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Allgemeiner Anzeiger : 24.02.1912
- Erscheinungsdatum
- 1912-02-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
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- SLUB Dresden
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19120224
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- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1912
-
Monat
1912-02
- Tag 1912-02-24
-
Monat
1912-02
-
Jahr
1912
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 24.02.1912
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Tum Seääcktnis Zkrentkals. Äät dem dieser Tage verstorbenen Grafen Lexa v. Ahrenthal, dem österreichischen Minister des Äußeren, ist eine markante Persönlichkeit aus dem diplomatischen Leben der Gegenwart dahingegangen, ja, man darf sagen, vielleicht die hervorragendste, wenn man bedenkt, daß er mitten im Frieden den Gebietsstand seines Vaterlandes (um Bosnien und die Herzogewina) vermehrte. Mit dieser Angliederung verlieh er dem österreichischen Ansehen wieder neuen Glanz, erweckte er seine Heimat aus der seit 1866 be obachteten Untätigkeit und stellte sie zugleich neben Rußland auf dem Gebiete der Balkanpolilik. In unglaublich kurzer Zeit hat er, der lange als Botschafter in Petersburg gewirkt hat, und dem daher russische Sprache und russische Eigen art wohlvertraut waren, die Mißstimmung im Zarenreiche besiegt, die eine Folge der An gliederung war. Für uns Deutsche ist mit dem Dahingeschiedenen eine starke und treue Stütze des Dreibundes dahingegangen, trotz der Be hauptung Pariser Blätter, Graf Ahrenthal habe nicht aus Überzeugung und Sympathie, sondern nur dem Wunsche seines Kaisers und Herrn entsprechend, am Dreibund festgehalten. Bis zur letzten Stunde auf das unerschütterliche Vertrauen Kaiser Franz Josephs gestützt, konnte Graf Ahrenthal in fünfjähriger Wirksamkeit als Leiter der auswärtigen Politik Osterreich- Ungarns eine bedeutsame Tätigkeit entfalten und die Erwartungen vollauf recht fertigen, die an seine Berufung nach Wien ge knüpft wurden. Jetzt, da ,ein Lebenslauf einen leider vorzeitigen Abschluß fand, liegt der un bestreitbare geschichtliche Beweis vor, daß die ihm schon damals nachgesagten hervorragenden staatsmännischen Eigenschaften ihm in hohem Maße eigen waren. Seine Tätigkeit in leitender Stellung hat aber darüber hinaus gezeigt, daß Graf Ahrenthal bei -der Verfolgung klar er kannter und bestimmt ins Auge gefaßter Ziele auch über Entschlußkraft, Festigkeit und Zähig keit verfügte. — So ist Graf Ahrenthal als treuer Diener seines kaiserlichen Herrn, als er gebener Sohn seines Landes und als erfolg reicher Staatsmann und Förderer der Inter essen Osterreich-Ungarns durch das Leben ge gangen. Aber auch an seinem Sarge rauscht das heißpulsierende Leben mit seinen Forde rungen vorüber und es ist daher notwendig, einen Blick auf den Nachfolger Ährenthals, den Grafen Berchtold, zu werfen. Auch dieser Vertrauensmann Kaiser Franz Josephs kommtz vom Botschafterposten in Petersburg. Er ist ein Freund und Schüler des Verstorbenen. Allerdings kann nicht geleugnet werden, daß seine Ernennung zum Minister des Aus wärtigen nicht nur manche Kreise in Osterreich- Ungarn, sondern auch in Deutschland einiger maßen überrascht hat- denn Graf Berchtold gilt als Dreibundgegner und Russenfreund. Ob das erstere wahr ist, wird die Zukunft zeigen müssen. Das letztere läßt sich durch die Tat sachen beweisen. Vom Beginn seiner diplo- maüschen Karriere an neigte er zum Zarenreich, und wenn man jetzt auf dem Wege zu einer russisch-österreichischen Verständigung