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daß noch immer nicht genug dieses Landgcbiet von den Norddeutschen als ein solches anerkannt worden ist, das wert ist, durchwandert zu werden, um dann auss neue den alten Grundsatz in seiner Berechtigung erkennen zu mUsscn: „Wozu in die Ferne schweifen . . Franz Hanscr. Aus Stadt und Land. —* Kraftfahrzeuge in Sachsen. Am 1. Januar 1913 gab es in Sachsen 8370 Kraftfahrzeuge, wovon 7598 der Personenbeförderung und 772 zur Lastcnbesördcrung dienten. Bon den 7598 sächsischen Personcnkraftsahrzeugen sanden 44 im Dienste öffentlicher Behörden Verwendung, 403 im öffentlichen Fuhrmerksverkehr (Droschken, Omni busse), 3823 flir die Zwecke von Gewerbebetrieben und 38 sllr land- und forstwirtschaftliche Betriebe. 63 l wurden zu Berufszivecken gebraucht (Aerzte usw.) und 2659 slir Vergnligungs- und Sportzmecke verwendet. Don den 772 sächsischen Lastautos standen 58 im Dienste öffentlicher Behörden, 711 wurden in gewerblichen, 2 in landwirtschaftlichen Betrieben und I siir sonstige Zwecke verwendet. Die Gesamtzahl der Kraftfahrzeuge in Sachsen ist vom Jahre 1907 bis zum Jahre 1913 von 2222 aus 8370 gestiegen. —* Btrordinmgsblatl. Das 5. Stück vom Jahre 1913 vom Verordnungsblatt des Evangelisch-lutherischen Landes konsistoriums sür das Königreich Sachsen ist cingegangen und liegt für die Mitglieder der Kirchgemeinde Schandau aus dem Pfarramt zur Einsicht aus. Inhalt: Bekannt machung, die Einberufung einer außerordentlichen Landes- synode der evangelisch-lutherischen Kirche betr. — Be kanntmachung , die Ernennung von Kommissaren für Nachwahlen zur evangelisch-lutherischen Landessynode betr. — Bekanntmachung, die Fürbitte für die Landessynode betr. — Bekanntmachung, die Ausbildung und Anstellung von kirchlichen Gemeindehelferinnen betr. — Bekannt machung, die Begründung der Parochie Leipzig-Gohlis- Nord betr. — Bekanntmachung, die Begründung der Parochie Oelsa (Ephorie Dippoldiswalde) betr. — Be kanntmachung, die Auspfarrung und Selbständigmachung der Dolksheilstätten Albertsberg und Carolagrün sowie der Heilanstalt Reiboldsgrün betr. — Mitteilung, die Bewerbung um das Pfarramt in Leudorf am Mcru (Deutsch-Ostafrika) betr. — Erledigungen und Besetzungen. —* Nach dem amtlichen Berichte des Königlichen Landes-Gesundheitsamtes über den Stand von Birhseuchcn am 15. Juni 1913 im Königreich Sachsen wurde in der Amtshauptmannschast Pirna scstgestcllt: Schweinescuche cinschl. Schweinepest in Burkhardtswalde (2), Hertigs- walde, Ottendorf (3), Rugiswalde, Schöna und Stolpen. U. Leipzig. Das „Thüringer Dörfchen" auf der Iba, eine deutsche Musterdorsanlage. Zu dem vielen Schönen und Interessanten, das die Internationale Bausachaus stellung zu Leipzig dem Besucher bietet, zählt nicht zuletzt das idyllische, naturgetreue „Thüringer Dörfchen". Man betritt es am besten von der Straße des 18. Oktobers aus, die gerade an der Stelle, wo das Dörfchen beginnt, die Münchner Bahnlinie im hohen Bogen überschlägt. Gleich am Eingänge stoßen wir aus den Dorfgasthof, in dem das junge Volk aus dem Tanzboden lustig und'fidel die Tanzbeine schwingt. Jur rechten Hand steht eine alte gemütliche Gosenschänke, daran anschließend das große Gut. Durch den breiten hohen Torbogen wandert man hinein in den Kühlen, schattenspendenden Hof, um den sich die verschiedenen Wirtschaftsgebäude und Stallungen gruppieren. Eine große Scheune ist angestillt mit den neuesten landwirtschaftlichen Maschinen, in einer andern wird eine selbsttätige Heubeförderungsanlage vorgefithrt, die den umständlichen Transport des Heues aus dem Heuschober zum Erdboden wesentlich vereinfacht. An das Gut schließen sich einige reizend ausgestattete Schänke» und Wirtshäuser an, die zu fröhlichem Trünke einladen Sic alle wirken in ihrer