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Allgemeiner Anzeiger : 30.03.1912
- Erscheinungsdatum
- 1912-03-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Urheberrechtsschutz 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191203302
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19120330
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19120330
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-03
- Tag 1912-03-30
-
Monat
1912-03
-
Jahr
1912
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 30.03.1912
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Vie Entwicklung äes Xiautscbougebietes. Über die Entwicklung des Kiautschougebietes in der Zeit vom Oktober 1910 bis Oktober 1911 ist die amtliche Denkschrift des Reichsmarine amts dem Reichstag zugegangen. Danach zeigt die wirtschaftliche Entwicklung des Schutz gebietes einen erheblichen Aufschwung, obwohl das Jahr unter den Nachwirkungen der schweren ostasiatischen Wirtschaftskrise, die im Jahre 1910 durch die wilden Gummispekulationen der Kaufleute in Schanghai und durch eine um fangreiche Opiumspekulation der chinesischen Kaufleute in Schantung noch verschärft war. Als in den letzten Monaten des Jahres 1910 ein erfreulicher Wiederaufschwung begonnen hatte, wurde er alsbald wieder gehemmt durch den Ausbruch der Pest in Nordchina im De zember 1910 und durch das bedrohliche An wachsen der Seuche in den folgenden Monaten, der auch in der Nachbarprovinz Schätzung mehrere tausend Menschen zum Opfer fielen. Durch umfassende Maßnahmen des Gouverne ments ist es, entgegen allen Befürchtungen, ge lungen, die deutsche Kolonie gänzlich frei von der Seuche zu erhalten und damit nicht nur von Leben und Gesundheit ihrer Bewohner, sondern auch von dem deutschen Handel unab sehbaren Schaden abzuwenden. Schließlich aber traten im Spätherbst 1911 die noch in frischer Erinnerung stehenden Ereignisse in China ein, die zu einer tiefgreifenden politischen Umwälzung in dem ganzen Riesenreiche und zu einer fast völligen Lähmung des Handels führten. Vor den Grenzen des deutschen Schutzgebietes aber machte die Revolution Halt, und kein Platz von Nordchina war und ist jo völlig sicher und ruhig geblieben wie Tsingtau. — In der Zeit vom Juli 1910 bis Juli 1911 wurden deutsche Waren im Werte von 6,8 Millionen Taels oder etwa 19 Millionen Mark eingeführt.. Die wichtigsten deutschen Ausfuhrartikel nach Tsingtau waren Nadeln (Wert 68 000 Taels oder 173 600 Mk.), Zement (Wert 151000 Taels oder 422 800 Pik.), insbesondere aber Anilin farben und künstlicher Indigo. DaS Unterrichts- Wesen der Kolonie zeigt in allen seinen Zweigen eine befriedigende Entwicklung. Die Gouverne- mentsschule für deutsche Kinder, bestehend aus einer dreiklassigen Vorschule und einem Reform realgymnasium bis einschließlich Untersekunda, hat ständig an Schülerzahl zngenommen. Diese betrug am 1. Juli 1911 162. Bisher haben 20 Schüler die Berechtigung zum einjährig-frei willigen Militärdienst erhalten. Die deutsch-chinesische Hochschule beginnt über das erste Entwicklungsstadium hinauszuwachsen. Während die Eröffnung der Hochschule im Oktober 1909 mit 63 Schülern vor sich ging, brachte jedes Semester reichlichen Zugang, so daß bereits im Frühjahr 1911 176 Schüler, im Herbst 1911 212 Schüler vor handen waren. Da mit Vollendung der Neu bauten 1913 eine Normalzahl von 250 Schülern vorhanden sein soll, bewegt sich die derzeitige Entwicklung in raschen Bahnen. Das größte Kontingent mit 28 Schülern fällt den technisch naturwissenschaftlichen Abteilungen zu, dann folgen die juristisch-staaiswissenjchaftlichen mit 20, die land- und sorstwissenschaftlichen mit 10 Schülern, während der medizinischen Ab teilung 16 Schüler angehören. Das