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Allgemeiner Anzeiger : 08.05.1912
- Erscheinungsdatum
- 1912-05-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191205088
- PURL
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19120508
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-05
- Tag 1912-05-08
-
Monat
1912-05
-
Jahr
1912
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 08.05.1912
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Vie Dienstzeit -er Kavallerie. In der Budgetkommission des Reichstages kam u. a. auch die Frage zur Debatte, ob es nicht ratsam sei, die Dienstzeit bei der Infanterie ganz allgemein auf ein Jahr und bei der Kavallerie auf zwei Jahre festzusetzen. Im Ver, lauf der Debatte erklärte der preußische Kriegs minister v. Heeringen: „Die akiive Dienstzeit must so bemessen sein, dast der Mann als fertiger Soldat in den Beurlaubtenstand über tritt. Beim überraschenden Eintritt eines Krieges, wo wir sofort vor großen Schlachten stehen werden, müssen die Leute des Beurlaubten standes sofort in die Verbände eingestellt werden und sofort verwendbar sein. Die Verringerung der Dienstzeit der berittenen Truppen ist nicht möglich; die Ausbildung von Mann und Pferd ist schwieriger geworden. Das Fußgefecht ist sehr in den Vordergrund getreten. Die franzö sische Kavallerie hat eigentlich keine zweijährige Dienstzeit mehr, da sie einen großen Prozentsatz von länger dienenden Leuten hat. Bei der reitenden Artillerie müssen die Leute im Fahren, Reiten und Schießen ausgebildet werden, was in zwei Jahren nicht zu leisten ist. Die Bezug nahme mehrerer Redner auf die kurze Aus bildung in der Schweiz ist nicht richtig. Das schweizerische Heer hat andre Aufgaben als das deutsche im Kriege. Den einjährigen Dienst einzuführen, ist nicht angängig, da wir sonst zeitweise keine schlagfertige Armee haben. Die Schweiz kann sich die kurze Dienst zeit leisten, weil an ihrer Grenze keine kriegs bereiten Heere stehen, die unter Umständen über sie hersallen. Die Forderung der Miliz ist eine rein politische Forderung der Sozialdemokratie. Die Selbständigkeit im Gefecht kann nur durch eine intensive Ausbildung erlangt und ge fördert werden. Die Mannschaften werden im Oktober eingestellt und sofort ins Gelände ge führt. Paradedrill geschieht überhaupt nicht mehr. Wir haben nur 20 Tage zwischen Ent lassung und Einstellung der Mannschaften; diese 20 Tage sind notwendig für die Instand setzung der Kasernen, Bekleidungsstücke usw. Die Zeit der Winterausbildung wird mit vollstem Eifer ausgenutzt. Eine Verkürzung durch spätere Einstellung ist nicht möglich, denn dann könnte der Rekrut im Frühjahr bei einer Mobilmachung als verwendbarer Soldat nicht in die Truppenkörper eingestellt werden. 15 000 Einjährige sind in der Armee in jedem Jahr, der jährliche Zugang an Reserveoffizieren ist 1000 unter Berücksichtigung des jährlichen Ab ganges. Strammes Exerzieren muß gefordert werden, um die Disziplin zu fördern und um die Massen bewegen zu können. Alle Armeen, die kriegsmäßige Ausbildung haben, arbeiten genau so. In der Jugend- ausbUdung muß noch mehr geschehen. Die Armee hat alles getan, um sie zu fördern und zu unterstützen. Erfolge können sich aber erst mit der Zeit zeigen. Die Jugendausbildung toll nur eine Erleichterung schaffen für die hohen Anforderungen der Ausbildung in zweijähriger Dienstzeit; deren Herabsetzung kann nicht er folgen. Die ziffermäßige Überlegenheit über Frankreich haben wir nicht mehr. Wir müssen das durch die bestmöglichste Ausbildung aus gleichen, und das wird uns ermöglicht durch unser stärkeres Unteroffizierkorps." — Bei der Ab stimmung wurde der sozialdemokratische Antrag