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Allgemeiner Anzeiger : 06.01.1912
- Erscheinungsdatum
- 1912-01-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
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- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191201069
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19120106
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- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1912
-
Monat
1912-01
- Tag 1912-01-06
-
Monat
1912-01
-
Jahr
1912
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 06.01.1912
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^Lektsr. Sieg bereuen. der darauf bestehen sollten, ein eigenes Reich zu klärte der Deutsch-Brasilianer Lauro Müller, gründen, so wäre die Aufteilung Chinas unaus- I der in Rio de Janeiro eine hervorragende L9j Else erhob sich langsam, und es war die Frau Gernsdorfs machte dieser entschiedene« mit heil echt orientalischer List und Verschlagen dem englisch-russischen Ansturm, über Tibet und die Mongolei in das überrieselte es das junge Mädchen, als Charlotte Gernsdorfs ihr plötzlich die brennenden, dunkel umränderten Augen zuwandte, und mit ton losen, heftig hervorgestoßenen Worten sagte: »Wissen Sie auch, daß ich mich inbrünstig gerade nach Ihrer Gesellschaft gesehnt hatte, lange, ^bevor Sie kamen? Ich mußte ein menschliches Senator Äzeredo gegen die deutschen Instrukteure sprach, weil Deutschlands Weltmachtpolitik eine Gefahr sei, er- Stellung einnimmt, er wolle nicht, wie sein Vorredner, feststellen, welche Armee der andern überlegen sei, jedoch die Geschichte der Deutschen sei seit Friedrich dem Großen ruhmreich. Deutschlands Weltmachtpolitik sei nicht andrer Art als die andrer Mächte. Es bestehe keine deutsche Gefahr, sondern eine brasilische, nämlich die Energielosigkeit in den Bestrebungen für die Größe des Vaterlandes. Die Instruk teure keiner Nation seien imstande, die Sicher heit der Republik zu gefährden. Asien. * Da mit dem Neujahrstage der Waffen- st illstand in China abgelaufen war, so haben die Revolutionäre erneut den Kampf be gonnen. Wie es herßt, leisten die Regierungs truppen nur schwachen Widerstand. Aus Peking wird berichtet, daß der Kaiser und die Kaiserin-Witwe unerkannt aus der Haupt stadt geflohen seien. Die Revolutions-Leitung in Hankau hat die Absetzung des Kaisers be schlossen und erklärt, sie wolle ihm eine Jahres pension garantieren. * Rußland sendet noch mehr Truppen nach Persien. Die Petersburger Regierung hat den Mächten mitgeteilt, daß sie zum Schutze der russischen Untertanen mehrere Städte Nord persiens und die Hauptstadt Teheran besetzen müsse. In Persien vollzieht sich jetzt dasselbe Schauspiel, das die Welt in Marokko mit staunenden Augen sah. Und nun, ohne daß Else Frau Gernsdorfs durch eine Frage dazu herausgefordert hätte, erging sie sich in den leidenschaftlichsten Anttagen gegen den Gatten ihrer Tochter, gegen seine Hohlheit, seine schnöde Selbstsucht, seine kümmerlich übertünchte He^enswheit. Alle die Kränkungen und offenen oder versteckten De mütigungen, die sie selbst von ihrem Schwieger sohn hatte hinnehmen müssen, seitdem sie nur noch eine von seiner Gnade abhängige Bettlerin war, wandelten sich in ihrer Vorstellung jetzt zu Verbrechen, die er an Käthe begangen, und jede dieser haßerfüllten Anschuldigungen endete mit dem immer wiederkehrenden Refrain, daß sie und ihre Tochter die bejammernswürdigsten Ge schöpfe seien. Einer solchen Sturmflut der Verzweiflung gegenüber mußten Elses schwache Trostgründe ohne alle Wirkung