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Allgemeiner Anzeiger : 01.06.1912
- Erscheinungsdatum
- 1912-06-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191206018
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19120601
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-06
- Tag 1912-06-01
-
Monat
1912-06
-
Jahr
1912
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 01.06.1912
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Rückblick. In einem Rückblick schreibt die halbamtliche ,Nordd. Allgem. Ztg/: In einer kurzen, an gestrengten und ungewöhnlich bewegten Tagung hm der Reichstag Leistungen vollbracht, die sich mit den Ergebnissen der fruchtbarsten Sessionen messen können. Und doch hatte man dem Wirken dieses Reichstags mit schwerer Sorge entgegengesehen. Nach einer Zeit tiefer Ver stimmung zu den Wahlen berufen, hatte das deutsche Volk seiner parlamentarischen Vertretung eine Zusammensetzung gegeben, die sichtbare Zeichen der schweren Parteizerwürsniffe an sich trägt. Aber schließlich haben sich die bürgerlichen Parteien zu einer Arbeitsgemein schaft zusammengefunden, die die Zuversicht rechtfertigte, mit der der Reichskanzler an die Verstärkung unsrer Friedensgarantien gegangen ist. Regierung und Reichstag dürfen mit Be friedigung auf das vollbrachte Werk blicken, und wohl verdient waren die Worte des Dankes, die der Reichskanzler bei der Vertagung im Namen des gesamten Vaterlandes, des Kaisers und der verbündeten Regierungen dem Reichs tage aussprach. Konnte schon seit geraumer Zeil mit Sicherheit darauf gerechnet werden, daß die bürgerlichen Parteien den Wehrvorlagen ihre Zustimmung geben würden, so schien bis in die letzten Tage die Beschaffung der Deckung nicht ungefährdet. Auf der einen Seite wurde di^ Befürchumz laut, daß die angeforderten neuen Einnahmen unzureichend seien und die Einseyung von Mehrerträgen aus bestehenden Steuern eine „Streckung" des Etats bedeute, daß man also den Grund'atz „Keine Ausgabe ohne Golddeckung" verlasse. Für die Bewilli gung der neuen Einnahmen fast noch gefähr liche' war die Anschauung, die neue Steuern übsrhauvr «ür entbehrlich erklärte. Je größer die hieraus entspringenden Meinungsverschieden heiten waren, desto erfreulicher ist es, daß es gelang, einen Weg zu finden, der bereits jetzt eine Lösung bringt und die erforderliche Deckung schafft, ohne die Zukunft zu verbauen. Bei der Beseitigung der sogenannten Liebesgabe kam es darauf an, die (Annahmen aus der Brannt weinsteuer zu vermehren, ohne einem wichtigen Produktionsgewerbe die Grundlagen gesunder Entwicklung zu entziehen. Diesem Zwecke dient es, und es liegt auch im Sinne der bisherigen Gesetz gebung, wenn die Hälfte der Mshrerträge zur Unterstützung der kleinen Spiritusbrennereien ver wandt wird, und die verbündeten Regierungen konnten sich daher mit diesem Entschluß einver standen erklären, nachdem für eine andre Deckung Sorge getragen war. Die verbündeten Regierungen haben auch dazu ihre Zustimmung erklärt, daß diese Deckung in einer allgemeinen Besitzsteuer bestehen soll. Der Reichsfinanz- Verwaltung wird nunmehr die Ausarbeitung einer alle Arten des Besitzes umfassenden Be- sttzsteuervorlage obliegen. Ob es gelingen wird, eine Besitzsteuer zu finden, die auch allen Arten der Parteianschauungen und Lehrmeinungen ge- reLr wird, ist allerdings eine andre Frage, zu mal die Möglichkeiten einer allgemeinen Befitzesbelastung beschränkte sind. Jedenfalls aber ist es vom