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55. Jahrgang Rr. 66 Schandau, Sonnabend, den 3. Juni 1911. Alle 14 Tage: Landwirtsch. Beilage' Geöffnet für Einzahlungen an jedem Werktage vann. von 9—12 Uhr und nachm. von 2—4 Uhr. Sonnabends durchgehend von 9—8 Uhr, für Riickzahlungen an jedem Werktage vormittags von 9—12 Uhr. Linskus» 3'/-^ Veranttvortlicher Redaklenr: Richard Gürke, Schandau. — Druck und Verlag: Legler K Zeuner Nachf. Ferniprecher Nr. 22. - Die „Sächsische Elbzeilnng" erscheint Dienstag. Donners tag und Sonnabend. Die Aufgabe dcS Blattes erfolgt Tags vorlicr uachni. 4 IIl>r. AbonnemenIS-PreiS viericl- jährlich l.5O Ml, 2mouatlich 1 Bll , l inonallich 50 Pfg. Einzelne Nnnimcrn 10 Pfg. Alle kaiserlich. Postanstalteu, Postboten, sowie die . Zeituugsträgcr uelnueu stets Bestellungen aus die „Sächsische Elbzeilnng" au. Tägliche Roman-Beilage. Sounabends: „Illustriertes lluterhaltungSblatt". Inscralen-Ainiahmestellen: Fn Zchaudan: Ervcdition Zaukeustrahc 194; in Dresden und Leipzig: die Annoncen-Bnrcaus von Haascnstcin S: Vogler, Jnvalidcndant nnd Rndolf Mosse in Frankfurt a. M.: (9. L. Daitbe k Eo. Tel.-Adr.: Elbzeitung. Anzeigen, bei der weiten Äer» brcitnng d. Bl. von grosser Wirkung, sind Montags Mittwochs nnd Freitags bis spätestens vormittags !> Ul>r anszugcbc». Preis für die- 5 gespaltene Petitzeile oder deren Nanni 15 Pfg. (tabel larische nnd komplizierte An zeigen nach Ilcbcrcinknnft). Auswärtige Anzeigen 20 Pfg. „Eingesandt" und „Reklame' 80 Pfg. die Zeile. Bei Wiederholungen ent sprechender Rabatt. Amtlicher Teil. Die Sperrung » » Zaukenstratze wird von kiinstigcm Sonnabend, den 8. Juni a. c. frith an wieder aufgehoben. Schandau, am l. Juni 1911. Der Stadtrat. Freibank Schandau. Sonnabend, den .1. Juni 1911 von vvrmitttags 10 Uhr ab soll Rindfleisch in gekochtem Zustande verkauft werden. Schandau, am 2. Juni I9I1. Der Stadtrat. Die nächste Nummer erscheint der Feiertage wegen Dienstag nachm. 4 Uhr. Die Keschäftostell'e. Pfingsten ist der Kirche Geburtsfest. Nicht um eine Erfindung menschlicher Weisheit nnd Wissenschaft, sondern um göttliche Tatsachen handelt es sich hierbei, denen eine unerschöpflich, lebenspendende, religiöse, sittliche nnd soziale Geistesmacht innewvhnt, wie keiner anderen Tatsache der Weltgeschichte; sie hat sich durchgesetzt trotz der größten nnd blutigsten Verfolgungen. Von ihr sind alle Segnungen ausgegangen, nicht nur für den einzelnen Menschen, der darin Heil und Friede, neue Lebenskraft und freudigen Lebensmut gefunden hat, sondern auch für die Kullurentwicklung der Welt. Wenn man den Menschen als ein Tier betrachtet, das unter der Herrschaft seiner sinnlichen Triebe und In stinkte steht, ohne Freiheit des Willens, ist eine wahre, die soziale und sittliche Entwickelung fördernde Kultur nicht möglich. Es können wohl durch die Intelligenz große, prächtige Werke der Kunst, der Wissenschaft und Technik erstehen, wie sie auch die heidnische Kulturwelt hervorbrachte, aber dieser Kultur fehlte der sittliche Charakter, der zur wahren Kultur gehört. Die große Masse des Volkes schmachtete in Sklaverei unter der Herrschaft der wenigen Reichen und Mächtigen, lebte in Sklavenzwingern, die oft schlechter waren als bei uns die Ställe für das Vieh. Aus sich selbst hat kein Volk, keine Religion und keine Intelligenz der Weisen der heidnischen Kulturwelt die christliche Anschauung vom Menschen, von seinem persönlichen Wert und seiner Würde, von seinem Anspruch auf Freiheit, auf sittliche Entwickelung seiner Persönlich keit hervvrgebracht. Das ist lediglich eine Frucht des Christentums und seiner Auswirkung durch die Kirche. Wird die Kirche und mit ihr das Christentum ausgeschaltet, so tritt an ihre Stelle die naturalistische Weltanschauung, d. h. der Mensch mit seiner sinnlichen Natur wird souverän, die Auslebung und Auswirkung dieser tierischen Art wird die Lebensaufgabe, deren Impuls die Selbstsucht auch in Gestalt des Altruismus ist, der die Interessen des Nebenmenschen berücksichtigt, sofern das auch zum eigenen Wohlsein dient. Den Beweis für