ist, so hat der neue Leiter der österreichischen Politik wesentlich zu diesem Erfolge beigetragen. Muß aber der Russensreund notwendigerweise ein Dreibundgegner sein? In russischen Blättern, die Berchtolds Berufung mit Freuden be grüßen, wird er als ein genauer Kenner der russischen Politik geschildert, der frei sei Vonden Voreingenommenheiten, die man in den letzten Jahren bei allen Auseinandersetzungen zwischen Petersburg und Wien auf feiten der öster reichischen Regierung habe durchblicken lassen. Man wird gut tun, den neuen Mann erst an Ler Arbeit zu beobachten, ehe man seine Stellung zum Dreibund beurteilt. Es ist in dessen kaum anzunehmen, daß Ahrenthal einen . Mann zu seinem Nachfolger empfohlen, daß Kaiser Franz Joseph einen berufen hätte, der K Cm stiller Mensch. Mj Roman do« Paul Bliß. (F-rtsetz-ü «.) In Kurts Fingern zuckte es. Er hätte ihn «würgen können, diesen Schuft, der ihm all 'Has Geld abgewonneu hatte. , Was sollte denn nun werden? Er besaß x»ch zwanzig Mark. Alles andre war fort. (Sollte er amt dem letzten Goldfuchs noch ein- (mal von vom anfangen? Oder sollte er borgen ? (Jeder hier würde ihm ja Kredit einräumen! Aber dann, wenn er dann auch wieder verlor, (.was dann? Was dann? Mit Grauen, mit Entsetzen starrte er auf den dicht befäten Tisch, — Gold, Gold und wieder Gold, und ganze Haufen von Bank-, noten; ach, wenn er's 8dch vielleicht noch ein mal, noch ein einziges allerletztes Mal wagte! Vielleicht kam jetzt das Glück wieder! Wer da mit einmal bekam er ganz Helles Ohrenklingen. Sofort dachte er an die Seinen daheim. Er zog die Uhr. Kurz vor Mitternacht war es. Erst jetzt fiel ihm ein, daß die zu Hause ja gar nicht wußten, wo er geblieben war. Ohne ein Wort der Erklärung hatte er sich (heute nach Tisch ja davon geschlichen. Also s würde man sich jetzt schon seinetwegen ängstigen und bangen. Die helle Röte süeg ihm ins Gesicht. Er schämte sich seines Leichtsinns, ehrlich schämte !« sich- . Und nun mit einmal kamen chm auch die nicht an der bewährten Politik des Dreibundes festzuhalten gewillt ist. tVLedter. politische Kunälckau. Deutschland. * Kaiser Wilhelm brachte gelegentlich des Stapellaufes des Liniemchiffes „Prinz- Regent Luitpold" einen Trinkspruch aus, indem er u. a. ausführte, daß „Fürsten und Völker in Deutschland trotz ihrer Eigenart festgeschart seien zum Schutze des Reichspaniers." *Die Ablehnung des Empfanges des Reichstagspräsidiums durch den Kaiser ist Gegenstand lebhafter Presse erörterungen. Man ist allgemein der An schauung, daß solche Ablehnung erwartet werden mußte, nachdem die im Präsidium vertretene Sozialdemokratie es abgelehnt hatte, neben den staatsrechtlichen auch höfische Pflichten zu übernehmen. Sollte in drei Wochen bei der Neuwahl des Präsidiums abermals Herr Scheidemann gewählt werden und auf seinem Standpunkt beharren, so würde dieser Reichs tag der erste im Deutschen Reiche sein, dessen Präsidium nicht vom Kaiser empfangen worden ist. * Wie verlautet, wird die n eu e Fl o t t e n- vorlage dem Reichstage kaum vor Mitte März zugehen, da der Entwurf noch nicht in allen Einzelheiten sestgestellt und vor allem die Deckungsfrage noch nicht endgültig ge regelt ist. "Der Entwurf eines Schutztruppen gesetzes ist dem Reichstage zugegangen. Er bringt u. a. folgende neue Vorschriften: Die Ableistung von Übungen bei den Schutztruppen ist zulässig. Den Übungspflichtigen im Aus lands werden auf diese Weise kostspielige Reisen nach der Heimat erspart. Es ist in Zukunft auch zulässig, der aktiven Dienstzeit in der Schutztruppe zu genügen. Es wird weiter ein Beurlaubtenstand der Schutztruppe