auf Herabsetzung der Dienstzeit bei den be rittenen Truppen zum 1. Oktober 1915 mit 13 gegen 13 Stimmen abgelehnt. Politilcke Kundlckau. Deutschland. * Kaiser Wilhelm hat den griechischen Ministerpräsidenten Venizelosauf der Insel Korfu in Audienz empfangen und ihm das Großkreuz des Roten Adlerordens verliehen. *Wie halbamtlich gemeldet wird, hat sich bereits die Mehrheit der schiffahrenden Mächte im Grundsatz mit der deutschen Anregung ein- i verstanden erklärt, eine Konferenz^für das Rettungswesen zur See einzuberufen, über den Ort der Konferenz und über den Zeitpunkt ihrer Einberufung haben Verhand lungen noch nicht stattgefunden und sie werden wohl auch nicht eher ausgenommen werden können, als bis alle Antworten auf die deutsche Anfrage eingegangen sind. *Die Zentrumsfraktion des Reichstags hat einen Antrag zum Militärgesetz, nicht zur Wehrvorlage, eingebracht, wonach kein Offizier wegen einer gesetzlichen Handlung, also auch wegen Verweigerung des Duells, aus dem Heere entfernt werden darf. Italien. *Die Kammer hat grundsätzlich den Wahl reformentwurf, der ein fast allgemeines Wahlrecht einführt und die Zahl der Wähler von drei auf mehr als acht Millionen erhöht, angenommen. Valkanstaaten. *Die türkische Regierung hat jetzt amtlich in Berlin mitgeteilt, daß sie die Wiedereröffnung der Dardanellen für die neutrale Schiffahrt unter denselben Be dingungen wie vor der Schließung, d. h. mit der Verpflichtung für die Handelsschiffe, sich den Vorschriften des Lotsendienstes zu unterwerfen, beschlossen habe. Die Wiedereröffnung würde erfolgen, sobald die zur Verteidigung ausge legten Minen gehoben seien. Die Türkei be hält sich vor, die Meerengen wieder zu schließen, falls sich die „Notwendigkeit" hierzu heraus stellen sollte. Zus dem Keickstage. Der Reichstag setzte am Donnerstag die Be ratung des Kolonialetats fort. Staatssekretär Dr. Solf erwiderte auf Ausführungen des Abg. Müller-Meiningen vom vorhergehenden Tage, daß die Verwaltung bemüht sei, Jagdschutzverordnungen zu erlassen. Die Kritik an der Justizpflege sei un berechtigt. Das Haus wandte sich bei Beratung des Etats für Südwestafrika besonders der Diamanten frage zu. Die Budgetkommission forderte in einer Rewlntion eine Reform der Diamantenregie unter Beteiligung der Diamantcnförderer. Abg. Hoch (soz.) warf der Regie vor, daß sie SchmutzkonkurrMz treibe und die ganze Produktion lahm gelegt habe. Abg. Erzberger (Zentr.) sprach die Hoffnung aus, daß dem Staatssekretär die Regelung der Diamantenfrage gelingen möge. Nach weiterer Debatte erklärte Staatssekretär Dr. Solf, daß die Regierung nationale Bedürfnisse, wenn irgend mög lich, befriedige. Im neuen Vertrage sei der Preis verbessert. Der Grund für die Unzufriedenheit mit der Regie iei der, daß Leute keinen Einfluß auf den Absatz der Ware haben, die sie fördern. Abg. Ledebour (iozn begründete eine Resolution auf Aufhebung der Verordnung, daß den Eingeborenen die Großviohhaltung von der Ge nehmigung des Gouverneurs abhängig macht. Staatssekretär Dr. Solf sagte eine Milderung zu. Bei der Beratung des Etats für Samoa stand die von der Budgetkommission beantragte Resolution zur Beratung, durch Gesetz die Gültigkeit der Ehen zwischen Weißen und Eingeborenen sicherzustellen. Staatssekretär Dr. Solf bar um Ablehnung der Resolution, während Abg. Ledebour (soz.) seine Ausführungen bekämpfte. Am 3. d. Mts. stehen auf der Tagesordnung die Gefchäftsordnungsanträge. Staatssekretär Delbrück gibt namens der ver bündeten Regierungen die Erklärung ab, daß die Regierung in die Geschäftsordnung, die ein ein seitiges Recht des Reichstages darstelle, nicht ein greifen werde, daß sie aber anderseits nur solchen