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Allgemeiner Anzeiger : 20.04.1912
- Erscheinungsdatum
- 1912-04-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191204201
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19120420
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19120420
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-04
- Tag 1912-04-20
-
Monat
1912-04
-
Jahr
1912
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 20.04.1912
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Oie Mekrvorlagen unä ikre Oeckung. Dem Reichstage sind nunmehr die neuen Wehrvorlagen, sowie im Zusammenhang damit eine Ergänzung des Etatsentwurfs für 1912 mit einer Denkschrift über die Deckung der Kosten und endlich der Gesetzentwurf über die Beseiti gung des Branntweinkontingents zugegangen. In der Hauptsache enthält die Milirärvorlage eine Neueinstellung von 17 Bataillonen In fanterie, 6 Eskadrons, 41 Feldartilleriebatterien, 6 Bataillonen Pioniere, Berkehrstruppen und Train, 106 Maschinengewehr-Kompanien, ferner Etatserhöhungen an Mannschaften bei der In fanterie, Feldartillerie und Verkehrstruppen, end lich eine Anzahl neuer Kommandobehörden, worunter insbesondere zwei Generalkommandos heroorzuheben sind. Die Friedensstärke des Heeres steigt dadurch um rund 29 000 Mann, die Kosten betragen in den Jahren 1912 bis 1917: 79,5, 101, 78, 58, 62, 62 Mill. Mk. Die Ergänzung zum Flottengesetz steht zur Be seitigung organisatorischer Mißstände die all mähliche Bildung eines dritten aktiven Ge schwaders vor, und zwar durch Verzicht auf das Reserveflotteuflaggschiff und die zurzeit vorhandene Materialreserve sowie durch den Bau von drei Linienschiffen und zwei kleinen Kreuzern; weiter verlangt sie eine Personalvermehrung, Beschaffung einiger Luftschiffe und Vermehrung der Unterseeboote. Die Kosten werden 1912 bis 1917 betragen: 15, 29, 39, 40, 44, 43 Mill. Mk., wovon auf einmalige Ausgaben entfallen: 12,4, 22, 29, 25, 24, 18 Mill. Mk. Zur - Deckung der Mehrkosten stehen zunächst für das Jahr 1912 eine Reihe von Mehreinnahmen zur Verfügung, die bei der Aufstellung des Etats im Frühherdst noch nicht zu erwarten waren, auf die aber jetzt gerechnet werden kann, namentlich 45 Mill. Mk. an Zöllen und Steuern, sowie rund 15 Mill. Mk. an Überschüssen der Eisenbahn- und Postverwal- tung einschließlich Ausgleichungsbeitcägen. Bei der Verzinsung der in den letzten Jahren durch Tilgung verminderten Reichsschuld lassen sich zehn und durch Ermäßigung der Kosten für den Kaiser-Wilhelm-Kanal infolge langsameren Loranschreilens des Baues gleichfalls zehn Millionen Mark sparen, so daß insgesamt 80 Mill. Mk. mehr zur Verfügung stehen, als bei der Vorlage deS Etats angenommen. Den fehlenden Rest bringt die Aufhebung des Branntweinkoutingents, das 1912 14,5 und in jedem der folgenden Jahre 36 Millionen Mark Mehreinnahmen er geben soll. Das Kontingent wird außer für Bayern, Württemberg und Baden aufgehoben und in diesen Staaten für gewerbliche Bren nereien auf fünf, für andre Brennereien auf 7,50 Mark herabgesetzt. Für die kleinen Ost brennereien sowie für kleinere landwirtschaftliche Brennereien bleiben besondere Schutzvorschriften bestehen. Damit verbinden sich einige Ver besserungen des übrigen Branntweinsteuergesetzes sowie das Verbot der Anwendung von Biethyl alkohol usw. zu Nahrungs- und Genußmitteln usw. Die Verwendung der Überschüsse aus dem Jahre 1911 sowie der im Jahre 1912 zu erzielenden Überschüsse bleibt der Be stimmung der