Durch schnittsalter der Schüler in der Unterstufe ist etwa 16, dasjenige der Schüler in der Oberstufe etwa 23 Jahre. — Ein Hauptaugen merk ist seit den ersten Zeiten der deutschen Verwaltung der Kolonie auf die Aufforstung gerichtet gewesen. Auf diesem wichtigen Ge biete sind auch im Berichtsjahre weitere Erfolge erzielt worden. Mit der Schaffung von Eichen beständen macht die Zucht des Eichenspinners und damit die Rohseidengewinnung weitere Fortschritte. Versuche, die Seidenraupenzucht durch Maulbeerpflanzungen weiter zu fördern, sind bei den chinesischen Bauern erfolgreich ge wesen. Für die Verbreitung und Verbesserung der Obstzucht wurde wie bisher vom Forstamte gesorgt. Es wurden gegen 20 000 Edelreiser A Ein stiller j^enlck. LOj Roman von Paul Blitz. (Fortsetzung.) Aber Bruno sah es ja nicht! Nichts, nichts von allem merkte er. Und deshalb wurde auch Berta immer ernster und härter nach außen hin, immer stiller und scheuer, und hinter dieser eiskalten, frostigen Außenseite verbarg sie tief und ängstlich, was in ihrer Seele wühlte und wühlte. Nur einmal erregte sie seine Aufmerksamkeit. Das war an einem trüben, grauen Tag, da kam sie heim von der Halde und brachte einen ganzen Arm voll lila Heidekraut mit. Und als sie das in die Vasen stellte, da trat er heran und sah ihr zu. Lange und sinnend stand er da und folgte jeder ihrer Be wegungen, so daß ihr Herz fast hörbar last zu klopfen begann. Dann legte er seinen Arm auf ihre Schulter und sagte wie traumverloren: „Ja, es wird Herbst, es wird Herbst. Und dies sind für uns zwei Einsame auch die passendsten Blumen. Das hast du wieder richtig getroffen. Mein armes Mädel, du!" — Still war er dann wieder ge gangen. Sie aber, sie war in ihr Stübchen gerannt, hatte sich eingeriegelt und lange und bitterlich geweint. * * * Aber auch Frau Grete litt unter den Qualen, die dies neue Wiedersehen mit seinem jähen Abschluß ihr bereitet hatte. Auch sie machte sich bittere Vorwürfe über die falsche aus dem Forstgarten, ferner mehrere hundert Hoch- und Halbstämme von Obstbäumen und mehr als tausend Beerenobststräucher an Private abgegeben. Schließlich wurden die chinesischen Dörfer zur Aufforstung der Odländereien mit Erfolg angehalten. Politische Kunälckau. Deutschland. *KaiserWilhelm, dessen Begegnungen mit dem Kaiser Franz Joseph in Wien und dem König Viktor Emanuel in Venedig allgemein große politische Bedeutung beigelegt wird, ist auf der Insel Korfu ein getroffen. — Auf der Fahrt nach Korfu stattete der Kaiser dem österreichischen Thronfolger Erz herzog Franz Ferdinand einen kurzen Besuch in Brioni ab, wo sich der Erzherzog gegenwärtig aufhält. *Zu den Gerüchten einer bevorstehenden Kanzlerkrise schreibt die halbamtliche ,Nordd. Allg. Ztg/: „In verschiedenen Blättern wird erzählt, der Reichskanzler habe am 19. d. Mts. ein Abschiedsgesuch einge reicht. Es wird hier und da noch hinzugefügt, der Kanzler habe nach einer Auseinandersetzung mit dem Kaiser sein Entlassungsgesuch eigen händig geschrieben, versiegelt und „durch den Hausminister überbringen" lassen. Es gibt Politiker, die aus dem Ausbleiben eines Wider rufes den Schluß ziehen möchten, es müsse doch etwas Wahres daran sein. Deshalb mag hier mit festgestellt sein, daß die ganze Geschichte in das Reich der Fabel gehört." — Es muß bei dieser Gelegenheit darauf hingewiesen werden, daß man in den Kreisen der Reichstagsabge ordneten auch heute noch glaubt, Herr v. Beth mann-Hollweg werde demnächst seinen Posten verlassen. * Das Gerücht, der vor einigen Tagen aus dem Amte geschiedene Staatssekretär des Reichs schatzamtes Wermuth habe das national liberale Reichstagsmandat für Hannover, dessen Inhaber zurücktreten will, angenommen, bestätigt sich nicht. * Justizrat