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Allgemeiner Anzeiger : 13.01.1912
- Erscheinungsdatum
- 1912-01-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191201137
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19120113
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19120113
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-01
- Tag 1912-01-13
-
Monat
1912-01
-
Jahr
1912
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 13.01.1912
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MMpkantastereien. Der Ausfall der Haupt- und Stichwahlen zum Deutschen Reichstage erregt nicht nur die Gemüter in Deutschland, sondern auch in Frankreich und England. Wenn nun das Wahlfieber entschuldigt, daß man in Deutschland je nach dem Parteistandpunkte mancherlei Hoff nungen oder Befürchtungeen an diese Wahlen knüpft, so ist doch schwer das Interesse ver ständlich, das man jenseils der Vogesen und jenseits des Kanals diesen Wahlen entgegen bringt. Wenn beispielsweise das .Journal' schreibt, die Januarwahlen 1912 führten auf jeden Fall Deutschland an einen verhängnisvollen Wendepunkt, weil sie entweder eine radikale Regierung zur Folge haben, oder aber die allgemeine Erbitte rung steigern müßten, daß die Stimmung der Vorbereitung einer Revolution gleichkäme, so zeigt der Verfasser dieser Zeilen nur, daß er von der deutschen Geschichte und besonders von der deutschen Parlamentsgeschichte schlechtweg keine Ahnung hat: denn bei uns weiß jeder Halbwegs begabte Gemeindeschüler, daß Regierung und Parteigruppierung voneinander unabhängig find. Es ist also nicht den Tatsachen entsprechend, wenn deutsche und auswärtige Blätter die Ansicht verbreiten, der Reichskanzler v. Belhmann-Hoüweg müsse abdanken, wenn das Ergebnis der Wahlen eine Volksvertretung wäre, in der die Parteien der Linken die Mehrheit hätten. Dem Reichs kanzler steht es jederzeit frei, dem Kaiser und dem Bundesrat die Auflösung des Parlaments vorzuschlagen, falls sich die Unmöglichkeit ergibt, mit der jeweiligen Mehrheit zusammen zu arbeiten. Der Ruck uach links, von dem sich weite Volkskreise und viele Politiker des Auslandes eine grundlegende Änderung der deutschen Politik versprechen, wird also keine so entscheidende Bedeutung haben. Wenn darüber noch ein Zweifel walten konnte, so hat ihn die ,Nordd. Allg. Zig.' an einer (offensichtlich aus dem Reichskanzlerpalais stammenden) Note zerstört, in der ausdrücklich darauf hingewiesen wird, „daß dem kommenden Reichstag sehr bald wichtige Aufgaben zur Sicherung der Wehrmacht des Reiches gestellt werden dürften, und daß daher kein um das Wohl des Reiches in ernster Zeit besorgter Bürger seine Stimme der Sozialdemokratie geben dürfe, die Heeres- und Marineforderungen grundsätzlich verneine." — Sollte also der neue Reichstag nach dem Ergebnis der Stichwahlen eine Mehrheit aufweisen, die nicht für eine „Sicherung der Wehrmacht des Reiches" zu haben wäre, so müßte mit einer Auflösung des Reichstages gerechnet werden, und die Neu wahlen würden sich dann unter der Parole vollziehen: „Für oder gegen die Sicherheit des Vaterlandes!" Diese oder eine ähnliche Ent wicklung scheint man in England «nd Frankreich vorauszusehen und benutzt die Erörterungen darüber, um eben solche Übertreibungen zu veröffentlichen, wie sie in den abgelaufenen Wochen hier und da in deutschen Blättern zu lesen waren, denen das Wahlfieber den klaren Blick für die Notwendigkeiten und Möglichkeiten der Zukunft