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Allgemeiner Anzeiger : 13.03.1912
- Erscheinungsdatum
- 1912-03-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191203130
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19120313
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1912
-
Monat
1912-03
- Tag 1912-03-13
-
Monat
1912-03
-
Jahr
1912
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 13.03.1912
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Deutschland und -er nächste Krieg. In einem lesenswerten (bei Cotta in Stutt gart erschienenen) Buche, das den Titel führt: „Deutschland und der nächste Krieg", erörtert der General der Kavallerie v. Bernhardi die Notwendigkeit und die Möglichkeit einer erfolg verbürgenden Kriegsvorbereitung Deutschlands. Gerade jetzt, wo Frankreich daran geht, ein ganzes Fliegerregiment zu schaffen, das „in jedem Kriege und gegen jede Waffe die schnellste Entscheidung herbeizusühren in der Lage ist", jetzt, wo England eine Torpedobootsflottille bauen will, die alle bisherigen Rüstungen in den Schatten stellt, ist Bernhardis Hinweis auf diese Staaten und die Bereitwilligkeit der Völker, dem Vaterland die Wehrmacht zu sichern und stärken, besonders treffend. Und mit Recht schreibt der Verfasser: „Auch in Deutschland muß es möglich sein, das Verständnis für die grohen Aufgaben des Staates zu wecken und zum Allgemeingut der Nation zu machen, wenn man ohne diplomatische Be mäntelung, die im Auslande niemand täuscht und dem eigenen Volke gegenüber schadet, die wahre politische Lage und die notwendigen Ziele unsrer Politik enthüllt. Es ist einer der ersten und zweifellosesten Grundsätze wahrer Staatskunst, daß man niemals bleibende Interessen preisgeben oder gefährden lassen darf um augenblicklicher Vorteile willen, wie sie sich in geringerer finanzieller Belastung der Steuerzahler, in vor läufiger Erhaltung des Friedens oder ähnlichen Scheinvorteilen darstellen, die sich im Verlauf der Ereignisse meist als schwere Nachteile er weisen. Unbeirrt durch die öffentliche Meinung, die materiellen Schwierigkeiten, die zu über winden sind, und' die Opfer, die von den Volks genossen gefordert werden müssen, soll daher der Staatsmann seine Ziele fest im Auge behalten. Solange es durchführbar erscheint, wird er ver suchen, die widerstreitenden Interessen auszu gleichen. Wo aber grundsätzliche Fragen zur Entscheidung stehen, wie etwa die tatsächliche Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht oder Forderungen, von denen die Schlagfertigkeit für den Krieg abhängt, darf er auch den Kampf nicht scheuen, um die Machtmittel zu schaffen, deren der Staat — wenn auch erst in der Zukunft — bedürfen wird, um sich lebensfähig zu erhalten. Eine verhängnisvolle Schwäche wäre es daher, wenn man in Verkennung der militärischen und strategischen Gesichtspunkte das Maß der Kriegsrüstung von den augenblicklich verfügbaren finanziellen Mitteln abhängig machen wollte. In eurem großen Kulturstaat müssen die Auf gaben, die zu erfüllen sind, maßgebend sein für die aufzuwendenden Mittel, und ein wirklich großer Finanzminister ist nicht der, der den Etat formell balanciert unter möglichster Schonung der Volkskräste, aber unter gleichzeitigem Verzicht auf politisch notwendige Ausgaben, sondern der alle lebendige» Kräfte des Bölkes zu schaffensfreudiger Tätigkeit anspornt, zugleich aber auch derart für die allgemeinen Zwecke heranzieht und nutzbar macht, daß die Ein nahmen des Staates genügen, nm den er kannten politischen Aufgaben gerecht zu werden. Das deutsche Volk wird sich auf der Höhe seiner Aufgabe finden. Es ruht in seiger Seele eine gewaltige Kraft, die nur des Erweckers