Suche löschen...
Allgemeiner Anzeiger : 06.03.1912
- Erscheinungsdatum
- 1912-03-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191203068
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19120306
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19120306
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Bemerkung
- Vorlagebedingter Textverlust - Artikel ausgeschnitten
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-03
- Tag 1912-03-06
-
Monat
1912-03
-
Jahr
1912
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 06.03.1912
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
krochen werden, so dürfen die Kestehenim^ Einnahmen nicht zur Deckung von Mehr erfordernissen benutzt werden. Also — es bleibt nur der Weg zu neuen Steuern. Wenn nun schon die Suche nach einem Präsidenten solche Schwierigkeiteu macht, wie wird sich erst die Suche nach neuen Steuern gestalten? Oder legt man keinen Wert mebr auf ein die Ge schäftsführung sicherndes Präsidium, weil man nicht an die Lebensfähigkeit dieses Reichstags glllU bt? V s8t.M!ML. Politische Armälckau. Deutschland. * Kaiser Wilhelm, der am 4. d. Mts. in Wilhelmshaven der Rekrutenvereidigung bei wohnt, wird am 6. auf Helgoland die Befesti gungsarbeiten besichtigen. Auf der Heimfahrt stattet der Monarch Kuxhaven und Bremen kurze Besuche ab. * Mehrere Blätter wußten in diesen Tagen von einer Reise Kaiser Wilhelms nach Rom zu berichten. Wie halbamtlich erklärt wird, ist dieses Gerücht unzutreffend. Der Monarch trifft lediglich, vom österreichischen Kriegshafen Pola kommend, in Venedig mit dem König Viktor Emanuel zusammen. Der Kaiser wird auf dieser Fahrt weder von dem Reichskanzler noch von dem Staatssekretär des Äußeren begleitet sein. *Bei der R e i ch s t a g s ers a tz w ah l im Kreise Köln 5 (Waldbröl, Siegkreis) erhielten Trimborn (Ztr.) 17003, Lambertz (Ztr.) 31, v. Holleben (nat.-lib.) 46, Schack (soz.) 23, Schneider (wild-soz.) 79, Hein (christl.-soz.) 35, zersplittert waren 153 Stimmen. Trimborn ist somit gewählt. Der Wahlkreis Siegburg- Waldbröl war durch den Verzicht des am 12. Januar gewählten Abgeordneten Dr. Becker frei geworden. Dieser trat zurück, um für den im Wahlkreise Köln-Stadt unterlegenen Partei führer Justizrat 'Trimborn ein Mandat freizu machen. * Im gemeinschaftlichen Landtag der Herzog tümer Ko bürg und Gotha wurde ein Antrag angenommen, daß der Vertreter im Bundesrat dahin wirke, daß die Mehrbedürfnisse des Reiches infolge der Wehrvorlagen durch eine Neichsvermögens- bezw. R e i ch s e r b s ch a f t s st e u e r aufgebracht werden. Balkanstaaten. G Endlich tritt eine Macht auf den Plan, die Italien darauf hinweist, daß die Forderung der Ang! iederung von Tripolis völlig unhaltbar als Friedensgrundlage sei, da durch die Türkei das Innere des umstrittenen Gebiets noch völlig besetzt sei. Dieser schroffe und nicht mißzuverftehende Hinweis ist im .Journal des Debüts' zu lesen, das direkte Beziehungen zum französischen Ministerium des Äußeren unterhält. Bemerkenswerterweise schreiben auch englische Organe — offenbar im Einklang mit der Londoner Regierung — daß man unmöglich der Türkei den Rat erteilen könne, Gebiete preiszugeben, die sie mit vollem Rechte noch als ihr Eigentum bezeichne. Italien solle nicht das Gespenst eines B a l k a n k r i e g e s an die Wand malen; die Mächte würden ihn nicht zulasten. *Die rumänische Regierung hat mit Ausnahme einer kleinen Bestellung bei der französischen Firma Schneider-Creuzot ihre ge samte Ausrüstung an neuen Feldhau - bitzenund Einheitsmunition der Firma Krupp in Essen übertragen. Asten. * So ganz ohne Erschütterungen scheint sich die Umwandlung in China