getrübt hat. Da heißt es, falls die Regierung im neuen (oder im nächsten) Reichstage eine große Mehrheit erhielte, würde sie ein Flottenprogramm vorlegen, das nahezu eine halbe Milliarde erforderte und eine Heeres vorlage, die eine ungeheure Mehrbelastung an Stenern im Gefolge haben müßte. Solche und ähnliche aus den Aufregungen der Wahlzeit geborenen Phantastereien werden leider allzuleicht geglaubt, und es ist kein Wunder, wenn der Morning Leader' schreibt: „Die Pläne der deutschen Regierung, die ja nur wenig an den Ausfall der Wahlen gebunden ist, lassen erkennen, daß Europa vor einer neuen Zeit der Unruhe stehe, denn Deutschlands nahezu um ein Drittel ver mehrte Rüstung muß zu Ol I^mäesliebe. 80s Roman von Rolf Cormans. iForUceuila. Else willfahrte Frau Gernsdorffs Ver langen, und während der zwei Minuten, die bis zu ihrer Wiederkehr vergingen, klammerte sich die Witwe mit beiden Händen an die Lehne eines Sessels, um nicht zu Boden zu sinken, mehr einem blutlosen Steinbild ähnlich, als einem menschlichen Wesen. Sie wollte ihr ein Frage entgegenschreieu, als Else endlich wieder auf der Schwelle er schien; aber ihre bleichen Lippen bewegt«: sich lautlos. Kein Wort mehr vermochte sie herans- zubringen. Else flog auf sie zu und fing die Schwankende in ihren Armen auf. „Fasten Sie Mut! Es ist alles über Er- warren gut gegangen. Für den Augenblick wenigstens ist nach der Versicherung des Arztes keine Gefahr. Und wenn Sie sich stark genug dazu fühlen, dürfen Sie kommen, Ar Enkelchen zu sehen — ein gesundes, blühendes Kind, das man eben in sein Bettchen gelegt hat, nach dem es die Mutter zum erstenmal geküßt." Aber Charlotte war nicht mehr stark genug. Die kaum erhoffte Freude ließ sie zu sammenbrechen, wie sie auch urtter der erwarteten Schreckenskmrde zusammengebrochen wäre. Ein wildes, ungestümes Schluchzen war ihre einzige Antwort, und Else hatte Mühe, sie bis zu dem Sofa zu führen, auf das sie völlig kraftlos medersauk. Es war ein glücklicher Zufall, daß gerade in diesem Augenblick eines der Mädchen eintrat, dem Else jetzt mit gutem. folgenschwere« Konflikte« führen." — Die Wahrheit aber ist, daß über die Tragweite der neuen Forderungen für die Wehrmacht des Reiches noch gar nichts bekannt geworden ist. Daß zumindest ein neues Flottenprogramm vorgelegt werden wird, kann den nicht überraschen, der ohne Vorurteil die Ereignisse des vergangenen Sommers überblickt. Soweit stimmen die Nachrichten deutscher und auswärtiger Blätter. Was sonst über die Zu kunft des Reiches, der Regierung und des neuen Reichstages geschrieben und in Ver sammlungen gesagt wird, entstammt dem Reiche der Phantasie. IVäebtvr. Politische Kunclsckau. Deutschland -Kaiser Wilhelm wird, wie jetzt fest steht, sechs Wochen auf Korfu weilen. Mit Ausnahme eines Besuches beim König von Griechenland wird der Kaiser auf der Mittel meerfahrt keine Monarchenbesuche machen. *Wie verlautet, tritt Herzog Adolf Friedrich zu Mecklenburg demnächst in den aktiven Kolonialdienst. Daher trit ein Wechsel innerhalb der Gouverneursposten ein. Es ist wahrscheinlich, daß der Herzog Gou verneur der Kolonie Togo wird. * Die Bundesregierungen haben be schlossen, die Stichwahlen zum Reichstage so anzuberaumen, daß sie am 22. d. Mts. be endet sind. Unter diesen Umständen wird es möglich, die Einberufung des Reichs tags früher, als ursprünglich angenommen war, anzusetzen, sodaß damit zu rechnen ist, daß der Reichstag schon am 6. Februar, nicht, wie bisher