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Allgemeiner Anzeiger : 12.06.1912
- Erscheinungsdatum
- 1912-06-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191206124
- PURL
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19120612
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1912
-
Monat
1912-06
- Tag 1912-06-12
-
Monat
1912-06
-
Jahr
1912
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 12.06.1912
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Zum Besuch -es bulgarischen Uönigspaares in Berlin. König Ferdinand von Bulgarien, der bereits in Petersburg und Wien feierliche Besuche ge macht hat, ist nun auch mit seiner Gemahlin und seinen beiden Söhnen in Berlin zum Besuche des Kaiserhofes eingetroffen. Der Herrscher Bulgariens stellt sich als König dem Deutschen Kaiser vor. Daß diesem Höflichkeits akt jedoch auch politische Bedeutung innewohnt, beweist d'e Tatsache, daß neben einer Reihe von Staatswürdenträgern auch der Minister präsident Goschow den König begleitet. König Ferdinand wellt nicht zum ersten Male in der deutschen Hauptstadt. Seit er den bulgarischen Thron als koburgischer Prinz bestiegen, hat ihn sein Weg schon mehrfach nach Berlin geführt, um Kaiser Wilhelm zu begrüßen. Der diesmalige Besuch des Herrschers erregt also nur insofern besondere Aufmerksamkeit, als es das erstemal ist, seit Bulgariens Staatsoberhaupt die Würde eines Königs erlangt und seinem Reiche so auch nach außen hin Glanz und Ansehen ver liehen Hot. König Ferdinand von Bulgarien hat sich unter schwierigsten Verhältnissen als Staatsmann von hervorragenden Eigen schaften betätigt, und jetzt, da er volle 25 Jahre auf seinem Posten steht, sieht er sich von aller Welt gewürdigt, ja fast bewundert. Und mit Recht I Denn erst unter seiner Regierung er hielt Bulgarien die Fassung und das Ansehen eines modernen Staates. Als der Berliner Kongreß 1878 Bulgarien von der Türkei als Fürstentum abtrennte, war es noch lange kein Staatswesen, und Rußland hatte gewiß nicht die besten Absichten. Sie führten zur Ab dankung des Battenbergers und dazu, daß Prinz Waldemar von Dänemark die ihm an gebotene Herrschaft dankend ablehnte. Und wahrlich, man bewunderte den Mut des damals 26 jährigen ungarischen Hauptmanns Prinzen Ferdinand von Koburg - Kohary, der am 28. August 1887 als Fürst von Bulgarien feinen Einzug in Sofia hielt. Damals tele graphierte der alte Kaiser Wilhelm dem neuen Fürsten: „In der Gewißheit, daß Deine Regie rung in wohlwollender Weise für die Sicherheit der deutschen Interessen an der Neuregelung der Orientbahnfrage ein steht, habe ich meinen Vertreter beauftragt, Dir die Anerkennung meiner Regierung zur Unabhängigkeit Deines Landes auszusprechen. Es gereicht mir zur Freude, Dir gleichzeitig meine persönlichen Glückwünsche auszudrücken und Dich als Herrscher von Bulgarien begrüßen zu können." Und wenn nun dieser Manw der mit eiserner Energie sein Land aus der Masse kleiner Staaten zu einem achtunggebietenden Machtfaktor auf dem Balkan gemacht hat, gerade jetzt seinen Besuch in Berlin macht, wo die Balkan- jrage wieder einmal brennend geworden ist, so ist das nicht ohne Bedeutung. Vor allem läßt dieser Besuch erkennen, daß König Ferdinands erprobte staatsmännische Klugheit nach wie vor gewillt ist, das (Gleichgewicht der bulgarischen Politik in freundschaftlichen Beziehungen zum russischen Reich einerseits und zu den beiden Dreibund- mächteu anderseits zu finden. In dieser Politik der