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Naunhofer Nachrichten Die Naunhofer Nachrichten erscheinen jeden Dienstag, Donnerstag und Sonnabend Nachmittag 5 Uhr mit dem Datum deS nachfolgenden TageS Schlich der Anzeigenannahme - BormitlagS l l Uhr am Tage dcS Erscheinens. 23. Jahrgang. Mittwoch den 21. Februar 1912. Nr. 22. Mit einer vierseitige» TLnstrierte» GormtagSveilaOe Bezugspreis: Frei inS HauS durch Austräger Mk. 1.20 vierteljährlich- Arn inS HauS durch die Post Mk. 1-30 vierteljährlich. Verleg rurd Druck: Münz L Eule, Naunhof. Redaktion: Rodert Günz, Nonntzos. Ortsblatt für Albrechtshain, Ammelshain, Belgershain, Beucha, Borsdorf, Eicha, Erdmannshain, Fuchshain, Großsteinberg, Kleinsteinberg, Klinga, Köhra, Lindhardt, Pomßen, Staudnitz, Threna und Umgegend. Anküudiguugen ! Für Inserenten der AmtShauptmann- schast Grimma I2 Pfg- die fünfge spaltene Zeile, an erster Stelle und > für Auswärtige 15 Pfg. ! Bei Wiederholungen Rabatt. Bekanntmachung. Nr. 1 des Verordnungsblattes vom Jahre 1912 des Ev.-luth. Landeskonsistoriums für das Königreich Sachsen liegt vom 19. Februar ds. Js. an 14 Tage lang in der Kirchenexpedition zur Einsichtnahme für die Glieder der hiesigen Kirchgemeinde aus. Ev. luth. Pfarramt Naunhof. Pfarrer Herbrig. Der Kaiser empfängt das Reichstags präsidium nicht. Zu der Ablehnung des Empfangs der beiden dem Reickstagspräsidium angehörenden Herren Kaempf (Präsident) und Geheimrat Dove (zweiter Vizepräsident) wird aus parlamentarischen Kreisen gefckrieben: „Die Zahl der peinlichen Situationen, in die der Reichstag durch die Wahl eines Sozialdemokraten in das Präsidium versetzt worden ist, hat eine neue Bereicherung erfahren: der Empfang der Herren Kaempf und Dove beim Kaiser ist abgelehnt worden, und zwar auf aus drücklichen Rat des Reichskanzlers hin. Das sozial demokratische Mitglied des Präsidiums, der erste Vize präsident Herr Scheidemann, geht nicht zu Hofe, um die Audienz suchten also nur die beiden anderen Herren nach; und diese beiden sind nicht mehr „das Präsidium", sondern eben zwei sehr achtbare Herren, die im parla mentarischen Nebenamt auf vier Wochen Mitglieder des Präsidiums geworden sind. Der Kaiser hat keine Veranlassung, die Herren Kaempf und Dove, wenn sie allein kommen, zu empfangen; auch im bürgerlichen gesell schaftlichen Leben würde es natürlich als Affront empfunden werden, wenn beispielsweise irgend jemand in einer Familie Besuch macht, seine Frau aber sich beharrlich weigert, mit „solchen Leuten" etwas zu tun zu haben. Da muß ent weder der Verkehr eingestellt oder der Frau der Kopf zurechtgesetzt werden, in diesem Falle also der Sozial demokratie erklärt werden, daß das Mitgehen -um Kaiser zu den elementaren Anstandspflichten gehöre, die ein Präsident zu erfüllen habe. Natürlich wird es auch Leute geben, die da meinen, man hätte bei Hofe ruhig auch ein Rumpfpräsidium empfangen können. Um so dankenswerter ist es, daß der Reichskanzler v. Bethmann Hollweg sofort veröffentlichen läßt, er sei es, der als verantwortlicher Staatsmann den Beschluß des Kaisers angeregt habe. Man wird also diesmal nicht, wie schon so häufig ungerechtfertigterweise von einer „impulsiven" Entschließung des Kaisers sprechen können, denn er erscheint, um ein Wort Bismarcks zu gebrauchen, mit ministeriellen Bekleidungsstücken. Der Monarch selber stellt bei dergleichen Dingen seine Persön lichkeit hinter der Pflicht vollkommen zurück: als 1895 das Reichstagspräsidium zurücktrat, weil die Mehrheit die Ehrung des achtzigjährigen Bismarck abgelehnt hatte, und die Herren o. Buol und Spahn als Ersatz antraten, kam es, da das ja mitten in der Session passierte, natürlich nicht zu dem Gpng zu Hofe; aber trotz dieser fehlenden „Antrittsvisite" und der persönlichen Verärgerung erhielten beide Herren