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Allgemeiner Anzeiger : 06.04.1912
- Erscheinungsdatum
- 1912-04-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Urheberrechtsschutz 1.0
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- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191204067
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19120406
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19120406
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1912
-
Monat
1912-04
- Tag 1912-04-06
-
Monat
1912-04
-
Jahr
1912
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 06.04.1912
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Vie neue MaK- unä Gewicktsoränung. Die Entwicklung von Handel und Verkehr und die Wandlungen auf sozialem Gebiet haben Änderungen des aus dem Jahre 1868 stammenden Maß- und Gewichtswesens notwendig gemacht, die in dem Gesetz vom Jahre 1908 verwirklicht und am 1. April 1912 in Kraft getreten sind. Da diese Änderungen teilweise von erheblicher Be deutung für unser Wirtschaftsleben sind, lohn es wohl, sich über die Einzelheiten klar zu werden. Das neue Gesetz dehnt zunächst den Bereich der Eichpflicht erheblich aus. So unter liegen Bierfässer von jetzt ab der Eichpflicht und ebenso alle Förderwagen und Fördergefäße im Bergwerksbetriebe, die zur Ermittlung des Arbeitslohnes dienen. Auch auf die Konsum- Vereine, Genossenschaftsmolkereien und andre Vereine, deren Geschäftsbetrieb sich auf die Mitglieder beschränkt, ist die Eichpflicht ausge dehnt. Auch der Großhandel must sich in Zukunft geeichter Maße und Ge wichte bedienen, selbst wenn er nicht in offenen Verkaufsstellen stattfindet. Entgegengekvmmen ist man dem Publikum durch Zulassung des Viertelpfundes und des Halbpiundes. Der Bundesrat hat die Vollmacht erhalten, weitere Gegenstände in die Eichpflicht einzubeziehen und Gegenstände, die nach der Fassung des Gesetzes eichpflichtig sein könnten, davon auszunehmen. Auch kann der Bundesrat für bestimmte Arten von. Betrieben, insbesondere im Verkehr mit dem Ausland, die Anwendung von Meßgeräten zulasten, die nicht auf dem metrischen System beruhen. Von diesen Vollmachten hat der Bundesrat bereits Gebrauch gemacht. So sind die Wafsermeffer, die Maße der Feldmesser, und gewisse Lehren in Maschinenfabriken von der Eichvflicht befreit. Bei der Herstellung von Textilwaren und für den Verkehr mit dem Ausland auch für einige andre Waren ist die Benutzung fremder Maße und Gewichte zugelassen. Mit diesen Erleichterungen sind die Wünsche der be treffenden Handels- und Gewerbekreise erfüllt. Eine zweite große Neuerung bezieht sich darauf, daß mit wenigen Ausnahmen von jetzt ab alle eichpflichtigen Gegenstände der Nacheichungs- pflicht unterliegen; d. h. sie müssen in be stimmten Fristen — von zwei Jahren, für einige Ausnahmen von drei Jahren — zur Nach eichung vorgelegt werden. Bisher war die Sorge für die Richtighaltung seiner Meßgeräte jedem selbst überlassen; wer unrichtige Meß geräte benutzte, verfiel einer Strafe. Dies hatte große Unzuträglichkeiten und Schädigungen im Geschäftsbetrieb zur Folge, da die Gewerbe treibenden vielfach nicht entscheiden konnten, ob ihr Meßgerät noch richtig war oder nicht. Durch die Neuordnung der Nacheichung wird das Publikum vor Weiterungen geschützt, wenn die Gegenstände ordnungsmäßig dem Elchbeamten vorgelegt sind. Dabei ist die Organisation so getroffen, daß die Eichmeister zum Zwecke der Nacheichung Bereisungen ihrer Bezirke vornehmen, für welche Tag und Ort amtlich bekannt gemacht