Albert Träger, dessen Namen gleich geachtet war als der eines fein sinnigen Dichters und eines wissensreichen Parlamentariers, ist am Dienstag im Sanato rium „Grunewald" bei Berlin im Alter von 82 Jahren plötzlich gestorben. — Der Verstorbene gehörte seit 1874 (sott 1887 als Vertreter des Wahlkreises Varel-Jever) ununterbrochen dem dem Reichstage und seit 1879 (zuletzt als Vertreter des ersten Berliner Wahlkreises) dem Preuß. Abgeordnetenhause an. Balkanstaaten. * Die Wahlen zur griechischen Kammer endeten mit einem glänzenden Siege der Regierung. Nach dem Bekanntwerden des Ergebnisses richtete der Ministerpräsident B e - nizelos au die auf der Insel Kreta für die griechische Kammer gewählten 69 Abgeordneten ein Schreiben, in dem er sie bittet, im Interesse des Friedens freiwillig auf die Ausübung ihres Mandats zu verzichten. Man darf gespannt sein, ob die Kreter diesem Winke folgen werden. Amerika. *Die Kämpfe in Mexiko dauern an, es scheint sogar, daß die Rebellen langsam die Oberhand gewinnen. Sie haben nach drei tägigem Kampfe die Regierungstruppen ge schlagen. Allerdings bedienten sie sich recht eigenartiger Diittel, wie folgender Vorfall zeigt. Sie ließen eine Lokomotive, die mit 40 Dyna mit-Behältern gefüllt war, gegen einen ge panzerten Zug der Bundeslruppen fahren. Bei dem Zusammenstoß wurden 60 Mann getötet. Der Rebellengeneral Campa rechtfertigte das Verfahren damit, daß die Bundestruppen vor einigen Tagen während einer Kampfpause das trockene Kraut angezündet hätten, so daß die Verwundeten beider Parteien verbrennen mußten. Asten. * Den Selbständigkeitsbestreöungen der Mongolei scheint ein schneller Erfolg be- schieden zu sein. Nachrichten aus Peking be sagen, daß die ch i n es is ch e nTrup p e n, die zur Wiederherstellung der Ordnung in die Rolle, die sie gespielt hatte. Fast undenkbar er schien es ihr jetzt, wie sie nur so töricht hatte handeln können. Und ein ehrliches Schamgefühl trieb ihr die Helle Röte ins Gesicht. Was mußte Bruno von ihr denken! Ganz außer sich vor Erregung geriet sie bei diesem peinvollen Ge danken. Und sofort wollte sie sich setzen, an Bruno zu schreiben und ihm alles zu bekennen. Zwei,- dreimal begann sie auch. Aber über die ersten Zeilen kam sie nicht hinaus. Denn je länger sie darüber nachdachte, desto mehr kam sie immer wieder zu dem Schluß, daß sie auch dies nicht konnte.. Nein, sie durfte es nicht! Es wäre Aufdringlichkeit. Und bei diesem Ge danken errötete sie erst recht vor Scham. Also blieb alles, wie es war. Und heimlich litt sie weiter. Denn dem Onkel Klaus zu gestehen, wie alles so gekommen war, das brachte sie nicht über sich. Übrigens fragte der alte Herr auch gar nicht weiter. Weshalb denn auch? Er konnte sich ja recht wohl zusammenreimen, wie sich wieder alles entwickelt hatte. Mit heimlicher Wut und selten ganz gut bei Laune, lief er umher. Da war es denn der jungen Frau ganz sieb, daß Tante Marie und der wirklich auf merksame Kurt sich nun öfter ihrer annahmen und für ein bißchen Unterhallung und Ab wechslung sorgten. Natürlich trug dies durchaus nicht dazu bei, Onkelchens Laune zu bessern. Im Gegenteil! Mehr und mehr begann er, sich heimlich ab zuärgern und manchmal auch laut loszupoltern, wenn er seinem Herzen Lust machen mußte. Mongolei entsandt worden sind, im Kampfe mit den Revolutionären eine entscheidende Nieder lage erlitten. V Deutscher Reichstag. Am 26. d. Ms. steht aus der Tagesordnung die dritte Lesung bett, die Verlängerung der Zucker- k o n v e n t i o n. Abg. v. Gr ab Ski (Pole): Wir lehnen die Vor lage ab. Abg. Arendt (Rp): Wir verlangen für die Zucksrindustrie von der Regierung eine kündige Er klärung, daß während der fünfjährigen Vsrttags- dauer an Rußland keine weiteren