doch nicht zu vollziehen. Nachdem es schon wiederholt in verschiedenen Gebieten des Reiches zu Zu sammenstößen zwischen den ehemals kaiserlichen und den revolutionären Truppen gekommen ist, haben jetzt in der Hauptstadt Peking 2000 Mann von den Truppen Juanschikais gemeutert. Sie haben auf Mandschus ge schossen und Läden geplündert. — Schon vor einigen Tagen hatte der Staatssekretär des Äußeren in den Ver. Staaten, Knox, eine i ^wilcken spiele. Der 8., 9. und l3. Februar 1912 werden in der Parteigelchichte sowohl als in der Parla- mentsgeichichie des Deutschen Reiches unvergeß lich sein. Es war das große Rätselraten: Wer wird Präsident. Bisher — auch in stürmischen Parteienkämpien — war die Präsidentensrage immer rasch geklärt; diemal aber hat man nach einem dreimaligen Versuch und acht Wahlgängen ein Präsidium erwählt, das unter keinen Um ständen die vierwöchige Probezeit überdaueren wird. Wir haben nun in deutschen Landen ge hofft, daß in dieser Probezeit die leidige Präsidentenfragc eine Halbwegs befriedigende Lösung gefunden haben wird. Aber es ist eine Täuschung. Wenn nicht alle Zeichen trügen, wird am 8. März, an dem nach Beschluß des Senioren konvents die Präsidentenwahl wiederholt werden soll, die Lage genau so ungeklärt sein, wie am 8. Februar. Hat man doch, jetzt in der Zeit der Kommissionsbildungen, strikte und mit einer gewissen Ängstlichkeit vermieden, sich mit der Frage des Präsidiums Zu befassen. Und es will saft scheinen, daß auch am 8. März keine Ver ständigung erzielt werden wird. Das deutsche Volk aber erwartet, daß die parlamentarische Vertretung die Frage des Präsidiums ohne erneuten Kampf, der der Welt ein nicht gerade erhebendes Schauspiel bietet, löst: denn vor.allem muß die Arbeitsfähigkeit des Reichstages unter Normen sichergestellt werden, die das Ansehen der deutschen Volksvertretung nicht schädigen. Gegenwärtig ist die Sachlage so, daß die Nationalliberalen sich als die Repräsentanten des Gesamtlibsralismus betrachten und als solche den Platz des ersten Präsidenten für sich fordern. Dieser Anspruch wird nicht auf allen Seiten des Hauses anerkannt, wie man denn überhaupt nur bei der Mehrheit der bürger lichen Parteien soweit einig ist, daß nach den Ergebnissen der Erörterung der staatsrechtlichen Verpflichtungen eines Präsidiums die Wahl eines Sozialdemokraten nicht in Frage kommen kann. Wer aber 'oll gewählt werden? Es gewinnt immer mehr den Anschein, als ob man zu einem ungewöhnlichen Ausweg wird seine Zuflucht nehmen müssen. Schon einmal ist ja der Plan aufgetaucht, noch einen driltsu Präsidenten - Stellvertreter zu schaffen. Aut diese Weise ließe sich wohl ein Präsidium bilden, das natürlich nicht allen Wünschen Rech nung trägt. Danach soll Präsident ein Anhänger des Zentrums werden, erster Vizepräsident ein Konservativer, zweiter ein Natioualliberaler und dritter endlich ein Mitglied der fortschritt lichen Volkspartei. . Wie gesagt, auch diese Lötung hat ihre Mängel, aber sie wäre immer hin eine Lösung mit der Aussicht auf Bestän digkeit, die zugleich dem Gefühl der Haltung durch die Feldmark dahinschritten, sah Bruno bald rechts bald links, und erteilte hier und da, wo es angebracht war, kurze Weisungen und Befehle, und obschon er nie den Faden der Unterhaltung verlor, entging auch nicht ein Vorkommnis der Feldarbeiten seinem prüfenden Auge. Onkel Klaus merkte das wohl. Und er hatte seine Helle Freude daran. Wie er denn diesen frischen, starken und lebensernsten Burschen schon von Jugend auf gern gehabt hatte. .Wenn man dich hier so in deinem Element sieht," sagte er gutherzig, „bist du ein ganz andrer als neulich im Tanzsaal." Der junge Landwirt nickte