geplant, erst am 13. zusammentreten wird. Frankreich. -Die Erörterung des Marokko-Ab kommens in der französischen Senatskom mission hat ihr erstes Opfer gefordert. Der Minister des Äußeren, de Selves, ist von seinem Amte zurückgetreten. Die unmittel bare Veranlassung dazu bot eine Auseinander setzung mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Clemenceau, wobei dieser, der alte Ministerstürzer, Herrn de Selves so in die Enge trieb, daß er lieber abdankte, als sich weiter den Fragen Clemenceaus aussetzte. Man nimmt allgemein an, daß der Rücktritt des Gesamt ministeriums nur eine Frage der Zeit ist. -Im Ministerrat ist nach eingehender Be sprechung beschlossen worden, dem Präsidenten Falliöres und dem Landesverteidigungsrat einen umfassenden Entwurf betr. Neuaufwendun gen fürHeer, Marine und Lu fts ch i ff - fahrt zu unterbreiten. In der Begründung wird darauf verwiesen, daß „Deutschland sich anschicke, seine Rüstungen außerordentlich zu verstärken." England. O Die Besprechungen der Ausführungen, die Lord Lonsdale, ein Freund Kaiser Wilbelms, einem Mitarbeiter der ,Daily News' gemacht hatte, und in denen er beson ders die Friedensliebe des Kaisers und seine Freundschaft für England hervorhebt, haben jetzt den Lord veranlaßt, noch einmal in den ,Evening News' erklären zu lassen, daß Kaiser Wilhelm der Veröffentlichung der Ausführungen gänzlich ferngestanden hat. (Einige deutsche Blätter haben das Gegenteil behauptet.) Ferner aber hebt Lord Lonsdale, „um Mißverständnisse zu vermeiden", ausdrücklich nochmals hervor, daß der Kaiser keinen Krieg führen würde, es sei denn, daß deutsche Interessen be droht würden. Balkanstaaten. -Die Lage auf dem Balkan hat sich plötzlich äußerst ernst gestaltet. Nachdem sich die Gerüchte von einem nahe bevorstehenden Frieden zwischen der Türkei und Italien als unbegründet erwiesen haben, beginnt es sich auf der Balkanhalbinsel zu regen. Aus Mazedonien und Albanien kommen Nachrichten von neuen Aufständen, an der montenegrinischen Grenze werden Truppen zusammengezogen — und endlich scheint auch Gewissen die Fassungslose übertragen konnte. Eine kleine Weile noch blieb sie; dann aber, als die Regierungsrälin auf ihre Frage, ob sie nun gehen dürfe, mit einem stummen Kopf nicken antwortete, eilte sie hinaus, um mit einem Herzen voll namenloser, überschwenglicher Glück seligkeit und mit der Hast eines gejagten Wildes den Weg nach dem Bureau des Rechtsanwalts Sieveking einzujchlagen. 1S. „Was Sie begehren, Ht unmöglich. Ich wN Ihnen eine kurze Unterredung mit dem Gefangenen gestatten, doch imr in meiner Gegenwart und hier in mein«» Bureau. Dies ist die äußerste Vergünstigung, die ich Ihnen uach den bestehenden Vorschriften zu gewähren vermag." Der Zuchthausdirektor Holthoff hatte seine strengste Amtsmiene aufgesetzt, während er diese Worte sprach. Dieser elegante junge Rechts anwall, der mit so selbstbewußter Sicherheit auftrat, und von dessen hübschem Gesicht das zuversichtliche Lächeln auch jetzt noch nicht ver schwand, hatte ihm von vornherein in hohem Grade mißfallen, so daß er es für angezeigt hielt, ihm seine Überlegenheit mit einigem Nach druck fühlen zu lassen. Dem andern schien es aber durchaus an dem rechten Verständnis für die Würde eines Gefängnisdirektors zu fehlen. Er verbeugte sich sehr artig, um zugleich mit einer geradezu im pertinenten Gelassenheit zu erwidern: „Ich zweifle nicht, daß dre Grenzen Ihrer Amts befugnisse Ihnen unter gewöhnlichen Verhält Serbien, das