harrt. Wer es heute verstände, den schlummernden Idealismus dieses Volkes wachzurufsn, dem Auge der Nation große und klar erkennbare Ziele zu zeigen, die der Begeisterung wert find: er würde dieses Volk in vereinigter Kraft zu den größten Anstrengungen und Opfern lortzureißen vermögen und wahrhaft Großes erreichen können." Politische kunctlckau. Deutschland. *Wie nunmehr endgültig feststeht, trifft Kaiser Wilhelm mit dem Prinzen und der Prinzessin August Wilhelm sowie der Prin zessin Viktoria Luge auf der Reise nach Korsu am 23. März in Wien ein und wird am Bahn K bin stiller Mensch. 15j Roman von Pau! Blitz- «vorvktzmig.i Jetzt schwieg die junge Nichte aber. i Und nun Onkel Klaus schnell: „Oder ist es dir nicht recht? Sag's nur dreist." Sie errötete nochmals, und lächelnd meinte fie: „Ach, mir ist's schon recht, aber —" „Aha, dies „Aber" gilt dem Bruno, wie? Nun, ich glaube, da hast du nichts zu be fürchten, denn ich halte ihn für verständig ge nug, daß er dir nichts nachträgt." „In der Tat, du glaubst das?" Ordentlich leuchtend wurden ihre Augen. Freudig nickte er ihr zu. Da reichte sie ihm die beiden Hände hin. „Also gut, dann fahren wir hinaus. Denn weißt du, ich möchte ihn gern Wiedersehen. * Ich möchte ihm nämlich etwas abbitten. Ja! Ja! Ich habe ihm mal sehr wehe getan. Las möchte ich nun wieder gut zu machen ver suchen." Onkelchen nickte nur. Aber sein Herz hüpfte vor Freude. Ach, wenn es doch gelänge, diese beiden Prachtmenschen zusammenzubringen. Das war der letzte und größte Wunsch seines alten Lebens. * * * Natürlich wäre der glückliche alte Mann noch am liebsten heute gleich zu Bruno hinauskutschiert. Aber das ließ sich nun doch nicht gut so schnell möglich machen. Wenigstens zog die junge Frau ein ganz Hofe von Kaiser Franz Joseph begrüßt werden. Kaiser Wilhelm wird in Schönbrunn (dem Schlosse Kaiser Franz Josephs) wohnen und am Abend nach Venedig abreisen. *Der Staatssekretär des Innern, Dr. Del brück, hat mit den Führern der Bergarbeiter verbände eine Unterredung gehabt, um festzu stellen, welche Maßnahmen den drohenden Streik im Ruhrrevier verhindern könnten. Uber das Ergebnis der Beratungen wird von allen Beteiligten Stillschweigen bewahrt. * Die Geschäftsordnungskom mission des Reichstags beschäftigte sich am Donnerstag mit dem Antragsrecht bei An fragen. Die Kommission beschloß mit großer Mehr heit, dem Z 33 folgende Fassung zu geben: „Bei der Besprechung einer Interpellation (Anfrage) können Anträge gestellt werden, die dahin gehen, daß der Reichstag das Verhalten des Reichs kanzlers in der den Gegenstand der Inter pellation bildenden Angelegenheit billigen oder nicht billigen möge. Diese Anträge müssen von mindestens dreißig anwesenden Mitgliedern unterstützt werden. Sonstige Anträge sind nicht zulässig." *Der neue Etat für den Reichs tat für 1912 ist zur Verteilung gelangt. Er fordert an fortdauernden Ausgaben 2143 213 Mk. und an einmaligen Ausgaben 21000 Mk. Diesen Ausgaben in Höhe von 2164 213 Mk. steht eine Einnahme von 17 566 Mk. gegenüber. Die Einnahmen setzen sich fast ausschließlich aus zwei Posten zusammen: 7000 Mk. Einnahmen aus deu Eintrittsgeldern für die Besichtigung des Reichstagsgebäudes und 6566 Mk. Zinsen aus dem Fonds, der aus den Eintrittsgeldern gebildet ist. In der Annahme, daß dieser Ein trittsgelderfonds zu 3V- Prozent verzinst wird, würde also seine Höhe etwa 190 000 Mk. betragen. Unter den dauernden Ausgaben tritt vor allem die Summe von 1020 000 Mk. als Aufwandsentschädigung an die Mitglieder des Reichstags hervor. Die Diäten sür die Reichs tagsabgeordneten sind 1906 eingeführt worden. Als Aufwandsentschädigung für die Mitglieder des Reichstags wurden bewilligt 