bleiben. Schweigend, mit in den Schoß gefallenen Händen, ließ sie es über sich ergehen, da es der unglücklichen Frau ja anscheinend auch nur darum zu tun war, eine geduldige Zuhörerin zu haben. Eiskalt aber Xinäesliede. Roman von Rolf Cormans. weil es dieselben Leiden durchkosten muß, wie ich. Und Sie — Sie sind ein solches Wesen! Leugnen Sie es nicht, ich würde Ihnen doch nicht glauben: denn ich müßte ja kein Weib sein, wenn ich nicht alles erraten hätte, als Sie neulich mit Ihrem gram vollen Madonneugesicht vor mir standen. Ja, wir haben das gleiche Schicksal! Was wir aus der Welt am meisten lieben, müssen wir vor unsern Augen unschuldig leiden sehen, gefangen, mißachtet, mit unzerreißbaren Ketten gefesselt! Aber Sie sind freilich immer noch besser daran, als ich. Denn für den Mann, für den Sie leben, wird der Tag der Freiheu kommen, auch wenn niemand seine Schuldlosigkeit bezeugt, während mein armes, unglückliches Kind durch nichts andres bestell werden kann, als durch den Tod." Die lähmende Überraschung hatte Else bis jetzt gehindert, sie zu unterbrechen. Nun aber glitt sie vor ihr auf den Teppich nieder und umklammerte ihre Knie. „Sie wissen also, daß Walter unschuldig ist — ja, Sie wissen es, denn Sie haben es eben mü deutlichen Worten gesagt! O, bei allem, was Ihnen teuer und heilig ist, bei dem Leben Ihrer Tochter beschwöre ich Sie —" Aber Charlotte Gernsdorfs stieß die Kniende zurück und machte sich heftig los. „Nichts weiß ich, nichts I Was in aller Welt sollte ich denn wissen?" er: „Ihr Wunsch ist nicht nur natürlich, und Sie dürfe» es nicht für eine Hartherzigkeit halten, lveim ich ihn trotzdem nicht erfüllen kann. Mer wir dürfen während der nächsten halben Stunde niemand gestatten, da? Kranken zimmer zu betreten, Ihnen so wenig, wie Herrn von Angen, der verständig genug war, diese Notwendigkeit einzusehen.' „Ah, er —I machte sie verächtlich. „WaS hätte er auch dort zu schaffen! Aber ich bin ihre Mutttt, und ich will mich nicht aus sperren lassen, während man meine Tochter ermordet." Oer entflohene Spion. Dem französischen Spion Hauptmann Lux, der in der Nacht zum 28. Dezember aus der Festung Glatz entkommen war, ist es gelungen, die französische Hauptstadt zu erreichen, wo er jetzt von den Zeitungen als eine Art National held gefeiert wird. Die einzelnen Organe, auch solche, die Anspruch darauf machen, emst ge nommen zu werden, veröffentlichen romanhafte Berichte über die Flucht. Ganz unkontrollierbar sind die Angaben, wonach die Aufmerksamkeit der Schildwache auf dem Festungsglacis durch einen Helfershelfer abgelenkt worden sei, während Lux, bekleidet mit dem im Festungshof für ihn niedergelegt gewesenen Zivilanzuge, die Mauer überkletterte. Lux wurde von General Dubail, Generalstabschef im Kriegsministerium, dem Kriegsminister vorgestellt. Der Entflohene bleibt bis auf westeros Ain- .VerfüguuF—Ler- behörde, da er wegen eigenmächtigen über schreitens seines Urlaubes formell vor ein Kriegsgericht gestellt werden muß. Die Pariser Blätter stellen jedoch seine Freisprechung und seine Beförderung in Aussicht. Es ist übrigens das erstemal, daß von > einer europäischen Macht amtlich eine Offiziersspionage öffontttch und behördlicherseits anerkannt wird. Ein Pariser Blatt will wissen, daß Lux in der Festung Glatz Mittel fand, sich mit dem dort ebenfalls wegen Spionage inhaftierten englischen Offizier Trench in Ver kehr zu setzen. Der Frage, ob der Kapitän sich in Glatz durch ein Versprechen verpflichtet habe, jeden Fluchtversuch zu unterlassen, steten die Artikel der Pariser Presse mit keinem Wort näher. In