werden. Gegenstände, die noch lein Jahreszeichen tragen, weil sie vor dem 1. April 1912 geeicht sind, müssen im Jahre 1914 beziehungsweise 1915 zur Nacheichung vorgelegt werden. Durch die neue Maß- und Gewichtsordnung ist ein weiterer Schritt zur Vereinheitlichung des Maß- und Gewichts wesens im Reiche getan; denn Bayern hat auf gewisse Sonderrechte auf diesem Gebiet im wesentlichen verzichtet. Interessant ist, daß durch Lie neue Maßordnung auch die Quadratrute ausgeschaltet worden ist. Hinfort rechnet man nach Hektar und Ar, bezw. Quadratmetern. Politische Kuncilckau. Deutschland. * Die Ankunft Kaiser Wilhelms in Wiesbaden soll nach den bisher getroffenen Anordnungen am 15. Mai erfolgen. An diesem Tage beginnen auch die Festvorstellungen im Königlichen Hoftheater, die jedoch noch nicht festgestellt sind. G Es steht nunmehr fest, daß Herzog Adolf Friedrich von Mecklenburg-Schwerin Ende April, wenn der Urlaub des Frhrn. von Rechenberg abläuft, Gouverneur von Deutsch-Ostafrika wird. Der Herzog ist ein genauer Kenner unsrer ostafrikanischen Kolonie, die er mehrfach bereist hat. * Die überall in der Öffentlichkeit verbreitete Ansicht, daß die Ostmarkenzulage trotz des ablehnenden Entschlusses des Reichstages für das Jahr 1912 einstweilen doch gezahlt werde, da das Notstandsgesetz dies zulasse, ist durchaus irrtümlich. Das Notstandsgesetz für 1912 setzt nur die Posten des allgemeinen Neichshaushaltsplanes in Kraft, die bereits ge nehmigt sind oder überhaupt noch nicht aus Mangel an Zeit beraten werden konnten. Es soll also eine Stockung vermieden werden. In Sachen der Ostmarkenzulage aber hat der Reichstag vor dem 1. April, der als Zahltag in Betracht kommt, mit erheblicher Mehrheit in der zweiten Lesung des Posthaushaltsplanes zum Ausdruck gebracht, daß er die Zahlung verweigert. Unter diesen Umständen kann also die Regierung nicht anders, als zum 1. April Gelder, die sonst als Zulage verteilt worden wären, in der Staatskasse zurückzuhalten. Da an der Ostmarkenzulage nicht nur Beamte der Reichspostverwaltung, sondern auch einige andre Reichsressorts beteiligt sind — auf die Post entfallen nur etwa 85 Prozent — so ist die Reichspostverwaltung allein vorderhand nicht in der Lage, irgendwelche Schritte zur weiteren Klärung der Zukunft zu unternehmen. * Unter Wänderung eines früheren Erlasses haben sich der Minister des Innern und der Finanzminister damit einverstanden erklärt, daß künftighin bis auf weiteres der Einführung einer Steuer auf das Halten von Katzen in Städten nicht grundsätzlich entgegen getreten wird, falls die Steuersätze sich in einem angemessenen. Verhältnis zu den Sätzen der am Orte gültigen Hundesteuerordnung hasten. Es wird jedoch einer eingehenden Prüfung der Katzensteuerordnung hinsichtlich ihrer Zweck mäßigkeit und ihrer Zulässigkeit vom Stand punkte des Tierschutzes aus bedürfen. Die üblichen Vorschriften der Hundesteuerordnungen können nicht ohne weiteres auf die Katzensteuer übertragen werden. Insbesondere verbietet sich die Kennzeichnung der versteuerten Katzen durch Halsband und Marke, weil die Katzen bei ihrem gewohnheitsmäßigen Schlüpfen durch enge Spalten und Löcher sowie beim Klettern leicht am Halsbande hängen bleiben und dadurch einem qualvollen Tode überliefert werden. Osterreich-Ungar«. ODie ungarische Krise, die ent standen war, weil die Regierungsgegner in der sei langem heiß umstrittenen Wehrsrage keine Zugeständnisse machen wollten, hat jetzt eine überraschende Lösung gefunden. Kaiser Franz Joseph hat den Ministerpräsidenten