Suche löschen...
Allgemeiner Anzeiger : 09.03.1912
- Erscheinungsdatum
- 1912-03-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191203094
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19120309
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19120309
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Bemerkung
- Vorlagebedingter Textverlust
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-03
- Tag 1912-03-09
-
Monat
1912-03
-
Jahr
1912
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 09.03.1912
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Der ab geschnittene Topf. Nachdem Juanschikai durch eine ächt chinesische Diplomatie, trotz seiner Verbindung mit dem Hofe, das Vertrauen der Revolutionäre gewonnen hatte, war ihm der Weg geebnet, in dem neuen Staatswesen, das der Revolutionär Dr. Sunjatsen in unglaublich kurzer Zeit ge schaffen hatte, die höchste Machtstellung einzu nehmen. Um diesen scheinbaren Widerspruch zu begreifen, muß man sich das Verhältnis vor Augen halten, in dem seit länger als einem Jahrhundert der Norden und der Süden Chinas miteinander stehen. Durch den Handelsverkehr mit Europa hat der Süden frühzeitig die Kultur, ja auch das Verfassungsleben der modernen euro päischen Staaten kennen gelernt. Der Norden aber schlief. War doch bis vor wenigen Jahren von Nanking, der Hauptstadt des Südens, nach Peking, der Hauptstadt des Nordens, eine Reise von nahezu drei Wochen zurückzulegen. Es war also kein kleines Stück Arbeit, den Norden für den Gedanken der Republik zu gewinnen. Wenn nicht die Revolutionäre von Sieg zu Sieg geschritten wären, wenn nicht die Flammen zeichen in Brand gesteckter Städte den Weg der Revolution und das Vordringen des repu blikanischen Gedankens bezeichnet hätten, dann wäre der Norden des Reiches heute noch der Mandschu-Dhnastie ergeben. Vor allem aber gewannen die Revolutionäre Juanschikai, die Hoffnung Chinas, wie ihn seine vielen Anhänger mit Vorliebe nannten. Als der Regent diesen Schöpfer der modernen chinesischen Armee des Nordens in die Verbannung sandte, als er diesen glänzenden Verwaltungskenner in Ungnaden entließ, spielte er der Revolution den Sieg in die Hände, brachte er eine der stärksten Säulen man dschurischer Herrschaft zum Wanken; denn im Norden liebte man allgemein Juanschikai, im Süden fürchtete man ihn und seine wohl disziplinierte Truppen. Behaupten doch heute noch Kenner der Verhältnisse, daß Juanschikai in begreiflicher Verärgerung nicht alle seine Kraft für die Erhaltung der Mandschu-Dhnastie eingesetzt und mit Absicht viel zu spät den Widerstand gegen die andringende Revolution organisiert habe. Sicher ist jedenfalls, daß Juanschikai, als er dem Thron die Hilfe seiner Truppen versagte, und so die Dynastie mit sanftem Druck zum Rücktritt zwang, ungeheures Blutvergießen und den wahrscheinlich lang wierigen Bruderkrieg vermied. Wie kommt es nun, daß dieser Mann, der wie geschaffen schien, den drängenden Süden und den wider strebenden Norden auf der mittleren Linie zu einen, nun ganz plötzlich seine geheimnisvolle Gewalt verloren hat? China ist das Land der Rätsel. Aber auch das Land strengster Formen. Juanschikais Ansehen im Norden schwand im wahren Sinne des Wortes mit seinem Zopf dahin. Denn den Leuten des Nordens galt eben sein Zopf als Symbol, daß er zwar die Dränger des Südens verstand, daß er aber trotz der Anerkennung ihrer Forderungen auch den Gewohnheiten des Nordens treu bleiben wolle. Nun muß man sich erinnem, daß die Revolution im Städtedrereck (Hankau—Haujang —Wutschang) mit einer allgemeinen Zopf abschneiderei begann. Wer weiter noch den Zopf trug, war ein Mandschu und mußte sterben. Nach Ansicht des Nordens hat Juan schikai sich ganz den Revolutionären verschrieben, seit er sich den Zopf abschnitt, als die Männer des Südens ihn zum Präsidenten der neuen Republik wählten. Damit schwand (nur in China wird's verständlich!) das Vertrauen. Und dazu kam die allgemeine Geldnot. Die Truppen erhielten keinen Sold, denn die Staatskaffen sind, wie mit einem Zauberschlage, entleert. In Ärger und Verzweiflung meuterten die Truppen. Die Bevölkerung schloß sich ihnen hier und da an. Und wie immer aus solchen Erhebungen, so lodert auch diesmal der Fremden- O 6m stiller Mensch. 