Standpunkt der Finanzpolitik aus das einzig richtige gewesen, die bedeutsame Frage jetzt nicht über das Knie zu brechen und die sorgsam ge schonte Reserve nicht ohne zwingenden Grund hinzugeben, vielmehr eine gründliche und Dauer versprechende Ausgestaltung des Steuer planes vorzubereiten. Bedeutsam ist vor allen Dingen, daß die gesetzgebenden Körper schaften, unbeirrt durch Versuchungen verschiedener Art, an dem Grundsätze „Keine Ausgabe ohne Deckung" festgehalten und für den sorgfältig errechneten Neubedarf ohne jeden Abzug Mehr einnahmen vorgesehen haben. Damit ist es der Reichsfinanzverwaltung ermöglicht, die in den letzten Jahren mit Erfolg beschrittenen Wege weiter zu verfolgen. Sofern bei der Wirt schaftsführung des Reiches an der erprobten > O Siegenäe I-iebe. 13) Roman von Paul Blitz. ljsorUetzung.! Langsam bestecke sich Elsbeth aus des Malers Armen. „Hör' mich jetzt an," bat sie zitternd, „wir müssen uns trennen I* „Elsbeth!" rief er. „Weshalb? Weshalb „Wir können nicht heiraten! Ich bin zu arm!" sagte sie leise. „Aber ich liebe dich! Ich werde für uns beide arbeiten!" antwortete er fest. „Nein, nein! Du mußt frei sein I Ein Künstler darf sich nicht binden. Ich weiß das von meinem Vater. Auch er ging an dem Zwang zugmnde. Also ist es besser, wir sagen uns sttzt Lebewohl!" „Aber Elsbeth — ich liebe dich über alles! Hab' doch Vertrauen zu mir! Was wir brauchen, das werde ich erwerben!" beteuerte er. Sie aber blieb fest. „Nein, nein! Auch bei meinem Vater be gann es so. Und er ist doch so unglücklich geworden. Wenn erst die ernste Sorge ins HauK kommt, dann hält die Liebe nicht stand! — Nein, ich darf dir nicht zur Fessel werden, eben weil ich dich liebe! — Also leb' wohl! Hab' Dank für alles! Und werde glücklich!" „Elsbeth," bat er noch einmal. „Ich kann nicht, nein, nein!" erwiderte ff« fest. Wieder und wieder flehte er von neuem. Aber sie blieb fest und stark. „Und nun mach' uns den Abschied nicht zu Sparsamkeck festgehalten wird, ist ein Rückfall der gesunden Finanzen in die frühere Schulden- anhäufukg nicht zu befürchten. Politische Rundschau. Deutschland. *Von verschiedenen Seiten ist die Meldung, verbreitet worden, Kaiser Wilhelm habe die Einladung, der Leichenfeier für den infolge eines Automobilunfalles verstorbenen Prinzen von Cumberland beizuwohnen oder sich dort vertreten zu lassen, abgelehnt. Es wird sogar berichtet, der Kaiser habe befohlen, daß kein Mitglied der Familie Hohenzollern bei der Leichenfeier zugegen sein solle. — Hierzu wird nunmehr halbamtlich bemerkt, daß Kaiser Wil helm, sobald ihm der Todesfall bekannt geworden war, dem Herzog von Cumberland drahtlich seine herzlichste Teilnahme ausgedrückt hatte, wofür der Herzog meinem ebenso warm gehaltenen Telegramm gedankt hat. Im Auftrage des Kaisers haben sich die Prinzen Eitel-Friedrich und August Wilhelm von Preußen sofort nach Nackel begeben und dort der Leiche des Prinzen Georg Wilhelm die letzten Ehren erwiesen. Im übrigen hat der Herzog von Cumberland die Beteiligung der auswärtigen Fürstlichkeiten und Höfe an der Beisetzung seines Sohnes Georg Wilhelm mit der Begründung des Raummangels auf dem Schlosse in Gmunden dankend abge lehnt. * Zu den Nachrichten über dieGefangen- nahme der Gebrüder Mannesmann in dem marokkanischen Aufstandsgebiet Tarudant wird halbamtlich erklärt, daß Herr Otto Mannesmann und seine beiden kaufmännischen Begleiter festgenommen worden sind. Die drei Gefangenen befanden sich auf dem Wege nach