Selbständigkeit und der Abneigung gegen alle Abenteuerpläne gewisser slawischer Kreise liegt nicht nur die verhältnismäßig un- erschüiterte Haltung des bulgarischen Staats- lcbens nach innen sowohl als nach außen, in ihr liegt auch eine Gewähr für dis weitere Auf- rechlerhaltung des Balkanfriedens. Innerlich gefestigt und äußerlich achtunggebietend, so steht das Bulgarien von heute da, das Wer! dieses klugen und bedeutenden europäischen Monarchen, der auf dem heißen Boden des Balkans mit sicherem Blicke erkannte, was seinem Lande nottat, ohne je nach einem Abenteuer zu greifen. Trotzdem im Orient ein Krieg schwere wirtschaft liche Schäden mit sich bringt, weiß man in allen Kabinetten, daß der König von Bulgarien niemals seine Hand dazu bieten würde, im Trüben zu fischen und die Schwierigkeiten zu O Siegencle I^iebe. 16j Roman von Paul Bliß. (Fortsctzuitgp Die dicke Müllhubern sah über di« Brille weg. — „Na, nu hören Sie bloß uff. — Wat haben Sie denn in so'n Jammernest? — Wie man sich aus Berlin nach so'n Krähwinkel zurück sehnen kann, das is mir einfach schleierhaft. — Und dann denken Sie doch ooch 'n bißken an Ihre Tochter. — Sollte denn so'n Prachtmädel da drüben versauern? Nee, so was Properes jehört nach Berlin. Hier is der richtige Platz, wo io'n Mädel ihr Glück machen kann!" „Ach, lieber Gott, heiraten hätte sie drüben auch können; von einem Förster hatte sie schon einen Antrag: leider will sie nicht." „Das verdenke ich der Kleinen gar nicht! Die kann ihr Glück ganz anders machen — . lasten Sie sie man erst hier bekannt werden, da sollen Sie mal sehen, daß ick recht habe." „Ich habe nur kein rechtes Zutrauen zu den Berliner Männern," stöhnte Mütterchen. „I was! Die sind hier nicht schlechter als anderswo! Und wenn 'n Mädel schlau is, dann weiß sie schon, wo sie bleibt." Im selben Augenblick kam Elsbeth. Da erhob sich die Müllhubern und rollte khren Strickstrumpf zusammen. — „Na, sehen ' > Sie Woll, da is sie ja ganz wohlbehalten." Elsbeth ging zur Mutter und umarmte sie. „Mein Kindchen, so spät?" „Früher geht's nicht, Mutting." „Na, und wie war's denn nun?" „Prachtvoll, Mütterchen I Ein sehr lieber erhöhen, die drohend am Horizont erscheine^. König Ferdinand hat sich immer bemüht, mit Konstantinopel in gutem Verhältnis zu bleiben und gibt dieses System nicht auf. Manchen Parteien auf dem Balkan wird dadurch eine Enttäuschung bereitet, manche Hoffnung auf Gewinn vereitelt. Das Königreich Bulgarien ist für Abenteuer nicht zu haben. Das Ver hältnis Bulgariens zu Deutschland ist von Jahr zu Jahr wärmer und noch in den letzten Mo naten durch eine Reihe von Verträgen befestigt worden. So begrüßt Deutschland in dem Be sucher den Überbringer neuer Friedensgarantien, die gerade in unsren Tagen bitter notwendig sind. Politische Kuncilckau. Deutschland. * Kaiser Wilhelm stattete dem Reichs - kanzler v. Bethmann-Hollweg einen längeren Besuch ab, bei dem die Frage eines Urlaubs !ür den Kanzler eingehend erörtert wurde. Wie verlautet, wird Herr v. Bethmann- Hollweg sich demnächst zu mehrwöchigem Kur aufenthalt nach Borkum begeben. *Der Präsident des preußischen Abge ordnetenhauses, Dr. Frhr. v. Erffa, hat einen leichten Schlaganfall erlitten und liegt auf Schloß Wernburg darnieder. Das Befinden des Erkrankten ist verhältnismäßig gut. * über die Handwerke r-K onferenz, die kürzlich im Reichsamt des Innern in Berlin stattfand, wird jetzt ein halbamtlicher Bericht er stattet. Danach herrschte auf ihr