1907: 1012 840 Mk., 1908: 1015 460 Mk., 1909 : 1000 000 Mk., 1910: 1015 000 Mk., ebenso 1911. Zum Ankauf von Büchern und Zeit schriften sowie sür den Einband von Büchern für den Reichstag sind 38 000Mk. ausgeworfen. Eine einmalige Ausgabe von 21000 Mk. wird gefordert für außergewöhnliche Erneuerungs arbeiten am Reichstagsgebäude. Osterreich-Ungar». * DaS ungarische Kabinett Khuen- Hedervary ist zurkckgelreten, da in der Frage der Wehrvorlage eine Einigung zwischen der Negierung in Wien und dem ungarischen Parlament (wieder einmal) nicht zu erreichen war. Wie verlautet, soll die heiß- umstrittene Wehrvorlage vorläufig zurückgezogen werden. England. * Obwohl angeblich zwischen Deutsch land und England Verhandlungen schweben, um ein besseres Verhältnis zwischen beiden Staaten herbeizuführen und die schwebenden Streitfragen auf friedlichem Wege zu schlichten, hat sich die englische Admiralität bewogen ge fühlt, eine außergewöhnliche Maßnahme zu treffen. Sie hat — „um allen Möglichkeiten gewachsen zu sein" — unbekümmert um das Flotienbauprogramm und um den Etat, zwanzig Torpedoboote in Auftrag gegeben, die schleunigst sertiggestellt werden sollen. — Diese Bestellung ist ein trefflicher Bildschmuck zu dem Kapitel von der deutsch-englischen Annäherung. Rnstland. *Der Ministerrat beschloß, dec Duma ein neues Flottenprogramm vorzulegen, das an die Stelle des Bauprogramms von 1910 treten soll, das von der Duma noch nicht erörtert worden ist. Das neue Programm er fordert eine Ausgabe oou rund 503 Millionen Rubel (über eine Milliarde Mart), die sich auf fünf Jahre verteil!. Afrika. *Jn West Marokko setzen die Einge borenen derErrichtung der französi - komisch entsetztes Gesicht und wies den gut gemeinten Vorschlag sehr bestimmt zurück, indem sie heiter ausrief: „Was sollten wohl die Leute dazu sagen? Noch keinen Tag mal hier, und schon hinaus nach Schönau? Na, ich danke, den Klatsch möchte ich nicht hören." „Laß doch die Leute reden was sie wollen," suchte Onkelchen sie zu beschwichtigen. Aber nein. Umsonst. Diesmal setzte sie sehr bestimmt ihren Willen durch. Überdies, was wohl Bruno zu ihrer Eile sagen sollte! Und dann der alte Onkel Waldi und dis Tante Marie! Denen mußte sie doch zuerst einen Besuch abstallen. Das war doch ganz einfach nicht zu umgehen. Kurz und gut, sie sprach so sicher und so überzeugend, daß der Alle sich wohl oder übel darein fügen mußte. Eins aber wollte er doch verhüten. Wenn sie nun schon da drüben zuerst Besuch machen wollte, so sollte das wenigstens zu einer Zeit geschehen, in der Kurt nicht drüben war. Besser war besser. Man konnte nicht wissen, ob der dumme Bengel sich nicht in die nette Frau ver gaffte. Und das hätte gerade noch gefehlt. Für den war sie denn doch zu schade. Natürlich hütete er sich wohl, etwas davon verlauten zu lassen. Ganz im geheimen spionierte er herum und brachte es wirklich fertig, den Besuch so lange hinzuhalten, bis Kurt auf eine Stunde außer Hause zu tun hatte. Natürlich begleitete er seine Nichte. Schon um ganz sicher zu gehen. Denn man konnte doch wirklich nicht wissen, was geschehen mochte. Und wie recht getan hatte er daran. s ch echutzherrschaft immer wachsenden Widerstand entgegen. Während es, solange das deutsche Kanonenboot „Panther" vor Agadir lag, zu keinerlei nennenswerten Ausschreitungen gegen Europäer gekommen ist, erscheint die Lage jetzt sehr ernst. Die Eingeborenen sind äußerst fremdenfeindlich, und die Ermordung eines französischen Reisenden in Agadir darf wohl als Ausdruck der allgemeinen Stimmung gelten. — In Frankreich rechnet man bereits mit der Auf stellung mehrerer Regimenter in Westmarokko, um die „friedliche Durchdringung" des Landes