Einrichtungen zustimmen könne, die die verfassungs mäßigen Rechte des Kaisers und der verbündeten Regierungen nicht beschränken, keinerlei staatsrecht liche Konsequenzen haben und gegen die Vcr- fassungsbeslimmungen nicht verstoßen. Der Reichs kanzler sei jedoch bereit, kurze Anfragen zu be antworten, soweit sie den angeführten Bedingungen nicht wtederfprechen und soweit damit nicht in schwebende Angelegenheiten eines Gerichts-, Ver waltungs» oder Dispiplinarverfahrens Angegriffen wird. Hinsichtlich der kurzen Anfragen beantragt die Geschäftsordnungskommission die Ein schaltung neuer Paragraphen in die Geschäftsord nung. Danach können oie Mitglieder des Reichs tags Anfragen an den Reichskanzler stellen, die schriftlich einzureichen, dem Reichskanzler unverzüg lich mitzuteilen und auf die Tagesordnung der nächsten für die Anfragen bestimmten Sitzung zu bringen sind. Am Dienstag und am Freitag jeder Wo<W darf die erste Stunde auf die Anfragen ver wendet werden, wenn sie nicht einem Gegenstand der Tagesordnung der Sitzung vorgreifen. Eine Be sprechung der Antwort des Reichskanzlers und An träge zur Sache sind unzulässig. Der Fragesteller kann sich mit einer schriftlichen Antwort begnügen. Die Konservativen und die Reichspartei beantragen, zunächst die weitere Bestimmung zu streichen, wonach zur Ergänzung und Berichtigung der Anfrage der Fragesteller das Wort verlangen kann; die Sozial- dcmokratsn dagegen wollen dieses Recht jedem Mit- gliede des Hauses einräumen. Weiter wollen die Konservativen und die ReichLpartei die Zulässigkeit der Anfragen nur auf solche beschränken, die Tat sachen von allgemeiner Bedeutung aus dem Gebiete der inneren oder äußeren Politik des Reiches zum Gegenstand haben und nicht in ein schwebendes Ver fahren eingreifen. Abg. Gröber lZentr.) erstattet den Bericht der Kommifsion. Die Behauptung, mit den kurzen Anfragen beabsichtige man eine Verschiebung der Machtverhältniffe zwischen Reichstag und Regierung, ist ein Phantastegebilde. Präsident Kämpf teilt mit, daß über die An träge der Konservativen namentlich abgestimmt wer den soll, jedoch erst an einem späteren Tage. Abg. Ledebour (soz.): Die Mitteilungen des Staatssekretärs waren entweder überflüssig oder nicht berechtigt. Niemand beabsichtigt mit diesen Anträgen eine Ausdehnung der Machtbefugnisse des Reichstags. Halten wir es für nötig, dann werden wir es nicht auf diesem Umwege tun, sondern auf dem direkten Wege des Anttags auf Verfassungs änderung. Der Redner empfiehlt die Anträge seiner Partei und weist aus die günstigen Erfahrungen in England hin. Abg. Kreth (kons.): Wir sind der Ansicht, daß obne die Absicht tatsächlich der Erfolg erreicht wird, daß die Rechte des Reichstages auf Kosten der Autorität der Regierung vergröbert werden. Die linksstehende Presse macht ja kein Hehl daraus, daß der ganze Zweck der Aktion eine Vergrößerung des ReichSmgsrechtes ist. Schon der Zwang für den Reichskanzler oder feinen Vertreter, zweimal wöchent lich hier Rede und Antwort zu stehen, ist eine große Belastung für ihn. Die Linke sollte die Sachlage noch einmal prüfen und unsre Anträge annehmen. Die Erklärung der Regierung deckt sich völlig mit unserm Standpunkt. Der Vergleich mit Eng land ist nicht stichhaltig. Dort ist der Sprecher allmächtig, das wird hier immer verschwiegen. Ein Sozialdemokrat, wie bei uns, wäre dort unmöglich. Würden wir im großen und ganzen mit England tauschen, die Rechte würde bei uns nicht zu kurz kommen. Die Anfragen dürfen nicht in einzelstaat liche Verhältnisse ein greifen und nicht in ein schweben des Verfahren; wenn das selbstverständlich ist, so können Sie es in die Geschäftsordnung ruhig auf nehmen. Wird unser Antrag abgelehnt, dann lehnen wir die kurzen Anfragen ab. Abg. List (nat.