14) Roman von Paul Blitz. lAortschnng.) Und nnter demselben Dach war noch jemand, dessen Augen keine Ruhe fanden. Es war Fräulein Berta, die junge Wirtin. Auch sie kannte den Roman, der einst sich zwischen Bruno und Grete abgespielt hatte. Sie ahnte wohl, daß es ihm damals tiefer ans Herz ge gangen war, als er es zeigte, und deshalb weinte sie nun still und versteckt, denn sie fürchtete, daß sie ihn noch jetzt verlieren könnte. 6. Das Leben im alten Hause Büttner und Sohn ging nun wieder in seinen gewohnten Bahnen weiter, ruhig, gleichmäßig, ein Tag wie der andre. Und der junge Herr .Kurt saß nun regel mäßig und mit peinlicher Pünktlichkeit an seinem Nult und tat mit ernster Wichterfüllung seinen Dienst. Er hatte gehalten, was er versprochen. Am Morgen nach jener entsetzlichen Nacht, die wie ein mahnend dunkler Punkt in seinem Dasein stand, hatte er ein neues Leben begonnen. Alle Beziehungen zu seinen Berliner Freunden schränkte er auf ein Minimum ein, und wo es sich so schnell tun ließ, brach er sie ganz ab. Ein andrer wollte er mm werden, das hatte er sich geschworen. Gleich am nächsten Tage nach jener Grauens nacht hatte ihn der alte Herr zu sich gerufen und ihn mit milden, aber eindruckssicheren haß empor, dem jetzt Dr. Schreyer (niM Schräter, wie zuerst gemeldet wurde), ein all gemein beliebter Arzt in Tientsin, zum Opfer fiel. Mt Einwilligung Juanschikais sind nun 3000 fremde Soldaten in Peking eingezogen, 5000 Ja- panerhabenTientsin besetzt und alle Mächte sind mit Kriegsschiffen auf dem Plan erschienen. Was nutzt es, daß in Peking Hunderte hingerichtet wurden, Raub und Mord wird allerorten verübt. Und die Lage ist so ernst, wie sie seit dem großen Taipingaufstand und der Boxer bewegung nicht gewesen ist. Hoffentlich gelingt es den fremden Truppen, schnell ohne Blut vergießen die Ordnung wiederherzustellen, sonst erscheint der Zusammenbruch des Landes un vermeidlich. Ll. v. Politische Kunclscbau. Deutschland. *Kaiser Wilhelm hielt bei der Ver eidigung der Marinerekruten in Wilhelmshaven eine Ansprache, in der er zu treuer Erfüllung der durch den Fahneneid übernommenen Pflichten ermahnte. — Der Monarch übergab vor der Vereidigung in Oldenburg dem Großherzog Friedrich August persönlich ein Hand schreiben, das die Mitteilung enthält, eine Batterie auf Wangeroog werde den Namen des Großherzogs von Oldenburg erhalten, und in dankbarer Anerkennung des tatkräftigen Interesses gedenkt, das der Großherzog der Marine, insbesondere den Küstenbefestigungen entgegenbringe. * Im Fürstentum Rudolstadt hatten die Sozialdemokraten bei den letzten Wahlen zum Landtag die Mehrheit erlangt und unter Aus schaltung der bürgerlichen Äbgeordneten allein das Präsidium gebildet. Diese Unversöhnlich keit machte der Regierung eine gedeihliche Arbeit des Landtages von vornherein wenig wahrscheinlich. Sie hat nun nach der (zum drittenmal erfolgten) Ablehnung der Wahl vorlage den Landtag aufgelöst. Die Regierungsvorlage verlangte eins im Grunde unwesentliche Abänderung des Wahlrechts der Höchstbesteuerten. Danach sollten nicht mehr alle, die über 120 Mark Staats steuern im Lande auibringen, zu den Höchstbesteuerten zählen, sondern nur die 500 Zensiten, die die höchsten Steuern zahlen. Die Linke lehnte jede Einigung bezüglich dieser