durchführen zu können. Asten. * In der Umgebung von Peking dauern Raub und Plünderungen an und breiten sich weiter nach Norden aus. Nur 6000 ausländische Soldaten sind verfügbar, während sich dort 100 000 gutbewaffnete chinesische Sol daten befinden, die, wenn die gegenwärtigen Wirren fortdauern, ungestraft die Häfen in Gefahr bringen können. Es herrscht allgemein der Wunsch, daß einige tausend Mann aus ländischer Truppen in den Häfen stationiert werden, und daß Japan die Ein führung größerer Truppenmassen vorbereitet. Man erhofft allerdings eine Besserung der Lage, da die internationale Bankengruppe sich endlich entschlossen hat, der republikanischen Regierung eine Anleihe von 50 Millionen zu gewähren. Deutscher Aeickstag. Am 7. d. MtS. wird die Besprechung des Etats des Reichsamts des Junern fort gesetzt. Abg. Peus (soz.): Auch der antikollektionistische Bauernschädel wird die Hoffnungslosigkeit der Mitlelstandsreiterei allmählich einsehen. DaS soge nannte Streben nach Steuergerechtigkeit bei den Konsumvereinen ist die stärkste Ungerechtigkeit, denn man verschweigt dabei, daß der sogenannte Rein gewinn der Konsumvereine gar kein Prosit ist. Ein Persönlichkeitsliberalismus, wie der Kerschensteiners, kann unmöglich mit der Reaktion zusammengehen. Der Terrorismus der Arbeiter ist berechtigt, weil er nützt, der Terrorismus der Arbeitgeber ist unbe rechtigt, weil er schadet. Die Klassenjustiz beruht in dem mangelnden Verständnis für die Berechtigung der Organisation. DaS Wohnungswesen mutz man, wenn man die amtlichen Berichte der Ge- werbeinspektorcn liest, geradezu als eine Schweinerei bezeichnen. Das einzige Mittel dagegen ist eine kräftige Organisation der Arbeiter, die zu fördern Anstandspflicht der Unternehmer wäre. Aber den Unternehmern ist der Arbeiter am liebsten, der am meisten säuft. Abg. Pfeiffer (Ztr.): Der von uns vorge schlagene Entwurf zur Regelung der privatrechtlichen und sozialen Verhältnisse in den Theatcrbetrieben soll Dinge in Flutz bringen, die recht dringlich sind. Während hier im Hause die sozialdemokratische und die fortschrittliche Partei zu meiner Freude sich auch für das Thealergcsetz einsetzen, ist im Wahlkampfe von fortschrittlichen und sozialdemokratischen Agitatoren gegen mich in der unglaublichsten Weise gehetzt worden. Da hat es geheißen, daß ich mit Toiletten strotzenden Theaterdamen meine parlamentarischen Mußestunden verbrächte. (Zurufe links: Namen nennen!) Das war der Herr R. A. Kühn aus Nürnberg. (Zurut des Abg. Müller-Meiningen: Ich hoffe, daß Sie das auch außerhalb des Hauies wiederholen werden!) Bon sozialdemokratischer Seite waren es ein Herr Hirsch und dann Herr Huge« aus Baircuih, der ja Mitglied dieses Hauses ist. Solche Anwürse halten mich nicht ob, zu rufen: Hurra! Vorwärts mitdemReichsthcatergesetz! Zum Stellenvermsitlungsgesetz beantragen wir, daß gesetzlich festgesetzt werde, daß die Gebühren zur Hälfte vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer getragen werden, und daß etwaige dem entgegenstehende Ver einbarungen in Zukunft nichtig sein sollen, soweit sie sür den Arbeitnehmer ungünstiger sind, und daß in solchen Fällen der Vermittler bestraft werden soll. Ich erbiile mir vom Bundesratstisch Auskunft über den Standpunkt der Negierung dazu. Abg. Graf Kanitz (koch.): Ich freue mich, kon statieren zu tonnen, daß unsre Warnungen vor jaulen ausländischen Unternehmungen nicht ganz ungehört verhallt find. Solange wir einen so hohen Bankdiskont Haven, kann von einer Befriedigung unsres einheimischen Kceditbedürfnisses keine Rede sein. Erwägungswert ist die Einsetzung einer Kom mission, die das ganze Bankwesen im Deutschen Reiche im engen Einvernehmen