nächstjährigen Etatsgesetze über lassen. Die dem Ergänzungsetat beigefügte Denkschrift berechnet die voraussichtliche Ent wicklung der Ausgaben und Einnahmen in den nächsten Jahren unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die Zuckersteuer am 1. April 1914 und die Grundwechselabgabe am 1. Juli 1914 ermäßigt werden soll. Sie kommt zu dem Ergebnis, daß die Kosten der Wehrvor lagen ohne wesentliche Beeinträchtigung der von den verbündeten Regierungen im Einverständnis mit dem Reichstage geplanten Gestaltung des Extra-Ordinariums und der Schuldentilgung bestritten werden können, unter den Voraus setzungen, daß die Grundsätze sparsamer Wirtschafts führung 1 ebenso gewahrt bleiben wie in den letzten Jahren, daß die gegenwärtige Lage sich nicht sichtbar verschlechtert und keine besonderen neuen Anforderungen an das Reich herantreten; andernfalls würde sich die Notwendigkeit er geben, neue Einnahmequellen zu erschließen, oder die Ermäßigung einzelner Steuern ganz oder zum Teil für einige Jahre hinauszu schieben. Gemeint ist damit die für den 1. April 1914 festgesetzte Herabsetzung der Zuckersteuer und der für den 1. Juli 1914 be stimmte Fortfall des Zuschlages zur Grund- wechfelabgabe von 100 Prozent. Polinseke Kundlckau. Deutschland. *Nach Angabe eines italienischen Blattes soll Kaiser Wilhelm gelegentlich seines Aufenthaltes in Venedig einer italienischen Per sönlichkeit gegenüber geäußert haben: „Wenn ich ein so intelligentes und patriotisches Volk wie das italienische hätte, ivürde ich die Hälfte Europas erobern." Da diese Nachricht auch in die deutsche Presse übergegaugen ist, wird die .Nordd. Allgem. Zig/ amtlich ermächtigt, sest- zu stellen, daß es sich lediglich um eine bös willige Erfindung handelr. * Zum Gouverneur vonTogo ist nunmehr, wie halbamtlich erklärt wird, endgültig Herzog AdolfFriedrich zu Mecklenburg, zum Gouverneur von Derusch-Ostafrika der Direktor im Reichskolonialamt Dr. Schnee, und als dessen Nachfolger der seitherige Gouverneur von Kamerun, Dr. Gleim, bestimmt, über die Wiederbesetzung des Gouvernements von Samoa ist eine Entscheidung zurzeit noch nicht getroffen. *Der Bundesrat hat der Ergänzung des dem Reichstage vorliegenden Entwurfs des Neichshaushalisetats für das Rechnungsjahr 1912 zugestimmt. Die Vorlage betr. Änderung der Bestimmungen über die Statistik der See schiffahrt wurde den zuständigen Ausschüssen überwiesen. ' * Über einen Gesetzentwurf zur Verhinderung des Mißbrauchs narkotischer Arz neimittel sind im Reichsamt des Innern Beratungen gepflogen worden. In letzter Zeit ist häufig darüber Klage geführt worden, daß narkotische Arzneimittel ohne größere Schwierig keiten im Großhandel feilgeboten werden, so in die Hände unbefugter Personen gelangen und hierdurch schwer krankhaften Erscheinungen zu einer höchst verderblichen Verbreitung verhelfen. Es ist erwogen worden, mit welchen gesetzlichen Mitteln diesen Blißständen entgegengetreten werden könne. Die Beratungen sind jedoch noch nicht zum Abschluß gelangt. Amerika. *Die Regierung der Ver. Staaten hat der Regierung von Mexiko mitgeteilt, daß sie die mexikanische Regierung und das mexikanische Volt für jede böswillige oder rechtswidrige Handlung, durch die Leben, Eigentum oder Interessen von Amerikanern vernichtet, ge schädigt oder in Gefahr gebracht würden, haft bar mache. Eine ähnliche Note wurde an den Führer der Aufständischen, General Orozko, ge schickt. Es scheint demnach, als ob tue Ver. Staaten sich entschlossen hätten, endlich für