Vorlage ab. Die Neuwahlen für den Landtag sind inner halb dreier Monate auszuschreiben. England. * Der Streik der Kohlenarbeiter hat schon jetzt nach wenigen Tagen eine unge heure Krise heraufbeschworen. London ist fast ohne Kohlen. Am schlimmsten leiden die Bäckereien, die nicht große Vorräte ausge speichert haben. Mit jedem Tage schließen infolge des Kohlenmangels andre industrielle Betriebe und die Zahl der Arbeitslosen steigt unheimlich. Balkanstaaten. * Gegenüber den immer wieder auftauchenden Gerüchten von einem bevorstehenden Fried ens- sch! uß zwischen Italien und der Türkei wird in Konstantinopeler der Regierung nähe stehenden Zeitungen darauf hingewiesen, daß die Türkei in keinem Falle jetzt mit Italien in Friedensverhandlungen einzutreten gedenke, um so mehr, da der Sieg auf türkischer Seite sei. Luxemburg. *Jn Luxemburg fand am Montag die vor läufige Beisetzung der Leiche des Groß herzogs Wilhelm von Luxemburg statt. Die großherzogliche Familie, eine große An zahl Fürstlichkeiten, darunter Prinz August Wilhelm als Vertreter Kaiser Wil helms, der Großherzog von Baden und der König von Belgien wohnten der Beisetzung bei. Hus ciem Keicbsrage. Der Reichstag setzte am Montag die Besprechung des Etats des Innern fort. Abg. Wetterte (elf. Zentr.) befaßte sich mit den Beschlüssen des reichsländischen Landtages und meinte, die Ab- I Worten daran erirwert, daß er der Mitinhaber und Nachfolger einer uralten Firma sei und was er seinem Hause und feinem Namen schulde. Mt sieben und doch sehr ernsten Worten zeigte er ihm den Weg, den er nun gehen müsse und den schon alle seine Vorfahren gegangen waren. Aber alles das wäre gar nicht notwendig gewesen, denn Kurt selber hatte sich in jener schlaflosen, martervollen Nacht, in der er von endlosen Vorwürfen hin- und hergeworfen wurde, seinen neuen Lebensplan zurecht gemacht. Er wußte nun, was er zu tun hatte, um sein leicht sinniges Leben wieder gutzumachen. Er wollte nun all seine Kraft und all sein Können nur seinem Hause widmen, sein Erbteil in Ehren halten und ein würdiger Nachfolger seiner braven Vorfahren werden. Das alles gelobte er sich in jener Nacht. Und darum konnte er dem alten Vater, als dieser so eindringlich zu ihm sprach, mit gutem Gewissen versprechen, seinen Wunsch nun zu erfüllen. So hatte er sich denn, reif und lebens ernst durch die folgenschwere Katastrophe ge worden, nun mit aller ihm zu Gebote stehenden Energie an die Arbeit gemacht und suchte sich nun mit festem Willen hineinzufinden in das weitverzweigte Getriebe des ausgedehnten Ge schäfts. Und er fand allseitig Anerkennung. So wohl der alte Prokurist wie auch der greise Papa sahen, daß eS ihm mm Ernst mit der Arbeit war. Am glücklichsten mttürlich war Tante Marie. Jubelnd erklärte sie dem Bruder: .Siehst du, lshnunq des Gnadenfonds sei keine Verletzung der Souveränität des Kaisers. Abg. Mumm (wirtsch. Vqg.) forderte den Staatssekretär aus, rechtzeitig eine NcrmMungsaktion unter den deutschen Bergleuten anzubahnen. Es sei notwendig, daß sich die Arbeit geber den berechtigten Wünschen der Arbeiter nicht verschließen. Ministerialdirektor Caspar teilte mit, daß Erhebungen über die Sonntagsruhe in der Binnenschiffahrt stattfänden. Abg. Werner- Hsrsfeld (Refp.) empfahl eine Zentrumsresolution gegen die Zigeunerplage und verlangte ein Vorgehen gegen die Wanderlager. Staatssekretär Delbrück wandte stch speziell wirtschaftlichen Fragen zu. Es sei eine stetige Auswärtsbewegung aus allen Gebieten festzustellen. Die Reichspolitik habe zweifellos Erfolge errungen. Der Zolltarif habe sich im großen und ganzen bewährt. Es könne sich nur um eine Revision im einzelnen, die Beseitigung von Unvoll- kommenheiten handeln. Ein allgemeines Shndiko's- aesetz kalte er kür aussichtslos. Abg. Sachse (soz.) behandelte insbesondere die Forderungen der sozial demokratischen Bergarbeiter. Abg. Irl (Zentr.) lenkte die Erörterung auf die Lage und Ansprüche des wirtschaftlich selbständigen Mittelstandes zurück. Am 5. d. Mts. wird die Beratung des Etats für das Reichsamt des Innern fort gesetzt. Abg. Ortel (kons.): Es scheint mir wirklich, daß beim Gehalt des Staatssekretärs zu Vie l geredet wird, über Eäaß-Lotßringen werden wir erst beim Etat des Reichskanzlers sprechen. Wir haben die Entwicklung, die sich jetzt vollzieht, vorausgesehen und deshalb die Verfassungsreform nicht mttgemacht. In der Frage: Beamte und Sozialdemokratie stehe ich völlig auf dem Standpunkt des Ministers von Dallwitz. Gegen die Zigeunerplage muß einge schritten werden. Es scheint fast, als ob der Staat hier ohnmächtig ist. Der Frauenbewegung stehe ich sympathisch und wohlwollend gegenüber. Die deutsche Frauenbewegung darf aber nicht in die Bahnen der englischen Stimmrechtsweiber auslausen. Wir wollen, daß die Frauenbewegung in vernünftigen Bahnen bleibt. Durch eine Resolution fordern wir den Schutz der Arbeitswilligen. Wir wünschen keine Abschwächung oder Verwässerung des Koalitionsrechts, wir wollen kein Ausnahme gesetz. Wir fragen nur, ob nicht ein Gesetz not wendig ist, durch das die Arbeiter in der Ausübung der Arbeit geschützt werden. Das müßten alle Par teien unterstüv-n. Niemand wünscht doch Bedrohung und Gewalttätigkeit. Ich verstehe nicht den Standpunkt des Staatssekretärs, der erklärt hat, daß eine Änderung der Gesetze nicht notwendig sei. Er setzt sich da mit dem Reichskanzler in Widerspruch, der diese Frage wenigstens offen gelassen hat. Daß die Freisinnigen nicht mit uns übereinstimmen, wundert mich nicht. Aber daß auch die Nationalliöeralen hier sich gegen unsre Resolution ausgesprochen haben, setzt sie in Gegensatz zu ihren sächsischen Parteigenossen. Der Staatssekretär sagt, die Wirtschaftspolitik soll auf- rcchterhalten werden. Er sagte: zurzeit; ich weiß nicht, ob das beabsichtigt war. Herr Bassermann erklärte ja in der ersten Lesung, daß die Schutzzölle für alle Ewigkeit aufrecht erhalten bleiben. Die 'Erfahrungen, die wir mit den Amerikanern gemacht haben, sollten uns doch die ernste Frage nahelegen, ob unser zollpolitisches Rüstzeug solchen rücksichts losen Gegnern gegenüber gewachsen ist. Ich bleibe bei meinem alten Steckenpferd: Höchst- nnd Mindcsttarife. Ich bitte den Staatssekretär, bei der Vorbereitung der Handelsverträge die Sache nicht nur auf tech nische Rücksichten anzuschneiden, sondern auch all gemeine handelspolitische Rücksichten dabei zu nehmen, über die Erhöhung der Getrcidezölle, die wir erstreben müssen, sind irgendwelche Be schlüsse von den Konservativen nicht gefaßt worden. Wir wollen den lückenlosen Zolltarif, ebenso die Industrie. In der Sozialpolitik wollen wir nicht Stillstand, sondern Fortschritt. Sie muß ergänzt werden zur Festigung und Hebung der selbständigen Existenzen im Mittelstand, in Land und Stadt. Wir verurteilen das Bauernlegen. Unter der Leute not leiden am meisten die mittleren Bauern. Akan sollte der Heranwachsenden Jugend im Alter von 14—16 Jahren die Beschäftigung in gewissen In dustrien verbieten. Wir boykottieren nicht. Wenn einzelne Personen etwas tun, was wie Boykott aus sieht, so würden wir eS mißbilligen. Ich habe bis her nichts vom Boykott gehört. Es sind nur die Leute aufgefordert worden, politisch nahestehende Ge schäftsleute und Blätter zu unterstützen. Wenn das aber Boykott ist, dann sitzen die Boykotteure hier auf der Linken in großen Klumpen. Die größte Gefahr für den Mittelstand ist die Verfilmung einiger Großbanken mit einigen großindustriellen Unter nehmungen. Diese Leute finden überall offene Türen und offene Arme. Zwei- bis dreihundert dieser