgefüllt worden, und der Aufruf der Rekruten sichert neue Quellen an Menschen und Energie. Widerstand und Kampf, das soll die Parole der verbündeten englischen, russischen, belgischen und französischen Heere sein. Widerstand und Kampf, während die Engländer uns zur See helfen, die Verbindungen unserer Feinde mit der Welt abzuschneiden, Widerstand und Kampf, während die russischen Armeen weiter vorrücken, um den entscheidenden Stoß in das Herz des Deutschen Reiches zu führen. Es ist die Aufgabe der republikar^ischen Regierung, diesen hartnäckigen Widerstand zu leiten, überall werden sich zum Schutze der Unabhängig keit Frankreichs die Ländererheben, um diesem furchtbaren Kampfe seine ganze Kraft und Wirksamkeit zu verleihen. Es ist unumgänglich notwendig, daß die Regierung freie Hand behält. Auf Wunsch der Militärbehörden verlegt die Regierung daher für den Augenblick ihren Aufenthalt nach einem Punkt Frankreichs, wo sie in ununterbrochener Verbindung mit der Gesamtheit des Landes bleiben kann. Sie fordert die Mitglieder des Parlaments auf, sich nicht fern von ihr zu halten, um gegenüber dem Feinde zusammen mit der Regierung und ihren Kollegen den Sammelpunkt der nationalen Einheit zu bilden. Die Regierung verläßt Paris erst, nachdem sie die Verteidigung der Stadt und des befestigten Lagers durch alle in ihrer Macht stehenden Mittel sichergestellt bat. Sie weiß, daß sie es nicht nötig hat, der bewunderungswürdigen Pariser Bevölkerung Ruhe, Entschlußkraft und Kalt blütigkeit zu empfehlen. Die Bevölkerung von Paris zeigt jeden Tag, baß sie den größten Pflichten gewachsen ist. Franzosen! Zeigen wir uns dieser tragischen Um stände würdig. Wir werden den endlichen Sieg erringen, wir werden ihn erringen durch den unermüdlichen Willen zum Widerstand und zur Beharrlichkeit. Eine Nation, die nicht untergehen will, und die, um zu leben, weder vor Leiden noch vor Opfern zuräckschreckt, ist sicher, zu siegen. Sämtliche Minister haben neben dem Präsidenten Poincare das langatmige Schriftstück unterzeichnet. An dem durch die deutschen Siege vorgezeichneten Gang der Dinge wird eS nichts ändern. Geiseln für Brttffels Kriegsrate. Da der Bürgermeister von Brüssel, Max, erklärte, die Gemeindekasse sei nach Antwerpen gebracht und die KriegSrate könne nicht bezahlt werden, wurden der be kannte Großindustrielle Solvay und Baron Lambert Roth schild als Geiseln gefangen genommen. Der letzte Name ist in der ganzen Welt bekannt. Sin Mitglied der
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