Suche löschen...
Allgemeiner Anzeiger : 21.02.1912
- Erscheinungsdatum
- 1912-02-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191202213
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19120221
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19120221
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-02
- Tag 1912-02-21
-
Monat
1912-02
-
Jahr
1912
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 21.02.1912
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
politische Kunälckau. Deutschland. * Kaiser Wilhelm hat auf dem Sarge deS dieser Tage verstorbenen großen englischen Arztes Lord Lister, der sich besondere Der« dienst« um die Chirurgie erworben hat, einen Kranz niederlegen lassen. * Der BundeSrat hat der Vorlage betr. Änderung des Formulars der Wandergewerbe scheine zugestimmt. Ferner wurde der Entwurf einer neuen Vereinbarung leichterer Vorschriften iür den wechselseitigen Verkehr zwischen den Eisenbahnen Deutschlands einerseits und Öster reichs und Ungarns anderseits angenommen. * Das neue Viehseuchengesetz wird voraussichtlich am 1. April 1912 in Kraft treten, nachdem die Ausführungsbestimmungen in den letzten Monaten in allen Bundesstaaten erlassen worden sind. * Wie verlautet, haben mehrfach Beratungen zwischen den zuständigen Ressorts über die Auf stellung eines Entwurfs für ein Wohnungs- gesetz in Preußen stattgefunden. Die Schwierigkeiten des zu ordnenden Stoffes er wiesen sich als so bedeutend, daß ein Ergebnis, daS zur Aufstellung eines Entwurfs führen könnte, kaum zu erwarten ist. Man kann daher annehmen, daß der Erlaß eines Wohnungs gesetzes für Preußen für absehbare Zeit nicht in Frage kommt. Auch die verschiedentlich ge äußerten Wünsche für das Zustandekommen eines Wohnungsgesetzes für das Reich haben keine Aussicht aus Verwirklichung. * Die immer wachsende Betätigung der Frauen im Handwerk wird von der preußischen Regierung eifrig gefördert. Die Regierungs-Präsidenten sind ermächtigt worden, beim Abschluß der Ausbildung weiblicher Hand werkslehrlinge den Lehrherren Geldprämien zu verleihen, namentlich dann, wenn es sich um weibliche Lehrmeister handelt. Solche Prämien sind im Laufe der letzten Zeit, zwischen hundert und zweihundert Mark schwankend, mehrfach verliehen worden. Belgien. *Im Zusammenhänge mit dem Spionage- Prozeß gegen den Londoner Rechtsanwalt Stewart, der hauptsächlich auf die Aussagen eines Belgiers hin verurteilt wurde, wird in Brüssel die Einbringung eines Spionage gesetzes geplant. Augenblicklich existiert in Belgien keine Strafbestimmung für Spionage. Infolgedessen befindet sich, wie die belgischen Blätter behaupten, eine ganze Anzahl Spione auf belgischem Gebiet, die für Rechnung Deutsch lands, Frankreichs, Englands und Rußlands Spionage betreiben. Holland. * Die seit geraumer Zeit betriebenen Grenz regulierungsarbeiten der deutsch holländischen Kommission in Neu-Guinea haben ein vollständiges Einvernehmen über die Lage der neu festzusetzenden Grenzen ergeben, s» daß weitere Konferenzen nicht nötig sind.' Bereits in der nächsten Zeit wird die amtliche Grenzregulierung bekanntgegeben werden. Spanien. * Nachdem die spanisch-französischen Marokko-Verhandlungen eine Zeit- lang geruht haben, ist jetzt zwischen beiden Regierungen vereinbart worden, einen schnellen Abschluß herbeizuführen, damitendlich im Nord westen