gebildet, dessen Landwehr der Landwehrinfanterie des Heeres gleichzuachten ist. Zu diesem Be- nrlaubtenstand treten über die Offiziere und Mannschaften, die in der Schutztruppe gedient haben, und die Mannschaften des Beurlaubten standes, die in den Kolonien ansässig sind. Die Bestimmungen über die Versorgung der Ange hörigen der Schutztruppen werden erweitert. Auf die farbigen Angehörigen der Schutztruppe finden die Bestimmungen des Gesetzes keine An wendung. Frankreich. * Mitte nächsten Monats werden imKongo- gebiet die Verhandlungen der deutsch- französischen Kommission zur ge naueren Abgrenzung der dortigen Gebiete beginnen. Man macht sich in Paris darauf gefaßt, daß der französische Standpunkt, die im Kongofluß dem deutschen Gebiet vorgelagerten Inseln gehörten zu Frankreich, von Deutschland bekämpft werden wird. Frankreich will aus dem Wortlaut des deutsch-französischen Abkommens hsrauslesen, daß diese Inseln des Kongoflusses nicht ausdrücklich als abgetreten zu betrachten seien. In Paris herrscht die Meinung vor, daß diese Angelegenheit das Haager Schiedsgericht beschäftigen werde. Es zeigt sich also schon jetzt, daß das Kongo-Wkommen Anlaß zu neuen Reibereien geben wird. Schweiz. *Wie jetzt feststeht, werden die Herbst manöver in der Schweiz, denen Kaiser Wilhelm beiwohnen wird, anfangs Sep tember in der Nähe von St. Gallen stattfinden. England. *Jn England droht der Ausbruch einer ernsten volkswirtschaftlichen Krise. Die Kohlengrubenarbeiter drohen mit dem Generalausstand, den alle europäischen Kohlengrubenarbeiter insofern unterstützen wer den, als sie sich verpflichtet haben, die Kohlen ausfuhr aus ihren Ländern nach England mög lichst zu verhindern. Bisher hat sich die Regie rung vergeblich um eine Vermittlung bemüht. Balkanstaaten. *Jn ihrem Bestreben, den Krieg gegen die Türkei möglichst bald zu beenden, sind letzten herben Worte Brunos wieder ins Ge dächtnis. Und nun fühlte er sich wie erdrückt, wie erschlagen von der Wucht der Selbst- auklageu. Schnell und ohne bemerkt zu werden, ent kam er aus dem Raum. Eilig nahm er die Garderobe und stürmte hinaus. Und nun in die Nacht hinein. Die Hellen Straßen mied er, um nicht von Bekannten getroffen zu werden, nm in den stillen Seitenstraßen war er sicher. Und hier eilte er dahin, weiter und weiter, ziellos und rastlos, und immer gehetzt und ge trieben von der quälenden Angst: was soll nun werden? Was soll nun bloß werden? * * * Tante Marie war in großer Aufregung. Als um vier Uhr der Kaffeetisch gedeckt war und Kurt nicht erschien , ging sie selbst hinüber in das Kontor, um ihren Liebling zu rufen. Natürlich war der Weg umsonst. Auch konnte ihr niemand etwas sagen über den Verbleib des jungen Herrn; weder der alte Prokurist, noch die andern Angestellten wußten von ihm; nur der Diener hatte ihn um drei Uhr sortgehen sehen. Verängstigt kehrte das Tantchen zurück und saß nun einsam am Kaffeetisch. Wer sie trank und aß nichts. Sie ahnte, daß der Junge ihr etwas ver heimlicht hatte. Ganz genau hatte sie es ihm - ja angemerkt I Wer was, was nur mochte es wieder fei»! i die Kliener auf eine eigenartige Idee ver fallen. Sie haben an der Küste der arabischen Provinz Jeryen, wo gegenwärtig einige Stämme gegen die türkische Regierung im Aufstande be griffen sind, Truppen gelandet, die den Auf ständischen zu Hilfe kommen sollen. Hier sind also demnächst erbitterte Kämpfe zu erwarten, deren Ausgang niemand vorauszusehen vermag. Amerika. *Die Wirren in Mexiko sind setz! auf den Gipfelpunkt gelangt. Die Rebellenführer haben die Herrschaft über die Massen völlig ver loren und raten den