diese Ent wickelung bietet die Geschichte aller Völker, in der die naturalistische Weltanschauung herrschte; sie hat überall, auch über die Höhen einer in Kunst, Literatur und Staatskunst sich manifestierenden Kultur in die Ab gründe sittlichen Verderbens und der Menschenverachtung geführt, in welcher sie ihren Untergang fand. Auf der Höhe ihrer Kultur sind diese Völker untergegangen. Das Christentum aber mit seiner Gottes- und Menschenliebe hat den Grund gelegt zn einer fort schreitenden Höherentwickelung der Menschheit. Durch die Ausgießung des heiligen Geistes ist das Christcn- tum in die Welt getreten; es ist dadurch der tatsäch liche Protest gegen den naturalistischen Materialismus und hat das Geistesleben erst zu seiner persönlich sitt lichen Bedeutung emporgehoben und dadurch die mächtigsten Impulse für das ganze Kulturleben ge- Nichtamtlicher Teil. geben, auf allen Gebieten im sittlichen Leben wie in der Wissenschaft, der Kunst und Literatur. Deshalb muß es die höchste Ausgabe sein für Staat und Ge sellschaft, das Volksleben mit dem göttlichen Geiste zu erfüllen, aber nicht in verhängnisvoller Verblendung diesen Geist von oben aus der Erziehung, der Schule und dem Volksleben zu entfernen. O heil'gcr Geist, bereite ein Pfingstfest nah und fern! —baMi. Politische Tagesübersicht. Der Kaiser hielt am Mittwoch vormittag die herkömmliche Frühjahrsparadc über die Truppen der Garnison Potsdam im Lustgarten zu Potsdam ab. Die Parade machten der Kronprinz, Prinz August Wilhelm, die Söhne des Prinzen Friedrich Leopold von Preußen und Prinz Georg von Griechenland im ersten Garderegiment z. F. mit. Prinz Eitel Friedrich führte die Leibschwadron des Leibgardehusaren-Regiments. Die Kaiserin mit der Prinzessin Viktoria Luise, sowie die Kronprinzessin nebst ihren zwei ältesten Söhnen sahen dem militärischen Schauspiele vom Stadtschlosse aus zu. Der Parade wohnten auch der Gencralscldmarschall Prinz Leopold von Bagern, zahlreiche Generäle, die fremden Militär attaches u. s. w. bei. Gegen 1 Uhr fand im Stadt schlosse Paradetafel statt. Am gleichen Tage wurde in Potsdam ein Blumentag unter dem Protektorat der Prinzessin August Wilhelm abgehalten. Der Kaiser beglückwünschte in einem Dankschreiben den Reichskanzler zu seinem Erfolge bei Verabschiedung der reichsländischen Verfassungsgesetze und der Reichs versicherungsordnung und übersandte ihm sein Bildnis. Staatssekretär Delbrük erhielt das Großkreuz des Noten Adlerordens. Der Kaiser hat in einem Handschreiben an den Bischof Keppler von Nottenburg diesem seine Anerkennung ausgesprochen über den Inhalt des vom Bischof heraus gegebenen Buches „Mehr Freude", das philosophisch theologischen Inhalts ist. Zugleich teilte, der „T. N." zufolge, der Kaiser dem Bischof mit, daß er das Werk seilten Predigern zum Studium empfohlen habe. Er werde es gern hören, wenn über die Themen, die in diesem Buche behandelt werden, in demselben Geiste Predigten gehalten werden. Sc. Majestät der König Friedrich August begab sich am Donnerstag früh mit Automobil nach Großenhain, wohnte den Besichtigungen der 2. rind 8. Eskradon des Husaren-Negiments bei und kehrte nachmittags nach Wachwitz zurück. Der König gedenkt am 10. Juni in Leipzig die Parade Uber die dortige Garnison abzunehmen. Der Neichdtagsabgeorduete Kirsch ist am Mittwoch früh, also gerade am letzten Tage des Zusammensein des Reichstages, in Düsseldorf im Alter von 64 Jahren ge storben. Der Verstorbene war Mitglied der Zentrums- parteßervertratdenWahlkreisDüsseldorfseit 1898imNeichs- tage und bereits seit 1898 im preußischen Abgeordnetenhause. Die K'rcioshuvdc Berlin-Kölu-Stadt hat ciue Resolution angenommen, in der an den evangelischen Oberkirchen rat die Bitte gerichtet wird, die Verfügung des Konsistoriums in der Iatho-Angelegenheit aufzuheben. Der Generaldirektor der Hamburg - Amerika - Linie Ballin ist aus Anlaß seines 25 jährigen Jubiläums als Leiter der Gesellschaft von der Technischen Hochschule iu Charlottenburg zum Ehrendoktor ernannt worden. Oesterreich-Ungarn. Der Gesundheitszustand des Kaisers