Marokkos mit der Durchführung der Schutzherrschaft begonnen werden kann. Balkanstaaten. *Nach römischen Blättermeldungen hat die italienische Heeresleitung abermals 40 000 Mann für Tripolis ausgerüstet. Es werden dann im ganzen 123 000 Mann im Felde stehen. Die Zahl der türkisch-arabischen Streitkräfte läßt sich nur annähernd an geben. Es verlautet, daß 17 000 Türken und 26 000 Araber jetzt am Kriege teilnehmen. Doch erhalten die Araber noch immer Ver stärkung aus dem Innern. Asten. * Mit der Abdankung der Mandschu- Dynastie scheinen die Schwierigkeiten inChina noch nicht beendet zu sein. Abgesehen davon, K bin stiller Henkel). Sj Roman von Paul Bliß. (Fortsetzung.) Ratlos, der Verzweiflung nahe, saß Kurt da. Kein Ausweg aus dieser qualvollen Situation, keine Rettung, so viel er auch sann. Nur das eine war ihm jetzt klar: nur jetzt nicht nach Hause! Jetzt würde er die fragenden Blicke der Seinen nicht mehr ertragen. So lohnte er bereits vor dem Tore des Städtchens den Wagen ab und ging zu Fuß weiter. Aber nicht durch die Straßen, sondern er wählte den Weg um den Wall, der zur Bahn führte. Er kam auch ungesehen weiter, nm kurz vor dem Bahnhof begegnete ihm der Steuerinspektor, der ihn ehrerbietig grüßte, obschon er ihn ein wenig erstaunt ansah, ihn auf diesem einsamen Wege zu finden. Gerade als er den Perron betrat, lief auch der Zug ein. Schnell sprang er hinein, sah gar nicht mehr, wie tief der Stationsvorsteher und Bahnhofswirt ihn grüßten, denn alle seine Gedanken waren schon in Berlin, wo er Hilfe erwartete. Und nun zuerst zu seinem Freunde Stetten; vielleicht wußte der ihm jetzt zu raten. Aber der Weg war umsonst. Nur der Bursche war daheim. Der Herr Leutnant habe Besuch «ms der Heimat bekommen und sei nach Potsdam gefahren. Niedergeschlagen ging er weiter. Was nun? daß die Grenzgebiete (Mandschurei, Mongolei und Tibet) ihre Unabhängigkeitsbestrebungen fortsetzen, wird es auch den neuen Machthabern schwer, ihre eigenen Anhänger von Unüberlegt heiten zurückzuhalten, wodurch Verwicklungen mit den fremden Mächten drohen. DaS be weist folgende Nachricht: Da die chinesischen Revolutionäre den Einspruch Japans gegen die Verletzung der Neutralität von Kwantung nicht beachtet haben, hat ein In fanterie-Regiment von Port Arthur Befehl er halten, die Beachtung der Wünsche Japans zu erzwingen. — Es wird noch geraume Zeit dauern, ehe im Reiche der Mitte die Wirren der letzten Zeit endgültig überwunden sind. Aus clem Keickstage. Der Reichstag setzte am Donnerstag die erste Lesung des Etats fort. Abg. Franck (so;.) meint», eS scheine, als ob die Regierung eine Ahnung von der Entfaltung neuer Kräfte bekommen habe. Die Konservativen seien endlich zu einer bedeutungslosen Minderheit geworden. Die Wah lkreiSeinteilung müsse geändert werden. Die Wahl sei eine Demonstration deS Volkes gegen die Jnteressenpolitik gewesen. Für die Heeresvermehrung lägen keine sachlichen Gründe vor. Abg. Speck (ZeMr.) führte aus, die Auf erlegung neuer Steuern zum Zwecke der Schulden tilgung sei ein gewagtes Beginnen. Neue Steuern müllen überhaupt gemieden werden. Die neuen Wehrvorlagen seien aus den ordentlichen Einnahmen zu decken. Auch die Leistungsfähigkeit deS Volkes habe eine Grenze. ReichSschatzsekretär Wermuth gab nochmals finanztechnische Erklärungen deS Etats. Abg. Graf Westarp (kons.) führte