Zugeständnisse gemacht werden. Hat England wirklich' voll kommen freie Hand bekommen? Ich bin gegen die Vorlage. Schatzseketär Kühn: England hat bis zum 1. September dieses Jahres das Recht der Kündi gung. Es hat schon jetzt die Erklärung abgegeben, daß es, auch wenn es der Konvention nicht mehr angehören sollte, an seiner bisherigen Zuckerpolitik nichts mehr ändern wird. In bezug auf das Maß der russischen Einfuhr nach England ändert der Aus tritt Englands aus der Konvention nicht das ge ringste. Den Nachrichten über russische Umgehungen werden wir nachgehen und dafür sorgen, daß sie in Zukunft verhindert werden. Abg. Bernstein (soz.): Verzichten Sie auf die Zuckersteuer, dann geben wir die Konvention gern frei. Abg. Graf Kanitz (kons.): Die ganze Brüsseler Konvention hat für die deutsche Zuckerindustrie, seit dem England sich losgesagt hat, seitdem cs den Prämienzucker nicht mehr differenziert, kein Interesse mehr. Rußland zahlt tatsächlich eine erhebliche Aus fuhrprämie. Abg. Doormann (fortschr. Vp.): Herrn Arendt scheint die Beunruhigung der Zuckerindustrie noch nicht lange genug zu dauern. Im Verein der deutschen Zuckerindustrie ist eine prinzipielle Abnei gung gegen die Interessen der Industrie behauptet; davon ist doch gar keine Rede, wir denken aber auch an andre ebenso berechtigte Interessen. Abg. Klehe (nat.-lib.): Hat denn die Zucker industrie geschrien? Hat sie eine Notstandsvorlage verlangt? Nein, wir wollen nur dasselbe Recht wie Rußland. Ich beantrage KommissionSberatung. Schatzseketär Kühn: Auch in Rußland wird das Ausfuhrkontingent auf die einzelnen Fabriken verteilt; das gesamte Ausfuhrquantum kann die Kontingentscheine, kann die 200 009 Doppelzentner nicht überschreiten. Was würde aus dem Konkurrenzkampf mit Russland werden, wenn wir nicht für die nächsten sechs Jahre die Bindung erzielt hätten? Auch die Konvention von 1902 wurde ursprünglich von der Zuckerindustrie abgelehnt. Die Besprechung schließt. Der Antrag Klehe auf Kommissionsverwcisung wird abgelehnt, die Kon vention wird angenommen. Es folgen Wahlprüsungen. Die vier bisher von der Wahlprüsungskommission bei der Prüfung nicht beanstandeten Wahlen der Abgg. Jckler (nat.-lib., Göttingen), Schulenburg (nat.-lib., Hamm-Soest), Dunajski (Pole, Dirschau) und Erdmann (soz., Dortmund) werden für gültig erklärt. Die allgemeine Aussprache zum Post-Etat wird hierauf fortgesetzt. Zum Titel „Gehalt des Staatssekretärs" liegen drei Resolutionen vor, gestellt von Nationalliberalen und der Volkspartei. Die eine verlangt die anderthalbfache Anrechnung des im Postdienstbeiriebc nach 8 Uhr abends und an Sonn- und Feiertagen von den Beamten und Unter- beamten abzulcistenden Dienstes auf ihre Arbeits zeit. Die zweüe wünscht eine angemessene Erweite rung des Erholungsurlaubs der unteren Post- und Telegraphenbeamien. Die dritte Resolution ersucht um eine Abänderung des Besoldungsgesetzes dahin, daß eine Anrechnung der Dienstzeit, welche Arbeiter und Handwerker in aus Reichsmitteln unterhaltenen Betrieben zurückgelegt haben, aus das Besoldungs alter möglich ist. Abg. Duffner (Zentt.): Erfreulich ist der schöne Uberschuß der Postverwaltung. Für die Be amten hätten wir 1909 gern mehr getan, aber das dreimalige Unannehmbar! des damaligen Schatzsekretärs Sydow hielt uns zurück. Zu fordern ist eine dem Sinken bes Geld wertes entsprechende Erhöhung der Bezüge der Alt pensionäre. Eine Reform der Besoldung soll nicht erfolgen. Besondere Berücksichtigung verdienen die Unterbeamten. Auf die Familienverhältnisse muß mehr Rücksicht genommen werden. Eine angemessene Sonntagsruhe muß den Beamten gewährt werden. Gerade den Beamten der Telegraphie fehlt es daran noch. Die Postagenten wünschen eine Alters-, Witwen- und