einer Mannesmannschen Farm. — Nachdem das erste Ersuchen der deutschen Regierung in Paris ohne Erfolg geblieben ist, wurde nun mehr der Botschafter angewiesen, beim Präsi denten Fallier es Erklärungen darüber ein zuholen, weshalb die französische Regierung trotz der ihr bekannten Tatumstände keinerlei Schritte nmernimmt, um die Befreiung der drei Deutschen zu erwirken. * Bor kurzem gelangte im Reichstage ein Beschluß zur Annahme, in dem eine ganze Reihe von Punkten aufgezählt war, die durch ein ReichswohnungSgesetz zu regeln wären. Hierher gehörten u. a. Schaffung eines Reichswohnungsamts, Festsetzung von Mindestanforderungen an Wohnungen usw. Wie verlautet, dürfte die Schaffung eines Reichswohnungsgesetzes nicht in Frage kommen. Wenn auch die Reichsregierung den Anträgen und Anregungen aus dem Reichstage bisher das größte Interesse entgegengebracht hat, so steht sie doch auf dem Standpunkte, daß die Wohnungsfrage von den Bundesregierungen selbständig zu lösen sei. In Preußen ist auch bereits ein neuer Entwurf aufgestellt worden, nachdem die einzelnen Ressorts sich über die Grundsätze zu einem solchen Gesetz verständigt hatten. Zurzeit schwebeu noch Erwägungen darüber, ob der Entwurf eine Erweiterung in der Richtung erfahren soll, daß durch eine Ein wirkung auf eine angemessene Gestaltung der Bodenpreise und auf eine Verbilligung des Bauens das Wohnen selbst mehr als bisher verbilligt werden kann. In dem neuen Wohnungsgesetz sollen vor allem auch die sanitären und sittlichen Mißstände in dem Berliner Wohnungswesen und in dem andrer Großstädte beseitigt werden, was, wie vielfach gewünscht wurde, auf dem Wege einer Er weiterung der polizeilichen Befugnisse zurzeit nicht möglich ist. Frankreich. * Im Ministerrat wurde beschlossen, demnächst im Parlament einen Antrag auf Wieder her st ellung der dreijä hrigenDienst- zeit bei der Kavallerie und Feld- artillerie einzubringen, da bei der zwei jährigen Dienstzeit die Kavallerie während der Ausbildungsperiode von Oktober bis Mai schwer! Ich bitte dich, geh' jetzt und reise noch heute ab. Ich bitte dich sehr darum!" Sie reichte ihm die Hand. Und da er sah, j daß es ihr bitterer Ernst war, daß er nichts, nichts mehr zu hoffen hatte, da ging er still hinaus. Sie aber ging zur Mutter und berichtete, was sie getan hatte. Stumm nickte die alte Frau: „Ja, es war besser so!" Schluchzend umfaßte Elsbeth die Mutter. Jetzt, ach jetzt erst verstand sie die Worte, die ihr einst die alte Frau zugerusen hatte — ja, ja, sie hacke recht behalten! „Laß nur gut sein, Kindchen, auch darüber kommst du fort; es ist der erste große Schmerz deines Lebens, das tut weh, ich weiß es — aber man muß sich hart wachen; denn das Leben hat viel, sehr viel Enttäuschungen für uns; wir müssen eben lernen, alles zu er tragen." Kosend küßte sie die Tochter und strich über das seidenweiche Blondhaar, zart und herzig. Und da richtete Elsbeth sich auf . . . Ja, jetzt gab es wirklich nur noch eins: stark sein! — Und sie raffte sich zusammen; alles, was noch an Energie und an Stärke in ihr lebte, alles nahm sie zusammen; stark sein, daß nie mand es ihr anmerk, wie es in ihr aussteht! — Und ob das Herz auch brennt und schmerzt vor Weh und Leid — stark sein! — Niemand durfte ahnen, was sie durchgemacht hatte, und wie es verwüstet Md leer m ihrer Seele aus sah. — Stark sein! So ging sie mutig wieder an die Arbeit. nahsM unmobilisierbar sei. Um alle Wider stände zu beseitigen, soll die Absickn bestehen, an