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516 Betragen, angegeben findet; es werden diese Berichte in die Archive der Aka demie eingetragen. Der Censor besitzt nächst dem Provisor die meiste Gewalt und hat die Oberaufsicht über Alles, was sich auf den Unterricht und die Disziplin bezieht, muß jedoch den Anleitungen deS Provisors gehorchen und ihm eine wöchent liche Zusammenstellung seiner täglichen Bemerkungen, so wie der Berichte der Professoren, vorlegen. Er muß in der Anstalt sich befinden, wenn die Pen- sionaire zu Bette gehen und aufstehen, und ihr Betragen außerhalb der Schul stunden beobachten. Er hat auch die Aufsicht über die Bibliothek. Der Almosenier ist der einzige Geistliche, der in jedem College ange stellt seyn muß, doch gehören außerdem mehrere jetzt fungirende Provisoren und Professoren zum geistlichen Stande, was allerdings in den Jahren un mittelbar nach der Juli-Revolution nicht der Fall war, indem gedachte Geist liche erst in den letzten zwei oder drei Jahren, seitdem der Klerus größeren Einfluß auf den Unterricht zu gewinnen strebt, angestellt worden sind. Diese Tendenz deS Klerus wird jedoch von den gebildeten Laien auf das entschiedenste bekämpft, und fortwährend sehen wir neue Kontroversen in dieser Beziehung sich erheben. Auf der einen Seite will die katholische Geistlichkeit die Kollegien und den Unterricht überhaupt völlig kontroliren, und auf der anderen Seite macht es der Minister des öffentlichen Unterrichts den Professoren zur Pflicht, die Philosophie ganz abgesehen von der Religion vorzutragen. (Schluß folgt.) Arabien. Karisch oder Koreisch? In Nr. 28 dies. Bl. habe ich zum ersten Male den ältesten Lexikographen der hebräischen Sprache Jehuda ben Koreisch besprochen und dabei erklärt, daß man ihn bisher unrichtig I. b. Karisch genannt habe. Ich blieb für diese neue Schreibart die Begründung schuldig, weil ich mir vorgenommen, ausführlicher über den Mann und sein Wirken an einem anderen Orte zu handeln. Indessen hat sich diese Abweichung vom gewohnten Herkommen, so unbedeutend die Sache an sich auch ist, doch, wie immer, wenn die Aristokratie deS Schlendrians angetastet werden soll, zu einem Gegenstand der Besprechung erhoben, und während unter Anderem mehrere Leipziger Gelehrte seitdem stets Koreisch oder Koraisch schreiben, sagt Herr Professor Ewalv in der Vor- rede zu seinem so eben erschienenen Werke: Ueber die arabisch geschriebenen Werke jüdischer Schrachgelehrten (S. IX) in Bezug auf meine Worte"): „ES leidet keinen Zweifel, daß ein Name wie wo er sich bei wirk ¬ lichen Arabern findet, nur Koraisch ausgesprochen werden kann. Sollte sich also bewähren, daß der Name nur von den Arabern entlehnt wäre, so müßte man ihn künftig so auSsprechcn." Ich werde daher kurz angebcn, wie ich zu meinem Schluffe gekommen bin, und ich hoffe, eS werden die meisten Leser sich überzeugen, daß der jüdische Gelehrte Koreisch oder Koraisch heißt. Nicht ein eiteleS Streben der Pietät war es, dem Stammvater der jüdischen Lexikographie den glänzenden Familiennamen des Propheten zu vin- dizircn, sondern die Ueberzcugung, daß der vokallose Name mit diesen Buch staben historisch wahrscheinlich nur solche Lesung zulasse, veranlaßte mich, der Spur der Wahrheit in den ältesten Schriften nachzugehen, und ich fand, daß die Alten nicht anders gelesen haben. Man mußte doch vor Allem mit Recht fragen, woher kamen die Pococke'S, Gagnier's, Wolf rc. zur Aussprache Karisch? Der Mann, welcher den Namen trägt, ist durch eine Zeitkluft von mehr als 806 Jahren von uns entfernt; wir finden plötzlich, ohne uns an irgend eine Tradition lehnen zu