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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PränumerauonS-Preis 22j SUiergr. (j -!hlr.) v^rteljährlich, Z Tblr. sül die ganze Iayr, ohne Erhöhung, in allen Lbeilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die PrämumnUlouiN werbrn von jede» Buchhandlung (üi Berlin del Veit u. bomv.. gögerßr^ße Ne. 25), so wie von allen König!. Poß Aemtcrn, angenommen. Literatur des Auslandes. 109 Berlin, Dienstag den 10. September 1844. England. Notizen über das Privatleben der englischen Großen im l^ten Jahrhundert. Zu den für die englische Geschichte merkwürdigsten Dokumenten gehört ein vor kurzem entdecktes Negisterbuch, das während des Jahres 1265 im Haushalte der Prinzessin Eleonore, Schwester Heinrichs III., geführt wurde. ES weiht uns in die innersten Details ihres Privatlebens ein, macht uns mit ihren Reisen, ihren Gastmählern, selbst mit dem täglichen Speise zettel ihrer Hofküche bekannt, und wirft ein bedeutendes Licht auf den sozialen Zustand jener Periode. Der Gemahl Eleonorens war Simon von Montfort, Graf von Leicester, der Cromwell des dreizehnten Jahrhunderts, der an der Spitze der Adels-Partei deni Könige den Krieg erklärte, ihn nebst seinem Bruder, dem deutschen (römischen) König Richard, in der Schlacht von LeweS (14. Mai 1264) gefangen nahm und England über ein Jahr lang fast unumschränkt beherrschte, aber zuletzt in dem mörderischen Treffen bei Evesham geschlagen und getödtet wurde. ES erhellt aus dem von dem Haushofmeister der Prinzessin gehaltenen Journal, daß der Lurus selbst bei den Reichen und Vornehmen nur darin bestand, ihren Tisch, außer einigen seltenen Leckerbissen, mit Speisen zu be setzen, die man jetzt auch in der dürftigsten Hütte verschmähen würde. Was Roger Baco damals im prophetischen Geiste von den Wissenschaften sagte, läßt sich auch auf untergeordnete Gegenstände anwenden. „Weisen Männern", bemerkte er, „ist jetzt Vieles unbekannt, das in späteren Zeiten dem geringsten Schüler verständlich sepn wird." Die Kunst, Lebensmittel zu vervielfältigen, hat sich glücklicherweise so sehr gehoben, daß man der wachsenden Bevölkerung zum Trotze nicht mehr gezwungen ist, sich von Meerschweinen und Wallfischen zu nähren, die zu jener Zeit auf den Tafeln der Fürsten prangten. Der Schweif und die Zunge des Walisisches wurden als ausgesuchte Leckerbissen betrachtet und mit Erbsen gekocht, oder gebraten; das Meerschwein wurde mit Milchbrei, Mandelmilch, Zucker und Saffran aufgetragen — doch würden diese Gerichte wohl auf unseren Tafeln nur wenig Glück machen. Seewölfe (lupi sgumidi), unter welchem Namen vielleicht der Hnndfisch verstanden ist, der noch in Frankreich gegessen wird, dienten ebenfalls als Nahrungsmittel. Vier- bis sechshundert gesalzene Häringe wurden täglich im Haushalte der Prinzessin verzehrt, und den bedeutenden Verbrauch anderer Fischartcn kann man auS folgenden Speisezetteln ersehen, die in dein Tagebuche mitgctheilt werden. Sonntag den 1. März; 700 Häringe. Montag den 2ten; 400. Dienstag den Zten: 500. Mittwoch den 4tcn: 400. Donnerstag den 5ten; 600. Freitag den 6ten; 400. Mittwoch den 17. Juni bezahlte man für Schollen, Brassen, Zungen und andere Fische 35 