Leuts führen das Regiment in Deutschland. Das ist eine Bedrohung des wirtschaftlichen Lebens, ja, der Monarchie. wer hat nun wieder recht! Hab' ich nicht immer gesagt, daß in dem Jungen ein guter Kern steckt! Nur austoben mußte er sich erst! Und das ist doch das Recht der Jugend. Jetzt wird er uns schon Freude machen, daran darfst du ganz sicher glaubend Nun, der alte Herr glaubte auch daran. Wer dennoch hatte er im geheimen eine Sorge. Er wußte nämlich aus feiner eigenen Jugend, daß man, um dies Leben in der kleinen Stadt ertragen zu können, auch einen eignen Herd, einen eignen Hausstand haben mußte. Eine Frau und eine Familie brauchte der Junge noch. Dann erst war man sicher, daß er auch in den neu eingeschlagenen Bahnen der Ordnung bleiben würde. Das Ziel mußte nun als nächstes ins Auge gefaßt werden. Doch vorerst behielt er seinen Plan für sich. Aber Tante Marie war mindestens ebenso schlau wie ihr Bruder. Mit dem feinen weib lichen Instinkt fand sie sehr bald heraus, was dem Jungen nottat. Doch obschon sie im geheimen Umschau hielt unter den Töchtern der Stadt und des Landes, hütete auch sie sich wohl, von ihrem Vorhaben etwas zu ver raten, bevor sie eine geeignete Partie gefunden hatte. Kurt selber, den doch die Sache eigentlich am meisten angiug, kümmerte sich bis jetzt noch nicht im geringsten darum, weil zunächst all sein Interesse nur dem Geschäftsleben galt. Und gerade um diese Zeit herum bekam Onkel Klaus den Besuch seiner schönen Nichte. Und niemand, außer Bruno, wußte im Städt- Staatssekretär D e l b r ü ck: Bezüglich des Ar beitswilligenschutzes stelle ich fest, daß die Be stimmungen des 8 153 ausreichen, wenn die zu- ftändiyen Organe ihre Pflicht tun. Die Sorge für den Mittelstand ist ja auch in diesem Hause nicht neu. Sie ist eine Begleiterscheinung unsrer wirt schaftlichen Entwicklung innerhalb der letzten 30 Jahre, hat aber im Laufe der Zeit auch eine gewisse Wandlung erfahren. Ich bin der Meinung, daß an sich der ländliche Mittelstand eine Veranlassung zu so heftigen Klagen wie der gewerbliche nicht hat. Unser Bauernstand hat sich unter dem Einfluß unsrer Wirtschaftspolitik zweifellos gehoben, während man das von allen Teilen des gewerblichen Mittelstandes nicht behaupten kann. Der Bauer ist in der ganzen Technik seiner Wirt schaft durch Maßnahmen der Staatsregierung, durch seine zunehmende Intelligenz erheblich vorwärts ge kommen, und ich glaube kaum, daß es ratsam sein würde, von Reichs wegen einzugreifen in die Ent wicklung des ländlichen Mittelstandes in den ein zelnen Bundesstaaten. Die Maßnahmen sind' zum Teil Verwaltungsmaßnahmen und gehören schon aus diesem Grunde in den Bereich der Bundes staaten. Wir haben jetzt auch einen unselbständigen gewerblichen Mittelstand, den sogenannten neuen Mittelstand. Er umfaßt große Kategorien von Existenzen, die zwischen dem Unternehmer und dem Arbeiter stehen, die große Kategorie von werktätigen Personen, die wir zuletzt begabt haben mit dem Ge setze der Versicherung der Privatangestellten. Allein dieses Gesetz sollte beweisen, daß dieser neue Mittel- stand sich der warmen Fürsorge sowohl der ver bündeten Regierungen, wie des Reichstages zu er freuen hat. Die Frage der Konkurrenzklaufcl im HandelSgewerbe wird im Reichsjustizamt be handelt und wir müssen abwarten, was sich daraus ergibt. Die Frage des Erfinderrechts kann zweck entsprechend nur zusammen mit einer Neuregelung deS Patentwesens geregelt werden. Es wird nie mand bestreiten können, daß sich seit geraumer Zeit die Klagen des Mittelstandes häufen und daß sie zum ganz erheblichen Teil ihre Berechtigung haben. Auf der andern Seite arbeitet am Rande deS Handwerks der vierte Stand. Ein großer Teil der Kreise, die vor 50 Jahren Kleinmeister wurden, gehen jetzt in den