aus, der neue Etat sei ein neuer Beweis für den Nutzen der Finanzreform von 1909. Sie habe mehr gehalten, als fie versprochen habe. In der Frage der Präsi dentenwahl mußten seine Freunde vor. einer Mit arbeit absehen, da sie mit einer Partei, die die Ge sellschaftsordnung bekämpft, nicht zusammenarbeiten konnten. Die Vorgänge des Jahres 1911 haben auch gezeigt, daß die Rüstung stets scharf und mächtig erhalten werden mässe. Die Regierung dürfe sich nicht von einer Stimmenzahl beeinflussen lassen, denn wir haben eine kaiserliche, keine parlamentarische Re gierung. Hierauf gab Reichskanzler v. Beth mann-Hollweg die kurze Erklärung ab, der englische KriegSminister Haldane sei im Auftrag des englischen Kabinetts nach Berlin gekommen, um die jenigen Dinge durchzusprechen, die eine Grundlage für vertrauensvolle Beziehungen Herstellen können. Diese Aussprache werde fortgesetzt werden. Abg. Junck (nat.-lib.) erklärte, zur Deckung für eine neue WehrmachtSsteuer könne nur eine direkte Reichssteuer in Betracht kommen. Am 16. d. Mts. wird die erste Lesung des Etat? fortgesetzt. Abg. v. Payer (fortichr. Vp.): In bezug auf die Gesundung der Finanzen ist die Thronrede un- berechligt optimistisch. DaS Wort: „Keine Ausgabe ohne Deckung durch Bargeld" sollte man hier oben an die leere Wand des Saales malen und darunter die Namen all der Herren von der Regierung und im Reichstag, die 15 Jahr« lang gegen diesen Satz gehandelt haben. Das Ergebnis der Wahlen hat unwiderleglich erwiesen, daß die weit überragende Mehrheit des deutschen Volkes die Politik der letzten Jahre verurteilt hat. Die privilegierte Stellung der Konservativen ist verloren gegangen, der Glaube an ihre Überlegenheit ist dahin, er wird nie seine Auf erstehung feiern. Auch wir bedauern da» Anwachsen der sozialdemokratischen Mandate, aber jetzt wird die Sozialdemokratie zur praktischen Arbeit gezwungen. Welches find die Ursachen der sozialdemokratischen Erfolge? Das Volk fühlt, daß mit zweierlei Maß gemessen wird. Die Ablehnung der Nachlabsteuer und das Heydebrandsche Schlagwort vom lückenlosen Zolltarif hat Hunderttausende sozialdemokratischer Stimmen geschaffen. Wir sind stolz auf unsre Stichwahlvaroie; es ging gegen den schwarzblauen Block. Wir werden sachlich, ruhig und vorurteils frei Mitarbeiten. Reichskanzler v. Bethmann-Hollweg: Ich will mich darauf beschränken, die Stellung der verbündeten Regierungen zu den Wahlen und ihren Ergebnissen darzulegen. Die rückwärts gerichteten Vorwürfe gegen die Regierung halte ich für unge recht. Ich habe die Notwendigkeit des Zustande kommens der damaligen Finanzreform betont. Gegen unrichtige Darstellungen über die Finanzreform ist auch Front gemacht worden. Eines habe ich nicht getan: Ich habe die Ablehnung der Erbanfallsteuer nicht verteidigt. Wie hätte ich auch da» machen sollen, nachdem die verbündeten Regierung:!! gerade diese Steuer mit besonderem Nachdruck gefordert hatten, und angesichts der Möglichkeit, daß das Reich auf diese Steuern zurückkommt! Der Abg. ! Speck hat gestern für den Fall, daß die Regierung! Er zog die Uhr. Es war kurz vor sieben. Sm besten schon, er ging direkt in den Klub. Vielleicht traf er dort einen Freund, dem er sich erklären konnte. Aber auch das war umsonst. Zwar waren gute Bekannte da, die ihn mit offenen Armen willkommen hießen, doch keinem von ihnen stand