schmunzelnd. „Werde eben auch nie ein Gesellschaftsmensch werden." allgemeinen Unsicherheit ein Ende bereiten würde. Denn dieses Gefühl der Unsicherheit legt sich mehr und mehr lähmend am' die Arbeiten des Reichstages. Man er innere sich nur, welche tollen Gerüchte das Land bezüglich der Deckung der kommenden Wehr vorlagen durchschwirren. Halbamtlich ist mit geteilt worden, daß die Negierung nicht daran denke, die Erbanfallsteuer wieder einzubringen, weil sie für diese Steuer keine Mehrheit im neuen Reichstag sehe. Zugleich aber wurde verkündet, daß auch das bewegliche Kapital von keiner neuen Steuer getroffen werden solle. Wenn man sich nun den Grundsatz des Finanz ministers vor Augen hält, wonach keine neuen Ausgaben ohne Deckung gemacht werden sollen, so fragt man sich ver wundert, wovon die Mehrforderungen bestritten werden sollen? So kommt es, daß man jetzt häufig — auch im Reichstage — die Frage hört: Sollen die neuen Ausgaben sämtlich aus bereits bestehenden Einnahmen, oder sämtlich aus neuen Steuern gedeckt werden? — Wir haben soeben erst begonnen, unsre Finanzen ein wenig zu ordnen und die Schulden abzutragen. Sollen die Finanzen nicht wieder erschüttert, soll die Schuldentilgung nicht wieder unier- Jetzt ergriff der Aste die Gelegenheit und schnell versetzte er: „Leider! Und deshalb bist du auch stets so einsam und hast noch immer keine Frau gefunden." Aha. Jetzt begann es. Aber Bruno schwieg auch jetzt wieder. Nur innerlich freute er sich. „Habe ich vielleicht nicht recht?" fuhr Onkelchen interessierter fort. „Schon längst solltest du Frau und Kinder haben. So gehört sich das für einen tüchtigen Landwirt. Du weißt ja gar nicht, für wen du dich quälst. Hast du aber einen Erben, dann hat die ganze Sache doch erst einen Zweck. Darin wirst du mir doch recht geben müssen." „Im allgemeinen, ja," erwiderte Bruno jetzt ein wenig zögernd, „aber ich lebe ja auch so ganz gut, wie du siehst." „Unsinn! Ich sehe durchaus nicht, daß du gut lebst! Leben nenne ich das überhaupt nicht, das ist nur ein Vegetieren! Ja, lächle du nur, es ist doch so, wie ich sage! Ein Jung geselle ist nur ein halber Mann. Und ich gehe sogar noch weiter, ich behaupte, ein vermögender Mann, der Frau und Kind ernähren kann, hat sogar die Pflicht, zu heiraten! Jawohl, so ist eS! Wohin sollte denn unser Staatswesen kommen, wenn alle Männer so dächten wie du! Und wenn du mich auch zehnmal auslachst, ich hab' doch recht! Jawohl, ich erkläre dir hier rund heraus, daß du das deinem Vaterland einfach schuldig bist, jawohl!" Bums! Nun hatte er's aber bekommen! Der Hieb mußte doch gesessen haben. Indes fühlte Bruno sich noch ganz behaglich. Note an die Mächte gerichtet, die ein gemein sames Vorgehen zum Schutze derFremden in China 'vorsieht. Diese Note ist jetzt von Deutschland, England, Rußland und Japan im zustimmenden Sinne beantwortet worden. ciem Aeickstage. Der Reichstag fitzte am Donnerstag die Beratung des Etats für das Reichsamt des Innern fort. Abg. Bassermann (nat.-lib.) stellte sich aus den Standpunkt, daß gegenüber allen Fährnissen nur ein Heilmittel in Frage komme: die Förderung der ar beitenden Klassen. Er sei der Ansicht, daß die Sozialdemokratie ein vorwärtstreibendes Element der Sozialpolitik sei. Zu wünschen sei eine Regie rung, die imstande sei, notwendige Reformen durch zusetzen. Abg. Doormann (fortschr. Vp.j hielt es für zutreffend, daß die Sozialdemokratie ein ge wisses Verdienst an der Sozialresorm habe. Das Handwerk kann sich nur selbst helfen. Staatssekretär Delbrück widersprach zunächst einer Teilung seines Amtes. Der innere Zusammenhang der sozialen Fragen fordere ein einheitliches Amt. Die