Shillings 1 Penn-, für Eier zu zwei Schellfischen, mit Brod zu backen, 4 Pence; Pfeffer 1 Pcnnp; Erdbeeren (krasse) 4 Pence. Sonnabend den 4. Juli; Kirschen 4 Pence; Meer-Aal 3 Sh.; Häringe 2 Sh. 6 P.; Schollen I Sh.; Welse 0 P.; Krebse 2 P.; Barse 13 Pence; Bohnen 4 P.; Eier I Sh. 6 P. ; Milch 3 P. Am 26. Februar trafen zwei Wagen von Bristol in Wallington ein, mit 108 Kabliauen und Klippfischen, 32 See-Aalen und 5 Hechten beladen, so wie mit 18 Stockfischen auf drei Tage und Seekrebscn und Krabben für 6 Pence. Für die Gräfin und ihre Gäste halte man zwar einen Vorrath feinen Weizenmehls (panis <Ie krville, buletella) und feiner Kuchen geliefert, aber das gewöhnliche Brod bestand aus einem groben Gemisch von Weizen und Roggen, 5lxsrelon, welches noch unter dem Namen mssliu im nördlichen England ge braucht wird. Ans Guienne und der Gascogne kamen große Quantitäten Wein, den man nicht selten, um ihn schmackhafter zu machen, mit Nelken kochte oder mit Honig vermischte. Während die Gräfin von Leicester sich in Dover aushielt, betrug, wie es scheint, der regelmäßige, tägliche Verbrauch für die Ritter ihrer „hohen Tafel" eine Viertel-Tonne Gaöcogner Wein, und für die geringeren Leute (pro ksuülis) eine halbe Tonne „Bastard-Wein". Das Bier wurde aus mehreren Sorte» Getraide, als Gerste, Weizen oder Hafer, ge braut und mit Pfeffer gewürzt, da Hopfen noch unbekannt war. Die Ge mahlin Simon von Montfort's mußte natürlich eine starke Bedeckung bewaff neter Männer halten, und da außerdem noch mehrere vornehme Geißeln bei ihr zu Gaste waren, so mußte in ihrer Haushaltung eine bedeutende Con- sumtion starker Getränke stattfinden. Am 18. April wurden fünf Quarters Gerste und vier Q. Hafer zum Bierbrauen verwendet, welches Geschäft durch Frauen besorgt wurde. Am 25. April kaufte man 188 Gallonen Bier und am 29sten desselben Monats wurden sieben Quarters Gerste und zwei Q. Hafer zu Bier gebraut. Weizen galt 5 Shillings bis 5 Sh. 8 P. das Quarter, Hafer 2 Sh. bis 2 Sh. 4 P., Erbseu und Bohnen (die man sowohl frisch als getrocknet aß), Zwiebeln, Petersilie, Fenchel, Radies und einige andere Küchen kräuter, auch Aepsel und Birnen, waren schon damals Erzeugnisse der englischen Gärten, und cbeesecskvs (Rahmkuchen von Milch, Eiern und Zucker) und xinxerbresä (Honigkuchen) waren eben so beliebt als jetzt. Ob auch ausländische Früchte, außer Datteln und Mandeln, zu jener Zeit eingeführt wurden, erfahren wir nicht, aber wenige Jahre später (1290) kaufte die Königin Eleonore, Gemahlin Evuard's I., die eine castilianische Prin zessin war, aus einem spanischen, in Portsmouth liegenden Schiffe, Rosinen, Datteln, 230 Granatäpfel, fünfzehn Ciironen und sieben Apfelsinen (pomas üo orenge) — was das erste Mal ist, daß diese Frucht in Europa erwähnt wird. Einige asiatische Confitüren, wahrscheinlich aus Alexandrien, werden ebenfalls genannt: Gewürze, Reis zu l- P. das Pfund, Mandeln zu 2< bis 3x P., (wovon mau neun Pfund in einer Woche verzehrte), Zucker zu I bis 2 Sh. das Pfund. Der letztere Artikel, den schon damals ein Geschichtschreiber als „höchst vortrefflich zum Gebrauch und für die menschliche Gesundheit noth wendig" gepriesen hatte, wurde sehr stark in Syrien gebaut und von dort