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Naunhofer Nachrichten Die Naunbofer Nachrichten erscheinen jeden Dienstag, Donnerstag und Sonnabend Nachmittag 5 Uhr mit dem Datum deS nachfolgenden Tages. Schlup ver Anzeigenannahme : Vormittag li Uhr nm Tage deS Erscheine«-. 23. Jahrgang. Freitag den 18. Oktober 1912. Nr. 124. Mit einer vierseitige» Illustrierte« Go««tag»heilaOe Bezugspreis: Frei tnS HauS durch Austräger Mk. 1.20 vierteljährlich. Frei inS HauS durch die Post Mk. 1 80 vierteljährlich. Ortsblatt für Albrechtshain, Ammelshain, Belgershain, Beucha, Borsdorf, Eicha, Erdmannshain, Fuchshain, Großsteinberg, Kleinsteinberg, Klinga, Köhra, Lindhardt, Pomßen, Staudnitz, Threna und Umgegend. Ankündigungen: Für Inserenten der AmtShauptmann« schäft Grimma 12 Pfg. die fünfge- spaltcne Zeile, an erster Stelle und für Auswärtige >5 Pfg- Bei Wiederholungen Rabatt Verlag «nd Druck: »ü«z är Eule, Naunhof. Redaktion: »ssterl Gün-, Nmuchsf. Amtliches Seefisch-Verkauf. Der Berkaus von Seefische» zu Selbstkosten preisen erfolgt von jetzt an regelmäßig Freitags nchmttW von 5 W ab nab Sonnabends nchMags van 4 W ab im Tpritzenhause soweit der Vorrat reicht. Es wird dafür gesorgt, daß jetzt der Verkauf auch Sonnabends stattfindet. 1 Weitere Bekanntmachungen werden nicht erlassen. Naunhof, am 17. Oktober 1912. Der Bürgermeister. Der friecle von Ouchy Der 1b. Oktober 1912 hat gleichzeitig Friede und Krteg gebracht: Die Türkei hat in Ouchy die Be dingungen der Italiener angenommen und ihnen Tri- politamen überlasten, gleichzeitig aber von Bulgarien, Serbien und Griechenland für die beleidigende Form der gemeinsamen Note „Genugtuung binnen 24 Stunden" ver langt. Jetzt drehen die Türken also den Spieß um und wenden sich wie ein wütender Eber gegen den neuen Feind. Dieser. Krieg, soviel ist kl«, wird nicht biL -um November 1913 dauern, nicht über ein Jahr, wie der türkisch-italienische: und er wird viel, sehr viel blutiger sein. Die Bulgaren find vielleicht die einzigen, die ganz darauf gefaßt waren. Sie sagen: „Und wenn 10V000 Bulgaren erschlagen werden, waS macht es, sobald nur die Balkanhalbinsel von den Türken befreit wird!" Für den türkischen Aufmarsch, namentlich gegen Griechenland, bedeutet die neue Lage eine wesentliche Erleichterung. Zur See, die jetzt nicht Mehr von der italienischen Flotte bedroht wird, können in 18 Stunden Truppen von Smyrna nach Saloniki gebracht werden. Die Mobilisation von 1897 kann sich einfach wiederholen. Außerdem sind die Türken jetzt, was damals nicht der Fall war, in der Lage, auch die griechische Flotte selbst anzugreifen. Die beiden in Deutschland angekauften Linienschiffe „Barbaroß Hairedin" und „Torgut Reis", die von 1891 stammen, also noch verhältnismäßig modern find, führen sechs schwere 28 Zentimeter-Geschütze, während Griechenland nur Schiffe mit drei Geschützen annähernd dieser Größe besitzt, die älter und schwächer gepanzert find. Auch das übrige Material ist, abgesehen von den aller neuesten Erwerbungen Griechenlands, in der Türkei stärker, und die Gesamttonnage der griechischen erheblich überlegen. So werden wir also einen Seekrieg erleben können, wenn auch nur in bescheidenen Grenzen. Völlig ins Wasser gefallen sind verschiedene monte negrinische Hoffnungen durch die Unterzeichnung der Friedenspräliminarien. Auf den lieben und wohlhabenden römischen Schwiegersohn, den König von Italien, der schon einmal eine ganze Batterie Schnellfeuergeschütze nebst Munition stiftete, hat man doch stark gerechnet und eine italienische Landung an der albanischen Küste in den Bereich der Berechnungen gezogen. Am wenigsten