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Nachrichten für Naunhof : 28.10.1917
- Erscheinungsdatum
- 1917-10-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id178785101X-191710286
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id178785101X-19171028
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-178785101X-19171028
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Nachrichten für Naunhof
-
Jahr
1917
-
Monat
1917-10
- Tag 1917-10-28
-
Monat
1917-10
-
Jahr
1917
- Titel
- Nachrichten für Naunhof : 28.10.1917
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Interessant ist. baß bei weitem die ärgste Lerstörung in demjenigen Keil West-Flandern- herrscht, der den Flieger- bomben und den englischen und belgischen Granaten am meisten au-gesetzt ist, daß aber die Teile Brabants, Ost« Flanderns und des Hennegaus, also daS Durchmarsch- gelände der deutschen Truppen, abgesehen von der Um gebung der Festungen, auf der Karte völlig weiß ge- bli^ben sind. Volks- und Kriegswirtschaft. 4t- Preiserhöhung für Rohfett. Nach einer Mitteilung des KriegSernährungsamtes ist, nachdem die Qualität des Schlacht viehs und damit die Gewinnung von Rohfett herabgegangen ist, eine Heraufsetzung der Höchstgrenze für die Rohfettübernahme- preise geplant. Der KriegsauSschuß für Ole und Fette hat bereits der zuständigen Stelle Unterlagen hierfür unterbreitet, so daß in absehbarer Zeit mit einer Erhöhung der Rohfett preise zu rechnen ist. 4t Die Landwirte «egen ein Getretdemonopol. Der Kriegsausschuß der deutschen Landwirtschaft, der die Ver tretung sämtlicher deutscher landwirtschaftlicher Körperschaften darstellt, hat eine» Beschluß den ihm angeschlofsenen Körper schaften zur Stellungnahme unterbreitet. In diesem Beschluß wird grundsätzlich die Einführung eines Getretdemonopol» abgelehnt. Neugierige russische Soldaten. WaS sie in Versammlungen fragen. Ein französischer Offizier, der sich an der russischen Front befindet, erzählt im .Figaro' von den Versammlungen, die die russischen Soldaten veranstalten, um sich von ihren Offizieren oder sonstigen gebildeten Männern über die .Welt lage' unterrichten zu lassen. In den Versammlungen, die bald in den vordersten Stellungen, bald im Ruhequartier statt- finden, werden die neuesten Zeitungsberichte vorgelesen oder endlose Reden gehalten. Und dann hat sich die Gepflogenheit deS Fragen« herausgebildet: man schreibt die Fragen, die man beantwortet sehen möchte, auf Zettelchen und überreicht diese dem Redner, der dann, so gut es geht, auf der Stelle die gewünschten Antworten gibt. Am häufigsten werden Fragen von der Art der im fol genden wiedergegebenen gestellt: Warum verzichten nicht alle verbündeten Völker öffentlich und feierlich auf alle Eroberungs wünsche? — Wie denkt Frankreich über Elsaß-Lothringen? — Warum veröffentlichen die verbündeten Länder nicht alle di plomatischen Urkunden, die auf den Krieg Bezug haben? — Ist eS wahr, daß die russischen Truppen in Frankreich schlecht behandelt werden? — Ist es richtig, daß man in Paris den russischen Offizieren unfreundlich begegnet, daß man ihnen in den Geschäften nichts verkaufen will, und daß in den Gasthäusern die Kellner sich weigern, ihnen Speisen und Getränke zu bringen? — Wie steht es in Frank- reich mit der Ernährungsfrage? — Ist in Frankreich der Schnaps ebenso verboten wie bei uns? — Warum ist Jean Jaures ermordet worden? Lebt sein