Fremden, das Land zu verlassen. Besonders bedroht sind Angehörige der V er. S t a a t e n, mit deren Ausrottung die Aufständischen drohen. Die Regierung in Washington hat sich mu Rücksicht auf die un haltbaren Zustände mit den Mächten zwecks gemeinsamen Vorgehens in Verbindung gesetzt. Asien. *Juanschikai,der Präsident der Republik China, Hal eine Note an die Mächte ver sandt, in der um Anerkennung der neuen Republik gebeten wird. Zus dem Aeickstage. Der Reichstag setzte am Montag die Etatsbe- ratung fort. Abg. Gans Edler zu Putlitz (kons.) erklärte namens seiner Freunde, daß sie an ihrer ablehnenden Haltung gegenüber der Erbschafts steuer festhalten. Bestrebungen zur Festigung von Staat und Reich werden immer die Unterstützung der Konservativen finden. Was die Sozialdemo kratie wolle, bedeute die Hinrichtung der deutschen Kultur. Die bürgerlichen Parteien seien die wahren Schrittmacher der Sozialdemokratie. Weder von den Konservativen noch vom Bunde der Landwirte werde eine Erhöhung der Zölle gefordert. Aus monarchischer Grundlage müssen unter Hintansetzung aller trennenden Gesichisvunkte die bürgerlichen Parteien zuiammeystehen. Abg. Paasche (nat.-lib.) meinte, die Forderung eines lückenlosen Zolltarifs werde nur die Sozialdemokratie stärken. Die großen Opfer, die die Rechte bei der Reichsfinanzresorm ge bracht haben wolle, habe sie aus den Taschen andrer Leute gebracht. Die Nationalliberalen ständen überall in schärfstem Gegensatz zur Sozialdemokratie. Die Konservativen seien mehr Schrittmacher de: Sozialdemokratie als die Liberalen. Die Konser vativen seien ins Reaktionäre abgerückt. Die Sozialdemokraten hätten ein Recht auf Vertretung im Präsidium. Abg. Gothein (fortschr. Bp.) ver langte eine allgemeine Besitzsteuer zur Beseitigung unsozialer Forderungen. Seine Partei habe durch Übernahme des Präsidiums dem Volk einen Dienst erwiesen. Schließlich bat noch Reichskanzler von Bethntann-Hollweg, in Sachen der Erb schaftssteuer doch abzuwarten, was die Negierung an Vorlagen einbringen werde. Am 20. d. Mts. wird die erste Lesung desEtats fortgesetzt. Abg. Seyda (Pole): Abg. Arendt fordert die Weitersührung der Polenpolitik; die Reichspartei hat zum Glück den größten Teil ihrer parlamentarischen Bedeutung verloren. Die andern hakatistischen Haupt- Vertreter, die Nationalliberalsn, haben ein so außer ordentlich weitgehendes Verständnis für die politische Eigenart der Sozialdemokratie gezeigt, daß es auch für uns hoffen läßt; als liberale Partei müßten sie ja unsre Forderungen unterstützen. Erfreulicherweise gibt es aber in diesem Reichstag keine Mehrheit mehr für Ausnahmegesetze. Ich fordere ein Ausländerrecht und Beseitigung der Ostmarkenzulage, die nichts als ein politischer Kor- ruptionsfonds ist. Abg. Schulz (Reichsp.): Ich will kein Miß verständnis über die Wahl unsres Freundes von Halcm, die vom Abg. Seyda kritisiert worden ist, aufkommcn lassen. Es sind Zettel zurückgewiesen worden, auf denen der Name v. Saß-Jaworski falsch geschrieben war. Diese Zurückweisung er folgte aber von feiten der Wahlvorstände, nicht von amtlicher Seite, nicht etwa vom Wahlkommissar. Man will Herrn v. Halem etwas anhängen. Es bleibt aber nicht der Schatten eines Vorwurfs auf ihm sitzen. Als er am Wahltage telephonisch gefragt wurde, ob die Summen gültig ieicn, aus denen Saß-Jaworski falsch geschrieben sei, da hat er erklärt — was ich nicht getan hätte —: Ja, sie sind gültig, übrigens ist die ganze Sache Angelegenheit der Wah-Prüfungskommission. Noch ein allgemeines Wort: Jedesmal, wenn die Sache der Reichspartci schlecht stand, dann war auch im deuischen