Waisenversicherung. Der Staatssekretär sollte diese Frage prüfen. Und oft bedurfte es sogar der ganzen kecken Laune des Gastes, um den erzürnten Haus tyrannen immer wieder zu beschwichtigen. Am meisten wütete er darüber, daß Kurt immer häufiger mit der jungen Frau zusammen kam, ja daß er nach uud nach sogar schon an fing, ihr ganz ernsthaft die Eour zu schneiden. Nein! Das durfte doch wirklich nicht so weiter gehen! Da mußte mal energisch ein Riegel vorgeschoben werden. Einmal, als Tante Marie sogar mit dem Wagen bei ihm vorfuhr, um Fran Grete zu einer kleinen Spazierfahrt nach dem Wald abzuholen, empfing er das alte Fräulein, da sein Gast noch bei der Toilette war. Mit verhaltener Bosheit sah er das Tantchen an und fragte: „Sag' mal, du kommst alle paar Tage und holst die Grete ab. Weshalb forderst du mich denn niemals dazu auf?" Tante Marie wußte sich zuerst nicht recht zu helfen, schließlich aber suchte sie sich mit guter Laune herauszureden und antwortete: „Ja, würdest du denn überhaupt Mit uns mitkommen wollen? Bisher hast du das nie so recht gern getan, wie mir immer scheinen wollte." Pfiffig lächelte er. „Bisher, — das mag schon stimmen, aber jetzt sieht das Bild doch anders aus. Die Grete ist doch bei mir zum Besuch, also möchte ich doch auch möglichst viel von ihr haben. Zum Beispiel heute diese Wald fahrt bei dem schönen Herbstwetter, meinst du, daß die mir nicht auch gut tun würde?" „Nun, dann kannst du ja mitkommen," sagte sie endlich etwas kleinlaut. Staatssekretär Krätke: Die Leituna der Relchsvostverwaltung hat ein warmes Herz für die Beamten. Bei allem Wohlwollen für die Beamten muß man doch sagen, daß, wenn die Frage der Gehaltserhöhung aufgerollt wird, sie dann bei allen Beamtenkategorien gleichmäßig durchgeführt werden muß, sonst kommt die Verwaltung in eine schwierige Lage. In gleicher Weise wirken wir auch hinsicht lich des DienstmaFes ein und führen die Ver besserungen durch. Nicht annehmen aber können wir die Resolution, die den Sonntagsdienst mit dem Anderthalbfachen berechnen und den Nachtdienst statt von 10 Uhr schon von 8 Uhr an datieren will. Das sieht ja ganz harmlos aus, aber kostet zwölf Millionen. Das LcistungSmaß also, das wir fordern, ist nicht zu hoch. Sie dürfen auch nicht vergessen, daß die Post- und Telegraphenverwaltung überhaupt die einzige Verwaltung ist, die den Nachtdienst anderthalbfach rechnet. Eine Resolution fordert eine Pensionskasse für die Postagenten. Sie sind dessen gar nicht so sehr be dürftig; mehr, als 2000 Postagenten beziehen schon Pension aus andern Beamtenstellen oder find Psnsionsanwärter von dort. Die Postaqenturen sind doch Nebenberufe für Leute, die am Orte an sässig sind und Zeit haben, die sich durch Familien mitglieder vertreien lassen, und ein anstrengender Dienst ist eS gewiß nicht. Abg. Pauli-Hagenow (kons.): Herr Zubeil hat gesagt, daß wir vor den Wahlen den Beamten Versprechungen gemacht haben, die wir nicht ge halten haben. Wir haben in keiner Weise Ver sprechungen gemacht, die nicht gehalten werden können. Wir halten eS mit der Ehre eines Beamten unverein bar, daß er sich an einen Sozialdemokraten wendet. Die Postverwaltung sollte nicht allein auf Überschuß hinarbcitcn. Die Vermehrung der Beamtenstellen muß in demselben Maße erfolgen, wie der Verkehr steigt. Die Erfüllung aller Wünsche würde Millionen kosten. Woher diese nehmen? (Zuruf: Erbschafts steuer !) Ja, ebenso könnte man rufen: Dividenden steuer. Eine Einheitlichkeit bei der Regelung der Mittagszeit wird von den Postbeamten lebhaft ge wünscht. Im allgemeinen haben wir volles Ver trauen zur Postverwaltung. Abg. Beck-Heidelberg (nat.