Ordnung in Mexiko zu sorgen. Asien. * Einem Bericht aus London zufolge er klärte die chinesische Regierung in Be antwortung des Protestes des englischen, deut schen und amerikanischen Gesandten gegen den Abschluß der englisch-belgischen Anleihe von 1 Million Pfund, es sei wahrscheinlich, daß die Belgier sich der internationalen Finanzgruppe anschließen würden. Das Fehlen der not wendigsten Geldmittel bereitet der Regierung wiederum äußerste Sorge. Dem ,Temps' zu folge haben die Vertreter des Sechsmächte- konfortiums in Pekmg die der chinesischen Regierung gewährten monatlichen Vorschüsse eingestellt, um hierdurch gegen die Unterzeich nung des Anleihevertmges der chinesischen Regierung mit der belgischen Finanzgruppe! Einspruch zu erheben. , Oeullcber Keickstag. Am 16. April eröffnet Präsident Kämpf die Sitzung mit der Begrüßung der Abgeordneten zur ersten Sitzung nach den Osterferien und fährt dann fort: Jh teile dem Hause mit, daß der Dampfer „Titanic" mit mebr als tausend Menschenleben untergegangen ist. Wir iprechen unser schmerzlichstes Bedauern aus über das Unglück, das in erster Linie das englische Volk betroffen hat, in zweiter Linie alle die Nationen, die Angehörige bei dem Schiff bruch verloren haben; sind wir doch nicht sicher, daß nicht auch unser Volk unter diesem Unglück schwer zu leiden hat. Ich danke Ihnen für den Ausdruck Ihres Bedauerns und Ihres Schmerzes, den Sie dadurch bewiesen haben, daß Sie sich von Ihren Plätzen erhoben. Auf der Tagesordnung steht der Etat des Reichseisenbahnamtes. Abg. Ullrich lsoz.s: Dieses Amt kostet uns jährlich Hunderttausende, aber es leistet nichts. Von einem nennenswerten Eingreifen des Amtes in die Eisenbahnmisere ist leider nicht die Rede. Man holt für Preußen unzulässige Vorteile heraus. In Hessen hält man den Eisenbahnvertrag mit Preußen für unglücklich. Jeder verkehrspoliüsche Einfluß geht an Preußen verloren. Der Vertrag verflößt gegen die guten Sitten. Wir verlangen nach wie vor Übernahme aller Eisenbahnen in Deutschland auf das Reich. Nur dieses kann eine allgemeine Tarifermäßigung bringen und die Verkehrsmisere beseitigen im Inter esse der Nation. Abg. Schwabach (nat.-lib.s: Die preußisch- hessisLe Eisenbahngemeinschaft steht mit dem Etat nur in sehr losem Zusammenhang. Wie fleht cs mit einem internationalen Übereinkommen über den Per sonen» und Gepäckoerkehr, oas der Präsident des NeichseisenbahnamleS uns in Aussicht gestellt hat? Wünschenswert ifl eine internationale Zusammenfassung des gesamten Verkehrs, einschließlich des Güierverkehrs; auch nach der materiellen Seile des Tarifwesens. Wir streben die Betrieb; mittelgemcinschast an, gestützt auf die Reichs verfassung ; Bayern wird auf sein Reservat schließlich verz-wten müssen. Möge es auch hier heißen: Preußen in Deutschland voran I Abg. Schirmer (Zentr.): Eine allzuweitgehende Zentralisation kann keinen großen Nutzen bringen. Das bayrische Reservat darf nicht angetastet werden. Der Resolution der Nationalliberalen über die Dienst- und Ruhezeiten stimmen wir zu. Aba. Haas (forftchr. Vp.): Die Forderung einer Beseitigung des Eisenbahnamies geht zu weit. Immerhin hat es seine Hauptaufgabe erfüllt, das Eisenbahnwesen zu vereinheitlichen. Ein Konkurrenz kampf darf unter deutschen Eisenbahnen überhaupt nicht geführt werden. Die Bestimmungen über die Ar beitszeit der Lokomotivführer sind sehr änderungs bedürftig. Das Reichreisenbahnamt würde sich ein Verdienst mit der Regelung der Arbeitszeiten er werben. Präsident des