Mörder noch? — Gleicht unsere Revolution wirklich eurer großen französischen Revo lution? — Findet man in Frankreich, daß wir recht hatten, als wir die Todesstrafe abschafften? — WaS hält Frankreich von unserer Revolution? — Ist e» wahr, daß England alle deutschen Kolonien nehmen will? — Ist eS richtig, daß England alle Inseln, die in allen Meeren der Wöt liegen, als sein Eigentum ansiebt? — Ist e« wahr, daß daS Glück der Menschen, was immer man auch tue, und was auch geschehe, niemals auf Erden wird herrschen können? — Der Offizier, an den diese Frage gerichtet wurde, antwortete mit einer Gegenfrage: .Weshalb fragst du danach?' — .Weil, wenn man sich nicht für das Glück aller schlüge, es sich gar nicht lohnte, daS Leben hinzugeben." — »Siehst du denn nicht ein und fühlst du nicht, daß du dich für das Glück und die Sicherheit deiner Familie schlägst?' — „Meine Familie ist die ganze Welt!" lautete die wahrhaft grandiose philosophische Antwort, die dem verstorbenen Tolstoi sicher grobe Freude gemacht hätte . . . Wenn die Versammlung beendigt ist und die Erörterungen geschlossen, schart sich alles um den Redner, und eS beginnt ein Glückwünschen und ein Küssen, dem man nur schwer stand- halten kann. Wenn Man nicht allzu innig geküßt werden will, hält man rasch eine Wange, dann ebenso rasch dje andere hin und zieht sich nach den flüchtigen Küssen schleunigst zurück. Schwierig wird die Sache, wenn der Kußlustige ein General ist; die Achtung, die man den hohen Vorgesetzten schuldig ist, führt da manchmal zu harten Verpflichtungen, denn man kann doch schließlich einen Generalskuß nicht ebenso gleichgültig hin nehmen oder vielmehr nicht hinnehmen wie den Kuß eine« simplen Leutnants. Nah und Fern. s Verhaftung von Kettenhändlern in Wien. La» Kriegswucheramt in Wien hat das gefährliche Treiben einer Anzahl von Preistreibern aufgedeckt. Eine ganze Kette von Händlern wurde verhaftet, und es wurdm bei ihnen Manufakturwaren im Werte von 6 Millionen Kronen beschlagnahmt und dem Amt für Volksbekleidung zuge- Der Gröe von Muchenau. Roman von Herbert von der Osten. 42 »Anneliesens Zukunft hat mir schon manche schlaflose Rocht bereitet. Leicht zu versorgen ist sie nicht mit ihren unpraktischen, unmodernen Phantastereien und dem fana tischen Eigensinn, den sie zu entwickeln pflegt, wenn uian sie hindern will, ihrem Vorteil entgegenznhandeln. Ich glaube, Ignaz könnte ihr die reichsten von seinen Börsenjob bern heranschleifen, und sie würde nicht einen nehmen; denn einen Liebesstm-m würden diese Herren schwerlich in ihr ent fesseln, und ohne Neigung verheiratet sie sich nicht; eher wird sie Kinderfränlein oder Buchhalterin, hat sie mir gesagt." Der Leutnant schnippte mit den Fingern. „Pah, so redet Ihr alle, und wenn eS zum Heirate», kommt, wißt Ihr gar nicht, wie schnell Ihr zugreifen sollt." „Anneliese wird nicht zugreifen," erklärte Lizzi sehr be stimmt. „Ich tat es allerdings schließlich, weil keiner meiner vornehmen Courmacher Ernst machte und ich verrückt ge worden wäre, wenn ich hätte zu Hause sitzen und zusehen müssen, wie der Vater sinnlos ein Tausend unseres Vermögens nach dem anderen auf die Straße warf, während Mutters Nervosität sich allmählich biß znm Irrsinn steigerte. Deshalb ist es schol» besser so; aber Anneliese will ich von Herzen wünschen, daß ihr daß erspart bleibt, waß ich durchkämpfen mutzte. Mau wird schlecht dabei." Friedrich Karl warf