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Naunhofer Nachrichten : 22.09.1912
- Erscheinungsdatum
- 1912-09-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1787848183-191209220
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1787848183-19120922
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1787848183-19120922
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Naunhofer Nachrichten
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-09
- Tag 1912-09-22
-
Monat
1912-09
-
Jahr
1912
- Titel
- Naunhofer Nachrichten : 22.09.1912
- Autor
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Alle schmutzigen Banknoten, welche die Reichsbank in Bertin passieren, werden hier ausgesondert und aus dem Verkehr gezogen. Man packt sie bankmäßig zu 1000 Stück, bringt sie dann unter eine Stanze und schlägt ein stern förmiges Loch durch das ganze Paket. Diese entwerteten Banknoten werden in einem besonderen Tresor aufbewahrt, bis unter strenger Aufsicht wieder einmal in dem Ver brennungsofen der Reichsbank Wertpapiere durch Feuer ver nichtet werden. Furchtbar aber ist der Geruch oder richtiger gesagt der Gestank, welcher aus jenem Tresorschrank heraus schlägt, wenn man die Flügeltüren öffnet. Dann erst kann man sich einen Begriff davon machen, wieviel Schmutz auf diesen ausrangierten Kassenscheinen sitzen muß. Auch unser Metallgeld wird durch den Gebrauch sehr schmutzig, und ein abscheulicher Geruch entwickelt sich in den Zählkaffen der Banken und großen Verkehrsinstitute (Eisen bahn, Straßenbahnen, Omnibusgesellschaften), wo das massen haft eingegangene Kleingeld gezählt und in Rollen verpackt wird. Die Zähler dürfen auch nicht die kleinste offene Wunde an den Händen haben, da sonst sehr leicht eine Blut vergiftung bei ihnen etntreten kann, und schon im eigenen Interesse waschen sie sich in kurzen Zwischenräumen immer wieder die Hände mit desinfizierenden Mitteln, B. mit Schwefelseife. Es ist schon vielfach in Erwägung gezogen worden, ob man nicht auch unser Metallgeld öfter reinigen und des infizieren sollte. Man ist aus Angst vor Ansteckungsgefahr sonst eifrig besorgt, möglichst hygienisch bei allen Dingen des Verkehrs zu verfahren, warum nicht auch beim Geld- vcrkehr. Das Waschen des Papiergeldes dürfte der erste Schritt zur Besserung auf diesem Gebiete sein, vorausgesetzt, daß diese Wäscherei sich bewährt. Vermischte Nachrichten. O Außerordentliche Aushebung der Schonzeit für Wild wird aus verschiedenen Landratsamtsbezirken ge meldet. In vielen Jagdordnungen heißt es nämlich, daß beim Feststellen von Wildschäden erheblicher Natur auf Antrag der Ersatzpflichtigen oder der Jagdberechtigten die Jagdpolizeibehörde sowohl für den betroffenen als auch nach Bedürfnis für den benachbarten Jagdbezirk die Schonzeit der schädigenden Wildgattungen für einen be stimmten Zeitraum aufzuheben hat und die Jagdberechtigten zum Abschuß aufzufordern und anzuhalten sind. Da im Laufe dieses Sommers das Wild in manchen Gegenden besonders stark auf die Felder übergetreten ist, um hier Nahrung zu suchen, so wurde die Schonzeit in einer ganzen Anzahl Bezirke auf die Dauer von gewöhnlich drei Wochen aufgehoben. 