er so nahe, daß er zu ihm davon hätte sprechen können. Es wurde auch gejeut, aber nur zur Unter haltung und nicht um große Summen. Enttäuscht ging er wieder fort. Der Abend kam. Die Laternen flammten auf. In den Straßen wogte das Leben der Großstadt. Planlos ging er weiter und weiter. Was sollte denn nun bloß werden!? Ratlos irrte er nmher. Plötzlich kam ihm eine Idee. Drüben in der Französischen Straße, ganz versteckt im Gartenhaus, wurde hoch gespielt. Er kannte diesen Privatklub von seiner Militärzeit her. Man traf nicht gerade die beste Gesellschaft dort, manchmal sogar höchst zweifelhafte Existenzen, aber es wurden dort große Summen umgesetzt; das wußte er genau. Also dorthin jetzt! Noch einmal, das letzte mal, einen großen Wurf gewagt. Er überdachte, wieviel Geld er bei sich hatte. Es waren nahezu sechshundert Mark. Also gut. Frisch gewagt! Vielleicht hatte er diesmal Glück. Er ging zu dem Wirt der Räume, der im Laden des Vorderhauses eine Weinprobierstube hielt, und der ihn kannte. Ohne weiteres wurde 1 dies« Art von Besitzsieurr doch «ied«r bringen sollte, das als eine Brüskierung der Parteien bezeichnet, die den damaligen Entwurf abgelehnt haben. Die Regierung bringt ihre Vorlagen nach sachlichen Gesichtspunkten ein. Da sollte von Brüs kierung nickt gesprochen werden. Die Bemerkung des Abg. Speck hat mir aber zu gleicher Zeit ge zeigt, wie die Erbschaftssteuer weit über ihre wirk liche Bedeutung hinaus zu einer hochpolitischen Frage erhoben worden ist. Meine Herren, und was ist das Ergebnis gewesen? Dort auf der Linken sitzen die lachenden Erben. Ich habe immer wieder die bürgerlichen Parteien gemahnt, sich nicht bis aus die Knochen zu zerfleischen. Der Sammelruf ist ver spottet worden; er ist bezeichnet worden al» unzeit gemäß, als veraltet. Die Zeit wird kommen, wo der Sammelruf nicht bloß von der Regierungsbank au», sondern aus der Mitte des Volker ertönt. Deshalb habe ich auch in den Wahlen bis zum letzten Augenblick die gemeinsamen Interessen de» Bürgertums gegenüber der Sozialdemokratie zur Geltung zu bringen versucht. Erfolg habe ich da mit nicht gehabt. Aber ich habe meine Pflicht getan. Und meine Pflicht gegenüber der Monarchie und gegenüber dem Lande war es, daraus hinzu weisen, Welche Verwirrung im Volte entstehen muß, wenn die Scheidelinien zwischen den Grundan schauungen über Staat und Gesellschaft, die in den bürgerlichen Parteien und in der Sozialdemokratie Henschen, von den bürgerlichen Parteien selbst ins Nebelhafte verwischt werden. Meine Herren, wir haben da merkwürdige Dinge erlebt, als «S 1907 gelang, die sozialdemokratische Fraktion auf die Hälfte ihrer Sitze zu reduzieren, da ging ein Jubel durch daS konservative und liberale Bürgertum; und heute? Der Feind von vor fünf Jahren hat 110 Mandate errungen und wieder jubelt der Liberaiis- muS. Warum haben Sie denn da gejubelt? Ober den Sieg einer Partei, deren Niederlage Sir vor fünf Jahren ebenso laut begrüßt hoben? Was hat sich denn in der Zwischenzeit geändert? Etwa die Sozialdemokratie? Ja, die Herren würden es mir sehr übel nehmen, wenn ich sie für fähig halten würde, auch nur ein Titelchen von ihren Dogmen abzulassen — von ihren Dogmen deS Klassenkampfes, der Todfeindschaft gegen diese Gesellschaft und gegen den monarchischen Staat. WaS sich gewandelt hat, ist der Liberalismus. Der ist weiter