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fremdes 6ut Koman von Lothar Vrenkendors. (Nachdruck verboten.) I. - Selbst die ältesten Einwohner der Stadt konnten sich nicht erinnern, das; das Sommerfest des Künstlervereins jemals verrennet iväre. Und die unerschütterliche Tradition vom „Malerwetter* wurde auch in diesem Jahre nicht zer stört. Ein wolkenloser, lichtblauer Himmel spannte sich über die liebliche Hügellandschaft; kaum regte sich hier > und da ein Blättchen im leisen Windhauch, und die Jnli- - sonne strahlte fast allzu Heitz am Firmament. Die malerische Burgruine auf dem Nauhcnstein war diesmal zum Mittelpunkt des Festplahes ausersehen, und das sonst > so feierlich stille Waldrevier ringsumher widerhallte seit . s dem frühen Morgen von hundertfachen Äußerungen : ausgelassener Fröhlichkeit und überschäumenden Jugend mutes. Nicht umsonst erfreute sich die alte süddeutsche Residenz § des Rufes, die kunstfreundlichste unter allen deutschen Städten zu sein. Seit Wochen hatte man in allen Familien von nichts anderem geredet, als vom bevorstehenden Künstlerfest, und an diesem Morgen waren Scharen von fröhlichen Menschen in sonntäglichen Gewändern hinaus- geptlgert zum Nauhensteiner Forst. Da gab es denn auch genug zu schauen und zu staunen: glänzende, farben prächtige Aufzüge, prunkende Waffenspiele nach mittel alterlicher Art, einen lustigen Wettstreit fahrender Sänger und hundert ergötzliche Künste einer malerisch zerlumpten Zigeuuerbande von fast unheimlicher Echtheit. An feurigem Rebensaft und schäumendem Bier war bei alledem kein Mangel, und je höher das glühende Tagesgestirn empor stieg, desto höher schien auch die Feiertagsstimmung der eingeladenen und nicht eingeladenen Festteilnehmer zu steigen. Am Rande des Plateaus, auf welchem die Zigeuner ihr luftiges Zeltlager aufgeschlagen hatten, stand ein statt licher, hochgewachsener Mann in der Uniform eines Dragoneroffiziers. Seine Aufmerksamkeit war indessen viel weniger auf das tolle Treiben des braunen Völkchens, als auf die kleine Gesellschaft von Zuschauern gerichtet, . welche in geringer Entfernung von ihm unter dem Schatten einer breitästigen Linde an einem der roh- gezimmerten Tische satz. Es mutzte da etwas sein, das ihn besonders fesselte, und er fuhr fast erschrocken zu sammen, als ihm eine kräftige Manneshand scherzeird auf , die Schulter schlug. „Ganz in poetische Träumereien versunken, lieber Hardenegg?" klang die sonore Stimme eines blondbärtigen Riesen, der das wappengeschmückte Wams und das Feder- ' barett eines Herolds trug. ^Oder hat dich etwa gar das i graue Gespenst der Langeweile am Kragen?" Der Offizier schüttelte lächelnd das Haupt: „Nein, ich unterhalte mich ganz vortrefflich. Aber sage mir, bester Brüning, gehörst du nicht auch zum Festkomitee?" „Gewitzt Hast du etwa eine Klage vorzubringen?" „Eine sehr gewichtige, obgleich dem fremden Gaste dergleichen eigentlich nicht znsteht. Aber wir sind ja alte Regimentskameraden. Sage mir nur in aller Welt, wo hattet Ihr Eure Augen bei der Auswahl der Prin zessinnen und Edeldamen für Euren lustigen Mummen schanz?" „Wo wir unsere Augen hatten? Nuw ich denke doch, da wäre an hübschen Gesichtern kein Mangel." „Deinen Geschmack in Ehren, aber die schönsten habe ich nicht im Festzuge, sondern unter den Zuschauern ge funden." „Höchst überraschend in der Tat! Doch du hattest zu meiner Zeit im Regiment den Nutz ein Kenner zu sein, darum kann ich vielleicht von dir lernen. Willst du mir nicht den Gegenstand deiner Bewunderung zeigen?" „Sieh dort hin, Brüning! Der Alte mit der Löwen mähne da unter der Linde behütet sie. Sie gleichen sich wenig, und doch scheinen es Schwestern zu sein." Die Angen des blonden Bildhauers folgten der an gedeuteten Richtung und sein heiteres Gesicht wurde ein wenig ernster. „Du hast recht", erwiderte er, „sie würden unzweifel haft die schönsten im Zuge gewesen sein, obgleich die Jüngere fast noch ein Kind ist. Aber wir hatten uns wohl vergebens nm ihre Mitwirkung bemüht." „Sind sie so vornehm? Ich würde nach dem Augen schein anders geurteilt haben." .Es ist auch nicht ihre Vornehmheit, welche die Töchter wie den Vater abhält, mit ihren Personen in den Vorder grund zu treten. Sie haben wohl andere Gründe, ein Alles und eingezogenes Leben zu führen." „Ah, ich verstehe, also arm! Ist der Alte auch Künstler? Er sieht so aus." „Ja. Hast du niemals von dem Historienmaler Balthasar Stiller gehört?" „Zu meiner Schande muß ich's gestehen — nein! Ist! der Mann berühmt?" Brüning lächelte eigentümlich: „Wie man's nimmt. Hier kennt ihn jedermann. Er ist als Maler wie als Mensch ein Sonderling. Er lebt nur für das, was er seine Ideale nennt, und es ist ein Unglück, daß er nicht von seinen Idealen leben kann. Sein Talent wäre wohl groß genug, ihm eine geachtete Stellung in der Kunstwelt zu schaffen, aber sein Unstern wollte, daß er sich zu einem Reformator geboren glaubte. Als junger Mann soll er mit einem Heiligenbilde in vorraffaelischer Manier einiges Aufsehen erregt haben, und seitdem haben ihn alle Mißerfolge nicht bestimmen können, von dieser Schule! abzugehen." „Also jedenfalls eine eigenartige Persönlichkeit! Wenn! er aber keine Käufer für seine Bilder findet, wovon lebt er dann mit seiner Familie?" „Das ist ein Geheimnis, oder es wird doch wenigstens als ein solches behandelt. Er liefert nämlich in aller Stille Zeichnungen für illustrierte Blätter, und seine Tochter Elfriede —" „Elftiede? Ist das die junge Dame mit dem prächtigen blonden Haar, das wie gesponnenes Gold in der Sonne schimmert?"