mit der Reichsbank überwacht. Wer kann eine Bilanz richtig bemteilen? Vom alten Waldemar zwar war nichts zu befürchten. Der dachte sicher keinen Augenblick daran, daß hier wohl eine Frau für seinen Liebling gekommen sein könnte, denn er war harmlos freundlich wie immer. Aber die Tante Mariel Der sah man's ja schon an den listigen Augen an, daß sie sofort ihren Plan fertig hatte. So zuvor kommend freundlich und so voll zarter Auf merksamkeit war sie noch nie gewesen. O, diese falsche Person! Wie sie jetzt mit ihm schöntun konnte, wo sie sonst kaum zehn Worte zusammen redeten. ' Onkelchen kochte vor innerer Wut. Aber er nahm sich sorglich in acht und verriet nicht das geringste. Doch drängte er so bald als mög lich zum Aufbruch. „Aber so bleibt doch noch ein paar Minuten, damit ihr wenigstens unserm Kurt noch guten Tag sagen könnt," rief das Tantchen erregt. Umsonst. Onkel Klaus hatte durchaus keine Zeit mehr. Und so nahm er die Frau Nichte beim Arm und empfahl sich. Natürlich bekam er dabei von Tante Marie wieder einen grimmigen Blick, den er aber mit fein ironischer Liebenswürdigkeit elegant übersah. Als sie draußen waren, fragte Grete er staunt, weshalb er denn eigentlich so gedrängt habe. Und da schob er alle Schuld auf das Tantchen, das ihn nicht ausstehen könne. So war also vorerst sein Zweck erreicht: Kurt hatte die junge Frau nicht wiedergesehen. Aber er triumphierte doch ein wenig zu früh. Schon gegen fünf Uhr klopfte es bei ihm und Kurt selber trat frank und frei herein. Man kann nur immer wieder dringend roten, dost sich jeder selbst schützen mutz und sein Geld nicht unsern Bankiers anvertraut. Zur Tarifpolitik möchte ich bemerken, daß man sehr zu Unrecht uns immer unterschiebt, daß wir alle möglichen Zollsätze erhöhen wollen. Das fällt uns gar nicht ein. Wir sind gegen die Langfristigkeit der Handelsverträge, da die beste Verteidigungswaffe der Hieb ist, und sür Maximal- und Minimaltarise nach französischem Muster. Ich freue mich, daß der Abg. Gothcin nicht für einen allmählichen Abbau der Zölle, also nicht sür ein stückweises Abhacken des BundesschwanzeS ist, sondern die Zölle auf einmal abschaffen will. Daß jetzt eine allgemeine Teuerung der landwirt schaftlichen Produkte bestände, bestreite ich ent schieden. Die Fleischpreiie sind sehr niedrig: der Weizenpreis steht augenblicklich unter 210 Mk., der Roggenpreis allerdings auf fast 190 Mk., und ich erinnere mich, daß die Sozialdemokraten früher ein mal beantragt hatten, den Weizenzoll bei Preisen über 210 Mk., den Roggenzoll bei Preisen über 165 Mk. außer Kraft zu setzen. Dte Sozialdemokraten müssen also damals doch den jetzigen Weizenpreis sür normal, oder doch für erträglich gehalten haben. Im übrigen ist an den hohen Preisen der Zwischenhandel schuld. Wir bedauern das unge heure Anschwellen der Bodenpreise in den östlichen Provinzen. Woher kommt das? (Zuruf links: Zölle). Nein, da ist die Ansiedlungskommission daran schuld und außerdem das Jagdvergnügen der reichen Handels- und Jnduftrieherren. Wenn irgendwo ein roter Bock in einer Jagd gesehen wird, dann ist der Morgen in diesem Gute gleich hundert Mark mehr wert. Mit den Zöllen haben also die Güterpreise absolut nichts zu tun. Die Enquete, die der Abg. Gothein verlangt hat, um die Wirkung des Schutz zollsystems sestzustellen, lehnen wir ab. Der Freihandel hat die englische Landwirtschaft ruiniert. Infolgedessen bedroht der Kohlenarbciterstreik, der die Transportmittel lahmlegt, England mit der Hungersnot I Auf dem Schutz der nationalen Arbeit beruht unsre ganze politische Selbständigkeit. Hoffen wir, daß dieser Schutz uns für alle Zeit erhalten bleibt. Abg. Götting (nat.