Sozialpolitik sei nicht das Werk einer Bartei oder Klasse, sondern das aller Parteien des Reichstages. Der Sozialdemokratie sei alles Augenmaß für das Erreichbare verloren gegangen. Auch ein konser vativer Radikalismus kann die Entwicklung er schweren, aber noch viel mehr ein demokratischer. Die Arbeitslosenversicherung komme den Kommunen zu. Abg. Frhr. v. Gamp (Rp.l polemisierte gegen die Sozialdemokratie. Zu ihrer Bekämpfung empfehlen sich verschärfte Maßnahmen gegen den Terror, Fortführung der Seßhaftmachung von Arbeitern, erhöhte Wohnungsfürsorge und eine nach drückliche Mittelstandspolitik. Abg. Will- Schlett- stadt (Els.) führte die Ablehnung des Gnadenfonds im elsaß-lothringischen Landesausschuß auf budget rechtliche Bedenken zurück. Am 1. d. Mts. stehen auf der Tagesordnung zu nächst Nechnungssachen. Abg. Noske (soz.): Ich muß eine Reihe von Etatsüberschreitungen rügen- Die Postvsrwaltung ist die unsozialste Verwaltung. Abg. Erzberger (Zentr.) weist darauf hin, daß die Kosten für die württembergischen Manöver im Jahre 1910 außerordentlich hoch waren. Staatssekretär Wermuth bedauert die gerügten Verfehlungen. Württembergischer Generalmajor v. Grävenitz betont, daß nur infolge ungünstiger wirtschaftlicher Verhältnisse die Kosten kür die württembergischen Manöver höher gewesen sind als sonst. Die Rechnungen gehen an die Rechnungs-Kom mission. Bei einer Rechnung vom Jahre 1907 bemerkt Abg. Noske (soz.): Es kommt vor, daß hohe Offiziere oder Beamte aus dem Staatsdienst aus scheiden, sich hohe Pensionen zahlen lassen und dann zur Privatindustrie übertreten, wo sie Gehälter von 30 000 oder 40 000 Mark beziehen. Das ist ein Skandal. Aba. Erzberger (Zentr.): Im neuen Verant- wortlichkcitsgesetz muß der Termin für die Vorlegung der Rechnungen festgelegt werden. Geradezu un geheuerlich in diesen ganzen Rechnungen ist die Ge währung von Pensionen, die mit dem Sinn und Wortlaut des Penstonsgesetzes in striktem Wider spruch stehen. Man muß erstaunt sein, wie die Ver waltung sich dazu hergeben konnte, Leuten, die kein Recht und keinen Anspruch ans Pension haben, künstliche Pensionen zuzuschanzen. Man versteht oft nicht, warum man manche Offiziere wegschickt mit Pension, die dann den ganzen Tag spazieren gehen. Wir haben bei der Beratung des Pensionsgesetzes wirklich Wohlwollen gezeigt, um so schärfere Ver urteilung verdient es, wenn die Verwaltung sich dazu hergibt, in illoyaler Welle Leuten Pensionen zuzuschanzen, die keinen Anspruch darauf haben. Ich ersuche die Rechnungs-Kommission, sich nicht mit dem Protokoll zufrieden zu geben, sondern die nach trägliche Bewilligung zu verweigern. Redner be spricht zwei Fälle van Pensionierungen. In dem einen Fall handelt es sich um einen württembergischen Oberleutnant, der zum Marstall kommandiert, aber noch so lange im Heere geführt wurde, bis er als Rittmeister eine höhere Pension erhielt. In dem andern Falle war ein preußncher Stabsapotheker genau nach zehnjähriger Dienstzeit pensioniert worden, dreiviertel Jahr vorher aber halte er um eine Apaiheken-Konzession nachgesucht und sie auch er halten. Württemberg. Generalmajor b. Grävenitz und preuß. Generalleutnant v. Bachmeister stellen beide Fälle dahin richtig, daß die betr. Offiziere rechtmäßig pensioniert worden seien. Abg. Gras Posadowsky (b. k. Fr.): Ich habe gar nichts dagegen, wenn jemand glaubt, nicht mehr weiter dienen zu müssen, sondern Privatmann Er ließ sich nicht aus der Ruhe bringen and meinte nur so nebenbei: „Na ja, ich kann ja mal darüber nachdenken." Aber Onkelchen merkte, daß es dem jungen Hagestolzen doch nicht ernst damit war. Des halb begann er noch einmal: „Wenn ich nur schon einen