0 Mißgeschick eines jugendlichen Manöverbummlers. Ein Aufseher des Fregestifts in Abtnaundorf bei Leipzig fand einen völlig ermatteten, etwa 13jährigen Knaben vor der Tür eines Gasthofes. Der Knabe wurde in ein Krankenhaus gebracht. Es wird angenommen, daß der Junge während der sächsischen Manöver den Soldaten nachgelaufen, dann umhergeirrt und schließlich vor Hunger und Mattigkeit zusammengebrochen ist. Der Knabe hat anscheinend einen Nervenschlag erlitten, denn er ist der Sprache nicht mehr mächtig. o Eine Kette von Unglücksfälle». Vor zwei Tagen wurde in Gelsenkirchen von der Straßenbahn ein Friseur überfahren und geltet, der einige Zeit vorher aus un bekannten Gründen auk Wesel geflüchtet war. Beim Transport der Leiche nach Wesel wurde der Leichenwagen von einem Automobil überrannt, die Wagenpferde wurden getötet und der Chauffeur lebensgefährlich verletzt. Bei der Beerdigung der Leiche des Friseurs in Wesel schließlich geriet ein Kind unter den Leichenwagen und erlitt so schwere Verletzungen, daß es nach kurzer Zeit starb. s 24 Opfer der Blutrache. In dem korsischen Dorfe Ouerciolo wurde der Hufschmied Bergotti meuchlings er schollen. Als Mörder wurde der dem Zuchthause ent sprungene Sträfling Paoli erkannt, der seit seiner Ent weichung aus dem Gefängnis und seit der Rückkehr in den „Busch" die Gegend mit Schrecken erfüllt. Er übt er barmungslose Blutrache an allen Personen, die seinem Nebenbuhler Sanninetti Unterschlupf gewähren, und Bergotti ist das 24. Opfer, das seinem unstillbaren Blut durst gefallen ist. S Der Buchstabe des Schweizer Gesetzes. Dieser Tage sollte ein erkrankter Berliner Kurgast von Schuls im Unterengadin schnell in die Heimat geschafft werden. Als daS Münchener Sanitätsauto, das ihn später nach Inns bruck zur Bahn brachte, an die Schweizer Grenze bei Martinsbruck kam, wurden vier Pferde daran gespannt, die den Kraftwagen bergauf, bergab die 25 Kilometer bis fu dem bekannten Kurort zogen. Denn in Graubünden ist jeglicher Autom-bilverkehr untersagt. Also ging es wieder mit vier Pferden vor dem Auto von Schuls nach Martinsbruck zurück, und erst auf Tiroler Boden konnte daS Automobil die eigene Kraft ausnützen. Der Buch stabe des Gesetzes war erfüllt — mochte es dem Kranken gehen, wie es wollte! o Die diesjährige Weltproduktion an Kaffee wird auf 16 Millionen Sack von je 60 Kilogramm berechnet. Etwa 12 Millionen davon erzeugt allein Brasilien. Der meiste Kaffee dort wird im Staat Sao Paulo erzeugt, bei nahe neun Millionen Sack. An dem dortigen Kaffeehandel sind deutsche Firmen hervorragend beteiligt. Im letzten Jahre haben deutsche Dampferlinien etwa drei Millionen Sack Kaffee aus Brasilien ausgeführt. BreSlau, 20. Sept. Die bisherigen Vorstandsmitglieder des Vorschußvereins in Großneundorf, Strietzel und Blasig, wurden verhaftet. Die Verhafteten haben, wie jetzt fest- gestellt ist, 637 000 Mark Genossenschaftsgelder unter schlagen und verspekuliert. Posen, 20. Sept. Beim Spielen mit einem Revolver wurde eine Frau Kulczak in Brzezie bei Gostyn von ihrer achtjährigen Tochter erschossen. Die Frau hinterläßt sieben kleine Kinder. Heidelberg, 20. Sept. Bei der Bürgermeisterei Auerbach wurde Anzeige erstattet, daß der Lehrer Haertel den neun jährigen Schüler Speckhard derart geprügelt hat, daß er an den Folgen gestorben ist. Untersuchung ist eingeleitet. Dortmund, 20. Sept. Die neue Beschwerde des Bank direktors Ohm gegen seine Überführung in Strafhaft ist vom Justizminister abschlägig beschießen worden. Er bleibt demnach in Strafhaft zu Werl. Dortmund, 20. Sept. Im Kanal in Lindenhorst wurden die Leichen zweier Frauen im Alter von 30 und 60 Jahren aufgefunden. Es handelt