allen diesen Lux als Helden feiernden Erörterungen wird darauf hingewiesen, daß er aus der Zeit, da er zu den Leitern des französischen Nachrichtenbureaus gehörte, wertvolle Verbindungen behalten hätte, die sich in der kritischen Nacht höchst nützlich erwiesen. Die deutschen Behörden würden sich aber — so heißt es weiter — vergebens anstrengen, zu erforschen, durch welche Mittel dem Haupt mann die gute englische Feile zugesteckt wurde, mit der er im Verlauf von vier Stunden zwei Gitterstäbe zu zerschneiden vermochte. Ebensowenig werde man jemals Kenntnis darüber erhalten, wie die Zivilkleider in einem dem Gefangenen bekannten Winkel des Festungshofes gelangen konnten, und auf welchen unverfänglichen Namen der Reisepaß lautete, der sich in einer Tasche des Zivilrocks befand. Soviel aber dürfte man schon heute verraten, daß der Kapitän die erste Nacht nach seiner Flucht ! jungen Dame mochte ihn in Erstaunen setzen, aber er hatte jetzt nicht Zeit, sich ihr vorzustellen oder sich sonstwie um ihre Gegenwart zu küm mern. Die tiefe Traurigkeit auf seinem Gesicht verriet, noch ehe er die Lippen geöffnet, daß er nicht als Überbringer guter Neuigkeiten hierher- gekommen war. „Meine verehrte gnädige Frau," begann er; doch Charlotte Gemsdorff hatte mit beiden Händen seinen Arm umklammert, und auch der letzte Blutsstopfen schien aus ihrem Gesicht ge wichen, als sie ihm keuchend m die kaum be gonnene Rede fiel: „Ist sie tot? — Reden Sie — foltern Sie mich nicht! Lieber das Schlimmste, als diese Höllenqual der Erwartung! Ist sie tot? —" Der Sanitätsrat suchte ihre Hände zu er fassen und sie sanft auf den Sessel nieder zudrücken. „Nein, nein! Ihre Tochter lebt, und noch — noch brauchen wir auch nicht jede Hoffnung aufzugeben, daß sie dem Leben erhallen bleibe. Aber es ist freilich nur eine Hoffnung — eine schwache Hoffnung, wie ich zu meinem tiefen Bedauern hinzufügen muß. Und wir sind über eingekommen, Sie über diesen Stand der Dinge nicht länger in Ungewißheit zu lassen.' „So nehmen Sie mich zu ihr! Ich will zu meinem Kinde. Wenn ihr Stümper es doch nicht retten könnt, habt ihr auch kein Recht, mich in seiner Sterbestunde von ihm zu entfernen.' angebrochen; denn wenn es den Revolukionären nicht gelingt, auch die übrigen dynastiesteuen Provinzen zum Abfall zu bewegen, wenn diese (aus überlieferter Abneigung gegen den Süden) Jetzt hielt es der Sanitätsrat doch für ge boten, eimn etivas ernsteren Ton anzuschlagen. „Ich darf Mich nicht mit langen Uberredungs- versuchen «Walten, gnädige Fran! Was Sie verlangen, ist einfach unmöglich, das muß Ihnen getügev- Die letzte Aussicht, Mutter und Kind zu. retten, liegt in oer Vor nahme eines chirurgischen Eingriffs, der nicht länger mehr hinausgeschoben werden darf. Professor Sramftld ist vor wenigen Minuten er- schienen, und in diesem Augenblick werden die letzten Vorbereitungen für die Operation ge- stoffen. Ihre Anwesenheit während derselben wäre nicht Nur Äe ganz unnütze Qual für Sie selbst, sondern '.m allem eine ungeheure Gefahr für Ihre Toch w. Niemand von uns würde «ine Verantw-Wng für die Folgen über nehmen können D'.gegen ist es ganz selbst- verständlich, daß w.r Sie von dem Ergebnis sofort unterricht werden, wie es sich auch immer Oie JuNolung Okmas. Das Schicksal Chinas scheint nunmehr ent schieden zu sein, nachdem der Leiter der Revolution, Dr. Sunjatsen, der bisher in der Verbannung gelebt hat, von 18 Provinzen zum ersten Präsi denten der Republik China erwählt worden ist. Die Revolutionäre haben die schwächliche Haltung der Regierung in Peking trefflich zu nützen ver