können, das Wortgerippe welches Karisch, Kertsch, Kurisch, Korisch, Kirisch, Kareisch rc., kurz alle Stufen der Tonleiter durchlaufen kann, ohne daß Jemand sagen dürfte, diese sey die rechte und jene die unrechte. Welcher Entscheidungsgrund konnte also den früheren Gelehrten zu der bisher üblichen Aussprache vor liegen? Wenn man vor 200 Jahren dennoch Karisch vorgezogen, so ge schah eS nicht aus dem leisesten Bewußtseyn eines Anspruchs dieser LeSart, sondern bloß, weil der A-Laut unter den Vokalen das ist, was die Luft unter den Elementen, weil er bei den semitischen Völkern, und bei den Juden bis heutigen Tages, stets das Universalmittel war, vokallose Buch staben lautbar zu machen. Daß Karisch kein arabischer Name ist, daß Koreisch dagegen ein außerordentlich verbreiteter, und daß bei den Juden ben Koreisch so viel als der Koreischite heißt, daran hat man nicht ge dacht, wenigstens haben die jüdischen Gelehrten nicht daran gedacht, die wahr scheinlich als Erfinder der Aussprache Karisch diese in die Literatur verpflanzt. Daß aber der Name arabisch ist, leidet so wenig Zweifel, als der Name Ali, oder Sofian, oder Hass. Wir finden bei Juden und Christen, die unter den Muhammedanern gewohnt haben, alie Namen der Araber, nur der Name Muhammed war ihnen zu tragen wohl nicht gestattet. Habe ich bisher die Lesart nur wahrscheinlich gemacht, so wird man sogleich ihre Unwiderleglichkeit sehen: Als ich gegen Zunz die Vermuthung ausge sprochen habe, daß Koreisch gelesen werden müsse, bestätigte dieser nicht nur meine Meinung, sondern er zeigte mir auch, daß an der Stelle, wo der ') B-i dem Aufsatz „Juda b-n Qarisch" selbst scheint Herr E. den meinigen noch nicht gekannt zu haben. Name von Naschi (st. 1103) angeführt wird, (mit dem O-Laut) ge- schrieben stehe, eben so in einem karäischen Werke aus der Zeit um 1100. Aber auch in den meisten älteren Handschriften wird dev Name so geschrieben; unter Anderem in der Lepdener Handschrift der Lexika von Menachen ben Seruk und Donasch (die durch Vermittelung des Herrn Ministers Eich horn einem hiesigen Gelehrten zugesendet worden und mir vorlag). Ich glaube nun nicht mehr, daß irgend Jemand noch deshalb an der Lesart Karisch festhalten wolle, weil sie unter dem angestammten Schutze des Schlendrians steht, und man wird von jetzt an nur Koreisch oder Koraisch lesen dürfen, wenn man Geschichte und Gründe nicht für schwächer hält, als das miß bräuchlich sich spreizende Herkommen. F. Lebrecht. Mannigfaltiges. — Frankreich, Deutschland und Rußland. Die von uns in Nr. 118 des „Magazins" besprochene Schrift: „l-u kussie «nvski« pur les ^llomsnüs" ist nun auch nach Frankreich gekommen, von wo uns die erste kritische Anzeige derselben mit der kevue äs Paris vom I7ten d. M. zugeht. Gleich uns, erkennt auch der französische Kritiker sogleich, daß nicht ein Fran zose, sondern ein Russe diese Schrift abgefaßt habe, und zwar legt er ihm die Absicht unter, dem Gespenst des „Panslawismus" ein anderes Gespenst, den „PanteutonismuS", gegenüber zu stellen. Als ein guter Spekulant, der, wenn sich zwei Nachbarn zanken, seinen eigenen Vortheil dabei wahrzunehmen weiß, sieht unser Franzose in diesen germanisch-slawischen Antipathieen nichts weiter als den endlichen Sieg gallischer Ideen und Ansprüche. Für jetzt frei lich scheinen sie ihm selbst noch unausführbar, aber noch in diesem Jahrhun dert, fügt er hinzu, dürfte die Zeit kommen, wo Frankreich allein wieder die Geschicke der Welt entscheiden werde, denn es habe kein Irland in seinen Flanken, wie Großbritanien, und kein Polen, wie die drei ihm bisher gegen- überstehenden Kontinentalmächte. Man