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Beilage zu Nr. 104 der Sächsischen Elbzettung. Schandau, Sonnabend, de'N 30. August 1913. Sinnspruch. Weil du mich, Fcumd, beichcuksl mit dir. 2o dank ich billig dir mit mir; Nimm bin deswegen mich für dich, Ich sei dir du, sei du mir ich. F. v. 2oa>m. Lokales. - * Die uns den sächsischen Ztamscistnlmlmcn im Jahre 1912 vorgekommenen Unfälle beziffern sich aus 266 (gegen 294 im Vorjahres. Darunter befinden sich 23 Entgleisungen, 26 Zusammenstösse und 220 sonstige Un fälle. Von der Gesamtzahl aller Unfälle ereigneten sich 45, aus freier Bahn und 221 in Stationen. — Beim Eisenbahnbetrieb wurden im Jahre UN 2 getötet: 5,5, Personen, und -war 2 Reisende unverschuldet bei Zug unfällen, 4 Reisende infolge eigener Unvorsichtigkeit, 27 Bahnbeamte und Bahnarbeiter im Dienste, 2 Beamte eines anderen Verwaltungszweiges infolge eigener Un vorsichtigkeit, 1 fremde Person durch falsche Handhabung der Wegübergangsschrankev sowie 19 fremde Personen infolge eigener Unvorsichtigkeit beim Betreten der Bahn. Ausserdem wurden infolge von Selbstmord 5,6 fremde Personen tödlich überfahren. Verletzt wurden im Jahre 1912 zusammen 212 Personen, und zwar 40 Reisende (davon 6 infolge eigener Unvorsichtigkeit-, 15,9 Bahn beamte und Bahnarbeiter im Dienste, 8 Beamte anderer Derwaltungszweige und 16 fremde Personen (davon 10 Personen infolge eigener Unvorsichtigkeit beim Betreten der Bahn). Ausserdem wurden 6 Personen bei Selbst mordversuchen im Bereiche der Bahn verletzt. 144 460 M. Zahlungen wurden im Jahre 1912 aus Grund des Hast- pslichtgcsetzes geleistet, und zwar 60 462 M. einmalige Abfindungen und 88 99» M. fortlaufende Zahlungen (im vorhergehenden Jahre 75,886 M. und 86 141 M., demnach zusammen 162 027 Mark). —* Postalisches. Die Anbringung von Briefkasten an den Eingängen der Wohnungen zur Ausnahme der Postsendungen und Zeitungen für die Wohnungsinhaber hat sich bei dem stetig wachsenden Verkehr als so zweck mässig erwiesen, dass das Publikum von der Einrichtung in weit grösserem Umfange Gebrauch machen sollte, als bisher geschehen ist. Abgesehen davon, das; durch das Vorhandensein von Hausbriefkasten die Briesbestellung im eigensten Interesse des Publikums erheblich beschleunigt wird, bietet die Einrichtung den besonderen Vorteil, das; in- den Fällen, in welchen der Empsänger abwesend oder in der augenblicklichen Entgegennahme der Postsendungen verhindert ist, die Sendungen nicht zuni Postamte zurück gebracht zu werden brauchen, sondern durch Niederlegcn in den Briefkasten schneller in die Hände der Empfänger gelangen, als wenn sie bei einem späteren Bcstellgange nochmals durch den Briefträger überbracht werden. Ausserdem wird den meisten Briefempfängern erwünscht sein, wenn die vom Briesträger abgegebenen Briese und Postkarten nicht zuvor in die Hände des Dienstpersonals oder anderer Personen gelangen, wodurch leicht Anlas; zu Indiskretionen gegeben wird. Die Anbringung eines Hausbriefkastens sollte daher bei keiner Wohnung unter ¬ lassen und insbesondere auch bei Ausführung von Neu bauten von vornherein in Betracht gezogen werden. Von den verschiedenen Arten der in Gebrauch befindlichen Hausbriefkasten Haven sich in der Praxis am besten die in die Eingangstür zu den einzelnen Wohnungen ein gelassenen Einwurfsspalten mit einem dahinter an der Innenseite angebrachten verschließbaren Briefkasten be währt. Es empfiehlt sich, diesen Einwurfsspalten eine solche Ausdehnung zu geben, das; von den bestellenden Boten auch stärkere Briese und Drucksachen eingelegt werden können. —* „Jtttcrnncia Ligo". Dieser Bund für internatio nalen Korcespondenzverkehr und Sammelsport, mit Hunderten von eifrigen Mitgliedern in 85 verschiedenen Staaten, bietet beste Gelegenheit zu interessantem und belehrendem Briefwechsel mit Angehörigen