Khuen neuerdings mit der Bildung eines Ministeriums betraut und in dem diesbezüg lichen Handschreiben angedeutet, daß er gegebenenfalls entschlossen sei, abzudanken, älls die ungarische Nation in ihrer Mehrheit darauf bestehe, die Kronrechte der Herrscher bezüglich der Armee einzuschränken. Graf Kh u e n - Hed erv ary hat darauf die Bildung des Kabinetts übernommen und sich dem Kaiser gegenüber verpflichtet, daß Ungarn gegenwärtig nicht daS Recht der jährlichen st e kru te nb e w i lli gu ng — das ist der Kernpunkt der Streitfrage — erstreben wolle. Es wird also, wie bisher, weiter gewurstelt! Bezüglich der beabsichtigt gewesenen Ab dankung Kaiser Franz Josephs melden Budapester Blätter, daß der Monarch auch Kaiser Wilhelm, als er auf der Korfureise in Wien weilte, Mitteilung gemacht habe. Kaiser Wilhelm habe hierauf ausgerufen: „Ganz unmöglich! Dein Rücktritt würde gerade jetzt den Frieden Europas schwer gefährden!" Nur durch die weiteren dringendsten Vorstellun gen des Deutschen Kaisers sei endlich Franz! von seinem Vorhaben abgestanden und habe hierauf an Khuen - Hedervary die Forde rung gestellt, das Ministerrum wieder zu über nehmen. G»gla«d. * Im Unterhause erklärte der Erste Lord der Admiralität, Churchill, auf eine Anfrage, ob der Austausch von Nachrichten über Marine » Angelegenheiten bereits zwischen England und irgend einer Macht statt fände: „Ich habe erklärt, daß die Verhand lungen zwischen Deutschland und England wegen Austausches von solchen Nachrichten voranschreiten. Ich wünsche zurzeit dieser Erklärung nichts hinzuzufügen." Italien. * Die anfängliche Kriegsbegeisterung in Italien flaut jetzt merklich ab. In ganz Oberitalien fanden am Sonntag Versamm lungen statt, an denen alle Bevölkerungs schichten teilnahmen und in denen die Ein leitung von Friedensverhandlun gen gefordert wurde. Die einzelnen Redner wiesen darauf hin, daß die Behauptung der Türken, der Krieg sei für sie verhältnismäßig billig und könne jahrelang dauern, sich durch aus bewahrheite. Aus Anlaß dieser Versamm lungen kam es an mehreren Orten auch zu schweren Ausschreitungen, so daß wiederholt Militär einschreiten mußte. Afrika. *Jm Innern Marokkos ist es zu heftigen Kämpfen zwischen den Truppen des Sultans und einigen aufrührerischen Stämmen gekommen, die sich der Einführung der französi schen Schutzherrschaft widersetzen wollen. Hier werden die französischen Truppen noch manchen harten Strauß auszufechten haben, ehe die Regierung in Paris die Früchte des Marokko- Vertrages in aller Ruhe genießen kann. Asien. * Obwohl der ehemalige Schah Mohammed Ali Persien verlassen hat, kämpfen seine Anhänger weiter für ihn. Da auf diese Weise die ruhige Entwicklung aufs äußerste gefährdet wird, haben England und Rußland beschlossen, Truppen gegen die Rebellen zu entsenden. Die Auflösung Persiens vollzieht sich also über aus schnell. Der zweite §ii-poMerwin-er. In Akaroa, an der Küste von Neuseeland, langte dieser Tage die „Terra Nova", das Schiff der englischen Südpolarforschung, an und überbrachte folgende Meldung des Kapitäns Scott: „Ich verbleibe hier noch einen weiteren Winter hindurch, um mein Werk fort zusetzen und zu vollenden." Scott hatte diese Nachricht am 3. Januar, als er sich noch 150 Mellen vom Südpol entfernt befand, nach Mc Murdo Sound, wo die „Terra Nova" seiner wartete, abgesandt. Das Schiff konnte mit der Abreise nicht länger zögern, well es sonst im Treibeis eingefroren wäre. Die Hoff nung der Engländer, daß Scott den Pol vor oder doch bald nach Amundsen erreichen werde, muß