einen unsicheren Blick ans die Schwe ster. Zum ersten Male gewahrte er den bitteren Zug, der sich scharf nm ihren Mund gegraben hatte, und sein leichtfertiges Herz beschlich eine Ahnung, daß der Reichtum, der ihn hier umgab, mit vielen bösen Opfern erkauft worden war. Aber da er keinen Trost für Lizzi wußte, stahl er sich still davon. Als Anneliese einige Tage später, die Musikmappe am Arm, in die Klavierstunde schleuderte, traf sie Hasso, der, vom Dienst kommend, die Friedrichstraße kreuzte, in welcher Anne liesens Lehrerin wohnte. Sie wurden Heide rot, während sie mit verlegenem Gentz aneinander oorübergingen; aber keines fand den Mut zu eiuer Anrede. ^nr nächsten Musikstunde machte sich Anneliese in atem führt. Der Führer der Bande, ein Ungar namens Hacker,' hat in vier Monaten eine halbe Million verdient, und seine Hauptabnehmerin, eine Manufakturfirma erzielte in derselben Zeit einen Umsatz von 25 Millionen Kronen. O Grotze Spende«. Die Dürkoppwerke in Bielefeld, die auf ein 50 jähriges Bestehen zurückblicken können, haben aus diesem Anlatz dem Arbeiterfonds den Betrag von 400 000 Mark überweisen lassen, wodurch er auf eirx* Million Mark gestiegen ist. Auherdem wurde der Stadt» gemeinde Bielefeld zu wohltätigen Zwecken die Summe von 50 000 Mark übermitteit. G Richard Wagners „Putzmacherin" gestorben. Im Wiener jüdischen Siechenhause starb im 80. Lebensjahre Frau Berta Maratschek, die in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts Wagners „Putzmacherin" war und dein Meister seidene Schlafröcke, Samtjoppen, seidene Haus schuhe usw. lieferte. Wagner stand mit der Frau in regem Briefverkehr. 0 Abnahme des Schnell- und Eilzugverkehrs. In der Rhein- und Maingegend ist seit Einführung der Er gänzungsgebühr eine starke Abwanderung von den Schnell- und Eilzügen in die Personenzüge und in den Schnell- und Eilzügen von der 1. und 2. in die 3. Klasse bemerkbar. Während die höheren Klassen fast leer sind, ist die dritte Wagenklasse stets überfüllt. O Weniger Speisewagen. In der nächsten Zeit, wahr scheinlich schon vom 1. November ab, wird eine Reihe von Speisewagen nicht mehr gefahren werden. Man hofft durch eine derartige Entlastung der immer noch stark besetzten V-Züge eine pünktlichere Einhaltung der Fahrpläne zu er zielen und die nicht unbeträchtlichen Verspätungen der Züge zu vermeiden. O 3200 deutsche Nationalhymnen. Für eine neue deutsche Nationalhymne wurde im Juni d. Js. ein Preis ausschreiben erlassen. Für den Wettbewerb sind 3200 Ge dichte eingegangen, die von sieben in verschiedenen Städten wohnhaften Sachverständigen geprüft werden. Um den Dichter streiten also, wie um die Geburtsstätte Homers, sieben Städte. DaS Ergebnis wird voraussichtlich noch in diesem Jahre veröffentlicht werden. O Der Rügener Toppelmord noch nicht aufgeklärt. DaS Geständnis deS in Lübeck in Untersuchungshaft be findlichen Bautechnikers Meincke, er habe im September 1906 das Pastorenehepaar Vermehren im Walde bei Saß nitz auf Rügen ermordet, hat sich als falsch herausgestellt. Meincke kann die Tat nicht begangen haben, weil er im September 1909 im Gefängnis zu Gleiwitz eine Strafe verbüßte. Er wird die falsche Angabe gemacht haben, um für geisteskrank erklärt zu werden und dann bei passender Gelegenheit au- der Anstalt entfliehen zu können. o Der erblindete Dichter. Der bekannte bayerische Voltsdichter Maximilian Schmidt ist in der Augenklinik