Übereinstimmung darüber, daß die Schaffung einer einheitlichen Instanz zur Entscheidung der Frage der Ab grenzung von Fabrik und Handwerk wünschens wert sei. Es wurde der Frage nähergetreten, ob hierbei die Mitwirkung oder doch gutachtliche Anhörung von sachkundigen Vertretern des Handwerks und der Industrie vorzuschreiben sei, und ob die Entscheidungen grundsätzlicher Be deutung, die von dieser Instanz gefällt werden, zu veröffentlichen seien, um als Unterlage für die Entscheidung ähnlicher Fälle dienen zu können, über die Frage der Einrichtung von gemeinschaftlichen Prüfungsausschüssen für Fabrik- und Handwerkslehrlinge fand eine Aussprache statt. Der zweite Punkt der Tages ordnung betraf die Frage der Heranziehung der Industrie zu den Kosten der Ausbildung der Handwerkslehrlinge. Es wurde die Höhe der Aufwendungen, die von den Händwerksorgani- sationen zur Ausbildung der Lehrlinge zurzeit gemacht werden, besprochen. Als zweckmäßig wurde es erachtet, die Frage der Beitragsleistung der Industrie zu den Aufwendungen des Hand werks für die von ihm zu erfüllenden Aufgaben weniger in- den Vordergrund zu stellen, dagegen das Zusammenwirken der Industrie und des Handwerks auf beiden Interessengruppen ge meinschaftlichen Betätigungsgebieten in erster Linie zu betonen. In dieser Hinsicht wurde es als wünschenswert anerkannt, daß die ver- tretenen Verbände bei den ihnen angeschlofsenen Einzelorganisationen, insbesondere den Handels- und Handwerkskammern, auf eine häufigere, periodisch wiederkehrende gemeinsame Beratung dieser Punkte hinwirken möchten. Die Beratung einiger andrer Punkte ist einer späteren Ver handlung Vorbehalten worden. * Dem Vorgehen andrer Bundesstaaten folgend, beabsichtigt die badischeRegierung, noch diesem Landtag einen Gesetzentwurf vor zulegen, wodurch diejenigen, die selbst oder deren Angehörige aus Mitteln der öffentlichen Armenpflege unterstützt werden, auch gegen ihren Willen auf Antrag des Armenverbandes durch Beschluß des Bezirksrates für die Dauer der Unterstützungsbedürftigksit zwangsweise zur Arbeit angehalten werden können. * Bei den L a n d t a g s w a h l e n im Fürstentum Schwa rzburg-Rudol st adt behaupteten die Sozialdemokraten ihre bisherige Mehrheit. Osterreich-Ungar«. *Jn Wien fdnd nach einer mehrjährigen Pause wieder die große Fronleichnams prozession unter Anwesenheit des Kaisers alter Herr ist der Chef! Und überhaupt alles prachtvoll —" Enthusiasmiert berichtete sie weiter. Und gespannt hörten beide Frauen zu. Als dann aber Elsbeth ziemlich ausführlich auch von ihrer Bekanntschaft und Begleitung erzählte, da schmunzelte die Müllhubern heim lich und dachte: Ich kenne doch mein Berlin — wie eine ist, so sind sie alle! — Aber sie sagte nichts dazu, sondern beobachtete und hörte interessiert zu. Elsbeth indes wollte die lästige Nachbarin gern los sein, und so sagte sie: „Nun hab' ich aber einen Mordshunger, Mutting, nun laß uns nur gleich essen." Da empfahl sich die Müllhübern, und Mutter und Tochter blieben allein. „Gott sei Dank," atmete die Kleine auf, „daß wir endlich allein sind." Und Mütterchen stöhnte: „Was soll ich tun? Die Tür kann ich ihr doch nicht weisen — dazu hat sie uns schon zu viel kleine Ge fälligkeiten erwiesen — und von selber geht sie nicht." „Na, laß, Mutting," tröstete Elsbeth sie, „machen wir uns jetzt keine Sorge darüber!" Sie setzten sich nieder zu ihrem be scheidenen Mahl, und Elsbeth berichtete mit immer neuer Freude, was alles sie am ersten