jetzt aufgegeben werden. Es scheint viel mehr, daß der englische Forscher auf Hindernisse gestoßen ist, die seiner Südpolfahrt in diesem Jahre ein Ende gemacht haben. Der Polar winter steht vor der Türe und er wird den nächsten Sommer abwarten müssen, ehe er seinen Versuch wiederholen kann. Die ,Mor- ning Post' traut dem englischen Forscher jedoch ein geradezu tollkühnes Unternehmen zu. Sie meint, daß es Scott weniger darum zu tun sei, den Südpol zu erreichen, nachdem er viel leicht bereits gehört habe, daß Amundsen ihm zuvorgekommen ist, vielmehr vorhabe, das Fest land zu durchqueren, sodaß er die Küste an einer seinem Ausgangspunkte fast entgegen gesetzten Stelle erreichen würde. Wahrscheinlich habe die ,Terra Nova' Befehl erhalten, seiner an der Küste von Graham Land zu warten, das der deutschen Expedition unter Leutnant Filchner als Ausgangspunkt dient, und es sei wohl möglich, daß die deutsche und englische Expedition einander begegnen würden. Im Gegensatz zu den englischen Blättern, die nach Amundsens Südpolentdeckung behaupteten, Scott sei ebenfalls am Pol gewesen, und die jetzt so kleinlaut sind, behauptet Ernest Shackleton, der im vorigen Jahr dem Pol sehr nahe kam, im ,Evening Standard', Kapitän Scott habe wahrscheinlich seit der Absendung des Boten am 3. Januar den Südpol erreicht und sei dann nach seinem Winterquartier zurück- geaangen, um sich dort mit wissenschaftlichen Arbeiten zu beschäftigen. Er habe reichlich Zeit zur Erreichung des Pols gehabt, ehe der ant arktische Winter begann. Dies sei jedoch nicht der einzige Zweck seiner Expedition gewesen. Auch habe Scott selbst nie an eine Wettfahrt nach dem Pol gedacht. Seine wissenschaftlichen und geographischen Arbeiten würden dauernde Früchte zeitigen. — Frithjof Nansen, der kühne norwegische Polfahrer, der bekanntlich vier Winter im Nordpolareise zubrachte, erklärte, Kapitän Scott habe sicher den Südpol im Laufe des Monats Januar erreicht. Über den ersten Winter in den Süd polargegenden veröffentlicht Scott folgenden Be richt: „Während der ersten vier Wintermonate war die Temperatur bei unsrer Station selten über 40 Grad unter Null, sie sank oft sogar bis 50 Grad Celsius unter dem Gefrierpunkt. Ein eisig kalter Wind brauste über die Eisfläche. Das Stationsleben brachte viere Arbeit mit sich. Die Tiere mußten bewegt werden, auch die wissenschaftlichen Arbeiten wurden nicht vernach lässigt. Wir waren guten Mutes und unter hielten uns manchmal mit Fußballspiel. Bei Kap Crozier an der Eisbarriere beobachteten wir eine Temperatur von 60 bis 77 Grad Kälte. Wir machten hier interessante Beobach tungen über das Brutgeschäft der Kaiserpinguine und erhielten vor allen Dingen außerordentlich wertvolle Belehrungen über die Entwicklungs geschichte dieses seltsamen Vogels. Auf einem Ausfluge wurden einige unsrer Mitglieder von einem furchtbaren Orkan überrascht. Das von ihnen aufgeschlagene Notzelt wurde samt der Ausrüstung von dem Sturm fortgetragen. Am andern Morgen nach einer furchtbar ver brachten Nacht fanden sie das Zelt fast unver sehrt zwischen Moränen. Unter den großen Entbehrungen und unter den außerordentlichen Kältegraden litt unser Gesundheitszustand schwer. Während der sonnenlosen Monate ge staltete sich das Leben auf der Eisbarriere un nennbar schwierig. Im August kehrte die Sonne zurück, die Temperatur war im Frühling ver hältnismäßig milde. Ende September wurde eine telephonische Verbindung mit Hutpoint hergestellt. Die Entfernung beträgt 25 Kilo meter. Die Drahtverbindung leistete äußerst