aller Nationen zwecks Ideen-Austausch und Bereicherung fremdsprachlicher Kenntnisse. Den Sammlern von Ansichtskarten, Brief marken usw. wird ein reger Tausch ermöglicht. Offi zielles Organ des Bundes ist die sorgfältig redigierte, künstlerisch ausgestattete, illustrierte Zeitschrift „Monda Posto" (Weltpost), die monatlich zweimal und zwar in einer internationalen, allgemein interessierenden Haupt ausgabe und in einer Spezial-Esperanto-Ausgabe erscheint. Dec Jahresbeitrag einschließlich Aufnahmegebühr und Abonnement beträgt 4 Mark. Gesuche um Zusendung von Prospekten, sowie Anmeldungen sind zu richten an Herrn Paul R. Schulze, Generalkonsul für das König reich Sachsen, Chemnitz, Ludwigstraße 46. Vermischtes. — Dic Zahl der Ferngespräche, welche in Deutschland jetzt jährlich geführt werden, beträgt nach der neue» amtlichen Statistik über 2 Milliarden, genauer 2074 Millionen. Davon entfallen auf Stadtgespräche 1697 Millionen, aus Gespräche von Ort zu Ort 877 Millionen. Zwischen den Abonnenten wurden nicht weniger als 1678'/e Millionen Gespräche gesührt. Zwischen Abonnenten und öffentlichen Sprechstellen wurden 12'/.- Millionen Gespräche vermittelt. Telegramme wurden durch den Fernsprecher etwas über 8^/4 Millionen ausgegeben, während nicht ganz zwei Millionen ankommende Tele gramme zugesprochen wurden. An Gebühren bringen diese Gespräche rund 161 Millionen Mark ein. Davon bezahlen die Abonnenten für Stadtgespräche 104 Millionen; andere Stadtgespräche bringen etwas über 2 Millionen, während für Gespräche von Ort zu Ort etwas über 55» Millionen Mark bezahlt werden. Für diese Leistungen stehen 1,192 682 Sprechstellen zur Verfügung. Ocffent- liche Sprechstellen gibt es 45 098, Sprechstellen bei den Abonnenten rund 1,140 484. Die Zahl der Ortssern- sprechnetze beträgt jetzt 7092. Ihre Linien haben eine Länge von 117 612 Kilometern. Von diesen liegen 108 725 in der Luft und 13 887 unter der Erde. Die Länge der Leitungen im einzelnen beträgt mehr als 5 Millionen Kilometer, genauer 5,022 771. Fern verbindungen von Ort zu Ort zählt man 20492. Ihre Leitungen haben eine Länge von 600483 Kilometern Von diesen werden 451328 Kilometer in der Luft ge führt und 148 735 unter der Erde, ferner 420 unter Wasser. - Der Hauptzenge im Krupp-Prozeß, Maximilian Brand, ist, wie die „T. R." erfährt, schwer erkrankt. Brand, der schon seit Jahren nervenleidend, ist unter dem Eindruck der Untersuchungshaft und den Aufregungen des Prozesses seelisch vollständig zusammengcbrochen, - so daß er auf ärztliche Anordnung ein Sanatorium auf suchen muß, um dort seine schwer angegriffene Gesundheit wieder herzustellen. Brand hat von der Firma Krupp einen längeren Urlaub erhalten, der erst nach Beendigung des Moabiter Prozesses zu Ende gehen wird. Die Vor untersuchung gegen Brand ist schon seit längerer Zeit abgeschlossen. Von dem Verhandlungstermine dürfte aber vorerst keine Rede sein, da Brands gegenwärtiger Ge sundheitszustand jede Verhandlungssähigkeit ausschließt. Ob auch gegen Direktoren der Firma Krupp Anklage erhoben werden wird, steht noch dahin. Von sehr unter richteter Seite wird der „T. R." versichert, daß das bisherige Material als nicht genügend zur Erhebung einer Anklage angesehen wird. — Eine große Ucbcrrasäiuilg wurde einem Kölner Anstreichermeister zuteil, der vou einem Brcnncreibesitzec eine» alten Schrank zum Aufpvlieren erhalten hatte. Als der Meister das alte Möbelstück von der Zimmer wand rückte, fiel ein zusammengesaltetes Papier zur Erde, das man zunächst für einen alten Tapetenrest hielt. Bei genauerem Zusehen entdeckte man jedoch, daß es sich um Banknoten im Betrage von 10 000 Mark handelte, die der Brenncrcibesitzec seit vielen Jahren vermißte, ohne das; er bisher eine Spur des Geldes zu finden vermochte. — Der Gendarm sucht einen König. Den „Leipziger