sich um die Frau des Bergmanns Köster und ihre Mutter. Unglückliche Familienverhältniffe dürften die Ursache des Doppelselbstmordes sein. Düsseldorf, 20. Sept. An der Kaserne des Füsilier- Regiments Nr. 39 wurde der Unteroffizier Koppen von der Maschinengewehrabteilung und seine Braut er schossen aufgefunden. Koppen hatte das Mädchen mit dessen Einwilligung erschossen. Der Grund liegt in traurigen Familienvcrhältnissen der Braut. Köln, 20. Sept. Hier hat der Schlaffer Wagner die von ihrem Mann getrennt lebende Eheflau Berger, mit der er längere Zeit zusammengelebt batte, aus Eifersucht mit einer Feile erstochen. Er durchschnitt sich darauf selbst die Pulsadern. London, 20. Sept. Das lenkbare Luftschiff „Gamma" ist bei der Rückkebr von den Manövern in der Nähe von Devizes abgestürzt. Verunglückt ist niemand. Rom, 20. Sept. Bei einem Erkundungsfluge fiel der Apparat des Leutnants Bongiovanni aus 50 Meter Höhe zu Boden. Die Maschine wurde vollständig zertrümmert, der Offizier wurde sterbend in das Hospital von Udine ge schafft. Amsterdam, 20. Sept. Das Opfer eines Riesen betruges ist die hiesige Bank Ontvang u. Betaalkas ge worden. Ein Großspekulant Hiffink kat es verstanden. Wechsel in Gesamthöhe von etwa 750 000 Mark bei der Bank eskomptieren zu lassen, für die nur zum geringsten Teil Deckung vorhanden war. Madrid, 20. Sept, Ein Automobilomnibus, der den Dienst zwischen Artern und Segre versieht, stürzte infolge Versagens der Steuerung in einen Graben. 16 Passagiere wurden verlebt, davon acht schwer. Astrachan, 20. Sept. Seit dem Ausbruch der Pest sind im Gouvernement Astrachan 53 Personen erkrankt. Davon sind 39 gestorben und 4 genesen. Bilbao, 20. Sept. Bei.'der Station Usausolo hat sich ein Eisenbahnzusammenstoß ereignet, bei dem 22 Per sonen verlebt wurden, davon drei schwer. Washington, 20. Sept. Das erste amerikanische Kriegs schiff wird den Panamakanal voraussichtlich am 15. Oktober 1913 durchfahren. Der Erbauer oes Kanals, Oberst Goethals, schätzt die Baukosten auf 375 Millionen Dollar. Londoner Nachtbankcn. Jetzt sollen in London Nachtbanken eingeführt werden. Es handelt sich um Banken, die ohne jede Unterbrechung und Ruhepause, also sowohl bei Tag als auch bei Nacht, geöffnet bleiben und alle Geschäfte einer gewöhnlichen Bank abwickeln. Die Banken dieser Art haben natürlich, wenigstens was die Nachtarbeit angeht, eine ganz besondere Kundschaft. Zu nächst sollen die neuen Banken fast alle in dem vornehmen Zentrum von London erstehen, in dem Stadtteil, in welchem die besuchtesten Hotels, die größten Restaurants und die beliebtesten Vergnügungsstätten sich befinden. Dann sind diese Banken hauptsächlich für die Besitzer von Nachtetablissements gegründet; diese Herren und Damen werden es als eine besonders schätzbare Erleichterung enwfinden, wenn sie jeden Augenblick die Tages- oder Nachteinnahme werden einzahlen können, ohne größere Summen bis zum nächsten Morgen im Hause behalten zu müssen. Und drittens sind die neuen Banknebenstellen ein wahres Glück für die Damen der vornehmen Welt, die ihre Juwelen wenige Stunden vor dem Augenblick, in welchem sie sie anlegen wollen, aus den Stahlkammern werden holen können, um sie bald nach dem Gebrauch von neuem zu deponieren. Wetteffen der „schweren Jungeus". Eine echt ameri kanische Veranstaltung fand dieser Tage in Newyork statt. Eine politische Vereinigung hatte ein Wetteffen arrangiert, an dem