Gmnd für deine Handlungsweise sähe. Aber ich finde absolut keinen!" „Wer weiß, vielleicht hab' ich doch einen." „Nun schön, so nenne ihn mir doch wenigstens!" Schweigend sah Bruno in die blaue, gold- durchflimmcrte Lust. Ein herrlicher Tag war es. Frühlingssteude schwebte über alles lachend dahin. Und süße Düfte kamen mit einem lauen Windhauch hergeweht. Jubilierend schwang sich eine Lerche empor. Und keimendes, sprießendes, blühendes Leben ringsum, so weit das Auge nur sah. Ach, es war doch wonnig, hier draußen so für sich zu leben. Da er noch immer schwieg, fragte der Alte nun erregter: „Na also, den Grund? Wenn du wirklich einen haben solltest." Und jetzt entgegnete er burschikos: „Ach, laß mich doch nach meiner Fasson selig werden." „Aha, dachte ich's mir doch!" sagte Onkel chen und paffte ein paar mächtige Rauchwolken in die blaue Luft, was ein Anzeichen dafür war, daß er eine wichtige Entdeckung gemacht hatte. Dann sah er seinen Begleiter heimlich prüfend von der Seite an und dachte: „Wart' nur, mein Jungchen, jetzt weiß ich schon, wo dir der Schuh drückt. Aber für das Leiden hab' ich ein Mittel, jawohl!" Und schmunzelnd lachte er in sich hinein. zu werden, oder einer Privanäripkeit 'eine Kräfte zu widmen, daß er aus dem Reichsdienst aue'weidet. Ich halte es aber für vollständig unzuläisig, daß ein iolcher Mann, wenn er noch dienstfähig ist, eine Pension aus Reichsmitteln bekommt. Gerade für eine Verwaltung ist cs absolut notwendig, daß die Verhältnisse durchaus durchsichtig find, und daß man der öffentlichen Meinung keinen Anlaß zum Miß trauen gibt. Für die Verwendung der Etaismntcl müssen gewisse große allgemeine Grundsätze festgelegt werden, und wenn man in Preußen ein Nerant- wortlichkeitsgesetz fertig gebracht hat, so muß eS auch im Reichstage möglich sein. Die Rechnung wird der Ncchnungskommission überwiesen. Die Beratung desEtats des Reichsamts des Innern wir fortgesetzt. Abg. Werner-Gießen lwirtsch. Vqg.): Die Sozialdemokratie ist der schlimmste Feind der Bauern. Wenn er angemessene Preise fordert, so nennt man ihn gleich Brot- und Flsischwucherer. Wir müssen die Arbeit des Bauern erleichtern und schützen. Darum halten wir an unsrer Wirsscha'ts- politik fest. Notwendig ist die Uibarmachung der 2d- ländcreien und Hochmoore. Unser Mittelstand leidet unter den schädlichen Folgen der Gewerbeireiheit. Bedenklich ist, daß überall die Schabloue^hcrrscht. Das Handwerk braucht Schutz gegen die Scbmutz- konkurenz. Wer einem sozialdemokratischen Konsum- Verein angehört, der untergräbt die Autorität des Staates, das sollten sich die Beamten merken. Be dauerlich ist der ungeheure Einfluß der süduchen Presse. Wir haben ja hier schon die jüdischnationale Volksvartei. Die Judenpresse beherrscht die öffent liche Meinung. Gegenüber der Presse der Linken brauchen wir einen stärkeren Schiit der perwnsschen Ehre! (Zurufe v. d. Soz.: Bruhn !) Wir müssen die Sozialdemokratie überwinden und das Vock wieder zum Licht führen. Vizepräsident Dove: Das Ressort des Reichs amts des Innern ist ungeheuer umfassend. Trotzdem sind hier schon Dinge erörtert worden, die nicht im geringsten Zusammenhang damit stehen. Ich bitte die Redner aller Parteien, sich mehr an die Tages ordnung zu halten. Abg. Bruhn (Deutsche Resormv.): Die Sozial demokraten haben mich durch einen Zurus beleidigt. Vor Gericht würden Sie zu Kreuze kriechen, wie Ihre Genossen, die ick verklagt habe. Abg. Lieb knecht hat selbst den Vergleich gemacht. Und hier besitzen Sie die Dreistigkeit, mich zu verdächtigen. Vizepräsident Dove: Der Ausdruck Dreistigkeit ist nicht zulässig. Abg. Bruhn (sortfahrend): Wer noch nicht erkannt hat, daß die