N. N." wird geschrieben: Es ist gewiß schon jeder gesucht worden, vielleicht auch einmal vom Gendarm. Daß aber auch ein echter, wirklicher König durch den Mann der Ordnung gesucht wird, dürste nicht alle Tage vorkommen. Es war im Monat Juli d. I., ich glaube, am 18. Da brachte mich das Bähnle im Schneckentrabe nach dem weltberühmten Krimml in Salzburg. Ein halbes Stündchen ist' vom Bahnhose bis zum Orte, dazu der Himmel grau in grau. Regen ohne Unterlaß. Patschpudelnaß komme ich in dem vielbesuchten Oertchen des Pinzgaues an. Meine^Laune war aus dem Gefrierpunkte, stumpf stampfte ich daher. Da — „Sie da, wart'n's mal!" Ich steige ruhig weiter. Da keucht einer aus einer Seitengasse: „Hör'n's nett, wart'n soll'n's!" Verdutzt sehe ich auf. Dor mir steht der Hüter des Gesetzes mit ausgepflanztem Bajonett. „Was wollen Sie denn von mir?" „Hab'n's den König nitt g'sehn?" „Was für einen König?" „'n sächsischen Köni!" „Nein! Was wollen Sie denn von ihm?" „I such'n!" „Sie suchen unsern König?" „Nu freili such' i Eiern Köni!" Das ging mir über die Hutschnur. Der sucht unsern König! Was war denn los? „Wer hat Sie denn geschickt?" „Mei Kommandant. I soll 'n Köni koan Augenblick aus'n Auge lass'n. I Der Kurs ins Blaue. Eine Sommer- und Segclgcschichtc von H edda v. 2 cl> m i d (11. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.). Ein paar Schritte von ihr entfernt saß Harri), genau so, wie sie ihn vor ein paar Stunden verlassen hatte, die Hand fest am Steuer. Er stieß, als er Ollh gewahrte, einen leisen Nus der Ueberraschung aus: „Fräulein Wendhagen — Vorsicht, um Gottes Willen! Hallen Sie sich an der Bank — so!" schrie er dann, die Wellen übertönend, zu ihr hinüber und streckte ihr seine Linke entgegen. Mit einem Ruck zog er sie zu sich heran. Sie erblickte ein Bündel zu seinen Füßen: wie in einer Mulde lag hier, igelartig zu.einem Knäuel ge krümmt, der kleine Iakob, der Schiffsjunge lind schlief. „Ich stellte mir alle drunten süß schlafend vor." sagte Harry. „Die anderen schlafen auch," erwiderte Olly, die sich dicht neben ihn gesetzt hatte, „aber ich erwachte aus — Furcht." Im Mvndlicht sah sie, wie er lächelte. Seine weißen Zähne blitzten unter dem dunklen Schnurrbart. „Es gefällt mir, wenn Frauen sich mitunter fürchten," sprach er. „Das ist natürlich und begreiflich, laut des Schöpfungsplanes. Der Mann ist als der Stärkere vorgesehen." Es gibt aber auch Fehler im Schöpfungsplan," sagte Olly. Furcht ist doch immer etwas Erbärmliches — auch bei Frauen." „Nun, es kommt darauf an, wo und wann man Furcht verspürt, das läßt sich nicht so verallgemeinern," bemerkte Harry. „Aber wir geraten ins Philosophieren und sollten uns lieber an dieser so schönen und günstigen Fahrt heute nacht erfreuen. Wind und Wetter — wie sich ein Seemann nicht prächtiger wünschen kann." „Wirklich?" fragte Olly naiv, „und ich" fügte sie hinzu, „konnte den Gedanken nicht los werden, csehen Sie doch nur die hohen Wellen, Herr von Klemens." „Das bißchen," meinte Harry, „nicht der Rede wert." „Ja," gab Olly zu, „hier oben läßt sich alles auch ganz anders an. Unten aber ist es unheimlich, wenn das Wasser gegen die Wände der Jacht donnert." Ihr wurde ganz frei zumute. Ganz eng saß sie neben Harry und empfand wohlig seine schützende Nähe. Vor Kälte — es mar recht frisch nun gegen Morgen — hatte sich der schlafende Schiffsjunge zu den Füßen der beiden so zusammengekrümmt. Man spürte es förmlich, wie es dem kleinen Burschen fror im Schlaf. Olly betrachtete ihn voller Mitleid. „Das arme Kind," sagte sie und blickte sich suchend nach einer warmen Hülle siir Iakob um. Harry erriet ihre Gedanken, gab das Pfeifensignal, das den auf dem Vorderdeck Wache haltenden Krischan herbeirief, und befahl ihm, eine warme Wolldecke aus der Kajüte herbeizubringen. Diese warme Decke breitete Olly dann