die Dreijährig-Freiwilligen eine Prämie von 800 Frank, vertsilbar auf drei Jahre, zu be willigen, wodurch man den größten Teil des Kavalleriebedarfes aufzubringen hofft. Unter Hinweis auf die deutsche Wehrvorlage hofft man in der Kammer wenig Widerstand zu finden. England. * Da es nicht gelungen ist, imLondoner Transportarbeiterstreik eine Eini gung herbeizusühren, haben die Transportarbeiter des ganzen Königreiches die Arbeit niedergelegt. Infolgedessen stockt der Verkehr fast vollständig und die fehlende Nahrungsmittelzufuhr in den großen Städten droht zu einer Teuerung zu führen, wie sie England bisher nicht gekannt hat. Italien. .* In der D ep uti er t en k a m m er wurde bei der Beratung der Wahlreform ein Antrag auf Abschaffung der B er eid i g u n g der Abgeordneten mit großer Mehrheit ab- gelehnt, nachdem Ministerpräsident Giolitti sich dagegen ausgesprochen und darauf hin gewiesen hatte, daß auch der König den Eid auf die Verfassung leiste und daß jedermann wisse, wie treu dis Könige von Italien sich daran gehalten hätten. Das Wahlreform gesetz, das die Zahl der Wahlberechtigten nahezu verdreifacht, wurde darauf ange nommen. Balkanstaaten. * Nachdem die russische Regierung bereits zwei vergebliche Vermittlungs versuche im italienisch-türkischen Kriege unternommen hat, will sie jetzt den Mächten den Vorschlag einer europäischen Tripoliskonferenz unterbreiten. Ob aber die Mächte eine solche Idee Wecker ver folgen würden, ist von der Aufnahme ab hängig, die ihr die Nächstbetsiligten, Italien und" Türkei, bereiten, überhaupt sind die Schwierigkeiten, dis einer Verwirklichung des Gedankens entgegenstehen, sehr groß. Es müßten langwierige Verhandlungen vorangehen, ehe das Programm festgestellt ist, und wenn die Konferenz dann zustande käme, würden leicht Gegensätze austreten, die gefährlich werden könnten. Wenn man dies in Betracht zieht, mutz man es für wenig wahrscheinlich halten, daß eine Konferenz über die Tripolisfrage tat sächlich stattfindet. Afrika. G Die aufständischen B erb e r st L m m e in Marokko haben der französischen Besatzung der Hauptstadt Fez ein stundenlanges G e - fecht geliefert, in dem auf beiden Seiten schwere Verluste zu verzeichnen waren. Bemerkenswert ist, daß die zurückgsschlagenen Angreifer die verfolgende Kavallerie durch ein mörderisches Gewehrfeuer zum Rückzug zwangen. Dieses Zurückweichen hat dem Ansehen der französischen Truppen, die man bisher im Scheriienreiche für unbesiegbar hielt, sehr ge schadet. — Die an sich schwierige Lage der Franzosen scheint sich noch ernster zu gestalten, da der Sultan Muley Hafid erneut Rück trittsgedanken geäußert hat. Wenn er aber abdankt, so dürfte eine allgemeine Erhebung die unmittelbare Folge sein. Rerlmer Nrief. Das letzte, was den Berlinern nun noch der anstürmende Sommer gelassen hat, werter Freund, ist das Vergnügen auf dem grünen Rasen. Sie werden staunen, wenn ich die Sportübung auf den Rennbahnen ein Ver gnügen nenne und Sie werden dabei an die mißvergnügten Gesichter derer denken, die nach jedem Rennen mit leeren Taschen heimwärts ziehen. Und wer wäre da Wohl nicht miß gestimmt ? Denn schließlich ist die Zahl der Ge winner doch immer verschwindend klein gegen die Zahl derjenigen, die dem Toto eine be trächtliche Summe geopfert haben. Und dennoch ist das Rennen ein Vergnügen für den Berliner, ja, man darf kühn behaupten, es ist in unsrer Zeit, die trotz aller sozialen Anstrengungen die Klassenunterschiede (als geschähe es