nach den verschiedenen Ländern ausgeführt. Wie sehr diese ausländischen De likatessen geschätzt wurde», beweist der Umstand, daß die Gräfin von Leicester am 29. März 1265 aus Odiham iu der Grafschaft Hampshire an ihren Bru der, den römischen König (King ok ^lmszne), der sich zur Zeit als Gefange ner in Kenilworth aufhielt, ein „fürstliches" Geschenk übersandte, das, wie es ihre Nechnungsbücher zeigen, aus Folgendem bestand; — 20 Pfund Mandeln, 6 Shillings; 5 Pfv. NeiS, 9 Pence; 2 Pfd. Pfeffer, 20 P.; 2 Pfd. Zimmct, 20 P.; 4 Pfd. Nelken, 9 P.; I Pfd. Ingwer, 18 P.; 2 Pfd. Zucker (Lucsri), 3 Shillings. Die Fleischprcise kann man danach beurtheilen, daß zwei Ochsen, vier Schafe und drei Kälber für > Pfd. 2 Sh. 10 P. gekauft wurden; ferner zwei Kälber für 1 Sh. 6 P. — ein Kalb und ein Schaf für 3 Sh. 3 P. Die Garnison von Dover wurde für 22 Pence daö Stück mit Schafen versorgt ; zehn Gänse kosteten 2 Sh. 3 P. Salz, welches man zum Einpökeln der Winter-Vorräthe besonders nölhig Halle, scheint sehr theuer gewesen zu sepn, indem zehn Quart 44 Sh. 6 Pence kosteten, und obgleich die Preise jener Zeiten sich zu dem gegenwärtigen Werthe des Geldes wie 115 verhalten, so ist eö doch als wahrscheinlich anzunehme», daß der Bürgerkrieg sic über ihren gewöhnlichen Stand erhöht hatte. Aus den Angaben des Registerbuchs können wir ferner den Schluß ziehen, daß man in jenem Zeitalter nur wenige Wäsche brauchte, indem es während fünf Monate nicht mehr als 1 Sh. 3 P. für Wäsche aufführt. Wie cS scheint, war die Gräfin eine Freundin der Lektüre; sie kaufte nämlich zwanzig Dutzend Pergament-Häute für 10 Sh., und zahlte später die Summe von 14 Sh., um darauf in Orford ein Brevier zum Gebrauch ihrer Tochter, der Prinzessin Eleonore, schreiben zu lasse»; diese junge Danie besaß auch das seltene Ta lent, schreiben zu können, wie mau aus der Notiz erfährt, daß ihre Briefe an den Prinzen Eduard (ihren Vetter) durch einen Boten abgesertigt wurden, dessen Lohn sechs Pence betrug. Der Ankauf von fünfundzwanzig vergoldete» Sternen zur Verzierung eines für die Prinzessin bestimmten Huts ist gehörig mit 2 Sh. 1 P. eingetragen, eben so wie „vierzehn lange Nadel» zu ihrem Kopfputz" mit 2 Pence berechnet sind. Ein Vorrath von Nähnadeln wurde zum Gebrauch der Herrenzimmer und des Schneiders besorgt; die Messer hielt man in Scheiden, die 2 bis 3 P. kosteten; zum AuSbessern von vier silbernen Löffeln wurden acht silberne Pennies verwandt; auch hatte man schon einige Gabeln, obgleich sie erst weit später allgemein wurden. Während sich die junge Eleonore in Odiham befand, schickte man zweimal nach dem Barbier, um ihr zur Ader zu lassen- Nach den Geldsummen zu urtheilen, die dem Gesinde und den Jägers lcuten verabreicht wurden, betrug der Lohn 11 bis 2 Pence täglich; doch er hielten nur die Jäger die höhere Vergütung von 2 P. und zwar auf beson deren Befehl der Gräfin. Die Dienerschaft führt sämmtlich sächsische Name», als die Bäcker Ralph und Hande, Hick, der Schneider, Dobb, der Schäfer, die Fuhrleute Dicken, Gobidhcstp und Treubodi, und der Läufer Slingawap. Um Briefe zu versenden, gab es kein anderes Beförderungsmittel als eigene Boten, und man findet zu diesem Zwecke öftere Zahlungen in dem