Reichseisenbahnamtes Wacker- zapp: Von der Tätigkeit des Amtes dringt sehr wenig nach außen. Aber die im Verkehr erfolgen den Verbesserungen sind nur möglich durch diese Tätigkeit. Die Reichsinflauz bemüht sich um die Vereinheitlichung des Betriebes. Die Einzelstaaten könnten dies gar nicht selbständig tun. Die Borwürfe der Illoyalität gegen die preußische Verwaltung sind haltlos. Zu einer Prüfung des preußisch-hessischen Vertrages durch das Reich liegt keine Veranlassung nor. Der Entwurf über die Häftling der Eisenbahnen liegt jetzt den verbündeten Regierungen vor. Die Regelung des Dienstes auf reichsgesetzlichem Wege ist un möglich durchzusühren. Die Behauptung, daß durch die Dienstregelung die Sicherheit des Betriebes leide, ist unbegründet. Die Mitteilungen über Dienstzeiten dura? Beamte haben keinen Wert; sie sind einseitig. Dis gesundheitlichen Verhältnisse des Personals sind durchaus gute. Eine Verkürzung der Dienstzeit würde eine Mehrausgabe von 45 Millionen verursachen. Die Vereinheitlichung ist nicht so leicht durchzu führen. Ein besonderes Eisen bahnparlament, von den Bundesstaaten gebildet, würde eine Vereinheitlichung auch nicht bringen. Die Resolution, die dazu gestellt ist, bitte ich ab zulehnen. Abg. Will (elf. Ztr.): Die Neuregelung der Dienstzeit ist notwendig. Namentlich die Anforde rungen an die Lokomotivführer sind zu hoch. Hier werden die Schwierigkeiten auch durch längere Nacht ruhe nicht wesentlich gemildert. Ich bitte, die Reso lution anzunehmen. Abg. Beyrens (winsch. Vgg.): Wenn Mon- airben die Bahn benutzen, muß dem Lokomotiv führer ein höherer VsrwallungSbeamter zur Sette stehen. Diese Bestimmung sollte aufgehoben werden. Was der Vorredner über das Fahrpersonal sagte, trifft zu. Die angeblich nachteiligen Folgen der gesetzlichen Regelung in der Schweiz können mich nicht überzeugen. Dort ist nicht die gesetzliche Re gelung nachteilig, sondern die dort gut geheißene Art der Regelung. Die Löhne und Ortszulagen der Oberbauarbeitcr sind noch nicht befriedigend. In einzelnen Revieren werden sogar noch verschiedene Lögne gezahlt. Ist es richtig, daß die Elektrisierung der Staalsbahnen eine Schwächung der Landesverteidigung zur Folge hat? Hoffentlich unterbleibt wenigstens eine Schmälerung des Koalitionsrechts der Arbeiter von Elektrizitätswerken, die den Strom für staatliche Bahnen liefern. Das Haus vertagt sich. Oer Kieknäampfer „Hitanic" gesunken. Der englische Riesendampfer „Titanic", der größte Dampfer der Welt, ist auf der Reise von England nach Amerika, der ersten Ozean fahrt, die er machte, nahe der amerikani schen Küste mit einem Eisberge zusammenge- stoßen, wobei das Schiff schwere Beschädi gungen erlitt, die Fahrt aber fortsetzen konnte. Die Hoffnung jedoch, daß es gelingen werde, das Riesenschiff zu bergen und alle Personen, die sich an Bord befanden, auf die zur Hilfe herbeigeeilten Schiffe hinüberzuretten, wird durch die neuesten Meldungen jäh zerstört. Danach ist die „Titanic" bei dem Versuch, den nächsten Hafen zu erreichen, untergegangen und weit über tausend Menschen sind ertruuken. Die englische „White Star Line", der der Dampfer gehört, gibt bekannt, daß von 2200 Passagieren und Mannschaften der gesunkenen „Titanic" nur 675 Seelen gerettet worden seien. Wie der Dampfer „Olympie" durch Funkspruch nach Cape Nace meldet, zählen zu den Geretteten viele Frauen und Kinder. — Die „Titanic" ge hörte mit ihrem Schwesterschiff „Olympic" zu den größten Schiffen, die je den Ozean gekreuzt haben. Sie übertraf