prompt die Einladung zu allen Hoffesten. Der Fall Kaempf-Dooe, der sich jetzt aus dem Fall Scheidemann entwickelt hat, ist nicht hocktragisch, aber doch sehr peinlich. Aber es ist immerhin möglich, datz nach 2Vr Wochen wieder eine Änderung im Präsidium eintritt und dadurch freie Bahn geschaffen wird." 2um ^oäe cies Grafen Aekrentbal. Mit dem Tode des österreichisch-ungarischen Ministers des Äußern, Grafen Aloys Lexa o. Aehrenthal hat eine lange und erfolgreiche staatsmännische Tätigkeit ihr Ende erreicht. Als österreichisch-ungarischer Minister des Äußern Hai er es sich nickt besonders angelegen sein lassen, in ein freund- lickes Verhältnis zu Rußland zu kommen. Im Gegenteil, Rußland wandte sich Frankreich zu, eS kam zu dem un natürlichen russisch-französischen Bündnis. Glücklicher war er mit der Annexion Bosniens und der Herzegowina, wobei allerdings in Betracht gezogen werden muß, daß die „Nibelungentreue" Deutschlands den Bestand dieses Werkes erst möglich machte. Die Hoffnung, daß mit der Beseitigung der Balkankrise wieder ein besseres Einver nehmen zwischen Osterreich-Ungarn und Rußland her gestellt werden würde, verwirklichte sich nickt. Allerdings lag dies nickt an Aehrenthal, sondern an dem damaligen russischen Minister des Äußern, Iswolski. Erst als dieser nach Paris abgeschoben worden war, ebneten sich langsam die Wege zwischen Petersburg und Wien. Gegen Italien war Aehrenthal auch nicht besonders glücklich, da er diesem Staate gegenüber ein so auffälliges Werben um die Freundschaft zutage legte, daß ihm von militärischer Seite her ein Dämpfer auferlegt werden mußte. Sein Verhältnis zu Deutschland war kein kühles, immerhin ließ er es manchmal an Wärme fehlen. Gewiß war er ein entschiedener Anhänger des Dreibundes, trotzdem gelang es ihm nicht, den Drei bundgedanken erheblich zu stärken. Bei der letzten Marokkokrisis trat dies recht deutlich in die Erscheinung. Dazu kam, daß der deutsche Botschafter in Wien, v. Tsckirschky und Bögendorff, sich durchaus nicht des kollegialen Wohlwollens und der persönlichen Sym pathie des Grafen Aehrenthal erfreut^ was zwar kein unbedingtes diplomatisches Erfordernis ist, aber doch zur Pflege guter Beziehungen viel beiträgt. Der Arbeitskraft des Grafen Aehrenthal und seines Pflichtgefühls bis zum Tode wird man die Hochachtung nicht versagen dürfen. Er hat sich im Dienst seines Landes verzehrt. Sein Kaiserlicher Herr hat in Würdigung dieses Umstandes verfügt, daß die Leiche des Grafen auf Kosten des Hofes bestattet werden soll. Den letzten Dispositionen zufolge findet das Begräbnis Donnerstag um ^3 Uhr nachmittags in Anwesenheit eines Vertreters des Kaisers und sämtlicher in Wien weilenden Erzherzöge statt. Nach der Einsegnung wird die Leiche auf den Bahnhof gebracht und mittels Sonderzuges nach dem Familienbesitz der Grafen Aehrenthal in Böhmen, Doxan, transportiert, wo Freitag nachmittag die definitive Beerdigung stattfindet. — Kaiser Wilhelm, der Reichs kanzler, Staatssekretär o.Kiderlen-Wächter und andere hohe Personen sandten Beileidstelegramme. Auch aus Italiens diplomatischen Kreisen trafen Beileidsbezeu gungen ein. 19. Generalversammlung äes kunäes cler ^anävirte. "/r. Berlin, lS. Februar. Wiederum zeigt sich im „Sportpalast" an der Pots damer Straße das alte Bild: Der Riesenraum, auch die erste Galerie, sind bis auf den letzten Stehplatz besetzt. Die Stimmung ist angeregt und die Redner finden dank baren und freudigen Widerhall. Der Bundesvorsitzende Tr. Roesicke bemerkt einleitend, daß die glänzende Geschlossenheit der heutigen Versammlung nicht den Eindruck erwecke, als ob der Bund der Landwirte seit dem Ausgange der Reichs tagswahlen auf dem Boden liege. (Zu Ehren ver storbener Bundesoorkämpfer erbebt sich die Versammlung von ihren Sitzen.) Der Hansabund habe genau