Tage im Geschäft erlebt hatte, und wie entzückt von allem sie war. 12. Vierzehn Tage war Elsbeth nun schon im Geschäft, und schon konnte sie mit gutem Ge wissen sagen, daß sie nicht nur vollständig ein Franz Joseph statt. Der greise Kaiser sieht sehr gut aus und befand sich in bester Laune. *Jm ungarischen Abgeordneten hause schoß der wegen der letzten Skandal szenen auf 15 Sitzungen ausgeschlossene Abge ordnete Kovacz dreimal aut den Präsidenten Tisza, der jedoch unverletzt blieb. Ehe jemand ihn hindern konnte, richtete Kooacz die Waffe gegen sich selbst und verletzte sich sehr schwer. — Andern Gerüchten zufolge stammt die Kugel, mit der Kovacz die schwere Ver letzung empfing, nicht aus seinem Revolver, so daß man annimmt, es sei von andrer Seite auf ihn geschossen worden. Frankreich. *Jm Senat wurde die Anfrage über die gesetzliche Organisation der nationalen Verteidigung, insbesondere die Frage der Regierungsweise in Frankreich während eines Krieges verhandelt. Die Verfassung von 1875 regelt diesen besonderen Punkt nicht. Kriegs- Minister Millerand erklärte, es seien eine Reihe von Plänen seit längerer Zeit in Vorbereitung, um diese Frage zu regeln. Die gegenwärtige Regierung werde nichts verabsäumen, um allen künftigen Notwendigkeiten zu begegnen, und werde ihrer Pflicht vollkommen genügen für den Fall, daß unglücklicherweise ein Krieg aus brechen sollte. Alles werde dem einen Ge danken untergeordnet werden, Frankreich den Sieg um jeden Preis und mit allen Mitteln sicher zu stellen. Deshalb werde der mili tärischen Autorität volle und uneingeschränkte Freiheit eingeräumt werden und jede andre werde demgegenüber verschwinden. England. * InLondon kam es in den letzten Tagen wiederholt zu ern st haften Krawallen, da streikende Transportarbeiter Arbeitswillige angriffen. Die Polizei ist angewiesen worden, die schärfsten Schutzmaßregeln zu ergreifen. Baikanstaaten. * Zu dem neuerdings aufgetauchtsn Gerüchte von einem bevorstehenden Friedensschlnß im tripolitanischen Kriege wird in Konstantinopel erklärt, daß von einem Friedens schluss um so weniger die Rede sein könne, als die Tripolitaner fest entschlossen seien, in jedem Fall den Krieg sortzusetzen, bis die Italiener das Land wieder geräumt haben. Demgegen über erhält sich in Petersburg das Gerücht, daß die russische Regierung den Plan einer europäischen Friedenskonferenz hege, deren Pro gramm eine Regelung des gesamten Balkan problems enthalten soll. — Wenn man sich die Schwierigkeiten vergegenwärtigt, denen eine solche Konferenz begegnen muß, erscheint das Gerücht wenig glaubhaft. Afrika. * Nun endlich hat der Sultan Muley Hafid seine längst geplante Reise von der Hauptstadt Fez, wo nach französischen Be richten wieder völlige Ruhe herrscht, nach Rabat antreten können; man hat ihm aber nach wie vor die Reise nach Paris untersagt, da man den Ausbruch neuer Unruhen fürchtet, wenn Muley Hafid das Land verläßt. Explofionskataftrophe in einer Munitionsfabrik. Ein furchtbares Unglück hat die verbündete österreichische Armee betroffen. Freitag morgen ereignete sich in der Munitionsfabrik Möllers dorf bei Wien, wo zurzeit Scharfschießübungen stattfinden, eine Explosion, die von furchtbaren Folgen begleitet war. Das Magazin 48 der Munitionsfabrik ist vollständig in die Luft ge flogen. Das Magazin ist ein einziger großer Trümmerhaufen. Die Explosion soll dadurch entstanden sein, daß ein größeres Quantum Pulver offen auf ein Militär-Auto verladen wurde