selber mit einer unbewußt mütterlichen Art über den schlafenden Buben. „So jung ist er und muß schon die nicht immer ganz leichte Arbeit an Bord tun," sagte sie mitleidig. „Ja, und ist mit seinen fünfzehn Jahren bereits der Ernährer seiner Mutter und seiner jüngeren Ge schwister", berichtete Harry mit einem warmen Blick auf Olly. Wie gut ihr dieses echt frauenhafte Mitleid stand. „Jakobs Vater war, wie die meisten Bauern in unserem Gebiet — Strandsischer. Vor zwei Jahren wurde er mit noch ein paar anderen aus dem Litt- gallenschen Dorf auf einer Eisscholle ins offene Meer getrieben. Alle ertranken. Onkel Egge nahm sich der Witwen und Waisen an: Iakob kam auf den Herren hof und wurde späterhin Schiffsjunge auf der „Herta"." „Wie schön das doch sein muß, für seine Unter gebenen zu sorgen", bemerkte Olly, Sie sind hoffentlich auch ein ebenso hilfreicher Gutsherr, wie ihr Onkel, Herr von Klemens?" „Na — es geht .... Frida sagt, ich wäre ein Hitzkopf — sie behauptet ja, mich von allen Leuten am besten zu kennen." „Ja, das sind Sie, Herr von Klemens, aber es ist gewiß nicht das Schlimmste, ein Hitzkopf zu sein." „Was ist denn das Schlimmste in Ihren Augen?" „Lauheit!" Sie sagte das so allerliebst ernsthaft. Harry fühlte, wie ihm das Blut in die Wangen stieg . . . Wenn er nur gedurft hätte .... Das Steuer hatte er eben sich selber überlassen — und hätte beide Arme um das entzückende Wichtelmännchen — mit der Kapuze sah Olly einem solchen nicht unähnlich — geschlungen und hätte sich beim Wellengetöse und beim Brausen des Morgenwindes sattgeküßt an ihren frischen Lippen. Seine Zähne gruben sich tief in seine Unterlippe — Olly aber meinte lächelnd: „Da geraten wir schon wieder ins Philosophieren . . . Erzählen Sie mir lieber vom kurischen Strand, auch von den Eisschollen, die in das Meer hinaustreiben — es gruselt mich dann, und ich bin dann froh, daß ich so warm und geborgen auf der Jacht hier sitze, und daß uns nichts passieren kann auf der wilden See. Merkwürdig — nun habe ich auch kein Körnchen Furcht mehr und brauche nicht mehr so klein von mir selber zu denken, wie ich es vorhin zu meiner großen Beschämung habe tun müssen." Als Frida, die die Gabe besaß, immer genau zu der Zeit aufzuwachen, zu der sie sich vorgenommen hatte, munter zu werden, auf Deck erschien, gleichzeitig mit den ersten Sonnenstrahlen — hörte sie zu ihrer grenzenlosen Verwunderung, daß Olly bereits seit etlicher Zeit hier am Steuer assistierte. „Das Kücken," meinte Frida gönnerhaft, „es mausert sich ordentlich heraus. So — jetzt wollen wir aber kein Wort reden — Worte stören den Gesamt eindruck: Die Sonne geht auf!" Der Wind hatte sich bedeutend gelegt — was an leichten Morgennebeln auf der See gewogt hatte, zer- flattecte vor den goldenen Pfeilen, welche die Sonne aussandte . . . Sie schien, als sie der Flut entstieg, dem kleinen, tapferen Fahrzeug, das so tüchtig während der Nacht seinen Kurs eingehalten, und ein gutes Stück Wegs zurückgelegt hatte, besonders freundlich zuzulächeln. „Nun lausen wir ja schon eine ganze Weile im Kalmarsund", sagte Frida, „hier ist das Wasser gleich stiller. Wenn wir nur nicht am Ende gar eine völlige Windstille bekommen. Das Großsegel, das gestern abend heruntergelassen werden mußte, könnten wir eben schon brauchen." Genau so strahlend, wie das Tagesgestirn, erschien auch Baron Egge. Er hatte vortrefflich geruht und kargte nicht mit Lob seiner Mannschaft gegenüber. „Nun kann man bereits mit unbewaffnetem Auge Land erblicken", sagte er und wies auf einen Strich am Horizont. „Dort — die schwedische Küste!" Wenn man das Fernrohr zu Hilfe nahm, so konnte man sogar den Turm einer weißen Kirche unterscheiden. Langsam kreuzte eine große Fischerbarke den Kurs dec „Hecta" Immer stiller und kleiner wurden die Wellen ... Es war so, als wollten sie sich nun