Warenhäuser eine Gefahr bilden, dem ist nicht zu helfen. Selbst Freisinnige beklagen sich darüber. Die Besteuerung dieser Be triebe muß energisch durchgeführt werden. Die Ein kaufsvereinigung des Bundes der Landwirte ist nicht mit den Konsumvereinen zu vergleichen. Leider kaufen die Großgrundbesitzer viel in den großen Städten und nicht am Orte selbst. Die ^Weiterung der Sonntagsruhe bedeutet für die Geschäfte der Klein« und Mittelstände eine schwere Schädigung. Auch wir fordern die Vergebung von Arbeiten für Reichsverwaltungen an kleine Handwerker. Auch wir halten au der bewährten Schutzzollpolitik fest. Davon hat auch die Arbeiterschaft Nutzen. Die Wohnungsverhältnisss auf dem Lande lassen oft mals sehr zu wünschen übrig. Die Worte des Graken Posadowsky gegen die Beamten waren durchaus zutreffend. Eine Altersrente schon von 65 Jahren an, halte ich sirr berechtigt. Der Schutz der Arbeitswilligen ist notwendig, aber die Macht mittel des StaateS brauchen deshalb noch nicht ver mehrt zu werden. Die Herren von der Rechten und vom Zentrum hätten schärfer gegen die liberal jüdische Presse im Wahlkampf vorgehen müssen. Abg. Pieper (Zentr.): Dte Privatbeamtenver bände drängen immer mehr in daS Gewerkichafts- sahrwasser. DaS ist sehr zu bedauern. Aber man sollte die Techniker nicht an der Ausübung des Koalitionsrechts hindern. Ein Reichstheatergesetz ist dringend notwendig. Das Gesetz betr. die Nachtarbeit Jugendlicher muß strenger durchgeführt werden. Das gewerbliche Genossenschaftswesen verdient weiteste Förderung. Über den weiteren freiheitlichen Ausbau des Koali» litionsrechts sollten doch die Beteiligten einmal außerhalb des Hauses Vereinbarungen anstreben. So hat ja z. B. die Vorarbeit der Gesellschaft sür soziale Reform schon manches Gute gestiftet. Die Anregung auf Schaffung einer Zentralstelle zur Förderung des Tarifwesens im Reichsamt des Innern erneuern wir. Der Staatssekretär soll ja nicht nur eiagreifcn, wenn er gerusen wird, sondern überall, wo seine Hilfe notwendig ist, diese auch an bieten. ES folgen noch persönliche Bemerkungen zwischen den Nbgg. Liebknecht und Bruhn. Darauf vertagt sich daS Haus. Als sie im Herrenhause aukamen, harrte ihrer bereits ein würzig duftender Kaffee. Und wieder freute sich der Hausherr über die trauliche Behaglichkeit, die sie sofort umfing. Lächelnd sagte er: „Nun sieh dich bitte mal recht genau hier um. Und wenn du ehrlich bist, wirst du zugeben müssen, daß mir gar nichts, aber auch gar nichts fehlt." „Außer einer Frau," versetzte der Aste mit Festigkeit. „Daß die Berta ein tüchtiges Mädel ist, das habe ich längst gewußt. Aber sie ist und bleibt eben doch nur deine Haushälterin." Bruno wurde immer aufgeräumter. „Nun gut, wenn ich also mal das Bedürfnis fühle, mir eine Frau zu nehmen, brauche ich sie ja nur zu heiraten." Fröhlich blickte er den Onkel an. Der erschrak heimlich, beherrschte sich aber sofort und erwiderte ein wenig verärgert: „Daran denkst du doch keinen Augenblick. Wie man denn überhaupt mit dir in dieser Angelegenheit ja nie ernsthast reden kann." Wieder lachte der Hausherr. „Also wirst du es nun aufgeben, ein für allemal, mich unter die Haube bringen zu wollen, wie?" Onkelchen seufzte nm und schlürfte seinen prächtigen Kaffee. Und da sich nun mich Fräulein Berta an den Tisch setzte, nahm das Gespräch jetzt natürlich eine andre Wendung. Plötzlich fragte Bruno : „Was ist denn das nun eigentlich für 'ne Neuigkeit, die du mir noch immer vorenthältst?" Ganz harmlos, mit famos gespielter Ruhe, antwortete der Alte: „Ach, so was Besonderes ist's nun ja gerade auch nicht. Meine Nichte,
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)