mit ihren 45 000 Tonnen Wasserverdrängung die größten und schnellstenDampferderCunard Linie, „Maure tania" und „Lusitania", noch um 15 000 Tonnen. Der Dampfer war 280 Meter lang, 30 Meter breit, und das Vootsdeck lag 20 Meter über dem Wasser. Er hatte neun Decks übereinander und konnte neben seiner Besatzung von 800 Mann noch 5000 Passagiere fassen. Wie die „Olympic" ist auch die „Titanic" ein mit dem größten Luxus eingerichtetes schwimmendes Hotel. — Die Nachricht vom Untergang des Dampfers „Titanic" gelangte sofort nach ihrem Bekannt werden in Berlin auf amtlichem Wege zur Kenntnis des Kaisers, der von der Unglücks botschaft tief ergriffen war. Er sprach wieder holt sein lebhaftes Bedauern und sein regstes Mitgefühl aus mit dem tragischen Geschick, das den größten Dampfer der Welt betroffen habe, und mit dem Verlust so zahlreicher Menschen leben. Da widersprechende Nachrichten vorlagen, gab der Kaiser den Befehl, genaue Erkundi gungen über die Größe des erschütternden Un glücks einzuziehen. Er erhielt im Laufe des Abends ausführliche Berichte aus Berlin und London über den Umfang der Katastrophe. Die „White-Star-Gesellschaft" erhielt teilnahmsvolle Telegramme von Kaiser Wilhelm und von Prinz Heinrich von Preußen. Von unü fern. X Ein seltener Fall treuester Schwestern liebe ereignete sich kürzlich in einem Allers heim in Königsberg i. Pr., in dem die Ge schwister v. L. seit Jahren eine Stiftsstelle innehatten. Das eine Frl. v. L. starb. Als die Leiche nach polizeilicher Vorschrift schon nach wenigen Stunden nach der Leichenhalle gebracht werden sollte, brach die zweite Schwester, die an der Verstorbenen mit hingehendster Liebe gehangen, fassungslos zusammen und verschied, ohne das Bewußtsein wiedererlangi zu haben. Freundeshände betteten das Schwesternpaar gemeinsam in die kühle Gruft. A Liegen äe l^iebe. Ij Romau von Paul Bliß, "h 1. Auf dem Wege, der über den Hügel zur LindenwirrsFaft führt, schritt rüstig ein junges MLdcben dahin. „AbA Elsbeth, Mädel, lauf doch mcht so fix!" ertönte plötzlich eine schrille Stimme. Die Kleine stand still und sah sich um. „Hast du es denn gar so eilig?" „Freilich hab' ich's eilig." „Gar io schlimm wird's schon nicht sein! Nimm mich nur mit, ich hab' denselben Weg." Prustend und keuchend süeg eine dicke Person, mit einer großen Kiepe beladen, den Hügel hinauf. Das junge Mädchen blieb nur ungern stehen. — „Viel Zeit hab' ich aber nicht," sagte es kurz und bestimmt. Nun war die Dicke auch schon heran. „Ach, wä/ ich doch auch noch so schlank und fix l" stöhnte sie. Die Kleine zog lächelnd die Lippen kraus, sagte aber nichts, sondern ging langsam weiter. Keuchend ächzte die andre nebenher. — „Hält' ich nur nicht so schwer zu schleppen I Uder achtzig Pfund wiegt die Kiepe heut'! Za, du hast's gut! Deine Wäsche wiegt noch keine zwanzig Pfund! Da kann man wohl schnell weiterkommen! Aber ich arme, alte Person!" *) Unberechtigter Nachdruck wird verfolgt. Wieder lächelte die Kleine; sie merkte wohl, daß die Alte sich eines Tests ihrer Bürde ent lasten wollte, aber sie tat, als hätte sie nichts gemerkt. Langsam gingen sie weiter. „Und wie schmuck du wieder aussiehst, Els- bethchen," begann die Alte alsdann, „geputzt wie eine Dame aus der Stadt." Jetzt lachte die Kleine hell auf. — „Geputzt? Na, ich bank' schön! Dis Städterinnen würden sich für solchen Putz bestens bedanken!" „Alles so hell und duftig und sauber." „Ja, du lieber Himmel, das muß doch sein I Wenn eine Wäscherin nicht sauber und proper angezogen