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Gartenbauwirtschaft
- Untertitel
- deutscher Erwerbsgarten ; Berliner Gärtner-Börse ; amtl. Zeitung für d. Gartenbau im Reichsnährstand u. Mitteilungsblatt d. Hauptvereinigung d. deutschen Gartenbauwirtschaft
- Verleger
- [Verlag nicht ermittelbar]
- Erscheinungsort
- Berlin
- Bandzählung
- 45.1930
- Erscheinungsdatum
- 1930
- Umfang
- Online-Ressource
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- 2Zf4 (G)
- Vorlage
- Universitätsbibliothek der Technischen Universität Berlin, Deutsche Gartenbaubibliothek
- Digitalisat
- Universitätsbibliothek der Technischen Universität Berlin, Deutsche Gartenbaubibliothek
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id490717721-193000008
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id490717721-19300000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-490717721-19300000
- Sammlungen
- LDP: Deutsche Gartenbaubibliothek
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitschrift
Gartenbauwirtschaft
-
Band
Band 45.1930
-
- Ausgabe Nr. 1, 2. Januar 1930 -
- Ausgabe Nr. 2, 9. Januar 1930 -
- Ausgabe Nr. 3, 16. Januar 1930 -
- Ausgabe Nr. 4, 23. Januar 1930 -
- Ausgabe Nr. 5, 30. Januar 1930 -
- Ausgabe Nr. 6, 6. Februar 1930 -
- Ausgabe Nr. 7, 13. Februar 1930 -
- Ausgabe Nr. 8, 20. Februar 1930 -
- Ausgabe Nr. 9, 27. Februar 1930 -
- Ausgabe Nr. 10, 6. März 1930 -
- Ausgabe Nr. 11, 13. März 1930 -
- Ausgabe Nr. 12, 20. März 1930 -
- Ausgabe Nr. 13, 27. März 1930 -
- Ausgabe Nr. 14, 3. April 1930 -
- Ausgabe Nr. 15, 10. April 1930 -
- Ausgabe Nr. 16, 17. April 1930 -
- Ausgabe Nr. 17, 24. April 1930 -
- Ausgabe Nr. 18, 1. Mai 1930 -
- Ausgabe Nr. 19, 8. Mai 1930 -
- Ausgabe Nr. 20, 15. Mai 1930 -
- Ausgabe Nr. 21, 22. Mai 1930 -
- Ausgabe Nr. 22, 29. Mai 1930 -
- Ausgabe Nr. 23, 5. Juni 1930 -
- Ausgabe Nr. 24, 12. Juni 1930 -
- Ausgabe Nr. 25, 19. Juni 1930 -
- Ausgabe Nr. 26, 26. Juni 1930 -
- Ausgabe Nr. 27, 3. Juli 1930 -
- Ausgabe Nr. 28, 10. Juli 1930 -
- Ausgabe Nr. 29, 17. Juli 1930 -
- Ausgabe Nr. 30, 24. Juli 1930 -
- Ausgabe Nr. 31, 31. Juli 1930 -
- Ausgabe Nr. 32, 7. August 1930 -
- Ausgabe Nr. 33, 14. August 1930 -
- Ausgabe Nr. 34, 21. August 1930 -
- Ausgabe Nr. 35, 28. August 1930 -
- Ausgabe Nr. 36, 4. September 1930 -
- Ausgabe Nr. 37, 11. September 1930 -
- Ausgabe Nr. 38, 18. September 1930 -
- Ausgabe Nr. 39, 25. September 1930 -
- Ausgabe Nr. 40, 2. Oktober 1930 -
- Ausgabe Nr. 41, 9. Oktober 1930 -
- Ausgabe Nr. 42, 16. Oktober 1930 -
- Ausgabe Nr. 43, 23. Oktober 1930 -
- Ausgabe Nr. 44, 30. Oktober 1930 -
- Ausgabe Nr. 45, 6. November 1930 -
- Ausgabe Nr. 46, 13. November 1930 -
- Ausgabe Nr. 47, 20. November 1930 -
- Ausgabe Nr. 48, 27. November 1930 -
- Ausgabe Nr. 49, 4. Dezember 1930 -
- Ausgabe Nr. 50, 11. Dezember -
- Ausgabe Nr. 51, 18. Dezember 1930 -
- Ausgabe Nr. 52, 25. Dezember 1930 -
-
Band
Band 45.1930
-
- Titel
- Gartenbauwirtschaft