nach links ge gangen. Ich habe den dringenden Wunsch, daß die Arbeiten des Reichstages sich in ruhigster Weise ab wickeln werden. Ich glaube, es gibt keinen unter Ihnen, der schon einer derartigen unsicheren polischen Lage gegenüber gestanden hat, wie der jetzigen. Von der einst von Bennigsen geführten liberalen Fraktion haben zahlreiche Abgeordnete sich bereit gezeigt, Herrn Bebel, dem Urbeber des Wortes von der Todfeind schaft gegen die Gesellschaft, das höchste Amt zu übertragen, daS der Deutsche Reichstag zu vergeben hat. Und dann ist zum Vizepräsidenten ein sozialdemokratischer Abgeordneter gewählt worden, der Worte gegen unser Kaiserhaus gebraucht hat, die . . . (die folgen den Worte deS Reichskanzlers gehen unter der tosenden Unruhe, die im ganzen Hause auSbricht, unter). Meine Herren, soll das die Antwort sein auf die ruhige, vertrauensvolle Sprache der Thron rede? Und soll damit die Begriffsverwirrung der Mitläufer der Sozialdemokratie sanktioniert werden? Und nun verlangen Sie, daß wegen des Ausfalls der Wahl die Regierungspolitik neu orientiert werden soll? Nennen Sie mir «in großes Gesetz von den zahlreichen, die wir in den letzten Jahren gemacht haben, an denen Herr v. Payer und seine Freunde nicht mitgearbeitet haben. DaS Verdikt würde sich dann auch gegen Sie richten. Soll ich nun die Politik nm orientieren wegen der 110 sozialdemokratischen Mandate? Nein! Etwa wegen der 4'/, Millionen Wahlstimmen? Nun, in dem Stimmzettelhaufen, auf den Sie so stolz find, steckt sehr viel Glaube an die Unqesährlichkeit der Sozial demokratie. Wenn die Sozialdemokratie einmal von groben Worten zu gefährlichen Taten schreiten wird, dann wird das Brüsten mit der großen Stimmzettelzahl schon aufbören. Meine Herren, ich kann aus den gegenwärtigen Zuständen nur die Konsequenz ziehen, daß die Regierung fest auf ihren Füßen stehen muß, und daß eS da kein Schwanken gibt! Sie, meine Herren Sozialdemokraten, und Ihre nächsten Nachbarn halten die unsichere politische allgemeine Lage für den richtigen Zeitpunkt, um unser demokratisches Wahlrecht noch weiter zu demokratisieren, und um durch eine Erweiterung der sogenannten konstitutionellen Garantien unsre Reichs- Verfassung von Grund aus zu ändern. Zu einer weiteren Demokratisierung unsres Wahlrechts und zu einem Angriff auf die Grundlage der Reichsverfassung werde ich die Hand nicht bieten. Der Wahlsieg der Sozialdemokraten und die Unklarheu der Orientierung der bürgerlichen Parteien untereinander ist kein Grund für, sondern nur ein er auch eingeführt, übrigens traf er auch drinnen gleich ein paar Bekannte von seiner Dttlitär- zeit her. Es ging schon recht lebhaft zu « diesen füllen, gemütlichen Gartenhauszimmern, wohin kein Laut von dem Straßenlärm drang. Kurt trat an den langen Tisch, um den herum alle Plätze besetzt waren, und sah dem Auf und Nieder des Spiels zu. Seine Augen wurden lebhafter. Sein Herz begann schneller zu pochen. Denn dort drüben sah er ganze Berge von Gold und Banknoten liegen. Plötzlich erkannte ihn der frühere Kamerad. „Ah, 'n Abend, lieber Büttner!* rief er, ihn begrüßend. „Na, wie kommen Sie denn hierher? Sind ja ein ganz seltener Vogel jeworden! Wie wär's denn? Machen Sie ein bißchen mit, wie?