-lib.): Die Anträge der Ge schäftsordnungskommission entsprechen unsern Wün schen. Wir werden ihnen in vollem Umfange zu stimmen und die neuen Anträge von rechts und links ablehncn. Wir erblicken in der Einführung der kurzen Anfragen eine Bereicherung des parlameütari- schen Lebens. Der Gedankenaustausch mit der Re gierung wird dann lebhafter und ersprießlicher wer den. Wir haben geprüft, ob eine Schmälerung der Rechte der Regierung vorliegt; dies muß unbedingt verneint werden. Abg. Müller-Meiningen (sortschr. Vp.): Auch wir begrüßen die Kommissionsbeschuisse. Von einer Erweiterung der Rechte des Reichstages zum Schaden der andern verfassungsmäßigen Faktoren kann nicht die Rede sein. Der Reichstag hat die Pflicht, ein zugreifen, wenn z. B. das Vereinsgefetz mißbraucht wird. Wenn der Reichskanzler sich weigern sollte, so müßte eben das große Geschütz der Interpellation ausgefahren werden. Die kleinen Anfragen sind sehr beliebt, z. B. in England, Frankreich usw. Man erspart damit die Zeit, macht das Parlament beweglicher und belebt den Verkehr zwischen Negie rung und Parlament und Parlament und Volk. Auch die Regierung hat damit Gelegenheit, rasch Aufklärung zu geben. Um die Frage bald zur Erledigung zu bringen, werden wir alle Ab änderungsanträge ablehncn. Abg. v. Halem (Reichsp.): In England sind in einem Jahre 7000 Anfragen gestellt worben. Das System der schriftlichen Anfragen wäre besser. Auch jetzt kann man von der Regierung schon Rede und Antwort erhalten. Wenn die Kau elen, die die konservativen Anträge bringen, abgetehnt werden, lehnen wir auch die kurzen Anfragen ab. Abg. Bell sZentr.): In die verfassungsmäßigen Rechte der Regierung oder des Kaisers wird nicht eingegriffen. Wir stehen daher auf dem Boden der Beschlüsse der Kommission. Anfragen gibt'S ja schon jetzt, z. B. während der Etatsberatung. Neu ist nur die Form. Abg. Westarp (kons.): Die kurzen Anfragen werden kein praktisches Institut sein. Wir werden mit Anfragen überschwemmt werden. Ich behalte mir also den Antrag vor, daß im Interesse der Würde des Hauses die Materie an die Kommission zurückverwiesen wkd. Abg. Müller - Meiningen (fortschr. Vp.): Früher verhielt sich die Rechte nicht so ablehnend. Jetzt sieht sie auf einmal eine Verfassungsgefahr. Ich bitte Sie dringend, es bei dem Kompromiß zu belassen. Abg. Bell (Zentt.): Da wir den dringenden Wunsch haben, einen positiven Beschluß zu erzielen, ziehe ich unsre Anträge zurück. Abg. Schultz (Reichsp.): Sie scheinen in Reisc- stimmung zu sein. Dreieinhalh Jahre schwebt die Frage, und nun soll sie in einer kurzen Sitzung er ledigt werden. Man will in die Rechte der Krone eingreifen. Ich Halle die kurzen Anfragen für über flüssig und schädlich. Lehnen Sie es ab, in ein schwebendes Gerichtsverfahren einzugreifen! Sie stören sonst die Unbefangenhell des Gerichts. Abg. Graf Westarp (kons.) beantragt nochmals Zurückweisung bis zur allgemeinen Revision der Geschäftsordnung. Bbg. Graf v. P o s ad o w s k y (b. k. Fr.): Ich halte eS für bedenklich, in ein Gerichtsverfahren ein zugreifen, auch nachdem das Urteil ergangen ist. Ich lehne von meinem politischen Standpunkte jede Erweiterung der Rechte des Reichstages und jedes Hinstreben zum parlamentarischen System ab, weil es nicht der geschichtlichen Entwicklung in Deutsch land entspricht, und weil ich ein Parlament für un fähig halte, die Zügel der Regierung zu ergreifen^ zumal ein Parlament, das elf politische Parteien umfaßt. , Die Aussprache schließt. Die Kommissions beschlüsse werden gegen die Stimmen der Rechten angenommen. Es folgt die Besprechung des zweiten Teiles der