standen. Soweit der Fernstehende die Ereig nisse der letzten Wochen überblicken kann, hat die Mandschu-Dynastie keinen besonders ener gischen Kampf um ihre Existenz geführt. Der Pekinger Hof war mehr darauf bedacht, seine Schätze in Sicherheit zu bringen, als mit Hilfe dieser Schätze die Revolution wirksam zu be kämpfen. So kam es, daß wochenlang die Regierungstruppen ohne Sold blieben und daß Tausende von ihnen der Hunger in die Arme der Revolution trieb. Nun, da die Pekinger Herrlichkeit unter dem An dringen der siegreichen Revolution zusammenge brochen ist, macht man dem Vizekönig Juan schikai bittere Vorwürfe, und doch ist er auch schließlich nur ein Mensch, der die Hemmnisse im eigenen Lager und die Idee der Revolution nicht mit Worten überwinden konnte, nachdem man ihn mit Geldmitteln im Stiche ließ. Daß aber der greise Diplomat nicht der Mann mit zwei Gesichtern war, als der er in manchen europäischen Zeitungen geschildert wurde, zeigt sein jetziges Verhalten. Er konnte längst dem Rufe folgen, der ihm in den Straßen Pekings sogar häufig entgegentönte: Präsident Juauschikai, er könnte jetzt an Sunjatsens Stelle wirken, aber er hielt von der Republik nichts und hoffte bis zum letzten Augenblick, die Dynastie zu retten, die nun an ihrer Unentschlossenheit und Tatenlosigkeit zugrunde geht. Aber sie reißt in ihrem Fall auch das ganze Land. Unter der jahrhundertelangen Herrschaft der Mandschu verlor China Korea und seinen Einfluß in der Mandschurei, jetzt aber droht der Verlust Tibets und die Abtrennung der Mongolei. Mag die kaiserliche Regierung in Peking mancherlei Fehler begangen haben, eines wird die vor urteilsfreie Geschichte feststellen müssen, daß sie höchste Zeit dazu gewesen; denn der alte Der Arzt überhörte die Beleidigung, die sofort u .. . Sanitätsrat Küster erschien eben in der Tür! ihm da ins Gesicht geschleudert worden war, gestalte. Ln um mich haben, das mich verstehen kann,! des Zimmers. Die Anwesenheit der fremden und noch sanfter und herzlicher als zuvor, jagte l Fra, ans österreichischem Boden verbrachte, daß er dann unerkannt in fröhlicher Gesellschaft im Eisenbahnzuge die französische Grenze erreichte. Nach einer Mitteilung des ,Jnstanstgeantt soll Hauptmann Lux schon vor seiner Flucht mit dem französischen Erkundungs bureau (dem er angehörte) in Korrespondenz gestanden haben. Durch das Erkundungs bureau ist auch die ganze Flucht ins Werk gesetzt worden. Im Augenblick, da der Zeit punkt der Flucht günstig war, wurde die Auf merksamkeit der Wache durch ein Geräusch ab- gelenkt, und als Lux draußen war, fand er bald ein befremdetes Auwmobil. Mt großem Behagen betonen die französischen Blätter, daß die verwegene Tat gerade in der Weihnachts nacht vor sich ging. „In dieser Nacht entfalte sich das deutsche Gemütsleben auf das herrlichste. Der Kommandant der Festung habe seine Mannschaften väterlich um sich versammelt, der Weihnachtsbaun brannte und bei dieser Ge legenheit hat der französische Hauptmann un gestört entwischen können." Es ist bezeichnend für den franzqischen Geist, daß Lux vom Kriegs minister Messiny ermächtigt worden ist, öffent lich zu erkläret, daß er sich keineswegs bewußt sei, bei seiner geglückten Flucht irgendein Ver gehen gegen die Offiziersehre begangen zu haben. Das vird den deutschen Behörden ein Fingerzeig fest, wenn wieder einmal ein fran zösischer Offizier mit Ehrenhaft belegt wird. Man wird Mn seinem Ehrenwort, daß er keinen Fluchpersuch machen wolle, einigen Zweifel entg/genbringen. Und man wird sich in Frankreich darüber nicht wundern dürfen. Die Flucht