* Sofort wurde Kurt vorgestellt, und fünf Minuten später pointierte er mit. Er hatte ganz klein, mit zwanzig Mark, be gonnen, und er spielte ruhig und gelaffen, damit niemand merken sollte, was in ihm vorging. Aber er hatte Glück. Und als das Häuflein vor ihm sich höher und höher aufbaute, mußte er alle Kraft zusammennehmen, um sich durch die freudige Erregung nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Nach kaum einer halben Stunde hatte er bereits viertausend Mark gewonnen. Einen Moment schloß er die Augen. Ach, jetzt noch eine Stunde glücklich so weiter. Dann hatte er genug, dann war er gerettet. Und dann — das schwur er jetzt — dann würde er nie im Leben mehr eine Karte anrühren. Grund w«br gegen alle Versuch«, die Kompetenzen zwischen Kaiser und Reich, »wischen Bundesrat und Parlament zu verschiebe». Mit solchen Experimenten, mit solchen tbeoretischen Demonstrationen heilen Sie nicht die Schäden untres politischen Lebens. In allen Schichten unsre» Volkes steckt tief die Sehn sucht danach, unser Staatsleben mit großen Auf gaben zu erfüllen, die uns zwingen, unsre Blicke ab zulenken von den widerwärtige« Zänkereien der letzten Jatzre, sie wieder nach vorwärts zu richten. Dies« Aufgaben liegen aber nicht in der Richtung einer weiteren Demokratisierung. Deutschlands Lage in der Weit ist nicht unangefochten genug, al» daß wir aus ein« straffe Organisation verzichten könnten, der Friede in Europa ist niemals mebr gefährdet gewesen, al» dann, wenn Deutschland in Desorganisation verfiel, und daS Vaterland war e», daS dann mit einer Einbuße an Macht, an Ansehen und an Kultur büßen mußte. Wir brauchen eine Festigkeit «nv Stetigkeit in unsrer Politik, obne Extravaganzen nach recht- und nach links. Wir werden große Aufgaben nur lösen können, wenn das Bürgertum de» alten Haders vergißt, wenn eS bereit ist, an die Erreichung großer Aufgaben auch große Mittel zu wenden, wenn eS entschlossen ist zur Verteidigung der deutschen Güter, die wir in unsrer bestehenden Staatsordnung besitzen, und wenn es sich bewußt bleibt, daß das ganze Bürgertum zugleich die Inter essen praktisch zu vertreten hat, mit denen die Mil lionen deutscher Arbeiter an daS Vaterland gefesselt sind. Das Deutsche Reich kann weder reaktionär noch radikal reg ert werden. Ein Staat, der seine Tüchtigkeit durch Uneinigkeit lähmt, den wird di« Weltgeschichte erbarmungslos zu Boden treten. Abg. Fürst Radziwill (Pole): Unsre Fraktion muß selbständig vorgehen, denn sie findet bet keiner Partei die notwendige Unterstützung. Wir vertreten die Interessen der polnischen Bevölkerung. Die Wehrvorlagen werden wir gewissenhaft prüfen und das bewilligen, was von uns als notwendig an erkannt wird. Abg. Arendt (RP-): Die bedeutende Rede der Reichskanzlers hat mit erfreulicher Deutlichkeit ge zeigt, daß die verbündeten Regierungen gewillt sind, mit aller Kraft der weiteren Demokratisierung de« Reiches entgegenzutreten. Wir werden mit dem Kanzler für die Aufrechterhaltung der kaiserlichen Macht eintreten. Seinem Aufruf zur Einigung der bürgerlichen Parteien schließen wir uns völlig an. Wir hoffen, daß diese Rede einen starken Eindruck im Lande machen wird. An der Bismarckschen Schutzzollpolitik halten wir unbedingt fest. Ein« un- verzeihliche Schwäche ist es, daß man einen Staat im Staate, wie di« Sozialdemokrat!