automatisch) 10. Elsbeth blieb ihrem Vorsatz treu. Niemand ; merkte ihr an, was sie durchgemacht hatte. ! Genau wie sonst ging sie pünktlich und fleißig ihrer Arbeit nach, war bescheiden Md höflich zu jedermann, aber auch zurückhaltend und vor- sichttg, wenn eins der andern jungen Mädchen sich ihr anschließen wollte. Auch der Klatsch mit dem jungen Maler ver stummte nach und nach, weil man sah, daß all die kleinen Sticheleien und heimlichen Bosheiten erfolglos an dem Ernst und an der Ruhe der Kleinen abprallten; nur hier und da wurde noch eine Lästerzunge laut, um über die an gebliche Liebschaft, die solch ein unerwartet schnelles Ende genommen, herzuziehen; doch auch diese bösen Zungen verstummten allmählich, und schon in vierzehn Tagen schien man die ganze Geschichte vergessen zu haben, weil es neuen Stoff zum Klatsch genug gab. So ging scheinbar alles seinen alten Gang. Nur einem scharfen Beobachter entging es nicht, daß all die Ruhe und all der Gleichmut der Kleinen nm eine geschickte Komödie war, und daß es in ihrem Innern ganz, ganz anders aussah. Und so ein scharfer Beobachter war der junge Förster Gestner. Mit tiefer Betrübnis sah er, daß die Kleine innerlich einen schweren Gram still und stumm mit sich herumtrug. Und sorgen voll verriet er diese Entdeckung eines Tages der alten Frau. Mütterchen nickte bekümmert: „Ja, es ist so, s ich habe es auch gemerkt. Aber es ist wohl' immer stärker herausarbeitet, noch der über kommene Rest aus dem alten gemüt lichen Berlin, wo es noch keine Fests der oberen und unteren Zehntausend e gab, wo noch die Eltern mit den Jöhren auf dem Kremser oder auf dem Mietsfuhrwerk in jene Vororte TageSpartien machten, die jetzt längst zu dem Weichbilde Berlins gehören; das Rennen ist in Wahrheit das letzte Volksfest, an dem jung und alt, hoch und niedrig, arm und reich sich mit gleichem Eifer beteiligen. Das lehrt ein Blick auf unsre drei vornehmen Renn bahnen in Ruhleben, Hoppegarten und Karls horst, aber auch ein solcher auf die minder vor nehme jetzt von Weißensee nach Mariendorf verlegte Trabrennbahn, die einst der Sammelplatz der Berliner Schlächtermeister war und nun im Laufe der Entwicklung sowohl ein Rendezvous der vornehmen Welt, soweit sie sich für den Trabersport überhaupt noch inter essiert, wie für die „Rennbahnschieber" aller Arten geworden ist. Die Umsätze, die an den Wett maschinen dieser Rennbahnen erzielt werden und die an großen Tagen oft die Hunderttausend und mehr erreichen, werden nur von den Unsummen über troffen, die in England am großen Derbtztage erzielt werden. Für den, der das Wettfieber endgültig überwunden hat, sind die Renntage (am meisten wohl die auf der Grunewaldbahn in Ruhleben) ein Spiegel des Berliner gesell schaftlichen Lebens. Denn kein Salon, kein Festsaal vermöchte die Fülle der Uniformen, der Gesellschaftstoiletten und der Pcomenadenkostüme zu fassen, die hier an einem einzigen Nachmit tage zur Schau getragen werden. Hunderte von Automobilen bringen Großbankisrs und In dustrielle, Uniformen aller Truppengattungen (wobei natürlich die Kavallerie den Hauptanteil stellt) und einen auserlesenen Damenflvr auf den Sattelplatz, während die übrigen Plätze einen großen Teil der Bevölkerung von Berlin 0., 8. und Ui beherbergen. Und sie alle eint der gemeinsame Gedanke (in unsrer volitisch so bewegten Zeit ein erhebendes Gefühl), daß nämlich ein Pferd von den vielen, die den Start verlassen, als erstes durch das Ziel gehen möchte. Daß aber