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Die Mondscheinsonate Von Marie Luise Becker Eins jener dunklen Stunden wars, mit denen Weltschmerz und Einsamkeit das Genie überfallen und zudecken, bis unter dem großen Trauermantel Hervor, aus dem verschütteten Brunnen wie ein glühender Geiser das große Werk cmporquillt und gen Himmel kocht. Beethoven wohnte in Boun, am Römer platz. Ein stiller, müder Sommerabend voll Seelensehnsucht und blassem Mondlicht. Das eigene Zimmer war dumpf und das Essen im Wirtshaus unfrisch und unschmackhast. Niemand betreute ihn, niemand kümmerte sich um ihn. So litt er äußerlich, litt an allen Nerven, mit jedem Atemzuge, und eine innere Qual ver größerte noch das äußere Ungemach. „Warum schaffe ich?" stöhnte er vor sich hin, wie er so brütend dasaß. „Für wen all' dies Ringen — dies Entbehren? Für diese Menschen, die doch keine Ahnung haben von meiner Musik — von aller Riesenkraft, die in mir tobt — von diesem Weltall in Tönen, das in mir klingt? Die mich und mein Werk nicht wollen und ausstoßen aus ihrer Gemeinschaft? Ach! alle glühende Liebe in mir — alles Sehnen meiner Künstlerseele vergrößern und vertiefen nur die qualvolle Verlassenheit und Vereinsamung! Niemand kennt mich — nie mandem ist meine Musik ein Glück!" — Ein jäher Gewitterwind heulte ums Haus, fegte Staubmassen über die Straßen, jagte die Leute aus ihrer dumpfen Schläfrigkeit. Beethoven liebte die Musik des Windes. Wenn der Sturm nm die Ecken pfiff, raste er mit ihm um die Wette am Rhein entlang. Auch heute tröstete ihn. dieses wude Gebrause, lockte ihn hinaus. Der Wind fauchte und peitschte den Rhein, und die Nachen schaukelten angstvoll. Weit war Beethovens Weg am Strome entlang — ganz einsam — der Sturm hatte alle die kleinen Menschenseelchen hier rasch weggesegt. Der Sturm sprach zu seinem Genossen. Als Beethoven dann umkehrte, verlor er sich, stiller, gefaßter geworden durch die Un ruhe in der Natur, sinnender, in den engen, kleinen Straßen der Altstadt. Der Sturm trank den Laut seiner Schritte. Der Helle Mond hatte sich wieder durchgerungen durch das finstere Gewittergewölk, das den Regen noch immer festhielt, und malte die Mauern und Türme und Giebel mit gefpensterhaftem, weißen Lichte, als wüchsen vergangene Geschlechter, die einst hier gewohnt, zwischen ihnen zu neuem, nächt lichen, heimlichen Leben wieder auf. Da klang aus einem der niedrigen schiefen Häuschen neben ihm Klavierspiel — Beethoven hörte seins eigene G-dur-Sonate. Es war ein altes Häuschen, und ein altes, müdes Spinett tönte da — aber die Auffassung seiner Musik, die Wiedergabe, di« seinem Werk da wurde, fesselte ihn. Fein, suchend, wundersam und erschütternd schien ihm dieses Spiel — das Allegro in einem leisen Sangton — und das Menuett so voller Sehnsucht und geheimer Trauer. Er blieb stehen und lauschte. Das Zimmer, in dem gespielt wurde, lag zu ebener Erde, ein Fenster stand offen. Die Musil schwieg. Nun hörte er die Leute sprechen. „DaS hast du wieder mal schön gespielt, Schwesterchen!" „Ach nein — ich spiele eS gar nicht gut, es könnte gewiß viel, viel schöner sein — wenn ich es nur einmal — ein einziges Mal von einem wirklichen großen Künster hören könnte — aber dazu sind wir ja zu arm!" Der Löse, bittere Zug war aus Beet hovens Antlitz gewichen. Ein Lächeln und Leuchten trat in seine Züge und verklärte sie. Er öffnete die Haustür, trat in die kleine Stube. Ein Schuster saß bei seiner Arbeit, von dem Mädchen am Klavier sah er nur den schmalen Rücken, den seinen Nacken, das Blond haar. „Ich bin Musiker, werde Ihnen Ihr Stück spielen", sagte Beethoven kurz und herrisch, um seine weiche Stimmung zu verschleiern. Stumm, beschämt, wie beschenkte Kinder standen die. Geschwister auf. „Ich spiele es sehr schlecht —" stammelte das Mädchen scheu und verlegen. - „Nein, — erstaunlich gut spielen Sie's —" lachte Beethoven. „Mit schönem Verständnis spielen Sie es, mein Fräulein. Bei wem haben Sie es denn