nützliche Dienste. Infolge der Arbeit, die wir in der Station hatten, konnten wir im Frühling keine weitere Reise unternehmen. Die Motorschlitten abteilung bewährt sich außerordentlich vorteil haft, und es ist außer Frage, daß sich große Möglichkeiten zur Benutzung der motorischen Zugkraft in den antarktischen Regionen ergeben." Folgenden Bericht sandte Kapitän Scott bei seinem Vormarsche nach dem Südpol, der am 2. November vom 81. Grad südlicher Brette aus unternommen wurde: „Nach einer ziemlich guten Reise trafen wir die Motorschlitten expedition an, die uns auf dem 80 V- Grad erwartete. Zwei Motorschlitten waren infolge Motorschadens unbrauchbar geworden. Im all gemeinen war der Erfolg der Motorschlitten zufriedenstellend. Sie bilden ein sehr zuverlässiges Beförderungsmittel. Die weitere Reise wurde durch Schneestürme beeinträchtigt. Die Ponys zogen trotz der widrigen Verhältnisse glänzend vor wärts. Kapitän Oats, der ihre Verpflegung unter sich hatte, ist das höchste Lob zu zollen. Am 4. Dezember erreichten wir den 83,24 Grad südlicher Breite. Durch einen vier Tage langen Schneesturm wurden wir aufgehalten. Wir hatten ständig damit zu mn, die Ponys und die Zelte auszugraben. Dann stieg die Tempe ratur auf -s-35 Grad Fahrenheit (-f-2 Grad Celsius). Bis jetzt war ein derartiger Sturm in diesen Gegenden nicht bemerkt worden. In einer Nacht bedeckten 18 Zoll weicher Schnee die Oberfläche. Schließlich mußten wir Ponys töten, weil wir kein Futter mehr sür sie hatten, und Futter für die Hunde brauchten. Die Hunde leisteten uns zwar danach bessere Dienste, aber die Schlitten konnten nur leicht beladen werden." A 6m stiller Men leb. 22j Rouum von Paul Bliß. Kortsetzmrg.) Das ärgerte Kurl nun zwar sehr und machte ihn über die Maßen nervös, so daß er oft erregt und ganz ratlos nmherkef, aber dennoch sanken sein Akut und seine siegessichere Hoffnung auch jetzt noch nicht, und er tröstete sich damit, daß auch für ihn noch der rechte Moment kommen mußte, der ihm sein ersehntes Glück bringen würde. Natürlich tat Tante Marie alles, ihn in diesem sicheren Glauben nach Kräfte« zu be stärken. Nur von einem hörte und sah man noch iuuner nicht das geringste. Zwar hatte ja Bruno fast immer still und zurückgezogen in seinen Wänden gelebt, dennoch war er in früheren Jahren manchmal, wenn auch nur auf eine Stunde, zu einigen der größeren Festlichkeiten erschienen; in diesem Winter aber sah man ihn nirgends. Alle Einladungen, die nach Schönau kamen, wanderten in den Ofen. Einsam und allein saß er auf seinem Gut und kümmerte sich um keinen Vorgang der Außenwelt; und da alle Feldwege tief verschneit, auch nur schwer passier bar waren, so wurde er nm festen von Be suchern heimgesucht. Seine einzige Passion war jetzt die Jagd. Aber einmal drang doch ein Lebenszeichen vom Schauplatz der Festlichketten zu ihm. Bei einem Gang durch den Wald traf er den neuen Förster, einen flotten, schneidigen Kerl. Und der berichtete von dem letzten Kasino ball in Werdenberg, den er mitgemacht hatte. Natürlich drehte sich alles, wovon er sprach, um die schöne junge Frau. Das sei ein direktes Ereignis für Werdenberg. So was Ent zückendes habe man seit Jahren hier nicht ge sehen. Alle Männer seien bis über die Ohren verschossen und alle Frauen möchten platzen vor Neid und Eifersucht. Am meisten Chancen aber scheine doch der Kurt, dieser Teufelskerl, zu haben, und man rechne denn jetzt auch schon ganz allgemein damit, daß er demnächst die ebenso schöne wie reiche junge Frau heimführen werde. SM und gelassen