und dabei explodierte. Von dem Beamten, der die Verladung leitete, fand man bisher nur den goldenen Rockkragen. Die Katastrophe hat sechzehn Todesopfer gefordert. Die Zahl der Verwundeten wird gearbeitet war, sondern daß sie alle Fäden des Betriebes — soweit es eben ihr Ressort betraf — fest in der Hand hatte. Der Chef war sehr erfreut, daß er eine so gute Wahl getroffen hatte, denn seine Erwar tungen waren nicht nur erfüllt, sondem bei weitem übertroffen. Schon verschiedene Male hatte er Elsbeth deutlich zu erkennen gegeben, wie sehr zufrieden er mit ihren Leistungen war. Und Elsbeth selber war überglücklich, daß sie sich so schnell und so gut in alles hinein gefunden hatte. Mit stiller Freude ging sie nun ihrem Beruf nach: das Bewußtsein, daß ihre Leistungen anerkannt wurden, verlieh ihr eine ruhige Würde und jene stille Heiterkeit der Seele, die wie milder Sonnenschein das Dasein verschönt. Freundlich und liebenswürdig begegnete sie jedem, mit dem sie zu tun hatte, und ebenso kam auch ihr jedermann entgegen — sie war beliebt bei alt und jung. Die Stickerinnen ihres Refforts vergötterten sie — nie brauchte sie ein herbes oder gar hartes Wort zu sagen, sondern durch Freund lichkeit und Güte erreichte sie alles, was sie haben wollte. So war sie glücklich und zufrieden in ihrem neuen Beruf und arbeitete mit wirklicher Freude und Hingabe. Arbeit I Arbeit I Vergessen! Vergessen, was noch immer heimlich, verborgen in ihrer Seele glimmte. Ihr Leben war einsam — morgens um acht Uhr ins Geschäft und abends um sechs Uhr nach Hause — so verlief ein Tag wie der auf zweihundert angegeben. Besondere Ver heerungen wurden durch den Luftdruck in dem ältesten Teil der Stadt Wiener Neustadt, in der Josephstadt, angerichtet. Fast kein Fenster ist dort ganz geblieben. Die Fabriken der Wiener Neustadt stellten nach der Explosion sofort ihren Betrieb ein. Die Stadt war minutenlang in Finsternis gehüllt. Auch in der Artillerie kaserne und in der Kaiser-Franz-Joseph- Kavalleriekaserne sind sämtliche Fenster zer brochen. In der Nähe des Magazins 48, etwa 500 Schritte von diesem entfernt, steht ein Wächtorhaus. Ein Posten, der davorstand, wurde etwa 10 Meter weit geschleudert; es wurden ihm drei Finger weggerissen. .Dem Wachkommandanten wurde der Fuß weggerissen. Die übrige Besatzung des Wächterhauses wurde schwer verletzt. Am Rande des kleinen Wäldchens, das sich gegenüber einem Fliegerschuppen er hebt, wurden einige Kanoniere vollständig zer fleischt aufgsfunden. Alle Bäume des Wäldchens sind bis auf kleine Stümpfe niedergebrannt. Die sechs Fliegerschuppen sind furchtbar zuge richtet. Fünf Flugapparate find vollständig zerstört. Ein Automobil der Militärbehörde, das zur Zeit der Explosion an dem Magazin vorüberfuhr, ist geradezu spurlos verschwunden. Nur da und dort fand man einen Maschinenteil des Autos; Chauffeur und Insassen lagen verstümmelt im weiten Kreise umher. Bei einem Schnellzug, der die Stelle der Explosion passierte, wurden fast alle Fenster der Waggons zertrümmert, wodurch 20 Personen mehr oder minder schwer verletzt wurden. Im ganzen sind, wie jetzt fest steht, ungefähr 150 000 Kilogramm Pulver explodiert. Es heißt, daß erst vor einigen Tagen aus dem explodierten Wer! größere Mengen von Dynamit weggeschafft wurden, weil man das Werk als gefährlich ansah. Es ist das ein Glücksfall, da sonst ganz Wiener-Neustadt in die Luft geflogen wäre. Dort übte die Katastrophe eine verheerende Wirkung aus. Es wurden