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Gesang an der Krippe -l sie herum einen leuchtenden Kreis, den nur ein Verblendeter nicht bemerken konnte. Der junge Mensch trug sein Haupt aufrecht und gerade, und wenn er sich zu seinem Weibe niederbeugte, verlor er seinen herben Blick, und eine drängende Zärtlichkeit lat sich in seinen Rügen auf. Die kleine zierliche Frau, in dem dicken Pale tot, eine Boa keck um den Hals gewunden, sah mit glückseligem Gesichte zu ihm empor,- alle ihre Gebärden hatten etwas ver halten Inniges, etwas Schwärmerisch-Ergebenes. Vor kurzem erst, an einem sonnig leuchtenden Herbstta ge hatten sie einander geheiratet,- in Stille und Abge schlossenheit war der Hochzeitstag vergangen, und die junge Frau war d«m Manne für eine ungewisse wcchselreiche Zu kunft verbunden. Vach wenigen raschen Sturmtagen war der c ie gingen, indes ein sanfterFIockenfall sie umtanzle, armverschränkt durch die volkreichen Strassen, und manchem geheimer Blick flog ihnen verstohlen nach. Die innere Harmonie,die sie verband,zog rings um Winter gekommen, und sie hatten erstaunt den ersten frühen Schnee gesehen. Im Wirbel schwand die Zeit, und das Weihnachtsfest war nun ganz nahe .. Die Tannenbäume säumten in dichten Reihen alle Strassen ränder, und von allen Borden schrien ihnen Verkäufer entgegen, die ihren harmlosen Prunk mit bittenden Gebärden darreichten. Das junge paar blieb vor einem großen Tanncnbaum stehen, der seine Spitze kühn über die anderen reckte, der seine Zweige stark und elastisch breitete und seine Rebenbuhler mühelos ver drängte. Diesen Baum umfaßte die kleine Frau mit bewun dernden Blicken und vertraute ihrem Manne den Herzenswunsch an: solch einen großen stolzen Baum zum Feste selbst zu be sitzen! Er lächelte ihr in die Augen und vertröstete si« auf die nächste Woche, die Wcihnachtswoche, in der er den Bescheid erwartete, daß seine große Arbeit angenommen wäre. O, er setzte alle Hoffnungen auf diese eine Arbeit; sie würden ein pracht anderen Scheitel, ging mit ihm und lebte noch dreier Jahre in Ehren. Der Kinder pflegte der Rittmeister als sein eigen - wuchsen auf zu gerechten Leuten. Güte und Müdigkeit breitete der ehedem so rauhe Krieger anjetzo um sich. Alljährlich zur Verkündigung von Christi Ge burt wandelte er durch Dörfer und Siedlungen. Wo er Kindlein fand, beschenkte er sie mit süßem Mundfutter und freundlichen Gaben, daß sie lubilierten zum Christ. So hielt er es, bis er heimfuhr. Seit seinen Tagen breitete sich der Brauch aus, die Kleinen zur Christnacht mit mancherlei Angebinde zu bedenken. Denn die Freude der Unschuldigen zu wecken, ist das Höchste, dessen Menschen vermögen. Klingeln im Walde. Mit Verwundern erblickten die Einsiedler den Reiter aus der Weihenacht, hinter ihm Troßbuben und reisige Knechte. Fröhlicher sah der Herr drein als damals, hurtig schlang er die Arme um den Greis, und mit heiterem Zuruf hob er die Kindlein koch. .Habt es wohl noch nicht gehört, mein Vater, wie die Glocken von Münster es ins Land riefen? Der Hader hat ein Ende, Friede ist in deutschen Marken. Macht euch auf, ihr und die Kinder, ich bin gesonnen, euch heimzuholcn auf meines Ge schlechtes Hof, da sollt ihr sein wie meines Blutes." Der Achtzigjährige ichloß die Augen, denn er war der Men schen entwöhnt. Die welken Hände legte er segnend auf des >^eclc, liebe Seele mein, nimm das göttliche Kindclein auf in deines Herzens Schrein in hcil'qer Lieb, der Jungfrau Maria Kind. Lia, Lia, eine Jungfrau hat gcbor'n Gott nach göttlicher ? Güte und Barmherzigkeit. Singt nun fröhlich überall unserm König mit lautem Schall, sprechet fromm und dcmutsvoll: Lob und Lhrc fei Christo, dem lieben Kindclein. Heute ist gcoffcnbart in Israel, den verkündigt Gabriel als unseren Herrn. Joseph, lieber Joseph mein, V hilf mir wiegen mein Kindelcin, Gott, der will dein Löhner sein im Himmelreich, der Jungfrau Maria Kind. Lia, Lia, eine Jungfrau hat geboren nach göttlicher Güte und Barmherzigkeit. Singt nun fröhlich überall unserm König mit lautem Schall, sprechet fromm und dcmuisvoll: Lob und Lhrc sei Christo, dem lieben Kindclein. Heute ist gcoffcnbart in Israel, den verkündigt Gabriel als unseren Herrn. Vom Glück vergessen Von Erich K. Schmidt. volles Fest verleben, wenn der goldene Lohn dafür erschiene. Und in seligen Iukunftsgedanken rechneten sie beide kaum mit der Möglichkeit, daß dieser Lohn ausbliebe. SiestreiftenweiterdurchhastigplauderndeMenschen.derenLei- ber pelze umhüllten,und sie sahen auch mit traurigen Augen, mit leidvoll, die anderen Armen, die zerlumpt und still an den Mauern vorüberschlichen. Sie wünschten allen ein schönes reiches Fest... Die kleine plaudernde Frau aber bekam ein strahlendes Ge sicht, als sie an den prunkvoll geschmückten Schaufenstern vor beigingen, an denen sich die Menge neugierig