hörte Bruno zu. Nicht ein Wort oder eine Frage tat er dazwischen. Nicht ein einziges Mal wurde er unruhig, nicht einmal zuckte er mit der Wimper. Ruhig, als ginge ihn alles das durchaus nichts an, ließ er den andern reden und reden. Und als sie sich am Kreuzweg trennten, schüttelte er dem Förster kräftig die Hand, sagte ihm ein freundliches „Auf Wiedersehen!" und ging still seinen Weg weiter. Aber so mhig, wie sein Äußeres war, sah es in seiner Brust nun doch nicht aus. Es hatte nur des Anstoßes bedurft, und wieder stand sein ehrlicher Haß in lodernd Heller Flamme. Also wirklich, es sollte wirklich wahr werden, dieser junge Elegant sollte wahrhaftig die Aus erkorene heimführeul Er griff sich an den Kopf, immer wieder und wieder, — er konnte so etwas nicht ver stehen ! Wütend biß er die Zähne zusammen, wütend umklammerte er seinen Knotenstock, Md finster drohend ward sein Blick, Er haßte ihn! Ja, 'ja, er haßte ihn mit wilder Leidenschaft. Ihn, der ihm alles ge nommen, der ihm NM auch das Letzte, das Beste noch nahm. Ja, ja, er haßte ihn un sagbar I Und er richtete den Blick zum Himmel empor und seine Lippen flüsterten: „Du, der du über uns thronst, du große Macht, du un begreifliche Kraft, du große Güte und Liebe, die wir stumm und staunend anbeten, die wir tagtäglich aufs neue erkennen und fühlen, du wunderbare Allmacht, ich flehe zu dir, in brünstig flehe ich: Dulde es nicht! Dulde diese schreiende Ungerechtigkeit nicht! Zerschmettere ihn! Vernichte ihn! ja, ja, räume ihn mir aus dem Wege! und gib sie mir, nm mir allein! denn ich liebe sie ja! ich liebe, ich bete sie ja an! gib sie mir, Herr Gott! gib sie mir allein!" Und zuletzt wmde aus seinem Flüstern ein lauter Ton, und mehr und mehr schwoll er an, und die Schlußworte schrie er wie in wildem Schmerz in den stillen Wald hinein. Aber mit einmal hielt er inne und erschrak über seine eigene laute Stimme. Beinahe ängst lich sah er sich um. — Wenn ihn jemand ge hört hätte l Es wahr ja Wahnsinn, was er gebetet hatte. Wenn nur der Förster ihn nicht noch ge hört hatte! Und mit einmal kehrte er um, fies den Weg zurück, so schnell es in dem tiefen Schnee nm möglich wm und eilte nach Hause. In sein Zimmer schloß er sich ein und brütete m dumpfer Wut sinnend, sich quälend, sich marternd, vor sich hin. Angstvoll sah seine junge Wirtin ihn kommen, so scheu und erregt ihn vorüber huschen und dann in seinem Zimmer verschwinden. Mit tränenfeuchten Augen sah sie ihm nach und hörte das Schloß einschlagen. So ging es jetzt ja ost, alle Pam Tage kam so etwas vor. Mit bebendem Herzen, füll und gedrückt, schlich sie sich fort. Mitte Dezember, bevor noch starker Frost kam, arrangierte die Kasino-Gesellschaft ihre Schlittenpartie. Wie alljährlich sollte es durch den Wald bis zur Oberförsterei stehen, dort im Restamant würde man Kaffee trinken, und dann auf dem selben Wege zurück nach Hause. Da das Wetter mild war, fanden sich sehr viel Teilnehmer, so daß eine stattliche Anzahl bunter Schlitten zusammenkam. Wie gewöhnlich huldigte wieder alles der schönen Frau, die mit Onkelchen zusammen m einem der ersten Schlitten dahinsauste. Hell klangen die Schlittengeläute, und di, eleganten weißen Decken blähte der Wind auf, — es war eine Wonne, so über die weiche Bahn dahin zu sausen. „Prachtvoll siehst du aus, Mädel!" flüsterte der Alte ihr kichernd zu. „Kein Wunder, wen« dn alle Männerherzen in Brand steckst!" Sie lächelte nur stumm dazu. Ihre Ge danken waren ganz anderswo, die wanderten
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