die Volks seele nicht schlummert, datz auch hier der Wünsche Zahl unendlich ist, das zeigen die empörten Ausrufe wenn das Ziel erreicht und ein Gaul gewonnen hat, den man nicht selber mit einer ansehnlichen Summe besetzte. Diese Tage sind im Deutschen Reiche in ihrer Eigenart nur noch in Berlin zu finden, denn in der Provinz ist auch das Pferderennen mehr und mehr zu einem Vergnügen für die vornehme Welt geworden. Lange dauert es allerdings nicht mehr, dann ist auch in der Reichshauptstadt der Sattelplatz der Rennbahnen merklich vereinsamt, die Weltstadt geht auf Reisen, dennesgiltnichtsürstandesgemäß, über die Mitte des Juni hinaus noch im Häusermeer zu verharren. Und während im Mai an manchen Tagen am Toto weit über hunderttausend Mark ümgesetzt wurden, zeigt die Wettmaschine im Juli und August mitunter nur knapp fünfundsiebzigtausend, auch dieses Volks vergnügen hat eben seine Konjunktur. Damit ist übrigens nicht gesagt, daß das Wettgeschäft in dieser Zeit ein schlechtes ist. Aber den Haupt anteil der auf ein Pferd abgeschlossenen Wecken stellt ja nicht die Summe, die an dec Weck maschine niebergelegt ist, sondern die, die un versteuert von den sogenannten Buchmachern in Umlauf gebracht wird. Wer die Dinge nicht mit eigenen Angen gesehen hat, kann sich keine Vorstellung davon machen, wie dieses Winkelwetten gerade in der Reichshaupt stadt iu Blüte steht. Da gibt es unzählige Zigarrengeschäfte, die gar nicht lebens fähig wären, wenn ihr Inhaber nicht in Wetten machte, ganz zu schweigen von den Gastwirt schaften, von denen eine immer der andern durch kulante Weckbedingungen Konkurrenz macht. Was damals im Reichstage zum Ausdruck kam, als das neue verschärfte Totalisatorgesetz beraten wurde, daß man nämlich den kleinen Mann nicht hindern könne, sein Geld wie ein Grand seigneur zu verspielen, das zeigen diese heim lichen Wettstellen eindringlicher, als man sich damals hatte träumen lassen. Die Praxis har hier wie so häufig der grauen Theorie einen fchlimmen Sireich gespielt. HD. das beste, wir sagen ihr nichts davon. Solche Wunden heckt wohl nur dis Zeit. Also warte« wir ruhig ab, lieber Herr Förster." Stumm uickte der junge Mann — ja, so j war es am besten — warten, bis die Wunds erst ganz vernarbt war. Nie wurde mehr des Malers mit einem Wort Erwähnung getan — es geschah wie in stiller Übereinkunft — es war, als wäre die ganze Episode überhaupt nicht dagewesen. Arbeit! Arbeit! Nie hacke Elsbeth dis Wohltat ernster und emsiger Tätigkeit so an sich erfahren wie in diesen Wochen. Vom frühesten Morgen bis in die sinkende Nacht rührte sie fast ununterbrochen die Hände; wenn ihr Geschäft besorgt war Md es nichts mehr zu bleichen und zu plätten gab, griff sie zur Näh arbeit oder zur Weißstickerei, und da die paar Läden des Städtchens nicht genug Arbeit für sie hatten, so schrieb sie an ein paar große Berliner Geschäftshäuser, denen sie einige Probe- arbeiten rinichickte, und von denen sie auch sehr bald in Hülle und Fülle mit sehr lohnender Arbeit betraut wurde. Mit stummem Erstaunen sah die Mutter das mit an, aber sie sagte nichts dazu, weil sie sah, daß es alle Aufmerksamkeit der Tochter in An spruch nahm, und weil sie hoffte, daß es ein Mittel zur Heilung der Wunde sei. Längst war der Sommer auf der Höhe. Schon färbten sich die Blätter, und allent halben brachte' man die letzten Gartenfrüchte ein. Schon zeigten sich die ersten Vorboten des Herbstes.
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