ist vielleicht iu Serbien und Bulgarien auf eine Ablenkung der türkischen Streitkräfte durch italienische Angriffe ge zählt worden: man weiß hier, daß man den Hauptstoß aufzufangen hat und ist zu Sieg oder Untergang bereit. Die türkisch-italienischen Friedensbedingungen selbst find in ihren großen Zügen schon bekannt geworden. Die Türkei tritt zwar offiziell Tripolitanien und die Cyrenaika an Italien nicht ab, sondern gibt die beiden Provinzen nur „frei", aber sic zieht ihre eigenen Truppen — viel mehr als MOV Mann werden es nicht sein — zurück und richtet an die Araber eine Proklamation, daß sie sich in die neue Lage der Dinge finden möchten. Die Italiener geben die Besetzung der türkischen Inseln auf, erkennen die religiöse Oberhoheit des Kalifen über die Mohammedaner Tripolitaniens und der Cyrenaika an und zahlen eine große Abfindungssumme „für die Staatsgüter in Nord- afrika" an die Türkei. Die Türken kommen also mit einem blauen Auge davon und können überdies den neuen Krieg, den eigentlichen Kampf um die Existenz, mit ge füllten Kassen beginnen. Aber auch die Italiener sind heilfroh: seit Menschenaltern der erste Krieg, in dem sie keine Schläge bezogen haben, und ein großes Stück von Nordafrika im Besitz. Jetzt sind sie wirklich Mittelmeer macht, wo sie sich »wischen England und Frankreich ein geschoben haben. Es mag für viele nur noch fraglich sein, ob die Lürken in Tripolitanien dem Befehl und die Araber dem Rat folgen werden. Möglich wäre es immerhin, daß der Krieg auf eigene Faust fortgesetzt wird und Italien daher noch jahrelang zu tun hat, wenn Enver Bey etwa nicht weichen will. Aber an der Zugehörigkeit de» Landes zu Italien ist nicht mehr zu rütteln. Es gäbe nicht mehr zwei kriegführende Parteien, sondern nur noch den Herrn und die Aufständischen. Der italienische Ministerpräsident Giolitti kann sich gratulieren; gratulieren kann sich aber auch das italienische Volk, das zum größten Teile be geistert diesem Kriege zugejubelt hat und „Durchhalten!" als Parole nahm. Friedensbedingnnge«. Der Präsident des türkischen StaatSratS, Kiamil Pascha, hat sich in einer Unterredung über die Bedingungen geäußert, unter denen sich die türkischen und italienischen Friedensunterhändler geeinigt haben. Die Bedingungen lauten danach: 1. Die Cyrenaika und Tripolis werden zur Ausführung der Friedensbedingungen als eine Provinz erachtet. 2. Italiens Oberherrschaft wird anerkannt, aber der Sultan wird durch einen Vertreter Gerichtsbarkeit über die mohammedanischen Bewohner ausüben. Dieser Ver treter wird Schemschedin-Beh der frühere türkische Gesandte in Persien, sein. 3. Ihm werden eingeborene Kadis unter stehen, ähnlich wie in Ägypten. 4. Die Türkei wird ihre Truppen in Tripolis und Cyrenaika sofort zurückziehen. S. Italien wird sofort die besetzten türkischen Inseln räumen, und die italienische Flotte wird das Ägäische Meer verlasten. 8. Italien muß das Jnvere von Tripolis selbst beruhigen. 7. Italien wird sich mit den anderen Großmächten vereinigen, um den Krieg auf dem Balkan schleunigst zu beenden. 8. Italien wird einen jährlichen Betrag an die Türkei entrichten, besten Höhe noch nicht festgesetzt ist. indessen wird keine Kriegsentschädigung in runder Summe bezahlt. Kiamil Pascha, der schon mehrere Male Großwesir war und auch augenblicklich wieder trotz seines hohen Alters von über 80 Jahren eine sehr maßgebende Stelle am „Goldenen Horn" einnimmt, meinte weiter, der Friedensschluß käme zu spät, um starke Wirkungen auf den Balkankrieg zu haben. Der Krieg gegen die kleinen Balkanstaaten sei in Wirklichkeit ein Kampf, den die Türkei für Österreich