dis Hauptmanns Lux hat übrigens - zu Erwägungen darüber Anlaß gegeben, wie derartige Volkommniffe in Zukunft verhütet ' werden könnM. Es ist bekannt, daß fremde Offiziere, die hier als Spione verhaftet und verurteilt weiden, fast ausschließlich FestungS- - strafen erhaM, da man annimmt, daß sie die Spionage im Dienste des Vaterlandes ' ausgeführt hwen. Die Offiziere verpfänden ihre Ehre, daS sie die Freiheiten der Festungs gefangenschaft nicht mißbrauchen und nicht ent fliehen werde«- Bei deutschen Offizieren genügt . das Ehrenwest selbstverständlich. Es hat sich aber erwiese/,- daß der Hauptmann Lux sein Ehrenwort sicht genug geschätzt hat. Die . Festungshaft erscheint dadurch gefährdet. Nun gesetzbuch dieAbschaffung der Festungshaft vor- geschlagen, d es nicht angängig sei, daß eine von bürgerlicen Gerichten erkannte Strafe von den Militärbhörden vollstreckt werde. Ferner wurde darauthingewiesen, daß der Vollzug dyc Festungshaft so milde sei, daß sie nicht atS ernsthafte Stift gelte. Es hat sich jedoch ge- zeigt, daß ff Festungshaft auch die Flucht der JuhMeM beqjinMaj—BM er Gefängnissen und Zuchthäusern mit Fluchtver suchen zu rechnen ist, so lassen sich hier doch ganz andre Sicherheitsmaßnahmen treffen als in der Festunk- Diese beiden Mängel, die der Festungshaft von dem Vorentwurf zum neuen Strafgesetzbuche vorgeworfen werden, sind zwar von mehreren Seiten als unwesentlich hingestellt worden. Man wird darum vielleicht einer völligen Beseitigung der Festungshaft nicht das AM zu sprechen brauchen, da es eine ganze Anzahl von Vergehungen gibt, für die eine entehrende Strafe nicht in Bettacht kommen kann. Trotzdem aber wird man zu erwägen haben, ob die Festungshaft bei Spionagevsrsuihm noch weiter als geeignete Strafe dienen kann. Selbst, wenn man voraus- setzt, daß ein fremder Offizier, der Spionage betreibt, nicht isimer aus verbrecherischen Motiven gehandelt hat, ft ist doch das erste Erfordernis.^ einer Straft dorin zu erblicken, daß sie unter allen Umständen durchgeführt wird. Nach den bisherigen Anschauungen gilt das Ehrenwort des Offizier; auch des französischen — als durchaus verbindlich. Sowie sich aber heraus stellt, daß ez keine verbindliche Kraft hat, dann müssen Mittel und Wege gefunden werden, um unter Verzicht auf die Verbindlichkeit eines Ehrenwortes fremde Spionageoffiziere so zu bestrafen, daß ihnen die Flucht möglichst schwer ! oder unmöglich gemacht wird. Politische Kuncilckau. Deutschland. * KaiserWilhelm ließ sich vom preußi schen Minister des Inneren einen eingehenden Vortrag über die Massenerkrankungen im Ber liner Asyl für Obdachlose halten. Der Monarch hat dem Berliner Magistrat sein Beileid aus Anlaß der Massenvergiftung ausgesprochen. *Nach den amtlichen Berichten hat sich das Befinden des Prinz-Regenten Luitpold von Bayern wesentlich gebessert, so daß man hofft, der greise Patient werde in wenigen Tagen wieder völlig hergestellt sein. * Aus Anlaß des Jahreswechsels sind zwischen dem Reichskanzler v. Bethmann- Hollweg und dem Minister des Äußeren Grafen Ähreuthal in Wien und Marquis diSan Giuliano in Rom herzliche Glück wunschtelegramme ausgetauscht worden, in denen der deutsche Reichskanzler und Graf Nhrenthal den wärmsten Wünschen für den König von Italien und der Marquis di San Giuliano ebensolchen Wünschen für Kaiser Wilhelm und Kaiser Franz Joseph Ausdruck geben. * In der russischen Botschaft zu Berlin fand eine Unterredung zwischen dem russischen Minister des Äußeren Sasonow mit dem Staats sekretär des Äußeren v. Kiderlen-Wächter statt, die einen sehr freundschaftlichen