derben bäurischen Einfachheit sehr gut, von früh bis abend herrscht drinnen heiteres Leben. An einer platzartigen Erweiterung der Dorsstraße ragt ein schmuckes Kirchlein empor. Ihre Innenaus stattung ist einfach und roh, die Emporen und Decken sind reich und bunt bemalt. Selbst eine Orgel fehlt nicht und ab und zu findet in dem kleinen traulichen Gottes- Hause Gottesdienst statt, Sonntags vormittags regelmäßig. Schrägüber von der Kirche liegt die Dorsschule, die unteren Näume sind Untcrrichtszimmer, während oben die komplette Kantorwohnung und ein Junggescllenhcim sür den Hilfslehrer eingerichtet sind. Den Naum zwischen Schule und Kirche überspannt das Kirchhofstor. Hohe Grabdenkmäler ragen über die Erdhügel, man sieht wunderschöne keramische und galvanoplastische Figuren. Nichts fehlt an diesem dörfischen Gottesacker, selbst der Boden ist getreu nachgeahmt und mit großen rohen Fliesen regellos belegt. Verschlungene schmale Pfade durchziehen den Friedhof, deren Einsamkeit dem Nuhe suchenden Besucher willkommen sind. Auch die moderne Friedhofskunst ist zu Worte gekommen, dadurch, daß der Verband deutscher Granitwcrke monumentale Grab steine ausgestellt hat. Mau wandert wie ein Träumender hindurch durch die Stätte der Nuhe und des Friedens, um in der nächsten Minute wieder unterzutauchen in dem geräuschvoll bewegten Ausstellungsleben. Vermischtes. — Ans einem Spaziergang ermordet. Der Inhaber eines Radsahrinstituts in Straßburg, Gallus, wurde auf dem Felde bei Muckenschopf bei einem Spaziergang von einem arbeitslosen Tagelöhner ohne jegliche Veranlassung überfallen und durch einen Stich in die Herzgegend ge tötet. Der Mörder, der nur mit Mühe vor den erregten Dorfbewohnern geschützt werden konnte, wurde nach Kehl ins Gefängnis gebracht. Er will im Verfolgungs wahn gehandelt haben. — Äon Paris nach Petersburg. Der französische Flieger Brindejonc legte Dienstag die letzte Strecke seiner Route Paris-Petersburg zurück. Er stieg um 7,35 Uhr in Dwinsk bei starkem Winde aus und landete in Peters burg um 11,25 Uhr. Damit hat er eine Leistung voll bracht, wie noch niemand vor ihm, denn die Gesamtstrecke von 2340 Kilometer von Paris über Warschau, Dwinsk^ nach Petersburg legte er in 19 Stunden Flugzeit zurück. — Äon Europa nach Asien geschwommen. Am 12. Juni durchschwamm der Oberleutnant z. S. Becker von S. M. S. „Loreley", dem deutschen Stationsschiff in Konstantinopel, in 120 Minuten den Bosporus zwischen Thcrapia und Beikos. Er hatte dabei die sehr starke Strömung im Bosporus zu überwinden, die von der asiatischen nach der europäischen Küste gerichtet ist. — Im Stnrm nmgckommcn. Am 7. Mai unternahmen drei Studenten der Medizin aus Kiel eine Segeltour, von der sie nicht zurückgckehrt sind. Am Dienstag ist ein Segler aus Königsberg mit dem Boot der drei Studenten im Schlepptau in Kiel eingetroffen. Der Segler hatte das Boot aus See treibend gefunden. Im Segelboot befand sich das Tagebuch, welches bis zum 10. Mai reicht und schwere Stürme verzeichnet. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß die drei jungen Leute in, Sturm umgekommen sind. — Dit Hinrichtung Stcrnirlels und seiner beiden Komplizen, die zum Tode verurteilt wurden, soll Ende dieses Monats aus dem Gesängnishos zu Franksurt a. O. erfolgen. Nachdem das Reichsgericht jetzt die Todes urteile gegen Georg Kersten und Franz Schliewentz aus Berlin, die mit Willi Kersten Sternickel bei dem Morde in Ortmig unterstützten, für rechtsgültig erklärt hat, ist seitens der Verteidigung ein letzter Schritt versucht worden, um den im 19. Lebensjahr stehenden Franz Schliewentz dem Henkertode zu entreißen. Die Verteidigung beab sichtigte, für diesen jungen Verbrecher ein Gnadengesuch an den Kaiser einzureichen, und fragte deshalb bei der Staatsanwaltschaft