einstudiert? Mich interessiert diese Art." „O — ich habe es wohl nie studiert — ich hörte es nur spielen — von einer Dame in Godesberg, — sie spielte es oft, und hatte die Fenster offen — den ganzen Sommer hindurch konnte ich da lauschen — da lernte ich es Ton für Ton. Als ich bei der Tante in Godesberg zum Besuch war, im Frühling." Das Mädchen wandte fein bleiches, junges Gesicht zu ihm — und nun sah Beethoven, daß sie blind war. All' ihre Jugendsehnsucht, all' ihre versäumte, verlorene Mädchenfreud« hatte in seinem Menuett mitgsklungen. „Seltsam" — murmelte er — „wunderbar —". Er war erschüttert. Wie tief hatten diese blinden Augen in sein Werk geschaut! — Er setzte sich ans Klavier, spielte die paar Sätze der G-dur-Sonate, — und dann versank er in Träumereien. Alle seine Gedanken wur den Töne, stiegen als erlöste Schatten aus der Gruft seiner Seele empor. Er phantasierte. Schöner und schöner, geheimnisvoller, schmer zensreicher und tröstender glitten die Harmonien über das alte Spinett. All' das qualvolle, sehnsüchtige Rusen in ihm nach Menschen, nach Widerhall, fand Ausdruck und Erlösung. Wunderbare Akkords und Kadenzen riesen durch die Nacht mit ihren überirdischen Stimmen. Riefen, sangen und seufzten. Die Zeit verrann — keiner von den Dreien merkte es. Die Lampe erlosch, warf schmälenden Dunst in den toudurchbebten Raum. Der junge Schuhmacher stieß das Fenster weit auf. Breit und silbern, wie der Rhein selbst, ergoß sich der Strom des Mondlichts in das kleine Gemach. Frei gewordene Düfte der Sommernacht glitten auf ihn hinein. Das Gewitter hatte sich in der Ferne entladen und Kühlung gebracht. Wundersam froh und be glückt schien Beethovens Spie! im Zauber dieses tröstenden Lichts, dieser würzigen Luft zu werden. Die Blinde lehnte an der Wand neben ihm. Ganz still. Trank jeden Ton. Ihre Züge waren aufgelöst in Wonne und Seligkeit. Ihr Lauschen war Andacht und Feier. Auch über Beethovens zerwühlte Seele kam der Friede. Nie noch spielte er so schön, so befreit, so erlöst von aller seiner Qual, nie fand er so selige Antwort auf all seine schmerzvollen Klagen. Als er endlich die Hände von den Tasten nahm, ruhte tiefes, atemloses Schweigen über den Dreien. Auch der Sturm draußen hatte geschwiegen und gelauscht, wie gebannt. Plötzlich schluchzte die Blinde auf und hob suchend die Arme, streckte die blassen Hände. „Wer sind Sie? Wer sind Sie?" rief sie ahnungsvoll. Beethoven lächelte verträumt und wiederholte leise das Menuettmotiv aus der G-dur-Sonate, das in Widerhall mit doppelter Innigkeit im Diskant nachklingt. Aus ihren blinden Augen strömten Tränen. Sie saltete die Händ«. „Beethoven! Sie sind es Beethoven selbß!" „Ja —", sagte Beethoven lang sam. „Ich bin es — Ludwig Beethoven selbst." Dann erhob er sich schnell, drückte den beiden die Hände. „Still — kein Wort mehr — ich muß nach Haus —" In dieser Nacht wurde die Mondscheinsonate geschaffen. Wir bitten unsere Leser, sich zwecks Bestel lung, sowohl der hier besprochenen als auch anderer sonst gewünschter Bücher, an di« Gärtnerische Verlagsgesellschaft m. b. H., Berlin SW 48, Friedrich straße 16, zu wenden. Wer seine Bücher je weils bei der Gärtnerischen Verlagsgesellschast einkauft, hat die Gewähr, in jeder Hinsicht gut bedient und fachmännisch beraten zu werden, da diese Gesellschaft in ständiger Fühlungnahme mit dem Reichsverband arbeitet. „Der Gärtnerlehrling." Praktischer Ratgeber für dis Lehrzeit nebst Anleitung zur Gesellen