nicht nur zahlreiche Fenster scheiben zertrümmert und Häuser, wenn auch nur geringfügig, beschädigt,' sondern die Aus lagen der Geschäfte buchstäblich ruiniert. Im Moment der Katastrophe wurden die Schulen geschlossen. Schreiende und jammernde Kinder durcheilten die Straßen. Der ungeheure Wirr warr wurde dadurch vermehrt, daß die Feuer wehr in rasendem Galopp der Unglücksstätte zu eilte, Militär und Polizei hinsprengten und die Kirchenglocken zu läuten begannen. Im Kur orte Baden entstand durch die Explosion ein furchtbarer Schrecken. Selbst im Schönbrunner Schloß, wo zurzeit Kaiser Franz Joseph weilt, wurden die Wirkungen der Explosion gespürt, so daß sich der Monarch nach der Ursache er kundigte. Man glaubte in der Umgegend nicht anders, als daß ein Erdbeben stattgesunden habe. Als einer der ersten erschien mit der Rettungswache zugleich der Thronfolger Erz herzog Franz Ferdinand, der sich teilnehmend nach dem Befinden der Verwundeten erkundigte. f)eer unä flonc. — Die neue Flottennovelle bringt eine neue Verteilung der Einzelverbände der Hochseeflotte mit sich. Es gilt als sicher, daß das zu schaffende dritte Geschwader gleich dem ersten in Wil helmshaven stationiert wird. Kiel dürfte Haupt liegehafen des einzigen für die heimische Kampf flotte erforderlichen Flottenflaggschiffs, des zweiten Geschwaders und eines Teils der Aufklärungs schiffe werden. Bis jetzt waren die Ausklärungs- schiffe, deren Zahl neuerdings abnahm, vorwiegend in Kiel stationiert. Mit der Vergrößerung der Hochseeflotte nach den Bestimmungen der Flotten novelle ist dies auf die Dauer nicht durchsühr- bar. Als Hauptliegehäfen der Kreuzer werden außer Kiel Brunsbüttel und Wilhelmshaven ge nannt. Die Zahl der Aufklärungsschiffs hat^uach langer Zeit eine Vermehrung erfahren. Statt sechs kleiner Kreuzer sind jetzt sieben vorhanden. Zum Herbst werden vier große Kreuzer statt der jetzt vorhandenen drei in der Hochseeflotte tätiq sein. andre. Nur am Sonntag ging sie mit der Mutter ein paar Stunden spazieren und zeigte ihr, was es zu sehen gab. Zwar stand sie oft an den Säulen und laS mit interessierten Blicken die Ankündigungen der Theater und Konzerte, und manchmal auch wurde wohl ein Wunsch in ihr rege — aber bei dem Wunsch blieb es, denn noch war kein Geld da zu Theater und Konzerten, vorerst gab es noch genug anzuschaffen au neuer Garderobe und so weiter. So lebte sie still und einsam dahin Md hatte bis jetzt noch nichts gekostet von all den tausend kleinen und großen Freuden, die das gesellige Leben Berlins bietet. Ein paarmal hatten die Kolleginnen sie eingeladen zu kleinen Familienfestlichkeiten, aber sie hatte mit großer Liebenswürdigkeit immer abgelehnt, weil ihr Mütterchen nicht ganz wohl sei und nicht allein bleiben könne — der wirk liche Grund ihrer Ablehnung aber war ein andrer: sie fürchtete nämlich, daß auch, sie dann die Kolleginnen einmal zu sich einladen müsse, und das verboten ihr vorerst noch die so ärm- licheu Verhältnisse, in denen sie lebte. Tagtäglich ging sie stzts vom Geschäft aus direkt nach Hause; um aber den Begleitungen des Herrn Holms zu entgehen, schloß sie sich nun einigen Kolleginnen an, die teilweis« den gleichen Weg machten. Ein paarmal war es auch passiert, daß sie abends um sieben oder acht Uhr, wenn sie noch etwas für die Wirtschaft einzukaufen hatte, in ihrer Straße von fremden Herrn angesprochen wurde; mit feuerrotem Kopf kam sie dann nach
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