in Franksurt a. O. an, ob sie ein solches Gnadengesuch unterstützen würde. Die Staats anwaltschaft hat es aber, wie verlautet, abgelehnt, ein Gnadengesuch bei dem Justizminister zu befürworten. Unter diesen Umständen hat die Verteidigung von einem Gnadengesuch abgesehen. Die drei Todesurteile gegen die Raubmörder Sternickel, Georg Kersten und Franz Schliewentz werden noch in dieser Woche an den Justiz minister gesandt, der sie dem Kaiser zur Genehmigung der Vollstreckung unterbreiten wird. Willi Kersten, der wegen seiner Jugend nicht zum Tode verurteilt werden konnte, hat seine 15jährige Gefängnisstrafe bereits an getreten. — Falschmünzer-Werkstätte. Wie man aus Padua berichtet, verhaftete die dortige und Triester Polizei eine aus zehn Mann bestehende Falschmünzerbande, die in Padua eine große Werkstätte besaß, in der unheimliche Summen italienischer und österreichischer Banknoten täuschend ähnlich nachgeahmt wurden. Angeblich sollen die internationalen Verbrecher auch deutsche Scheine ver fertigt haben. — Wir lange ist ein Regrntropsen unterwegs. Sehr interessant sind die Experimente, die Professor Lenard über Entstehung, Größe und Fallgeschwindigkeit der Regen tropfen vorgenommen und kürzlich veröffentlicht hat. Danach sind Regentropfen niemals hohle Dunstbläschen, wie man vielfach annimmt, sondern stets volle Tropfen,. lernten, Papa und ich, und von der Papa behauptet, sie wäre die einzige Frau, die er heiraten könnte, wenn er sich noch je dazu entschließen würde. Mein guter, alter Papa, er lebt ja nur für mich — aber nun habe ich in der „Herta" doch eine Nebenbuhlerin bekommen. Ich lasse mir das schon gefallen, bin selber ganz ver narrt in unsere schmucke Segeljacht." Olly gab am Kaffeetisch den Brief ihrer Mutter zu lesen. „Was? Egges kommen nach Berlin?" fragte Frau Lore ganz erschrocken, und stellte sich im Geiste den köstlichen, gemütlichen Baron vor, der, ohne viel Feder lesens zu machen, in die Studierstube, das Allerheiligste des Professors, eindrang, dessen joviale Stimme durch alle drei Stockwerke der kleinen Villa schallte, der jedesmal das vom nervösen Gelehrten mit schlecht ver hehlter Ungeduld zuriickgewiesene Ansinnen, daß Pro fessors seine Gäste bei einem Souper im Kaiserhof sein sollten, stellte. Soviel Unruhe kam mit diesen frischen, fröhlichen Kurländern, mit Vater und Tochter, in die stille, in ihrem Grün verschwiegen und versonnen dastehende kleine Villa. Und dann pflegten Egges noch wowög- lichst irgend welche Anverwandte — es waren stets welche im Auslande unterwegs — mitzubringcn, wo durch die Unruhe, die bei Wendhagens verpönt war, sich natürlich noch vermehrte. Ihre Angst prägte sich so deutlich auf Frau Lores Gesicht aus, daß Ölly ihre Hand auf die feine, zarte Rechte der Mutter legte und in einem, fast gönnerhaften Ton zu ihr sagte: „Las nur gut sein, Muttchen, lies die Nachschrift des Briefes zuerst. Frida, die sehr gut weiß, daß Papa nicht gestört werden darf, schlägt vor, daß ich bei ihr im Hotel logieren soll während ihres Berliner Aufenthalts. Du hast doch nichts dagegen, Mutti?" Frau Lore schüttelte mechanisch mit dem Kopf. Nachdem Olly das Zimmer verlassen hatte, um sich ihrem Terrarium, das ihr soviel Spaß machte, zu widmen, da stand die Mutter am Fenster im Erker der Eßstube und schaute starr auf den peinlich gehaltenen Rasensleck des Vorgartens hinab. Es fröstelte sie, trotz des Sonnenscheins, der sie umgab: Alles, was hier im Hause frisches Leben besaß, erstarb doch bald wie unter einem eisigen Reif . . . Auch Olly würde unter diesem Dach, wo nur die kalte Wissenschaft regierte, verkümmern — es war ja ein Glück, daß ihre Freunde sie ab und zu ihrem Elternhause entführten, damit sie draußen ein reiches, köstliches Leben, das nicht durch spitzfindige, gelehrte