das Gegenteil seiner Wünsche erreicht, denn Handel und Ge werbe seien im neuen Reichstage um 16 Prozent schwächer vertreten als früher. Der Reichskanzler unterschätzt viel leicht die Gefahr der Sozialdemokratie. Rechtzeitig müsse die Regierung gegen revolutionäre Bestrebungen mobil macken, ehe es zu spät sei. Mit dem Gelöbnis der Treue gegen den Kaiser und gegen die deutschen Fürsten bringt Dr. Roesicke ein Hoch auf den Kaiser aus, das die Ver sammlung Mit spontaner Absingung von „Heil Dir im Siegerkranz" beantwortet. Freiherr v. Wangenheim, der andere Bundesvorsitzende, erklärt, man habe bei den letzten Wahlen die Sintflut gegen den Bund der Land wirte mobil gemacht. Aber die Sintflut sei eine reinliche Sache gewesen gegen diese Schmutzflut aus den Kloaken der Großstadt, die auck nicht reinlicher geworden sei durch den Zufluß des Goldes vom Hansabund. Die schweren Verluste des Bundes der Landwirte bei der letzten Reichs tagswahl sind zum groben Teil seine eigene Schuld, weil er die Liberalen überschätzt und ihnen das Bündnis mit der Sozialdemokratie nicht zugetraut habe. Die Reichs finanzreform hat man benutzen wollen, um die Landwirtschaft wirtschaftlich zu ruinieren, während die preußische Wahlreform dazu dienen sollte, die seß hafte Bevölkerung politisch zu ruinieren. Die Ar beiterbevölkerung soll nicht vergessen, daß sie nicht nur Rechte, sondern daß sie auch Pflichten habe. Als bei Besprechung der nationalliberalen Unterstützung der Wahl eines Sozialdemokraten ins Reichstagspräfidium zahlreiche „Pfuirufe" ertönen, rügt dies der Redner. Man solle vielmehr herzlick bedauern, daß viele Tausende deutscher Männer, die ganz auf dem monarchischen Standpunkte der Versammlung stünden, sich von einem demokratischen Führer so in die Irre leiten lasten. Der Redner tadelt die lässige Haltung der Reichsregierung und die mittel bare Förderung des Umsturzes durch einzelne bundes staatliche Regierungen und schließt mit vertrauensvollem Blick in die Zukunft. (Stürmischer Beifall.) Nack einem kurzen Bericht derKastenreoisionskommission erhält das Wort der Direktor des Bundes Herr Dr. Diederich Hahn. Er lädt alle Anwesenden ein, einmal das neue, in diesem Jahre fertiggestellte HauS des Bundes am Hafen platz zu betrachten, in welchem hoffentlich noch viele spätere Generationen zum Heile der deutschen Landwirt schäft wirken würden. Bei Bespreckung der Reichsfinanz reform tadelt Dr. Hahn den Reichskanzler, der erst einige ängstliche Worte gefunden habe, als es zu spät war, Daß 110 Sozialdemokraten in den Reichstag eingezogen seien, sei einzig und allein die Schuld der Regierung. Als Dr. Hahn mit einein Hock auf Deutschland schließt, erheb: sich die Versammlung und singt: „Deutschland, Deutsch land über alles!" Aus der Mitte der Versammlung wurde Dr. Hahn ein stürmisch aufgenommenes Hock gebracht. Rittergutsbesitzer v. Oldenburg-Aamtscha« spricht über die Reichstagswahlen. Bon der Hetze des Wahlkampfes haben alle etwas gemerkt, mit einziger Ausnahme der „Nordd. Allg. Ztg.", die das ruhige Kampfesformen nannte. Die Verwirrung im Deutschen Reiche rühre -um großen Teile daher, daß man den ministeriellen Erklärungen nicht mehr dasselbe Maß an Vertrauen schenken könne wie früher. Die Sozialdemokraten müssen raus aus den Vorzimmern der Regierung! (Stürmischer Beifall.) Der zerfallenden nationalliberalen Pattei zuliebe dürfe der Reichskanzler die Erbanfallsteuer nicht zum Geßlerhut für die rechtsstehenden Parteien machen. Die Freisinnigen gehören zur Sozialdemokratie: „Up ewig ungedeelt". Schließlich werde doch wieder der Siegesruf erschallen: „Dennoch siegst du, Nazarener!" (Beifall und Hochrufe!) Loudtagsabaeordneter Pfarrer Heckenroth: 4Vr Millionen sozialdemokratische Stimmen, 110 sozial demokratische Reichstagsabgeordnete, ein