Charakter trug. Wie Petersburger Blätter dazu berichten, fand diese Unterredung auf ausdrücklichen Wunsch Kaiser Wilhelms statt. Öfter« eich-Ungarn. "Das Befinden Kaiser Franz Josephs hat sich soweit gebessert, daß der greise Monarch bereits am Neujahrstage der Messe in der Schönbrunner Schloßkapelle bei wohnen konnte. Amerika. * Der Verlauf eines aus Anlaß des Jahres wechsels in New Park veranstalteten Fest mahls, das zugleich der Förderung der Ein führung von Schiedsgerichtsverttägen dienen sollte, brachte die Uneinigkeit in dieser Frage zwischen dem jetzigen Präsidenten Taft und dem ehemaligen Präsidenten Roosevelt deutlich zum Ausdruck. Roosevelt, der nicht er schienen war, schrieb bei seiner Absage, er fürchte, daß die Festlichkeit dazu dienen solle, den Senat dahin zu bringen, Verträgen wider sein Gewissen ohne Änderungen zuzustimmen. In seiner Ansprache bei dem Mahl stellte Präsident Taft in Abrede, daß seine Haltung in der Schiedsgerichtssrage mit der Kündigung des Handelsvertrages mit Rußland, der keine schieds gerichtliche Erledigung erforderte, unvereinbar sei. Fragen der nationalen Politik könnten weder gerichtlich noch schiedsgerichtlich entschieden werden; er sehe aber nicht ein, weshalb Fragen, die die nationale Ehre berühren, nicht in solche Verträge einbezogen werden sollten. — Alle auswärtigen Diplomaten hatten im letzten Augenblick abgesagt, einige, wie es heißt, auf Anordnung ihrer Regierung. Herr Tast wird sich bald überzeugen, daß seine Schieds gerichtsidee nur wenig Aussicht auf Verwirk lichung hat. *Die Absicht Brasiliens, zur Aus bildung der Armee deutscheJnstrukteure zu berufen, hat im dortigen Senat zu Angriffen gegen Deutschland geführt, die eine energische Zurückweisung erfuhren. Als der kürzlich aus Paris nach Rio de Janeiro zurückgekehrte bleiblich und ein unvermeidlicher Bruderkrieg würde den fremden Mächten das Signaj^pm Einschreiten geben, dann hat auch Asien wMn „kranken Mann", wie ihn Europa in der Türkei hat, und sein Leben wäre abhängig von der Wachhaltung der Eifersucht der Mächte. Haben das die Stürmer und Dränger, die jetzt ob ihres Sieges über die Dynastie jubeln, alles reiflich bedacht? Sie könnten sonst einst ihren „Land der Rätsel" einzubrechen drohte, erfolg reichen Widerstand geleistet hat. Nun ist ihre Macht gebrochen und der Einfluß der neuen Beherrscher des südlichen Chinas reicht nicht so weit, daß sie das Schicksal Tibets und der Mongolei irgendwie beeinflussen könnten. Noch vor zwei Jahren besetzte China Lhassa, die Hauptstadt Tibets und Residenz des Dalai Lama, und zwang damit den Priesterkönig, seine heimlichen Verbindungen mit England und Rußland, die die Losreißung Tibets von China zum Ziele hatten, abzubrechen. Nun hat sich Tibet selbständig erklärt — unter eng lischem Schutz. Und fast gleichzeitig ist in Inner-Asien ein neues Reich entstanden; denn auch die Mongolei, ebenfalls beherrscht von einem Dalai-Lama, hat sich für unabhängig von China erklärt und bildet nun ein selbständiges Priesterkönigtum, dessen Dalai- Lama in der Hauptstadt Urga residiert. Und hier ist Rußland der Schutzherr, das seit seinem Zusammenbruch auf den mandschurischen Schlacht felden: mit besonderem Eifer die wirtschaftliche Erschließung der Mongolei betrieben hat. Zwar erheben die Ver. Staaten Einspruch und ver langen die Unverletzlichkeit chinesischen Gebiets, aber sie werden andern Sinnes werden, wenn auch ihnen ein Stück des zur Verteilung be stimmten Kuchens gereicht wird. Damit ist die Krise im asiatischen Problem
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