-lib.): Die Sparlust unsres Volkes ist sehr groß. Die Sparkassen bilden eine gute soziale Hilfe. Wir glauben an die Tüchtigkeit des deutschen Volkes. Die Selbsthilfe wird das Volk aufwärts führen, sie wird die sozialdemokratischen Theorien zuschanden machen. Es läßt sich nicht alles in Gesetzesbestimmungen fassen. Die Wohnungsfür- sorge wird hauptsächlich durch die Einzelstaaten er ledigt werden können. Abg. Weinhausen (fortschr. Vp.): Wir wünschen den Ausbau des Koalitionsrechtes, das auch eine Waffe gegen den Streikterrorismus ist. Die heutige Zersplitterung der Arbeiterbewegung trägt schon genug zur Verschärfung des Kampfes bei. Wir sind für Tarifverträge mit gesetzlicher Bindungskrast. Einigungsämter mit Verhandlungszwang würden oft die Erbitterung unter der Arbeiterschaft vermindern und beseitigen. Die Besprechung schließt. Das Gehalt des Staatssekretärs wird bewilligt, ebenso einige weitere Kapitel. Abg. Peus (soz.) befürwortet internationale Ab machungen zwecks Einführung einer Weltsprache. Abg. Dahlem (Ztr.): Warum macht man uns das Protokoll der internationalen Schiffahrtskon- sercnz nicht zugänglich? Die Rauchbelästigung durch Dampfer muß eingeschränkt werden. Am 8. d. Mts. steht auf der Tagesordnung die endgültige Wahl des Präsidiums. Bei der Wahl des Präsidenten werden abgegeben 383 Stimmen, davon entfallen auf den Abg. Kämpf (fortschr. Äp.) 192 Stimmen, auf den Abg. Spahn (Ztr.) 187 Stimmen (Rechts Zentrum, Polen). Abg. Kämpf ist genau mit der absoluten Mehrheit zum Präsidenten gewählt und nimmt die Wahl unter dem Beifall der Linken an. Bei der Wahl des ersten Vizepräsidenten werden wieder 383 Zettel abgegeben, davon 25 un beschrieben. Es erhalten: Abg. Paasche Oiat.-lib.) 197, Abg. Scheidemann (soz.) 155 Stimmen. Abg. Paasche ist somit gewählt und nimmt die Wahl an. Abg. Gröber (Zentr.): Ich beantrage, eine Pause von einer halben Stunde^ eintreten zu lassen. Der Antrag wird gegen die Stimmen der Sozial demokraten angenommen. Nach Wiederaufnahme der Pause wird zur Wah! dcS zweiten Vizepräsidenten geschritten. Abgegeben werden 378 Zettel, davon 18 unbeschrieben. Es erhält Abg. Dove (fortschr. Vp.) 209, der Abg. Scheidemann (soz.) 147 Stimmen. Abg. Dove ist fomil gewählt. Darauf vertagt sich das Haus auf Dienstag. „Guten Tag, Onkel Klaus! Ich hörte soeben, welch ein seltener Besuch bei uns war. Ich bin untröstlich, daß ich gerade auswärts zu tun hatte. Willst du die Güte haben, mich jetzt bei Frau Grete melden zu lassen!" Onkelchen lachte äußerst pfiffig. „Tut mir leid, meine Nichte ist nicht zu Hause." „O, wohin ist sie denn?" „So viel ich weiß, wollte sie auf den Fried hof, um die Gräber der Eltern zu besuchen." „Ah, besten Dank!" Sofort stürmte Kurt davon und eilte nach dem Gottesacker hinaus. Onkel Klaus aber stand am Fenster und lächelte boshaft. „Ja, renn' du nur!" dachte er. Die junge Frau war nämlich am entgegen gesetzten Ende der Stadt, wo sie eine Freundin besuchen wollte. So glaubte der alte Herr, nun diesmal sicher gewonnen zu haben. Doch wiederum hatte er sich geirrt. Gerade als Kurt, enttäusch von dem weiten, vergebens gemachten Weg, verärgert zurückkehrle, lief er der jungen Frau in die Arme. Fröhlich und herzlich begrüßten sie sich. Und voll ehrlicher Bewunderung staunte er die schöne Base an. Wie verteufelt hübsch war sie doch geworden! Sie wechselten ein paar heitere Worte, ein lustiges Hin und Her, wie bei jungen Leuten^ die sich seit fünf Jahren nicht gesehen haben. Dann aber verabschiedete sich die junge Frau, weil sie bereits erwartet wurde. Mil einem herzlichen „Aus Widersehn" trennlen sie sich. Doch auch am zweiten Tage, als man sich
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