und Rußland auSkämpfe. Wenn die Türkei gewinne, gewinne Österreich, wenn die Türkei ver liere, gewinne Rußland Revolverattentat auf Roosevelt. Der Expräsident leicht verletzt. Newyork, 15. Oktober- In Milwaukee ist gestern «in Attentat auf den Expräfidenten Roosevelt verübt worden. Ein Sozialist gab in dem Augen blick, als Roosevelt von seinem Hotel zu einer Versammlung ging, auf der Straße einen Revolverschuß auf ihn ab. Der Schuß verletzte ihn jedoch nur leicht an der Brust, da das Geschoß von dem Manuskript der Rede Roosevelts auf- gehalten wurde. Die Menge wollte den Attentäter lynchen, Roosevelt beruhigte sie jedoch, so daß der Täter, der sich Shrank nennt, verhaftet werden konnte. Trotz der Verwundung begab sich Roosevelt, ohne den Aerzten zu gestatten, die Wunde zu untersuchen, in eine Versammlung, wo er fast eine Stunde redete. Infolge des großen Blutverlustes mußte er schließlich seine Rede unterbrechen und wurde in das Krankenhaus gebracht. Die Aerzte stellten fest, daß keine unmittelbare Gefahr bestehe. Da es den Aerzten bisher nicht gelang, den Sitz der Kugel zu ermitteln, wurde eine Durchleuchtung Roosevelts mit Röntgen strahlen vorgenommen. Roosevelt konnte das Krankenhaus ohne Beistand bereits wieder verlasten und ist nach Chikago abgereist. Bei seiner Abreise erklärte er, es gehe ihm sehr gut. Die Kugel sitzt in einer Brustseite, hat aber die Lunge nicht verletzt. Der Attentäter hielt bet seiner Verhaftung wirre Reden, so daß man glaubt, es mit einem Irrsinnigen zu tun zu haben. Roosevelt wurden natürlich in der Versammlung, in der er unmittelbar nach dem Attentat sprach, begeisterte Ovationen dar gebracht. Das Attentat dürfte überhaupt seine Popularität noch bedeutend steigern. Während der Rede erklärte Roosevelt mehrmals: „Ich will diese Rede halten oder sterben, eines oder das andere." Roosevelt sprach über eine Stunde und meinte: „Ich kümmere mich keinen Deut darum, ob ich augeschofsen werde. Es ist schon mehr nölig, um einen „Elchbullen" zu tüten. Ich habe zu viel wichtigere Dinge im Kopf, um mich um den eigenen Tod zu kümmern. Keiner führte ein glücklichere» Leben als ich. Der Täter war ein Feigling; er schoß auf mich aus der Dunkelheit, als ich die Menge begrüßte." Dann legte er seinen Gegnern, nicht allein den Sozialisten, auch Wilson und Tafts Anhängern, das Attentat zur Last. Der Täler soll, wie man festgestellt haben will, ein ein gewanderter Slawe, kein Amerikaner sein. Er ist sehr wort karg, gibt nur selten eine wirre Auskunft und will einer sozialistisch-revolutionären Verbindung angehören. — Bei seiner Ankunft in Chikago wurde Roosevelt ins Hospital gebracht. ^arlwaUs Nachfolger. Fürst v. Lichnowsky Botschafter in London. kr. Berkin, 16. Oktober. Der durch den Hingang des Freiherrn Marschall v. Bieberstein erledigte Botschafterposten des Deutschen Reiches am englischen Hofe ist neu besetzt. Halbamtlich wird bekannt gegeben, daß Fürst v. Lichnowsky die Vertretung der Reichsregierung in London übernimmt. Damit sind die seit Marschalls Tode andauernden Ge rüchte und Vermutungen in dieser wichtigen politischen Frage erledigt. Kark Max, 6. Fürst o. Lichnowsky, Graf zu Werden- berg, Edler Herr v. Woschütz und Derr auf Grätz bet Troppau in Österreich - Schlesien, ist geboren am 8. März 1860, zurzeit also 52 Jahre alt. Er ist erbliche» Mitglied des preußischen Herrenhauses und Königlich preußischer Major a ls 8u1te der Armee, besitzt die Würde eines Kaiser!. Wirft. Geheimen RatS, eines Kaiser!, und König!, außerordentlichen Gesandten und Ministers a. D. Die Familie gehört dem schlesischen Uradel an und ist katholisch. Verheiratet