bisher kühle Zurückhaltung be wahrte, unruhig zu werden. Man plant dort eine Mobilisierung großen Stils, angeblich weil auch in Bosnien mobilisiert worden ist. Wenn man dazu bedenkt, daß auch das innerpoliiische Leben der Türkei in voller Gärung ist, scheint die Lage der Konstantinopeler Regierung durch aus nicht beneidenswert. Asien. -Die Zersplitterung Chinas, die ja als eine Folge der Revolution vorauszusehen war,, hat jetzt begonnen. Die russische Regierung hat nämlich der chinesischen mit geteilt, daß sie die Unabhängigkeits- erklärung der Mongolei anerkenne und daß China künftig lediglich das Recht zustehen solle, die Mongolei in den äußeren Angelegen heiten zu vertreten. Da die Regierung in Peking vollauf mit den inneren Wirren beschäf tigt ist, wird sie weder die Lostrennung der Mongolei, noch die Einmischung Rußlands ver hindern können. -Wenn man den neuesten Nachrichten aus Teheran Glauben schenken darf, ist das Schicksal Persiens so gut wie ent schieden. Die russische Regierung wird im Norden Persiens einen Generalgouverneur ein setzen, der das Land unter russischer Kontrolle verwalten soll. Das gleiche tut England im Süden. Beide Maßregeln gelten natürlich nur der „Aufrechterhaltung der Ordnung". In Wahrheit aber schalten sie sowohl den Regenten, wie auch das Parlament von der Verwaltung des Landes aus. Das selbständige Persien hat aufgehört zu existieren. Amtlicher Bericht über die Berliner Asyl-Erkrankungen. Im Ministerium des Innern hatten sich dieser Tage aiüäßlich der Massenerkrankungen im Berliner städtischen Obdach auf Ersuchen des Minister die beteiligten Medizinalbeamten, Krankenhausärzte, Gerichtsärzte und die mit der wissenschaftlichen Erforschung der Krankheit be trauten Batteriologen und Chemiker sowie Ver treter des Polizeipräsidiums, der Staats anwaltschaft und der städtischen, Staats- und Reichsbehörden versammelt, um die Krankheits ursache klarzuslellen. Von amtlicher Seite wird jetzt über das Ergebnis dieser Konferenz folgendes veröffentlicht: „Nach den Fest stellungen entfallen die ersten Erkrankungen und Todesfälle auf den 26. Dezember vorigen Jahres, die letzte Erkrankung und der letzte Todesfall auf den 2. Januar. In diesem Zeit raum werden 161 Erkrankungen gezählt.'von denen 67 gleich 41 Prozent tödlich endeten. Das Krankheitsbild war einheitlich, nur nach der Schwere der Erkrankung mehr oder minder ausgeprägt. Alle Kranken zeigten Übelkeit, starken Durst, Hinfälligkeit, Schwäche in den Beinen, Kopfschmerz, Pupillenstarre, häufig auch Sehstörungen. Der Tod erfolgte unter größter Atemnot. Die Obduktionen ergaben wenig ausgeprägte Befunde. Die Kranken waren ausschließlich männlichen Geschlechts und mit wenigen Ausnahmen Gäste des städtischen Obdachs. Es war kaum zweifelhaft, daß den Massenerkrankungen eine Vergiftung, nicht eine übertragbare Krankheit zugrunde lag, und daß die Quelle des Giftes nicht in dem städtischen Obdach selbst zu suchen war. Man hatte Grund zu der Annahme einer Vergiftung durch verdorbene Nahrungsmittel, insbesondere geräucherte Fische (Dorsche und Bücklinge) oder Buletten aus Pferdefleisch, weil eine größere Zahl der zuerst Erkrankten kurz vorher Fische oder Buletten gegessen hatte. Diese Annahme lag um so näher, als die zkrankheitserscheinungen denjenigen bei Vergiftung durch verdorbene Nahrungsmittel (Botulismus) ähnlich waren, weil im Institut für Infektionskrankheiten an gestellte Tierversuche eine starke Giftwirkung des Mageninhalts