sich ihre schwersten Anhänger beteiligen mußb.n. Derjenige, der die meisten Beefsteaks vertilgen konnte, sollte als Sieger gelten. Ungefähr 1600 Personen sahen zu, und Alderman Frank Dotzler, der 381 Pfund wiegt, verzehrte nicht weniger als 9Vi Pfund Beefsteak, dazu trank er elf Tassen Kaffee, aß 19 Brötchen und zwei Schüsseln Kar toffeln; er wurde Sieger über seine 14 Mitkonkurrenten. Jeder dieser Beefsteakesser wog mehr als 250 Pfund. Der Anblick dieser fünfzehn, wie sie mit Eifer ihren Angriff auf die Fleischschüsseln unternähme»,, erregte bei den zahl reichen Zuschauern Begeisterung und — Neid. Für den Fall, daß den Wetteffern etwas zugestoßen wäre, hatte man gleich zwei Leichenbeschauer und einen Arzt mit gebracht, deren Hilfe jedoch nicht in Anspruch genommen werden brauchte. Gin 112 jähriger Tänzer. Über eine seltene Gelenkig keit im höchsten Alter verfügt Tim Sullivan, ein l 12 Jahre alter Herr aus der Nähe von Chikago. Herr Sullivan ist eine Wette eingegangen, die jetzt in Chikago zum Austrag kommen soll. Der alte Herr will mit einem Dreiund sechzigjährigen um die Wette tanzen. Herr Sullivan soll auch sonst gern das Tanzbein schwingen. Vor zwölf Jahren, an seinem 100. Geburtstage, war er der flottesten Tänzer einer und ließ kaum einen Tanz aus. Hotels für Kinder. Die englische Mutter hat die Gewohnheit, ihre Kinder einer Wärterin oder Pflegerin anzuvertrauen und sich für sie erst zu interessieren, wenn sie neun oder zehn Jahre alt sind. Daher kommt es, daß sie, wenn die Schulferien beginnen, keinen Augenblick zögert, die Kinder sich selbst oder fremden Leuten zu über lassen und die übliche Vergnügungsreise allein mit dem Gatten anzutreten. Diese längst bekannten alten Zustände haben in England zu einer neuen Einrichtung geführt. Man hat in einem englischen Seebade das „Kinderhotel" eröffnet; es enthält mehr als fünfzig geräumige, Helle und gut ventilierte Zimmer, die zur Hälfte nach dem Strande, zur anderen Hälfte nach einem großen Park zu liegen. Ausgenommen werden hier nur Kinder. Die Mahlzeiten werden gemeinsam, aber an kleinen, für zwei oder höchstens vier Personen berechneten Tischen eingenommen. In einem großen Saal, der alles erdenkliche Spielzeug enthält, können die Kinder bei schlechtem Wetter sich nach Herzens lust amüsieren. Eigenartige Schultrinkbrunnen sind in den städtischen Mittelschulen zu Göttingen angelegt worden. Das Wasser wird dort nämlich nicht mittels Bechern geschöpft, sondern es springt in einem kleinen Strahl von etwa 25 Zenti meter Höhe empor und wird von den Schulkindern ohne Benutzung von Trinkbechern mit dem Mund aufgefangen und getrunken. Der Zweck dieser eigenartigen Trink methode ist die Beseitigung der Ansteckungsgefahr beim Gebrauch der Trinkbecher. Da sich diese Trinkbrunnen bewährt haben, sollen sie auch in den höheren und in den Volksschulen errichtet werden. Q Gereimte Zeitbilder. (Musikalische Nähmaschinen.) Sobald am blauen Himmelsthrone — der erste Sonnenstrahl erwacht, — wird in dem Haus, in dem ich wohne, — schon fleißige Musik gemacht. — Und wenn ich an bem Schreibtisch sitze — und Reime schmiede für die Zeitung, — so werben meine Geistesblitze — geboren mit Musikbegleitung. — Vom ersten bis zum zweiten Frühstück — hockt Laura an dem Klimperkasten — und lockt ein lautes Phantasiestück — heraus aus dem Gewühl der Tasten. — Und wenn den müden Fingern dann — die Stunde der Erholung naht, — ertönt