sozialdemokratischer Reichstagsvizepräsident, es ist uns, als müßten die Schatten unserer Väter aus ihren Gräbern heraufsteigen. Im weiteren Verlauf der Verhandlung kommt dann zum Wort Herr Levetzow-Sielbeck, der gegen den Hansabund spricht, Herr Camenzind-Leip-ig, Vorsitzender des deutschen Stallschweizerbundes, der auf die Einigkeit seiner Berufs- grnosten mildem Bund der Landwirte hinweist. Chefredakteur und Reichstagsabgeordneter Dr. Oertel führt aus, nur eine reine Raste verbürge die VolkSvermehrung und nur die Landwirtschaft verbürge die Erhaltung der germanischen Raste gegen die Überflutung durch minderwertige fremde Rasten. Die Sozialdemokratie gehöre überhaupt nicht in den Reichstag. Nachdem die Resolution, in welcher die von den einzelnen Tagesrednern auSgefühttm Gedanken niedergelegt waren, einstimmig angenommen worden war, hielten noch die Herren Landwirt Lind- Niederissigheim, Herr 0. Bodelschwingh-Schwarzenhasel, Gutsbesitzer Recknagel-Strauchmühle, Gutsbesitzer Aßmann- Holzengel und andere kurze Ansprachen. Die Riefenoersammlung blieb bis zum Schluß in begeisterter Stimmung beisammen. Bezüglich der Mit gliederzahl teilt der gedruckt zur Verteilung gebrachte Geschäftsbericht allgemein mit, daß sie seit der letzten Generalversammlung um Tausende zugenommen habe. Politische kunäkkau. Deutsches Ltted. * Die vielen Erkrankungen im Verlauf der letzten Zeit haben naturgemäß die Sraukenkaste« ganz außer, ordentlich belastet. Es ist daher begreiflich, daß die Krankenkassen bestrebt sind, durch entsprechende Maßnahmen die Inanspruchnahme zu verringern, und zwar in der Hauptsache durck Belehrung der Ärzte, bei der Krank schreibung von Krankenkaffenmitgliedern die peinlichste Vorsicht walten zu lasten, damit die Kasten von Arbeits losen nicht ausgebeutet werden. Bemerkenswert ist ein Schreiben der Allgemeinen Ortskrankenkasse an den Verein Berliner Kassenärzte. Es heißt darin u. a.: „Es befindet sich augenscheinlich unter de» Krankgemeldeten ein gan- beträchtlicher Teil Beschäftigungsloser. Wir sind nun weit entfernt davon, die Ansprüche unserer kranken Mit- glieder -u schmälern, können jedoch nicht ruhig zusehen, wie unsere Kaste von einen: großen Teil als Notanker bei Arbeitslosigkeit benutzt wird, und bitten Sie, die Mitglieder Ihres Vereins dringend zu ersuchen, in jedem einzelnen Falle mit ganz besonderer Sorgfalt zu erwägen, ob die Beschwerden des Pattenten eS nötig machen, ihn arbeits unfähig zu schreiben." * Im preußischen Abgeordnetenhaus ist ein Antrag auf Abänderung des Einkommensteuergesetzes eingebracht worden. Die Staatsregierung wird um alsbaldige Ab änderung des tz 8 des Einkommensteuergesetzes dahin ersucht, daß die Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer als Werbungskosten in voller Höhe von dem steuerpflichtigen Einkommen in Abzug gebracht werden können. -s Der Entwurf eines Schutztruppengesetzes ist dem Reichstage zugegangen. Er enthält u. a. die Bestimmung, daß die Ableistung der Dienstzeit sowie der nachfolgenden Übungen bei der Schutztruppe zulässig ist. Auch wird ein Beurlaubtenstand gebildet. Viele andere Bestimmungen find erweitert worden. 4- DaS RegulierunaSgesetz zur Befitzstaudsfrstiguug von ländlichem Grundbesitz in nationalgefährdeten Ge bieten ist nunmehr dem preußischen StaMministerium zu gegangen. Durch das Ansiedlungsgesetz vom Jahre 1S08 wurde ein Fonds von 75 Millionen bereitgestellt zur Be- sitzstandsbefestigung bäuerlichen Grundbesitzes und außer dem ein besonderer Fonds von 50 Millionen für Re gulierung von Großgrundbesitz. Dieser Aufgabe haben sich seit dem Jahre 1904 be-w. 1906 die Deutsche Bauern bank und die MittelstanüSkasse mit sehr gutem Erfolg ge- widmet, so daß die Absichten, die das Ansiedlungsgesetz mit diesem Fonds erreichen wollte, auch tatsächlich erreicht