unselbständigen Stand deS Arbeiters, des Vorarbeiters, des Meisters in der Fabrik über, weil sie dort zwar nicht dis Selbst ständigkeit, aber doch ein gesichertes Einkommen haben und nicht von den Sorgen bedrückt werden, mit denen der Mittelstand jetzt im Gegensatz zu der Zeit vor 50 Jahren zu kämpfen hat. Diese beiden Punkte muß man sich vor Augen aalten. Es ist fraglich, ob sich das Handwerk die Gesetzgebung in der richtigen Form zunutze gemacht Kat. Wir sind geneigt, eine Möglichkeit zu schaffen, daß der Industrie eine Beitragspflicht zu den Kosten der Lehrlings ausbildung auferlegt wird. Die Beteiligung des Kleingewerbes an den Handelskammern wird gern erwogen werden. Der Staatssekretär teilt noch mit, daß eine Handwerkerlonferenz einberufen werden und daß eine Kommission über das Kleingewerbe beraten solle. Er habe volles Verständnis für die schwierige Situation des Hanowerks. Abg. Marquardt (nat.-Iib.s: Das Grund problem der Wirtschaftspolitik ist: Wie schaffen wir Arbeitsgelegenheit für das große deutsche Volk? Früher hatte die deutsche Volkswirtschaft ihren natürlichen Abfluß. Das Reservoir der deutschen Bevölkerung floß damals ins Ausland über. ES würde uns treuen, wenn Hand in Hand mit dem Wachstum der deutschen Bevölkerung ein Wachs tum der deutschen Wirtschaft hergehen würde und daß es Aufgabe der Zukunft sei, allezeit einen arbeitsfreudigen deutschen Arbeiterstand zu haben. Zu fordern ist für die Handlungsgehilfen erweitere Sonntagsruhe und ein fester frühzeitiger Laden schluß. Abg. Gothein (fortsch. Vp.): Die Zeit der Caprivischen Handelspolitik hat einen großen Auf schwung des Handels zur Folge gehabt. Die seit dem neuen Zolltarif geschlossenen Handelsverträge sind schlechter als die vorher geschlossenen, weil andre Siaaten uns den Zolltarif nachgemachc haben. Der Staatssekretär war so vorsichtig, sich von den Ver handlungen mit dem Kalisyndikat fernzuhaften. Er hatte wohl kein rechtes Zutrauen dazu. Deutsch land kann die Meistbegünstigung nicht entbehren. Die Meinung des Abg. Ortel, eines Großwürden trägers des Bundes der Landwirte, daß nur ein Minimal- und Maximaltarif zu erstreben sei, muß ich als irrig bezeichnen. Eine beweiskräftige Enquete über die Wirkungen des Zolltarifs auf die einzelnen Wirtschaftsgebiete ist notwendig. Die Frage, wem der Getreidezoll nützt, ist sehr umstritten. Produ- zenten wie Konsumenten haben das gleichmäßige Interesse. Das Haus vertagt sich. chen davon. Onkelchen liebte die Über raschungen. An einem sonnigen warmen Jnnitag zog Frau Doktor Grete Bergmann bei dem alten Onkel ein. Mit schalkhaftem Lachen, frisch und froh, wie der Helle Tag draußen, so zog sie ein und nahm sogleich das Herz des heiteren alten Herrn im Sturm gefangen. Onkel Klaus umfaßte und küßte das hübsche, mollige Frauchen, dem er ja seit undenkbaren Zeiten schon Vormund, ja sogar wie ein Vater gewesen war. -i „Prächtig flehst du aus, Kleine!" rief er in ' ehrlicher Begeisterung. „Das blühende, glücks junge Leben! Nee, mein Kind, du bist wirk lich noch zu schade, um als Witwe einsam zn vertrauern!" Die junge Frau errötete. Wer dennoch blitzte es aus ihren braunen Augen, als sie schämig erwiderte: „Aber Onkel Klans, du be reitest mir ja einen netten Empfang !" „Gewiß tu ich das, mein Töchting! Du solltest mich doch gut genug kennen. Immer frei heraus mit meiner Meinung. Natürlich wo es am Platze ist. Und in diesem Falle habe ich doch recht, wie?" Frau Grete sagte nichts darauf. Behend legte sie den seidenen Staubmantel und den breiten Florentiner ab und sah stch neugierig im Zimmer um. „Alles genau so, als hätte ich es gestern erst verlassen." Lächelnd nickte er. „Und doch find es nun bald fünf Jahre. Me doch die Zeit so dahin-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)