vom Nachbar nebenan — der Edisonsche Apparat. — Doch leg' ich mich nach Tisch zu Bette — und such' ein halbes Stündlein Schlaf, — dann spielen beide im Duette, — Pianofort' und Phonograph. — Ich würde das Konzert wohl loben — und dankbar sein für das Gehörte, — wenn nicht die Nähmaschine oben — dazwischen stampfte und mich störte. -- Ja dieses melodienlose — und ewig raffelnde Ge surre - bewirkt, daß ich mich oft erbose — und innerlich mitunter murre. — Nun las ich es in einem Blatte —und preis' es als ein großes Glück, — daß jemand jüngst erfunden hatte — die Nähmaschine mit Musik. — Und gen ich künftig mittags schlafen, — dann lausch' ich mit verklärter Miene — der Harmonie von Phonographen, — Pianofort' und Näh maschine. 11 Goldene Ketten. Roman von Clarissa Lohde. über diese Freude breiten?" dacht« sie. Dabei fiel ihr unwill kürlich der Gegensatz in der äußeren Erscheinung der beiden Verehrer ihrer Schwester inS Auge. Markwald, der vornehme, weltgewandte Kavalier, in allen Künsten, Frauenherzen zu gewinnen, gewiegt, Hans Gunz bacher, eine untersetzte, eckige Bauerngestalt, ohne jede gesell schaftliche Form, doch ehrlich und voll warmen Gefühls, das auch aus den wenn nicht schönen, so doch angenehmen Zü gen sprach. Daß ihrer so viel aufs äußere gebenden Schwester, in ihrer Unerfahrenheil ein Mann wie Markwaid besser ge fallen mußte, als der unscheinbare Hans, schien ihr natür lich, — und doch, was hätte sie darum gegeben, wenn dieser vornehme Norddeutsche nicht in ihre Idylle als Störenfried hineingefallen wäre. Alle ihre lang gehegten Pläne für die Zukunft ihrer geliebten Kathi schienen damit auf einmal zu scheitern. — „Ist Fräulein Kathi nicht wohl?" fragte Gunzbacher, als diese, sich rasch von ihm losmachend, ohne ein Wort zu sagen, dem Hause zueilte. „Ihre Hände fühlten sich so heiß an —" „Ich fürchte eS fast," entgegnete Cilly ausweichend. Sie hatte in ihrem Innern so viel Mitgefühl mit Hans, — und überlegte, wie sie ihm die betrübenbe Wahrheit am we nigsten verletzend mitteilen könne. Kathi ließ sich beim Abendessen entschuldigen, sie habe Kopfschmerzen, und sich daher früh niedergelegt. Jetzt wurde auch der Professor aufmerksam. „Was hat nur das Mädel?" wandte er sich fragend an Cilly. — „Vorhin noch ganz munter, und jetzt auf einmal Kopfschmerzen? Hat sie sich am Ende gar auf der Wasserfahrt erkältet ? — Aber sie ist ja eigent lich eine völlige Wasserratte hier geworden, liegt den ganzen Tag fast auf dem Wasser — da müßte sie «S doch gewöhnt sein —" „Das istS auch wohl nicht, Papa," entgegnete Cilly nach einigem Bedenken. — „Sie fuhr allein mit Herrn Markwald, und kam aufs äußerste erregt hier an. —" Der Professor blickte auf. „Hoho, Cilly was willst Du damit sagen ?" stieß er etwas unwirsch hervor, mit einem Blick auf HanS, der ganz bleich und still auf seinen Teller niederschaute. „Grausame, die erst beglückt, um dann doppelt zu ver nichten. Dein Nein hieße für mich Tod — Tod der Seele, wenn auch nicht des Leibes. Denn seit dein Augenblick, da ich Dich zuerst gesehen, war meine Seele nicht mehr bei mir. Du hast sie mir geraubt, und nur Du kannst sie mir wie dergeben. — Aber Du sagst nicht nein, dazu hast Du ein viel zu gütiges Herz!" Und sie sagte nicht nein. — Als sie eine Stunde später am Stege ihres väterlichen Hauses anlegten, war alles bereits zwischen ihnen entschieden. Erhalte ihr Jawort erhalten: Cilly war schon einige Mi