staute, und sie ' warf harmlos verlangende Blicke hinter die blitzenden Scheiben. Eine neue Boa war ihr erster Wunsch, und wie sie ihren Hals von der alten befreite - siche, da zeigte es sich, daß diese Boa zerschäbte häßliche Stellen trug, die nur weibliche Kunst ge- . schickt verdecken konnte. Die junge Frau war nun, in der milden seine kleine Frau sich lächelnd im Türrahmen zeigte, war aller Gram verweht,und stürmisch schlossen sie die Arme umeinander.. Bis endlich der graue Tag erschien, der alle ihre Hoffnungen zertrümmerte wie einen faden Trug! Die Klingel schrillte, Schritte dröhnten am Fenster vorbei, und gleich darauf kam die junge Frau, kaltblaß,in das Zimmer und überreichte dem Manne ein dickes Kuvert, das seine abgelehnte Arbeit enthielt! Mit zuckendem Munde gab sie ihm den Brief. Kein Wort kam von ihren Lippen, und, ohne einander anzujehen, schlossen sie sich eng in die Arme ... Wortlos verging der Tag; und auch der nächste solgte ihm in trübem Dämmern. Aber als der Heilige Abend heranrückte, war die kleine tapfere Frau die erste, die den Mut zu einem Lächeln fand. Sie setzte sich auf ihres Mannes Schoß, um faßte ihn voll Liebe, sprach zu ihm von der Unvernunft gewisser Kälte, von dem vielfachen Schauen , fast erhitzt, und ihre Augen leuchte ten wie Erz. Sie gingen langsam weiter, und immer andere Schätze fesselten ihre Blicke; seidene Stoffe lagen prunkend ausgcbrcitct, schim mernde Strümpfe und kokelte Schu he hoben sich wirksam von dunklen - Samtstoffen ab. - Und immer wie der traf den Mann ein fragender Blick, und er nickte ein sicheres Ge währen. So gingen sie durch die strahlen den Straßen, und der Schnee siel in einem milden Rhythmus um die Menschen, und in der Luft schwan gen schwärmerische Wciknachtsme- lodien Aber das Schicksal geht zuweilen * geheimnisvolle Wege, und dem Menschen bleibt nichts übrig, als sich in Demut zu fügen. - Das Heim des jungenMenschen- . paares lag draußen in der Wald kolonie, nahe der Stadt, wo der Reichtum aus allen Fenstern lodert, wo hinter hohen Scheiben nichts Menschen, die einem die schönsten Hoffnungen kaltblütig vernichten, umging mit frauenhafter Gewandt heit alle bitteren Gedanken - und schmeichelte und lachte, bis derMann die Schwermut zur Seite schlug wie einen dunklen Schleier und sein Weib, mit getröstetem Gesichte, dankbar auf die Lippen küßte. So kam der Abend herbei - sie zogen ihreMäntel an.und die junge > Frau nahm verstohlen die alte zer schäbte Boa vom Haken; sie schlang . sie so kunstfertig um den Hals, daß sie wirkte wie eine neue frischge kaufte Boa. Sie schlossen ihre Tür ab, und gingen durch die winterlich stillen Straßen der Waldkolonie. Letzte hastigeMenschen eilten,paket beladen, über die Wege; der Schnee legte eine schimmernde Decke auf Villen und Gärten,und ein heiliger Atem ging durch die eiskalte Luft.. Aus knatternden Automobilen stiegen sehnsüchtig erwartete Väter, die alle Taschen voller Geschenke trugen; die Gittertore klappten kurz als Glück zu wohnen scheint. Dort hatte« sie, in einer der be scheideneren Villen, eine kleine Wohnung im Erdgeschoß ge sunden, eine Stube und eine Küche, und hier waltete die junge l Frau mit Liebe und Geschicklichkeit. Sic legte Decken und I Seidcnfetzen um alle Löcher und Risse der Tapeten, sie sorgte für saubere freundliche Gardinen und hatte aus dem trüben 1 Vagabundcnheim bald eine gemütlicheWohnung gemacht. Jetzt - in derWeihnachtswochc war sie ohne Ruhe tätig, scheuerte und wusch vom Morgen bis zum Abend und lugte zu gewißen . Stunden, wenn der Briefträger seine schweren Tritte dröhnen ließ, durch die Fenster, ob er die wildersehnle Antwort brächte... Indessen saß derMann am Schreibtisch, und dann und wann glitt eine Trauer über sein Gesicht. Er fühlte die Tage ent schwinden, ohne daß die Antwort kam; er sah sein letztes Geld im Spalt der Tagesnotversinken - und in gewissen Momenten erfüllte ihn eine trübe Schwermut ganz und gar. Aber wenn und hallend zu, als wollten sie nun niemand mehr einlassen, der das Weihnachtsidyll stören könnte. Die beiden jungen Menschen aber gingen armverschränkt durch die weißen Straßen, sie drängten sich fest aneinander und fühlten ihre Armut nicht. Sie sahen die schlanken Weih nachtsbäume hinter Hellen Scheiben leuchten, und frohe Kinder stimmen drangen bis zu ihren Ohren. Weihnachtsmelodien, sanft und friedevoll, ertönten aus den Sälen, und die hohen Tannen des Grunewaldes sahen mit ernsten Blicken in die Fenster zu ihren Schwestern hinein, die dort, mit Gold verhängt, . strahlten zu der Menschen Freude Hand in Hand gingen die jungen Lebensgefährten weiter, und im Scheine einer flockenumtanzten Laterne neigten sie die Lippen zueinander und küßten sich, indes von fernen Türmen sanfte Glocken in die stille Weihnacht hineinläutcten. Das klang wie ein Symbol des Friedens ...