«, hat aulkommen lassen. Wir sind eine kleine Partei, eine Fort schrittspartei auf konservativer Grundlage. Die Zukunft gehört uns. Abg. Mumm lwirtsch. Vgg.) betont, seine Freunde stehen fest im Kampfe gegen die sozial« Revolution. Eine Zusammenarbeit der bürgerlichen Parteien finde eine natürliche Grenze. Dem Worte „bodenständig sei rückständig" müsse man daS Wort „bodenständig sst selbständig" entgegenhalten. Abg. Frhr. v. Sche«le (Welse): Die Reichsver- ficherungSordnung hat weite Kreise enttäuscht. Der jetzige Reichstag werde ein Reichstag de» Kampfe» sein. Hannoveraner halten mit treudeutscher Zähi^ keit am Reiche fest. Abg. Graf v. PosadowSky (wild): Ich möchte wünschen, daß alle Wahlaufrufe vernichtet werden. Einem künftigen Geschichtsschreiber bieten fie nur ei« Zerrbild. Wir brauchen unabhängige Männer, die dem Volke die Wahrheit sagen. WaS die neue» Wehroorlagsn anbetrifft, so müsse man fragen, Mac von den Abgeordneten wirklich sachverständig ist, um über militärische Fragen zu urteilen. Entweder man hat Vertrauen zur Militärverwaltung — und sie bat bewiesen, daß sie es verdient — und be willigt alles, oder man hat kein Vertrauen »nb bewilligt nichts. Da» Rückgrat unsrer Landesver teidigung ist da» Landheer. DaS Schicksal Deutsch land» wird an der West- oder Ostgrenze entschiede». Aber neue Steuern müssen vermieden werden, dein sie führen zur Radikalisierung der Massen. Ma» hat zu lange Zeit vergehen lassen, ohne sich um di« Not der Massen zu kümmern. Mit Gewalt kann man der Sozialdemokratie nicht beikommen. Diese Bewegung heilt man nicht mit Solinger Klinge», sondern nur mit salomonischer Weisheit. Der Redner spricht über daS allgemeine Wahlrecht, über die Wahlkreiseinteilung und ferner über daS Verhältnis zu England. Wir können un» herzlich freuen, zu einer Verstän digung mit England zu kommen, aber das deutsche Volk wächst schnell und hat großen Unternehmungs geist, und wir müssen deshalb verlangen, daß eS in der Lage ist. die Wege zu finden, wie e» seine wirt schaftliche Tätigkeit und seinen Unternehmungsgeist außerhalb der engeren Grenzen de» Vaterlande» be tätigen kann. Das Haus vertagt sich. Vor ihm saß ein korpulenter Börsianer, der ihn interessiert beobachtete, und als Kurt jetzt aufsah, bemerkte er, daß der Dicke ihn mit leicht spöttischem Lächeln von der Sette betrachtet hatte. Das beunruhigte ihn. Er durfte sich hier keine Blöße geben. Und von nun an pointierte er höher und höher. Und so sehr er sich auch straff hielt, er merkt« doch, daß seine Ruhe nach und nach zu schwinden begann und die Leiden schaft ihm daS Blut in den Kopf trieb. Aber auch jetzt gewann er unausgesetzt. Schon häuften sich die Gelder vor ihm ansehn lich höher und höher. Da nickt« ihm der Kamerad lächelnd zu: „Na, Sie haben heut Ihren guten Tag, lieber Büttner, wie's scheint!" Kurt erwiderte nichts, sondern zuckte nur leichthin, gleichmütig die Schultern. Jetzt nahm der Dicke die Bank. Und vom Augenblick an verlor Kurt. Er preßte die Lippen zusammen, — Ruh« nur Ruhe! Höher und höher pointierte er, — eine ganze Hand voll Gold schob er hin, aber er verlor. Mit aller Gewalt zwang er sich zur Ruhe. Noch einmal riskierte er einen großen Wurf. Wieder verlor er. Vor den Augen begann es ihm zu kreise». Mit atemloser Angst sah er die erhoffte Rettung wieder entschwinden. — Nein! Neml nm das nicht! Der Bankhalter mit dem überlege» spöttelnden Lächeln sah ihn au, — und da er
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)