nuten vor ihr zurückgekehrt und harrte bereits ihrer am Ufer. — Markwald hob Kathi aus dem Boot, küßte ihr ehrfurchts voll die Hand, und sprang, gegen Cilly formell den Hut lüf tend, wieder in das Fahrzeug zurück, mit raschem Ruderschlage davonfahrend. „Kathi," fragte die Schwester, besorgt den Arm um die hastig dem Hause Zueilende schlingend, „Du bist erregt, was ist geschehen? sage es mir, Kind —" Kathi wehrte hastig ab: „Nicht jetzt, Cilly — nicht jetzt! Laß mich, ich bitte Dich — Du sollst ja alles erfahren, nur nicht gleich — nicht jetzt!" Vor der Tür des Hauses warteten Professor Reinfeld und Hans Gunzbacher schon ungeduldig der Heimkehrenden: „Nun, das muß ich sagen," rief der Professor scherzend den Töch- lern zu: „Ihr versteht es. Eure Freiheit aukzunutzen. So lange Mondscheinpartien auf dem Wasser! — Aber schön ist es heute — ich und der Hans, wir haben den köstlichen Abend auch voll genossen. — Jetzt aber leiden wir Hunaer und Durst — sorgt dafür, daß unser lieber Gast bald den Lisch ge deckt findet." Der junge Maler trat lächelnd mit auSgestreckten Hän den auf die Schwestern zu. — Kathi legte nur zögernd ihre Hand, die wie im Fieber brannte, in die seine — Cillyt Blick haftete einen Augenblick bewegt in den freudig bewegten Zügen des Freundes. — „Wie bald wird sich ein Schleier s „Daß ich glaube, Papa, Herr Markwald hat ernstlich ! Feuer gefangen, — und ich fürchte fast, — Kathi auch —" j „Kathi auch? — Das wäre — Aber es ist ja Unsinn, Kinder," beruhigte er sich gleich wieder selbst. — „Ein Mann wie dieser Markwald, ein Krösus, wie Fischer mir erzählte, j dem die ganze Welt offen steht, wird sich Hals über Kopf § in solch jnnges Ding wie unsere Kathi verlieben! — Das sind so Mädchenphantasien. — Er hat Kathi ein wenig den Hof gemacht, was ja jeder tut, der ihr begegnet — solch' hol dem Kinde gegenüber nur zu natürlich!" „Und wenn's doch nicht nur Phantasten wären, Papa — wenn Kathi sich wirklich für den Fremden interessierte?" „Abwarten, Kind, abwarteu. — Heute werden wir uns doch nicht den Abend dadurch verderben lassen? — Kopf oben, HanS," wandte er sich ermunternd zu dem noch immer j Schweigsamen. „Wird nichts so heiß gegessen, wie'S gekocht ! ist. — Noch ist ja nichts verloren.—" ! Hans suchte zu lächeln. — Er mochte dem verehrten Mei- ster nicht das Herz noch schwerer machen, wie es vielleicht schon infolge von Cillys Mitteilung war. — Aber in rechte Stimmung kam doch niemand mehr, und früher als sonst bot man sich eine gute Nacht. Der Professor zog sich zuerst zurück, Cilly uud Gunzbacher wandelten noch einigemal im Garten auf und ab. „Seien Sie ganz offen mit mir, Cilly," bat er des jungen Mädchens Hand ergreifend: „Ist wirklich etwas ernstliches geschehen? — Muß ich von meiner Liebe scheiden?" Cilly fühlte wie seine Hand bebte. Mitleidig blickte sie zu ihm auf: „Ich fürchte ja, HanS!" Mso wirklich?" Wie ein Schrei bitterster Qual löste es sich aus seiner Brust: „Dieser fremde Mann hat also in wenigen Stunden davongetragen, worum ich Jahre lang geworben?" „Leider — leider," sagte sie traurig. Aufstöhnend deckte er die Hand Über die Augen. „Und ich habe sie so geliebt, — all« meine Gedanken, mein Stre ben, all' mein Sehnen und Denken drehte sich nur um sie. — O, Cilly, «8 ist bitter." Sie ist noch zu jung, um den Wert einer Liebe, wie die Ihre, Hans, schätzen zu können 196,20
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