ist, wer soll ihr denn da seine Wäsche anvertrauen? Das gehört doch mit zum Ge schäft, sollt' ich meine»." Die Atte nickte und begann von neuem zu stöhnen. „Ach, wie die Kiepe heut' drückt, es ist gar nicht zu sagen! Nein die Lust bleibt mir weg! Mär' ich doch nur erst oben!" Da antwortete die Kleine, um jeden weiteren Versuch der andern abzuwekreu: „Ich würd' Ihnen ja recht gern helfen, Mutter Liese, aber erstens hab' ich au meiner Wäsche allein genug zu tragen, und dann hab' ich auch keine Zeit mehr. Sie gehen mir zu langsam; ich muß pünktlich oben sein. Also nichts iür ungut. Adjüs!" Schnell uud behend stieg sie vorauf — das hätte ihr noch gefehlt, daß sie sich mit dieser Atte», dem größten Klatschmaul des Städtchens, näher bekannt machte! Um Gottes willen nicht! Immer zehn Schritt vom Leibe! — Schnell stieg sie ihren Pfad empor. Und die Atte keuchte wütend hinlerher — sie sagte nichts, all ihren Arger schluckte sie herunter, um so mehr aber dachte sie, — und sie dachte: „Wart' nur, du Zierpupp', dir zahl' ich's schon noch heim! So ein Putzaff I Hält sich für wunder was! Glaubt, es vergäb' sich was, wenn's mit unsereins spricht! Wart' nur, mein Mädel, dir werd' ich die „Gräfin" noch ausireiben." Wütend keuchte sie weiter. Inzwischen war Elsbeth bereits oben in dcr Lindenwirtschaft angekommen; sie ging durch den Restaurationsgarren, begrüßte mit einem flohen „Guten Morgen" den alten Gärtner, winkte ebenso freundlich dem Wirt zu und ver schwand dann in der Tür, die zu den Familien- räumen führt. Gerade als sie durch die Tür trat, kam von der andern Seite des Hügels ein junger Mann herauf, und als er durch das Gartentor schritt, hatte er gerade noch Zeit genug, das schlanke, blonde Mädchen in der Tür verschwinden zu sehen. „DonneMchüng!" dachte der Fremde. „Was ist das für ein netter Balg !" Und äußerst interessiert sah er der Kleinen nach. Mit stiller Freundlichkeit begrüßte der alte Wirt seinen neuen Gast: „Wünsch' recht guten Morgen." Der Fremde zog höflich seinen Hut und fragte: „Kann ich ein bißchen was zu essen bekommen? Das Wandern hat mir Appetit gemacht." Lächelnd erwiderte der Alte: „Das will ich gern glauben. Eine Tom an so einem Prächtigeis Frühlingsmorgeu, die schafft schon Appetit." Der Fremde wählte ein Gericht von der Karte, bestellte ein Glas Bier und ließ sich nieder. Als der Wirt mit dem frischen Trank wiederkam, sah er das Gepäck seines GasteS und freudig rief er: „Ah, der Herr ist Maler und wollen hier wohl Studien machen, nicht wahr?" Der junge Mann nickte lächelnd und meinte: „Wenn es hier etwas zu malen gibt, warum nicht?" Nun geriet der Alte ins Schwelgen. „Und ob es hier was zu malen gibt! Seine hell« Freude wird der Herr haben! Wie oft habe» wir schon Künstler hier gehabt, und jeder ist entzückt gewesen." „So, io — nun, dann wird es mir wohl auch gefallen — was ich bis setzt von der Gegend sah, WM ja auch recht lieblich." „Und nicht nur die Gegend allem," schwärmte der Alte weiter, „unsre Leute hier sollen Sie mal erst in ihrer Nationaltracht sehe« — das wird Sie gleich anregen — und dann unfle Mädels hier —" „Ach! Was Sie sagen!" „Staatsmädels I sag' ich Jhn«l — ein« immer stattlicher als die andre." Schmunzelnd strich der Maler feig« strammen Schnurrbart. — „Da bin ich aber be gierig," sagte er. „Ja, junger Herr, hier hat es bisher noch jedem gefallen, das kann ich getrost sagen." Die Speisen wurden gebracht, und der Mal« machte sich ans Essen.
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