-lib.): Am Auf schwünge der Postverwaltung sind alle Beamten arten beteiligt. Man hat es so hingestellt, daß da» gute Ergebnis der Reichsfinanzreform zu danken sei. Nein, trotz der Finanzreform ist es so gekommen. Das Streben nach sozialer Fürsorge für die Be amten ist auch bei der Post unverkennbar. Unsre Resolutionen verlangen eine weitere Ausgestaltung der sozialen Fürsorge. Das billige Weltporto wäre ein Mittel, die Auslanddeutschen mit ihrer Heimat zu verbinden. Warum zögert man mit der Ein führung ? Präsident Kämpf: Ich habe dem Hause dir Trauerbotschaft mitzuteilen, daß unser AlterSpräfl» der Abg. Albert Träger, verschieden ist. (Die Abge ordneten erheben sich von den Plätzen.) Ich werde an der Bahre des Dahingeschiedenen namens deS Hauses einen Kranz niederlegen. Das Haus setzt die Besprechung sott. Abg. Kiel (fortschr. Vp.): Die Einführung des billigen Weltportos ist ein alte Forderung. Sie mutz endlich mal erfüllt werden. Mit den Postfreiheiten der Fürsten wird viel Mißbrauch getrieben. Was wirb da nicht alles portofrei verschickt! Die regierenden Herren nehmen da ost Rechte in Anspruch, die ihnen gar nicht zustehen. Oft treiben Fürsten neben ihrer Re gierungstätigkeit noch eine Industrie. Und dann verschicken sie alle Rechnungen und Offerten frei al» „fürstliche Angelegenheit". — (Der Redner legt einige Beweisstücke auf den Tisch des Hauses nieder.) Staatssekretär Krätke: Für gewerbliche Zwecke darf die Portofreiheit nicht ausgenutzt werden. Die erwähnten Fälle werden untersucht werden. Auf dem nächsten Weltpostkongreß werden wir versuchen, ge wisse Ungereimtheiten im Weltpostverkehr zu be seitigen. Der Staatssekretär teilt mit, daß eine Maschine konstruiert worden ist, die gleichzeitig die Briefmarken auf die Briefe klebt, die Briefe zählt und stempelt. Die Maschine wird noch geprüft. Der Ankunftsstempel wird nicht wieder eingesührt werden. Nach weiterer kurzer Debatte vertagt sich das HauS. Von unä fern. X Ein Glasbläser als — Einjähriger. Vor der Kommission für Einjährig-Freiwillige in Kassel bestand der Glasbläser Hermann Rauch, Schüler der dortigen 1. gewerblichen Fort bildungsschule, das Examen als Künstler-Ein jähriger. Er- war auf Grund seiner zeichne- rischen Eniwürfe und praktischen Arbeiten zur Prüfung zugelassen. Und er beherzt: „Na also ! Einer so liebens würdigen Einladung kann man doch wirklich nicht widerstehen I Gut denn. Besten Dank. Ich nehme an und werde wirklich mitkommen." Mit fünf Sätzen, so schnell es seine Beine nur gestatteten, war er draußen und ließ seiner Nichte schnell Bescheid zukommen. Tantchen ärgerte sich inzwischen weidlich ab. Gerade heute wollte sie mit der jungen Frau allein sein, um ihr das Lob ihres Lieblings Kurt in allen Tonarten zu Preisen, gerade heute wollte sie den ersten Versuch machen, eine leise Annäherung anzubahnen. Und nun kam dieser alte ewige Nörgler dazwischen. Immer war er doch der Störenfried! — Aber es half nichts, sie mußte sich eben heute in das Unver meidliche finden. So fuhr man also zu dreien in den Wald. Natürlich sorgte Onkelchen schon redlich da für, daß die beiden Damen saft nie allein zu sammen fprechen konnten, aber gerade deshalb war er prächtig bei Laune, so daß die Unter haltung auch nicht einen Augenblick lang stockte. Als man von dem Ausflug zurückkehrte, war Tante Marie genau so klug wie vorher; nicht ein Wort über ihren Plan hatte sie sprechen können. Und als sie sich von Onkel Klaus ver abschiedete, geschah dies zwar freundlich, ent behrte aber nicht einer gewissen verhaltene« Verbitterung. Selbverständlich entging dies dem Alte« nicht, aber seine Laune war so prächtig, daß er nun erst recht sich in liebenswürdigen Dankes- Worten erging, bis das Tantchen allein ver ärgert nach Hause weiter fuhr.
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