sieht, die alten Gedanken, Zwietracht in das Lager der Gegner zu bringen und durch die Thcilung zu herrschen, spuken immer noch in den Köpfen mancher Franzosen, aber sie vergessen dabei, daß Deutschland, wenn es in sich nur einig bleibt, wenn cs — was freilich nie zu übersehen ist — eben so geistig wie materiell seine Macht und das Gefühl seiner Kraft zu stählen weiß, keine Bündnisse außerhalb seiner Nationalität zu suchen braucht, um auf der einen wie auf der anderen Seite unantastbar zu sepn. — Erlaucht, Durchlaucht und Hoheit. Zur Geschichte der vor- stehenden Titel, über welche wir bereits in Nr. 88 des „Magazins" gesprochen, theilen wir noch Folgendes nach den vuriosilies nl lütersture mit: Bis zur Regierung des Kaisers Konstantin wurde der Litel Erlaucht nur denjenigen verliehen, die sich durch die Waffen over in der Literatur auf glänzende Weise ausgezeichnet hatten. Sueton stellte in einem Buche alle diejenigen zusammen/ welche diesen Titel besaßen, und damals, als die Schmeichelei jenes Wort noch nicht in ihr Wörterbuch ausgenommen hatte, genügte ein mäßiger Band dazu, um sämmtliche Namen zu fassen. Zu Konstantin's Zeit ward der Titel Erlaucht insbesondere denjenigen Fürsten verliehen, die sich im Kriege ausge zeichnet, doch er vererbte sich nicht auf ihre Nachkommen. Endlich aber ward er ziemlich allgemein, und jeder Sohn eines Fürsten wurde zur Erlaucht. Die älteren Kurialisten in Italien haben sich zur Zeit, als die Titelwuth zu herrschen begann, nicht damit begnügt, die Könige Illusrros (Erlauchte) zu nennen, sondern machten sie, besonders aber die Kaiser, zu Super-Illustros, welches ein höchst barbarisches Wort ist. In Spanien wurde bald ein besonderes Buch der Titel herauSgegeben. Selden erzählt: „die „Oortosius" und Titel-Verleihungen wurden dort durch Anhäufung von großen Attributen, die man den Fürsten beilegte, am Ende so überschwänglich und unleidlich, daß ein Mittel dagegen nothwendig war. Dieses Mittel war eine von Philipp III. erlassene Ordre, wonach alle 6ortesi»s auf die einfache Form zurückgeführt werden sollten: „An den König, unseren Herrn". In Bezug auf Frankreich sagt Houssaie: Früher wurde der Titel Hoheit nur Königen verliehen, jetzt nehmen ihn jedoch alle fürstliche und herzogliche Häuser in Anspruch. Ferdinand und Isabella von Spanien wurden nur mit dem Prädikat „Hoheit" angeredet, Karl V. nahm zuerst den Titel Majestät an, und zwar nicht in seiner Eigenschaft als König von Spanien, sondern als römisch-deutscher Kaiser. St. Foix sagt, daß Könige gewöhnlich mit Erlauchtester, Ew. Durchlaucht (Votto Serenit«) oder Ew. Gnaden ange redet wurden. Die Sitte, ihnen den Titel Majestät zu geben, kam in Frank reich erst unter Ludwig XI. auf, einem Fürsten, der nichts weniger als maje stätisch in seinen Handlungen, seinen Sitten und seinem Aeußeren war. In England wurden die Könige früher mit Ew. Gnaden (Xour 6r»ce) angeredet. Heinrich VIII. nahm zuerst das Prädikat Hoheit und dann auch die Majestät an. Franz I. war es", der ihn mit dem letztgedachten Titel bei ihrer Zusammenkunft im Jahre 1820 zuerst anredete, obgleich er sich selbst nur den ersten Edelmann seines Königreiches nannte. Der gewöhnliche Titel der Kardinäle war um das Jahr 1600 Signori» Illustrissiw»; der Herzog von Lerma, spanischer Minister und Kardinal, nahm in seinem hohen Alter den Titel Lxvellenem reverenüissims an. In neuerer Zeit haben die Kardinäle jedoch, nachdem die Titel „Erlaucht" und „Hoch würdigst" allgemein geworden, das Prädikat „Eminenz" angenommen. HerauSgegeben und redigirt von I. Lehmann. Im Verlage von Veit K Comp. Gedruckt bei A. W. Hayn.