des Herzogs Karl Theodor in München operiert worden. Das linke Auge mußte ihm entfernt werden. Da- rechte Auge ist schon lange fast gänzlich erblindet. Das Befinden des 86jährigen Dichters ist sonst gut. G Ei« österreichisch-deutsches Polizeierholungsheim. In Neumarkt (Steiermark) wird ein Erholungsheim für österreichisch-deutsche Polizeibeamte erbaut werden, das vor allem ledigen, eitern- und geschwisterlosen oder verwitweten Wachtleuten, die krank auS dem Felde kommen, Aufnahme gewähren soll. Es ist das erste derartige Heim, das in Österreich gegründet wird. <s Ehescheidung in der montenegrinischen Königs familie. „Corriere della Sera" meldet aus Rom: Die Ehe deS Prinzen Mirko von Montenegro mit Natalie Konstantinowitsch ist wegen gegenseitiger Abneigung ge richtlich geschieden worden. Die Prinzessin behält ihren Titel. Die Kinder werden von König Nikita erzogen werden. (Prinz Mirko ist der Lieblingssohn deS Königs- paare-. Vor einigen Jahren hieß es, daß er an Stelle des wenig beliebten Kronprinzen Danilo, der mit einer mecklenburgischen Prinzessin verheiratet ist, zum Thron folger ernannt werden solle.) S Re«effes von Roosevelt. Die „Times" berichten aus Washington: Roosevelt muß sich einer Kur unter ziehen, um sein Körpergewicht zu verringern. Es wurde dabei die überraschende Entdeckung gemacht, daß er seit 1905 auf einem Auge blind ist. Das war nur wenigen bekannt. Er verlor das Augenlicht bei einer Boxpartie mit einem jungen Artillerieoffizier, der ihm einen so heftigen Stoß gegen das Auge versetzte, daß die Blutgefäße vlabten. » Einen Bortrag über biblische Dichtkunst hielt Erzbischof Faulhaber auf Einladung des Generals ouoer- neurS v. Beseler im MuseumSfaal zu Warschau. Außer dein Generalgouverneur und den Spitzen der militärischen Behörden und der Zioilverwattuug wohnten dem Vortrag zahlreiche deutsche Beamte, Offiziere und Feldgraue bei. Nach dem Vortrag hielt Generalgouverneur o. Beseler eine Ansprache, in der er auf daS unerschütterliche Gottver- trauen von Heer und Volk hinwies. G Gifengeld auch in Dänemark. Die dänische Scheide münze, insbesondere das Kupfergeld, ist seit kurzer Zeit dem allgemeinen Umlauf entzogen worden. Die National bank versucht nun, wie aus Kopenhagen gemeldet wird, so schnell wie möglich Eisen aus Schweden hereinzu- bekommen, um mit der Prägung von Kleingeld aus Eisen beginnen zu können. G Am Luftschiff erfroren. Der Zeppelin, der in Montigny eine Gondel mit 16 Mann verlor und mit 4 Mann an Bord weiter getrieben wurde, ist, wie holländische Zeitungen berichten, in der Schweiz niedergegangen. Die vier Insassen wurden dort erfroren aufgefunden. s Untergegangener Getreidedampfer. Der nor wegische Dampfer „Ranfos", mit einer Ladung Getreide für das belgische Hilfskomitee, ist bei heftigem Sturm nördlich von Bergen auf Grund gestoßen und unter gegangen. Ein Mann der Besatzung ist umgekommen. 0 Kein Erlaubniszwang für Lichtspiele. Der Bundes rat hat seine Verordnung vom 3. August über die Kon zessionspflicht der Kinos aufgehoben, nachdem der Reichs tag sich in seiner Sitzung vom 11. Oktober gegen die Maß nahmen deS Bundesrats ausgesprochen hatte. o Die Grünberger Weinlestz, die am 27. September ihren Anfang nahm, ist nunmehr beendet; sie hat ein im allgemeinen befriedigendes Ergebnis geliefert. Der Wein soll von hervorragender Güte sein. In Kennerkreisen weiß man längst, daß der „Grünberger" besser ist