Volke der nationale Gedanke verblaßt. Das ist kein gutes Zeichen für die andern Parteien. Abg. David (soz.): Zentrum und Rechte Von gräßlichen Zweifeln gepeinigt, saß sie da und sann und grübelte. Gegen fünf Uhr schickte auch der alte Herr und fragte nach Kurt, — er habe mit chm zu reden. Bebend ging Taute Marie hinein und be ruhigte den Bruder. Aber so leicht war das nicht. Unruhig fragte er: „Ja, wo ist denn der Junge wieder hin? Er ist doch schon zwei Stunden fort." Das Tantchen, um den Kranken nicht noch mehr zu beunruhigen, stellte sich ziemlich sorglos an und erwiderte: „Vielleicht Hal er geschäftlich irgendwo zu tun." „Das glaubst du doch selber nicht," ant wortete der Bruder verdrießlich. „Und wenn es übrigens so wäre, weshalb bist du denn so aufgeregt?" „Aber du irrst dich, lieber Waldi, ich bin ja ganz ruhig," suchte sie seine Sorge zu ent kräften, so schwer es ihr auch gelang. Doch er wurde nur noch mürrischer. „Un sinn! Mach' nür doch nichts vor. Du kannst dich ja nicht verstellen!" Betroffen schwieg sie jetzt. Er aber, nur erregter werdend, fuhr fort: „Wo also kann der Junge wieder sein? Denn irgend etwas muß doch dahinter stecken." Ihr kamen die Tränen. „Ich weiß es ja auch nicht, lieber Waldi. Ich habe mir ja auch schon vergebens den Kopf zerbrochen." - Immer aufgeregter wurde er. „Weshalb ( heulst du denn nun schon gar? Befürchtest du I denn schon wieder was Schlimmes?" wollen keine Erbschaftssteuer, d. h. sic verlangen neue indirekte Steuern. Herr Wermuth hat wie ein Löwe gekämpft, ober er wird wohl unterliegen. Der Reichskanzler hat gestern schon versucht, den „Erisapscl" der Erbschaftssteuer zurückzunehmen. Zu spät! Er ist schon im Rollen. Wo sind die Reichen, wenn es Steuern zu zahlen gibt? Wo die Agrarier? Ach, wenn es ernst wird, dann scheuen sie den Patriotismus wie heißes Eisen. Wir begrüßen jede internationale Verständigung. Wir hoffen, daß England es ehrlich meint, und unsre Freunde in England werden dalür sorgen, daß ehrliches Spiel getrieben wird. Der Redner wendet sich gegen Abg. Erzberger, der phantastisch« Märchen über die englische Gefahr im Herbst ver breitet habe; „Scherzberger" sollte man ihn nennen. Auch im englischen Volke sucht man nach freund schaftlichen Beziehungen. Leider hat der Reichs kanzler eine absolute Verneinungspolitik angekündigt. Abg. Schiffer (nat.-lib.s: Die Darstellung des Abg. Paasche zur Präsidentenwahl war durch aus zutreffend. Bebels Darlegungen mögen zu treffend sein, reichen aber nicht bis zur letzten Be- sprcchüng zwischen dem Zentrum und den Parteien der Linken. Bei dieser letzten Besprechung konnten wir die Darlegungen Bebels nicht anders auffaffen, als daß der sozialdemokratische Vizepräsident bereit sein würde, bei Verhinderung des Präsidenten den Besuch bei Hofe zu machen und das Kaiserhoch anszubriugen. Die inzwischen eingetretene Klärung wird allerdings für unsre Entschließungen der Zukunft eine wesent liche Erleichterung sein. Abg. Bebel (soz.): Ich bin starr über diese Er klärung. An ihr ist kein wahres Wort. Am 7-Fe bruar haben wir erklärt, daß wir die staatsrechtlichen Verpflichtungen erfüllen würden. Da haben die Herren geantwortet: Mehr zu fordern hätten sie keinen Anlaß. Gelegentlich ist wohl auch gesagt, der sozialdemokratische Vizepräsident werde für den Präsi denten eintreten, aber von Hofgängerei und Kaiser- hoch war dabei nicht die Rede. Die üble Lage der Nationalliberalen veranlaßt sie offenbar, nach einem Sündenbock zu suchen und der soll ich sein. Ich habe aber dazu keine Lust. Abg. Haase (soz.): Abg. Schiffer hat an den grundlegenden Verhandlungen