Formeln verknöchert und ganz und gar eingeengt war, kennen lernte. Und dann würde die Zeit kommen, wo ein Mann seine Hand nach ihr ausstrecken würde... „Es darf nicht einer sein, der einzig und allein in Büchern das Glück der Erde sucht", dachte die Mutter unwillkürlich. Mit welch idealen Träumen und Hoff nungen, mit welchem Stolz, daß gerade sie die Erwählte des jungen Gelehrten geworden, war sie an Heinrich Wendhagens Arm zum Altar geschritten . . . Sie seufzte tief auf . . . Ein Blick auf die Wanduhr über der Kredenz belehrte sie, daß die Stunde da war, wo sie ihren Fensterplatz droben einzunehnun hatte. Sie ergriff mit einer milden, resignierten Bewegung eine der end- und zwecklosen Stickereien, die sie an fertigte, und stieg langsam die beiden Treppen empor in das große, luftige Gemach, dessen Wände ganz mit Bücherschränken und Bücherregalen verstellt waren. In der Mitte des Raumes stand ein riesiger Diplo matenschreibtisch. Ein grauer, interessanter Männerkopf beugte sich über das Schriftstück auf dem grünen Tuch der Tischplatte, und hob sich auch dann nicht, als die schlanke Frau am tiefeingesessenen Korbstuhl vorüberglitt. Es gehörte sich ja so, daß Lore nun da war. Zwischen zwei Sätzen, wo sich der Professor eine kleine Pause gönnte, nickte er ihr dann flüchtig zu — aber sie wußte, sie durfte ihn jetzt nicht anreden — nachher würde er schon von selber davon sprechen, was ihn just interessierte. Ganz eifrig konnte er mit unter dabei werden, besonders wenn er in einem der Fachblätter, die er sich hielt, etwas fand, das seinen Zorn oder auch nur seinen gemäßigten Widerspruch erregte. Dann mußte sie schweigend zuhören — es verlangte ihm danach, ein gehorsames Publikum zu haben. Von Haushaltungsdingen oder dergleichen zu reden, hätte sie niemals gewagt — nur in der ersten Zeit ihrer Ehe hatte sie es hin und wieder versucht, ihr Gatte hatte ihr kurz das Wort abgeschnitten. Er gab ja doch reichlich die Mittel zur Führung des Hausstandes, im übrigen sollte sie ihn in Ruhe lassen mit solchen Dingen. -i- * ü- Egges waren da — in Berlin! Olly steckte das Reisefieber schon eine Woche vor der Abfahrt in den Gliedern. Das würde doch einmal etwas anderes werden, die Reise auf der „Herta"! Bisher kannte sie ja nur die langweiligen Reisen, die sie zusammen mit ihren Eltern unternommen hatte. Der Papa ging natürlich nur in die allergrößte Ein samkeit, wenn er sich, was nicht in jedem Sommer vorkam, überhaupt dazu entschloß, zu reisen. Olly ertappte sich sogar darauf, daß sie im stillen es bedauerte, nicht Baron Egge zum Vater zu haben. Ja, sie beneidete Frida um solch einen Vater, der wie ein guter, sideler, herzlicher Kamerad mit seiner Tochter umging. „Onkel Egge" durste Olly zum alten Herrn mit der Figur eines schneidigen Gardeobersten und dem buschigen, grauen Schnurrbart sagen. „Mein Lustspielvater", pflegte Frida ihn scherzend zu nennen. Das war ein Hasten nun — ein Vergnügen reihte sich ans andere. Und überall mußte Olly mit dabei sein — Egges litten es nicht anders. „Ich glaube, ihr Kurländer seht unser Berlin mit ganz anderen Augen an, wie wir hier," bemerkte Olly, „wir wandeln oft stumm und teilnahmslos an manchem vorüber, was eigentlich der Beachtung wert ist, und worauf wir dann erst durch euch so recht aufmerksam werden." „Jawohl, das stimmt, und zum Dank dafür werden wir dann von den Großstädtern herablassend „Hinter wäldler" genannt," erwiderte der alte Baron lachend. „Prost, kleines Fräulein!" Er erhob sein Glas. Sie saßen gerade in einer eleganten Weinstube der Residenz bei einem Sektfrühstück. „Es gibt so manche," fuhr der Baron gemütlich fort, „die gern in unser Ländchen am Kurischen Haff kommen: mein Neffe Harry zum Beispiel! Sie kennen ihn ja auch, Ollychen, der hat sich kürzlich in unserer