ist der neue Botschafter seit 1904 mit Mechthilde geborenen Gräfin v. Arco-Ztnneberg. Der Vater deS jetzigen Fürsten v. Lichnowsky war der 1901 verstorbene preußische General der Kavallerie Fürst Karl o. Lichnowsky. Dessen Bruder und Vorgänger in der Fürstenwürde, Felix v Lichnowsky, wurde 1848 von Ratibor in die Deutsche Nationalversammlung zu Frankfurt a. M. entsandt, gehöre zu den glänzendsten Rednern der Rechten. Er wurde beim Aufstand am »8. September 1848 nebst dem Grafen Auerswald auf der Bornheimer Heide erschlagen, ei« Vorgang, der damals ungeheures Aufsehen hervorrief. Die Ernennung des früher als Vortragender Rat im Auswärtigen Amt beschäftigten Fürsten znm Botschafter war schon längere Zeit in der Schwebe: der Besuch, den der Reichskanzler am 8. September d. I. dem Fürsten auf seinem Sitz Grätz abstattete, stand damit in enger Be- »iebung. — Die OUrke» macht Ernst. Im Augenblick, wo der Friede zu Ouchy zustande ge kommen ist und die Türkei den Rücken frei hat, gibt sie mit einem Schlage ihre bisherige abwartende Haltung auf. Die scheinbare Ruhe am Goldenen Horn ist einer fieberhaften Tätigkeit gewichen, und gleich wie Keulen- schlüge fahrest die brüsken Anordnungen der Hohen Pforte zwischen die Balkanstaaten. Nun wird es wirklich Ernsts und große Ereignisse, die sich wesentlich von dem frucht losen Geplänkel an der montenegrinischen Grenze unter scheiden werden, stehen unS vielleicht schon in den nächsten Tagen bevor. Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Die erste und bedeutsamste Maßregel der türkischen Regierung ist der Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu den drei Balkanstaaten und die Abberufung der türkischen Gesandten. Konstantinopel, 18 Okt Dir Pforte hat beschlossen, ihre Gesandten tn Sofia, Belgrad und Athen mit ihrem Personal abznberusen und nur einen Sekretär zur Be wachung der Archive zurückzulasse»». Die Maßnahme wird seitens der Türkei für Sofia und Belgrad damit begründet, daß Bulgarien und Serbien die bekannte Note übermittelten, für Athen damit, daß Griechenland in der Kammer die kretischen Abgeordneten -uließ. Der griechische Minister des Nutzern telegraphierte an den türkischen Minister des Nutzern Noradunghian und ersuchte ihn, dem türkischen Gesandten in Athen An weisung zu geben, die zurückgewiesene Note anzunehmen. Noradunghian antwortete, Griechenland könne die Note durch seinen Gesandten in Konstantinopel überreichen lassen. Keine offizielle Kriegserklärung. Dtan ist tn Konstantinopler offiziellen Kreisen der Ansicht, daß «S angesichts der gesamten Lage vollkommen überflüssig ist, erst eine offizielle Kriegserklärung zu er lassen. Mann betrachtet den Kriegszustand bereits als be stehend. Die Kriegsnachrichten der Konstantinopler Zeitungen unterliegen von jetzt ab der strengsten Zensur. Der türkische Ministerrat beschloß, den Botschaftern im Ausland mitzuteilen, die Pforte lehne nicht nur die Forderungen der Balkanstaaten ab, sondern bettachte sie alS Beleidigung, die Genugtuung erfordere. Ferner hat die Regierung den Beschluß gefaßt, die Note der Balkan- stauten überhaupt nicht zu beantworten. BergeltungsmastregeU» gegen Griechenland. Die Griechen haben die Türken entschieden am meisten beleidigt, indem sie die kretischen Abgeordneten zur Kammer zugelaffen. Die Türket hat schon lange vor den jetzigen Ereignissen keinen Zweifel darüber gelassen, daß sie eine solche Maßnahme al- schwere Verletzung ihrer Oberhoheit über Kreta auffassen und als KriegSgrund betrachten müsse. Der türkische Minister deS Nutzern Noradunghian bat daher auch dem ariechische» Gesandten, der am