gar nicht teilgenommen- Aus eigenem Antriebe haben die Nationalliberalen erklärt, sie erkennen unsern Anspruch auf den ersten Vizepräsidenten an und nehmen Kenntnis davon, daß die Sozialdemokraten die staatsrechtlichen Verpflich tungen anerkennen; mehr zu fordern, haben sie leihen Anlaß. Sie haben weiter gesagt, auch aus die An schauungen und Gefühle der Sozialdemokraten müsse Rücksicht genommen werden. Abg. Gröber lZentr.): Wir haben bei den Besprechungen unbedingt gefordert, daß ein Vize präsident, welcher Partei er auch angehöre, alle bisherigen Verpflichtungen, geschriebene und ungeschriebene, erfülle. Allerdings habe ich Bebels Ausführungen dahin verstanden, daß der sozialdemokratische Vizepräsident, wenn nötig, auch zu Hofe gehen und das Kaiserhoch ausbringen würde. Die Aügg. Schiffer (nat.-lib.), Junck (nat -lib.) und Müller-Meiningen (fortschr. Vp.) bestätigen Gröbers Darstellung. Die Erörterung schließt. Die üblichen Etatsteile gehen an die Budgetkommission. Die Anträge auf Änderung der Ge schäftsordnung werden der verstärkten Ge- schästsordnungLkommission überwiesen. Es folgt die erste Lesung kolonialer Rech nungssachen. Zur Besprechung steht zunächst die Rechnung über den Haushalt der Schutzgebiete für 1906. Abg. Noske (soz.): Erneut protestieren wir über die späte Einbringung der Rechnungssachen. Der Rechnungskommijsion erwächst dadurch große Arbeit. Abg. Erzberger (Zentr.): Rechnungen, die so lange zurückliegen, können in der Tat nicht mehr ein wandfrei geprüft werden. Wo bleibt da daS Kontroll recht des Reichstages? Unterstaatssekretär Conze: Der Abg. Erzberger ist im Irrtum. Wenn er beklagte, daß Rechnungen jetzt vorgelegt werden, die eigentlich vor den letzten Reichstag gehörten, so kann ich darauf erwidern, daß dies auf Wunsch des letzten Reichstages geschah, der mit Arbeit zu überlastet war. Die neuen Rech nungen werden dem Reichstage in schnellerer Folge borgelcgt werden. Allerdings vergeht immer eine gewisse Zeit. Abg. Erzberger (Zentr.): Gegen dieje Ver sicherungen der Regierung bin ich zu mißtrauisch ge worden. Erst verspricht der Vorredner eine schnellere Folge, dann betont er, daß doch immer eine gewisse Zeit vergeht. Das HauS beschließt die Überweisung an die Rechnungskommijsion. Darauf tritt Vertagung ein. Sie konnte nichts mehr darauf antworten. Stumm, mit verhaltenem Schluchen ging sie hinaus. Ganz sprachlos vor Erstaunen sah er ihr nach. Ja, was bedeutete denn dies alles? Da war doch sicher wieder etwas im Gange, was man ihm verheimlichen wollte! Natürlich war es nun um seine Nutze auch geschehen. Das Verbot des Arztes war vergessen. Energisch stand er auf und ging ins Wohnzimmer. Gerade als er eintrat, hatte der Diener von draußen her die Nachricht hereingebracht, daß man den jungen Herrn habe nach Schönau fahren sehen. Allgemeines Erstaunen. „Verstehst du das?" fragte der alte Herr. Tantchen verneinte aufgeregt. Der Kutscher wurde gerufen. Natürlich wußte er von nichts und hatte den jungen Herrn überhaupt nicht gesehen. Immer rätselhafter wurde die Sache. „Also wenn er wirklich zu Bruno hinaus ist, weshalb denn mit dem Fuhrwerk?" Keiner wußte ein noch aus. Aber hier gab es nur eins: Klarheit! Er öffnete das Fenster nach dem Hof und gab Befehl, sofort anzuspannen. „Du willst hinaus nach Schönau?" rief sie bangend, „du sollst dich doch schonen." „Meinst du, daß mir diese Ungewißheft Ruhe läßt? Ich muß dahinter kommen. Irgend was geschieht hier hinter meinem Rücken. Um sonst fährt der Junge nicht zu Bruno. Seit Jahren war er nicht draußen. Und der Ge-
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