Gkschästsordnungsanträge: Anträge bei Inter pellationen. Der neue (wichtigste) Paragraph 33 a lautet nach den Beschlüssen der Geschäftsordnungs kommission : Bei der Besprechung einer Interpellation können Anträge gestellt werden, die die Feststellung verlangen, daß die Behandlung der den Gegenstand der Interpellation bildenden Angelegenheit durch den Reichskanzler der Anschauung des Reichstages ent spricht oder daß sie ihr nicht entspricht. Diese An träge müssen von mindestens 80 anwesenden Mit gliedern unterstützt werden. Die Konservativen und Reichspartei beantragen die Beseitigung dieser Bestimmung. Abg. Kreth (kons.): Die neuen Bestimmungen bedeuten einen Eingriff in verfassungsrechtliche Zu stände. Der Reichskanzler soll vom Reichstag ab hängig werden. Die neuen Bestimmungen richten sich gegen den Kaiser. Die Autorität der Krone und das Recht der Einzelstaaten soll nicht geschmälert werden. Wir brauchen eine feste Regierung, Autorität, nicht Majorität! Abg. David (soz.): Den Grund der Gründe für seine ablehnende Haltung hat der Vorredner nicht genannt: sie betrachten die verbündeten Regie rungen als ihren Exekntivausschuß. Die Rechte hat bisher noch jeden Kanzler gestürzt. Die Befürchtung .aber, es werde eine neue Obstruktionsmöglichkeit ge schaffen, ist hinfällig. Abg. Junck (nat.-lib.): Wir danken dem Abg. Kreth für den Anttag auf namentliche Abstimmung. Seine Rede war im übrigen bezeichnend für den Geist, der jeden Fortschritt im Parlament ver hindern will. Abg. Gröber (Ztr.): Wir halten an den Kom missionsbeschlüssen fest und lehnen auch die konser vativen Abänderungsanträge ab. Nachdem noch vie Abgg. v. Halem (Rp.) und Bell (Ztr.) sich kurz geäußert, schließt die Aus sprache. Lie Abstimmungen, die namentlich sein werden, werden am Mittwoch stattfinden. Nächste Sitzung Dienstag. Von I^lak und fern. Kaiser Wilhelm hat die Farmen Dickdorn und Kojof im südwestafrikanischen Bezirke Gibeon für 96 000 Mk. auf den Rat des gegenwärtig Deutsch-Südwestafrika bereisenden Hoftammerrates Heckel angekauft. Die Farmen sollen dem Betrieb der Wolljchafzucht dienen. Der Bezirk Gibeon liegt in der Südhälste der Kolonie. Gibeon selbst ist Station der Nord- Südbahn, die von Windhuk im Norden nach Keetmannshoop im Süden verläust. Das Ge biet, um das es sich handelt, ist von den schweren Kämpfen mit den Eingeborenen noch in Erinnerung. Es ist ein steppenreicher Land strich, der zur Schafzucht sehr geeignet erscheint. O Siegenäe I^iebe. 6j Roman von Paul Bliß. Als man beim Kaffee saß, wollte das Ge spräch nicht recht in Gang kommen. Am meisten zerstreut, fast wortkarg war Elsbeth. Immerfort dachte sie daran, was wohl der Maler denken mußte, wenn er sie mit dem Förster zusammen gehen sah. Draußen auf den Straßen war es nun lebendig geworden. Das ganze Städtchen schien unterwegs zu sein, und alles pilgerte hinaus nach dem Festplatz. „Sehen Sie doch nur diese Menschenmenge da draußen an," sagte Mütterchen, um der schleppenden Unterhaltung eine neue Wendung zu geben. „Ja, es scheint, als sei kein Mensch zu Haute geblieben," fügte heiter der Förster hinzu. Elsbeth aber ergriff die gute Gelegenheit und sagte: „Schrecklich diese vielen Menschen I Da tut man doch wirklich am besten, man bleibt heute daheim." Erschrocken sah der Förster sie an. — „Aber man kann doch dahin gehen, wo nicht so viel Leute sind." „Ach, heute sind allenthalben so viel!" Nun widersprach auch Mütterchen: „Das glaube ich doch nicht, Kind. Die meisten sind auf der Festwiese." Da bekam der Förster wieder Mut, lächelnd sagte er: „Also gehen wir über den Hügel in den Wald. Einverstanden, Fräulein Elsbeth?" Sie zwang sich zur Ruhe und nickte. — „Ich habe