und des Blutserums der Kranken ergaben, und weil das Gift bei An wendung eines Mittels gegen Botulismus seine Wirksamkeit verlor. Noch bevor diese Ver- tuche abgeschlossen waren) fand der chemische Sachverständige des Polizeipräsidiums in dem Schnaps eines Branntweinausschanks, wo aus nisten die Erteilung einer weitergehenden Er laubnis verbieten. Hier handelt es sich aber um etwas Außergewöhnliches, um einen Aus nahmefall. Und ich hoffe, daß Ihre Bedenken schwinden werden, nachdem Sie die Güte hatten, von dem Inhalt dieses Schriftstückes Kenntnis zu nehmen." Lächelnd überreichte er dem stirnrunzelnden Direktor ein Blatt, das er aus der Brusttasche gezogen und bedächtig entfallet hatte. Holthoff warf einen raschen Blick auf Stempel und Unterschrift und fragte erstaunt, doch mit merklich verändertem Ton: „Eine Verfügung des Ministers? Ja, warum find Sie denn nicht gleich damit zum Vorschein gekommen, Herr Rechtsanwalt?" Sieveking sah sich nicht veranlaßt, darüber Auskunft zu geben, sondern wartete mit der gelassenen Ruhe eines Mannes, der seines Er folges gewiß ist, auf das Resullat der Prüfung. Mit gemessener Höflichkeit sagte der Ge- fängnisdirektor, als er die Lektüre beendet: „Da mich die Verfügung des Herrn Ministers jeder eigenen Verantwortlichkeit überhebt, habe ich selbstverständlich gegen die Erfüllung Ihres Verlangens nichts weiter einzuwenden. Sie wünschen, daß die Unterredung in der Zelle des Sträflings stattfindet?" „Ich bitte darum." Holthoff drückte auf den Knopf der elektrischen Leitung und befahl dem eintretenden Beamten: „Lassen Sie diesen Herrn in den Jsolierflügel führen. Er hat Erlaubnis, mit Nummer 113 in seiner Zelle zu sprechen, und zwar ohne Zeugen. Natürlich werden Sie sich mit dem < schließlich männliche Asylisten in großer Zahl verkehrten, erhebliche Mengen Methylalkohol und stellte mit Hilfe der Kriminalpolizei fest, daß diese und einige andre dem Asyl benach barte Branntweinschenken den mit Methylalkohol verfälschten Schnaps von dem Drogisten S. in Charlottenburg bezogen hatten, der, wie die Haussuchung ergab, einen großen Vorrat von Methylalkohol an Stelle des teuren Trink branntweins verkauft halte. Die Polizeibehörde hat die Abnehmer des S. ermittelt und ihren Ausschank entweder geschlossen oder die bedenk lichen Schnapsvorräte in Verwahrung ge nommen. Der Verdacht, daß die Massen- vergistungen der Asylisten auf den Genuß von methylalkoholhaltigem Schnaps zurückzuführen seien, ist durch die weiteren Untersuchungen zur Gewißheit geworden. Es hat sich heraus gestellt, daß die im Asyl noch ermittelten Reste von geräucherten Fischen und von Pferdefleisch buletten kein Gift enthielten. Dagegen ist im Mageninhalt von Kranken Methylalkohol nach gewiesen worden. Ferner waren die Krankheits erscheinungen bei den Vergifteten in Überein stimmung mit denjenigen, die man bei einigen in jüngster Zeit beobachteten Massenvergiftungen durch Methylalkohol in Amerika, Rußland und Ungarn gesehen hat; in Deutschland war Gleiches noch nicht beobachtet worden." s- Danach muß die amtliche Untersuchung der folgenschweren Massen erkrankung als abgeschlossen betrachtet werden. Der Genuß von Methylalkohol muß als einzige Ursache des Unheils angesehen werden. Alle andern Annahmen, insbesondere auch die Ver mutung, daß die Erkrankungen aus Nachlässigkeit oder Unreinlichkeit in der Küche des städtischen Asyls zurückzuführen seien, haben sich als un haltbar erwiesen. k)eer und flotte. —.