als sein Ruf. o Ausnahmen von der Eintragung in die Straf register. Die Justizbehörde hat die Verfügung getroffen, daß von der Eintragung in die Strafregister künftig aus genommen sein sollen: alle Verurteilungen wegen Ver gehen, bei denen Rückfall nicht mit besonderen Strafen be droht ist, sofern nur auf Verweis oder Geldstrafe nicht über 50 Mark erkannt ist, ferner alle Verurteilungen in den aus Privatklagen verhandelten Sachen, in Forst- und Feldrügesachen und in einer Reihe bestimmter militärischer Vergehen. S Vereinsmeierei in Ungarn. In Budapest wurde ein »Verein für Höchstpreisfreunde" gegründet, dessen Mit glieder fich verpflichten müssen, niemals und unter keinen Umstände» die Höchstpreise zu überzahlen. Volks« und Kriegswirtschaft. * Die Erhöhung der Znckerpreise. Die angekündigten Verordnungen über den Verkehr mit Zucker im Betriebsjahre 1917/18 sind erschienen. Danach ist der Preis des von den Rohzuckersabriken zu liefernden Rohzucker« für Ersterzeugnis von 88 °/o Ausbeute auf 23 Mark, für Nacherzeugnis von 76 °/« Ausbeute auf 19 Mark für 60 Kilogramm ohne Sack frei Magde burg bei Lieferung bis zum 31. Dezember 1917 festgesetzt worden. Bei Lieferung nach dem 31. Dezember 1917 erhöht fich der Preis am 1. jeden Monats um 16 Pfennig. Al« Zeit punkt der Lieferung gilt der von der Reichszuckerstelle für die Lieferung vorgeschriebene Zeitpunkt. Der Prei« für ge mahlenen Melis beim Verkaufe durch Verbrauchszuckerfabriken ist auf der Grundlage von 36 Mark Mr 60 Kilogramm ohne Sack ab Magdeburg einschließlich der Verbrauchssteuer bei Lieferung bis zn» 31. Dezember 1917 festzusetzen. Bei Lieferung nach dem 31. Dezember 1917 erhöht sich der Preis am 1. jeden Monats um 20 Pfennig. Aus dem Gerichtssaal. 8 Diszipltnarstrafverfahren gegen einen Universität». Professor. Gegen den Direktor der Jenaer Frauenklinik und ordentlichen Professor der Gynäkologie an der Universität Jena, Dr. Mar Henkel, begann vor der Disziplinarstrafkammer des Großherzogtum« Sachsen-Weimar ein aufsehenerregender Disziplinarftrafprozeß. Die Anklage wirst dem Professor vor, daß er seit ftprf Jahren in einer Reihe von Fällen ohne wissenschaftliche Notwendigkeit Operationen vorgenommen habe, daß ihm hierbei „Kunstfehler' untergelaufen seien, und daß er die Gesundheit seiner Patientinnen in fahrlässiger Weise geschädigt habe. In den Verhandlungen sind zahl- reiche Zeugen und Sachverständige aus ganz Deutschland ge laden. loser Spannung auf den Weg. Ihr Herzchen klopft bis in den Hals hinauf, als sie sich der Straßenecke näherte, an der sie damals ihren Vetter getroffen. Schon lange, ehe sie die Stelle erreicht hatte, wußte sie eS, daß er vor dem Schaufenster des Buchhändlers stand, der seinen Laden in einein Eckhanse auf- geschlagen hatte Diesmal wurde sie »roch röter, als sie sich in der steifen, feierlichen Weise voreinander verneigten, wie eS junge Menschen ihres Alters vor dem Gegenstand ihrer heim lichen Liebe zu tun pflegen. Anneliese war plötzlich zu der Erkenntnis gekommen, daß ein Buch daß geeignetste Geschenk für ihren Schwager sei, dessen Geburlßtag in der nächsten Woche gefeiert wurde, und Hasso fühlte ebenso plötzlich da« Verlangen nach dein Geisteß werk eine« Dichters in sich erwachen. Infolgedessen traten sie beide in den Laden. Der sie bedienende Jüngling hatte Mühe, aus Anneliesens gestammelten Worten zu erraten, welcher Art das Werk fein sollte, mit