es Ihnen ja doch zugesagt, Herr Förster." Gleich darauf brachen sie auf. Mütterchen blieb daheim. Als sie dem Grünrock Adieu sagte, schüttelte sie ihm sehr heimlich die Hand. Ebenso herzlich dankte er und nickte ihr ver ständnisinnig zu. „Bitte, lassen Sie uns am Bach entlang gehen," bat Elsbeth, die es vermeiden wollte, die Stadt zu passieren. „Wie Sie wünschen, Fräulein Elsbeth!" Er war glückselig, sie endlich für sich allein zu haben. Langsam gingen sie nebeneinander hin; über ihnen blühten die Weiden, unter ihnen rann der murmelnde Bach dahin. Sie waren ganz allein. Zärtlich faßte er nach ihrer Hand. — „Nun, sehen Sie, hatt' ich nicht recht? — Kein Mensch ist hier." Sie nickte nur. Da bat er: „Fräulein Elsbeth, was fehlt Ihnen? Sie sind heute ganz anders als sonst." Und da tat er ihr leid — sie wußte, wie gut er es mit ihr meinte — Md nun zwang sie sich zur Heiterkeit. „Ich war ein bißchen nachdenklich," erwiderte sie, ihm zulächelnd," entschuldigen Sie, wenn ich unaufmerksam war." Innig drückte er ihre Hand. — ,Ach ich bin so glücklich, Fräulein Elsbeth, ich kann es Ihnen gar nicht sagen." Still lächelnd sah sie vor sich nieder. Und begeistert sprach er weiter: „Der schöne Frühlingstag hat mich außer Rand und Band gebracht! Ich könnte laut losjubeln!" Ein wenig erstaunt sah sie ihn an — nie hatte sie ihn so ausgelassen kennen gelernt. Er merkte ihr Erstaunen. Heiter rief er: „Ich seh' es Ihnen an, Sie wundem sich über mich — aber wenn auch, ich kann nicht anders, ich muß heute so fröhlich sein!" Mit gutmütigem Lächeln sagte sie: „Aber freuen Sie sich doch, daß es so ist; es gibt doch nichts Schöneres als Frohsinn; ich wünscht', ich hätt' ihn auch." „Ja, haben Sie ihn denn nicht? Ich dächte, Sie wären sonst immer sehr froh ge wesen." „Aber immer kann man doch nicht gleich lustig sein, es kommen doch auch Stunden des Nachdenkens." Nun wurde er ganz ausgelassen. — „Sie denken nach ? Ah! Gewiß denken Sie an den jungen Maler." Da zuckte sie zusammen, entzog ihm die Hand, sah ihn mit erschreckten Augen an und fragte: „Wie kommen Sie denn darauf?" „Nun, davon spricht doch schon die ganze Stadt," erwiderte er heiter, „dem armen Kerl haben Sie doch ganz sicher das Herz ge brochen !" Sie antwortete nichts, sie sah vor sich hin, und ehe sie es verhindem konnte, kamen ihr die Tränen. Als er das sah, schwand seine Ausgelassen heit sofort, flehend bat er: „Wer, Fräulein Elsbeth, was sind das nun für Sachen! Sie dürfen so was doch nicht für bare Münze nehmen! Sie haben doch sonst stets einen Spaß verstanden! Na, bitte, nun hören Sie Ms zu weinen! Bitte! Ich kann so was nicht mit ansehen!" Ganz leise sagte sie: „Der junge Mann hat unser Häuschen gemalt. Das ist alles. Dafür kann ich doch nicht!" „Aber nein! Nein I Das sagt ja auch kein Mensch! Es war doch nur ein schlechter Scherr von mir!" „Und was die Leute sagen, dafür kann ich doch erst recht nicht!" „Gewiß nicht! Was geht Ms denn auch an, was die dummen Weiber schwatzen! Das kennt man ja zur Genüge! — Na, Fräulein Elsbeth, nun seien Sie mal wieder gut und trocknen Sie die Tränen! Und tragen Sie mir den schlechten Scherz nicht nach, bitte, nein?" Zärtlich streichelte er ihre weiche Hand. Sie lächelte schon wieder ein wenig. Sie wußte, daß er es nicht böse gemeint hatte. „Ich habe Ihnen doch nicht weh tun wollen!" „Nein, das weiß ich." „Dazu habe ich Sie doch viel zu lieb, Fräulein Elsbeth!" Langsam entzog sie ihm die Hand wieder. Er aber faßte und hielt sie schnell wieder. Und nun sprach er dringlicher: „Ja, Fräulein Elsbeth, ich muß es Ihnen sagen, jetzt, jetzt- gleich! Ich habe Sie lieb! Sehr, sehr lieb!""
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