über den Diebstahl des eisernen Be hälters auf dem kleinen Kreuzer „Stettin" wird noch berichtet, daß es sich nicht um ein ganzes Spind, sondern um einen eisernen Einsatzkasten handelt, wie ihn jeder höhere Offizier in seinem Schrank bezw. Schreibtisch in einer Schublade hat. Dieser Kasten ist für sich noch verschließ bar, damit in ihm wichtige Gegenstände ge sichert aufbewahrt werden können. Der Dieb oder die Diebe haben die Schublade erbrochen und den Kasten herausgenommen. Wahrschein lich haben sie vermutet, daß der Erste Offizier in ihm eine beträchtliche Summe Geldes auf bewahre. In einem ähnlichen Falle, der vor Jahren auf dem Kreuzer „Undine" passierte, war der Grund des Diebes lediglich die Ab- sicht, Geld zu erlangen. Damals hatte der Dieb, als er den Kasten leer fand, den Behälter im Kriegshafen versenkt, aus dem er durch Taucher aufgefischt wurde. Daß in diesem Falle besonders wichtige Dokumente oder geheime Schriften abhanden gekommen sein sollen, ist nicht anzunehmen, weil für die wirklich geheimen Sachen ein besonderes Geheimspind an Bord ist. Von stab und fern. HEine äutzerst seltene Auszeichnung durch den Kaiser wurde den Herren Miesner, Bunge und Luttermann in Lübeck zuteil. Die drei hatten am vorjährigen Regattasonntage in Kiel den Admiral Grafen v. Baudissin sowie einen Offizier und einen Matrosen vom Tode des Ertrinkens gerettet. Nachdem den drei wackeren Männern bereits die Rettungsmedaille verliehen, hat der Kaiser ihnen jetzt durch den Bürgermeister Dr. Burchard für die brave Tat seinen persönlichen Dank und seine Anerkennung aussprechen lassen. Explosiv« in einer Droschke. Große Aufregung entstand in Köln mittags unter den Straßenpassanten an einem Droschkenhalteplatz, als plötzlich einer der dort stehenden Wagen nach heftigem Krachen auseinanderflog. Per sonen kamen glücklicherweise bei dem rätselhaften Vorfall, bei dem es sich vermutlich um Explosion einer Dynamitbombe handelt, nicht zu Schaden. Ein elegant gekleidetes jüngeres Paar hatte kurze Zett vorher das Fahrzeug verlassen. Gefangenen einschließeu lassen müssen, Herr Rechtsanwalt." Doktor Sieveking verbeugte sich wieder. „Ich fürchte mich nicht, Herr Direktor." An der Seite seines schweigsamen unifor mierten Führers legte der Besucher den lange« Weg über Höfe, Treppen und Korridore zurück, bis sich die Tür von Nummer 113 vor ihm öffnete, und bis er seinem ehemaligen Studieo- genossen im grauen Sträflingsanzuge gegenüber stand. Tapfer kämpfte er die Bewegung nieder, die ihn bei dem Anblick des so lraurig ver änderten Freundes für einen Moment hatte überwältigen wollen, und mit einein Lächeln, wie wenn sie einander etwa nach einer glücklich zurückgelegten Vergnügungsreise zum erstenmal wieder begegneten, streckte er ihm beide Hände entgegen. Walter Gernsdorfs aber wich bettoffen zurück. „Sieveking, du hier in Sonnenwalde ? Ja, was soll denn das bedeuten?" „Etwas Gutes bedeutet es — etwas un mäßig Gutes! Soll ich dir sagen, was ich hier in der Tasche habe? Die Freiheit habe ich darin — die Freiheit und deinen ehrlichen Namen. Freilich darfst du mich nicht miß verstehen. Ich bin nicht etwa in der Lage, dich jetzt einfach mit mir fortzunehmen. Einige umständliche Formalitäten müssen zuvor immer hin erfüllt werden; aber in vier Wochen — dafüc null ich mich verbürgen — sitzen wir beide wie an manchem guten Tage aus ver gangenen Zeiten hinter einer Flasche alte« Johannisberger."
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