dem sie Herrn Schmidt zu erstellen gedachte. Ob die von ihm vorgeschlagenen Poesien Anna Ritters gerade der Geschmacksrichtung des Herrn Schmidt entspre- chen würden, erschien Anneliese selbst in ihrem Traumz,»stände zweifelhaft. Trotzdem kehrte sie mit der für ihre Verhältnisse viel zu teuer erkauften Spende in einem Zustande stummer Seligkeit heim. Lizzi dachte sich ihr Teil, als sie beim Abendessen in die strahlenden Augen ihrer jungen Schwester blickte; ober sie sagte nichts darüber. Sie beruhigte nur das zarte Gewissen der Kleinen, da« von Selbstvvrwürsen gepeinigt wurde, weil sie des Vetters Begleitungangenommen und ihm auch ver raten hatte, daß sie jeden Mittwoch um 7 Uhr die Friedrich straße entlang gehen mußte. So trafen sich Hasso und Anneliese denn alle Mittwoch vor dem Buchladen, und ihre junge Liebe wuchs und wurde stärker und stärker. Obwohl sie sich nur in dem Aufstrahien ihrer Augen, dem zärtlichen Klang ihrer Stimme verriet, wem» sie sich von den gleichgültigsten Dingen unterhielten, wußten sie doch beide, daß sie sich liebten. Scheu, fast andächtig wie etivas Heiliges genossen die bei den Stiestmder des Glück-ihre Liebe und weit, weit öffneten sich ihr die Herzen, wie Blumen, die, iin Schatten erblüht, durstig das warme, nie gekannte Licht der Sonne trinken. Ein frostklarer Sonntag im Dezember war's, an dein Hasso Anneliese den ersten Kuß raubte. Sie waren im Gru newald Schlittschuh gelaufen, und Herta hatte die Freunde mit Punsch und Pfauukuchen bewirtet. Nach dem Schmaus sollte noch einmal Schlittschuh ge laufen werden. Es hatten sich eine ganze Menge Bekannter eingefunden, das halbe Regiment der Garde-Kürassiere. Herta, von einer Wolke huldigender Kavaliere umgeben, bemerkte nicht, daß Hasso und Anneliese ihre Schlittschuhe nicht wieder anschnallten Frierich Karl aber bemerkte es, und er ließ alle seine reichen geselligen Gaben spielen, um die Bekannten ganz zu fesseln. Selbst die älteren Damen wußte er in seinen Bann zu ziehen nnd an der Quadrille zu beteiligen, die er mit den launigsten Scherzworten kommandierte. So konnten die beiden Liebenden ungestört in den einsa men, schweigenden Wald gehen. Bald klang das Lachen der Schlittschuhläufer nur noch aus weiter Ferne zu ihnen herüber. Immer stiller wurde es um ste her, und immer lauter wurden die Stimmen in ihren Herzen, und dann hatte Hasso Anneliese plötzlich in seine Arme gerissen. „Wie ich Dich liebe!" stam melte er. Ein Beben ging durch die zarte Gestalt des MädchenS; aber sie wehrte ihm nicht. Leise, ganz leise erwiderte sie den feurigen Kuß des Jünglings. Wie lange sie sich so umfaßt hielten, ob Sekunden, Mi nuten oder noch viel länger, sie wußten es beide nicht. Als Friedrich Karls Stimme sie auS ihren: Gtückstraum weckte: „Holla, ist es so um Euch bestellt, Ihr TngendröS- chen?" lachte der Leutnant, während er mit eleganter Non chalance das Monokle auS dem Ange schnellte. „Aber Schluß jetzt, wenn ich bitten darf; sonst wird mir der Mund zu wässerig! Seid nur »licht gar so entsetzt," fuhr er jovial fort. „Jung gefreit, hat noch keinen gereut, sagt ja schort ein altes Sprichwort, und Du bist mir selbstredend sehr willkommen als Schwager" Er schüttelte dem »roch immer wie gelähmt dastehenden Hasso die Hand und streichelte die heißen Wan gen der Schwester, die ihm mit eülenl Jubelruf an den Hal« flog 232,20
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