Franz Josef flößt seiner Umgebung neue Besorgnisse ein. Der greise Monarch >vll in den letzten Tagen bei einer in Gödöllö unternommenen Ausfahrt von einem Gewitterregen über rascht und völlig durchnäßt worden sein, sodaß seine Ab reise von Gödöllö möglicherweise einen Aufschub erfährt. - König Ferdinand von Bulgarien weilte dieser Tage aus der Durchreise in Wien. Er hatte mit dem österreich ungarischen Minister des Auswärtigen Grafen Aehrcnthal eine längere Unterredung, welche in der Hauptsache der politischen Lage auf der Balkanhalbinsel gegolten haben soll. Frankreich. Im französischen Kabinett sollen „Unstimmigkeiten" wegen Marokkos herrschen. Es ivird versichert, daß in einer der letzten Ministerratssitzungen Marineminister Delcassä, der frühere Minister des Aeußern, die Marvkkv- politik seines jetzigen Nachfolgers im Pariser Auswärtigen Amte, Eruppi, abfällig kritisiert und namentlich die Expedition nach Fez als übereilt getadelt habe. Portugal. Die am 28. Mai vollzogenen Wahlen zu den por tugiesischen Cortes haben der republikanischen Negierung einen vollständigen Sieg gebracht. Jetzt darf man wohl behaupten, daß die Monarchie in Portugal endgültig gestürzt ist. — Die diplomatischen Beziehungen zwischen Portugal und dem Vatikan sollen pvrtugiesischerscits wegen der Enzyklika des Papstes gegen das portugiesische Trennungsgesetz abgebrochen worden sein. Marokko. Die Franzosen beginnen sich in Fez häuslich einzu richten. Es werden dort von den eingerückten französi schen Truppen fünf Kompagnien Infanterie, eine Batterie Artillerie, eine Schwadron Kavallerie, sowie ein Feld lazarett „vorläufig" in der marokkanischen Hauptstadt bleiben. 15 000 Mann sollen zur Sicherung der Ver- bindilng zwischen Nabal und Fez, sowie zur Pazifizierung dieses Gebietes Verwendung finden. — Der Meinungs austausch zwischen Frankreich und Spanien wegen Marokko soll in nicht sonderlich befriedigender Weise fortschreiten, da die französische Negierung einen anderen Standpunkt einnimmt als die spanische Regierung. Deutscher Werchstug. Der Reichstag ist am Mittwoch in seine Sommcrferien ge gangen, nm dann am 10. Oktober zu feiner letzte» SitznngSperiode, die natürlich nur kurz sein kann, nochmals znsammenzntrcteu. Der lebte Vcrhandlnngstag des NcichsparlamcntS vor der sommer lichen Ruhepause bestand formell ans drei besonderen Sitzungen. In der ersten nahm das Haus dcu Antrag der verbündeten Negier- nngcn ans Vertagung bis znm 11. Oktober an, dan: trat man in die zweite Lesung des deutsch-schwedischen Handelsvertrages an und wurde der Vertrag angenommen. Nach einer dreivicrtcl- stüudigcn Pause begann eine neue Sitzung. Dcbattelos wurden in ihr der Gesetzcntwnrf betreffs provisorischer Ncgclnng der dcntsch-japanischen Handelsbeziehungen, die Vorlage über die Ge- Währung besonderer Diäten für die Herbstsessiou und der Gesetz, entwnrf betr. die Fuhr- nnd Nmzugskostcn der Kolonialbeamten in zweiter Lesnng genehmigt. Schliesslich fanden noch die am Dienstag an die RcichSkommission zuriickverwicsenen Bestimmungen des Einfnhrnngsgesctzes der Rcichsversichcrungsordnnng, betr. die AnstcllnngSverträge der Ortskrankenkassen, in der neuen Kom- missionsfassnng nach kurzer Diskussion Annahme. ES trat jetzt eine abermalige Panse ein. In der alsdann folgenden dritten und letzten Sitzung wnrden das Einführnngsgesetz znr NeichSversicher- nngsordnnng, der dcntsch-schwcdischc Handelsvertrag, die Vorlage betr. provisorische Regelung der deutsch-japanischen Handelsbezieh ungen, die Novelle znm Zündwarenstenergesetz das Hcrbstdiäten- gesetz und noch mehrere andere Sachen in dritter Lesnng definitiv nnd dcbattelos angenommen. Präsident Graf Schwerin sprach unn den Abgeordneten für ihre bekundete Ausdauer iu den parlamentarische» Geschäfte», dem Vizepräsidenten, den Schrift führern nnd den NeichStagSbeamten feinen Dank ans. Hieranf verlas der Reichskanzler v. Bethmann-Hollweg die allerhöchste Kabinettsorder über die Vertagung des Reichstages, das vom Präsidenten ansgebrachte traditionelle Hoch auf den Kaiser beschlos; die Tagung.