prüfung. Von A. Janson, Gartenbau direktor. Unter diesem Titel ist in „Koeppers Hand werkerbibliothek", als Band 37/38, neuerdings ein Buch erschienen, mit dem der genannte Verfasser dem Berus des Gärtners keinen guten Dienst erwiesen, sondern sich offensichtlich damit abseits gestellt hat. Es sollte ihm doch wirk lich bekannt sein, daß die Gärtnerei nicht den Handwerkskammern angegliedert, sondern aus drücklich wegen ihrer Verwandtschaft mit der Landwirtschaft den Landwirtschastskawmsrn als gesetzliche Berufsvertretung zugewiesen ist. Er sollte auch wissen, daß seit 1919 keine „Ge sellen"-, sondern „Gehilfcn"prüsungen ab gehalten werden und zwar nicht durch die Innungen, die im Gartenbau über haupt nicht bestehen, sondern durch die Landwirtschastskammern. Da der Gartenbau die Anwendung der Gewerbeordnung aus den Beruf ausdrücklich ablehnt, so steht der Inhalt des Buches völlig im Gegensatz zu den allgs- Von Friedrich Man la Copyright by Verlag August Scherl G. m. b. H., Berlin (Nachdruck verboten.) Die Vernichtung des «Dicken August" hinter der französischen Front (1. Fortsetzung) Da liegt der Ort völlig dunkel vor mir. Neber holpriges Straßenpflaster tipple ich plan los weiter. Auf einem großen Platz — wie ich später feststclle, dem Marktplatz — bleibe ich überlegend stehen. In nächster Nähe höre ich sprechen und Grammophonmusik. So spät noch? — Kurz entschlossen gehe ich auf das betreffende Haus zu. Da tritt aus einer Seitengasse eine Gestalt. Eine männliche Stimme fragte barsch auf französisch: „Wer da und wohin des Weges?" — Geistesgegen wärtig und mit dem frechen Tonfall der Sprache des selbstbewußten Vaterlandsver- teidigers antworte ich: -Zollst prsmidrs «lasse cku röuiment 24- (Gefreiter vom Re giment 24) — „ich suche die Bürgermeisterei oder Kommandantur!" setze ich hinzu. Der Unbekannte tritt näher und stellt sich, lässig salutierend, mit kameradschaftlich-biede rem Ton als Garde-Champetre (Feldhüter, Gemeinde- und Polizeidiener) vor, greift da bei an seine Dienstmütze und faßt mit der Linken an ein vorsintflutliches Seitengewehr. Kann ich mir Besseres wünschen? Dieser Gemeinde„gewaltige", der mir auch gleich diensteifrig und amtsbewußt versichert, das Weitere für meine Unterkunft gleich veran lassen zu wollen, duftet bedenklich nach Fusel.. Alles vortrefflich für meine Pläne! überlege ich blitzschnell. Er verlangt nicht einmal nach meinen Papieren — wahrscheinlich die Folge meines Auftretens. Mein Sicherheitsgefühl steht hundertprozentig! Absichtlich lasse ich mich etwas large gehen und schimpfe wie ein Rohrspatz auf die schlechte Behandlung bei den Boches . . . Der Garde- Champetre horcht aus. „Du warst drüben, hei den Boches A' fragt er fast entsetzt und grenzenloser Verwunderung, seinen Mund weit aufreißend. Mit seinem borstigen Schnurr bart sieht er einem fischeschnappenden See-- Elefanten-Bullen ähnlich! — Nur mit Müh« kann ich ernst bleiben. --- „Natürlich, als Kriegsgefangener, was ist denn dabei? — Aber ich bin, Gott sei's gedankt, den Boches entwischt, bevor sie mich nach Deutschland transportierten, und hielt mich bei evakuierten Landsleuten auf, bis ich endlich durchrutscheu konnte. — Leicht war das nicht, das kannst du mir glauben!" erzähle ich dem ernst und neugierig zuhövendcn Gemeindepolizisten in be wegten Worten. Erst schien mir, als spiegle sich ein Mißtrauen in jeinem Gesicht wider, aber meine sichere Art im Gebrauch der Poilu- sprache und -allüren und meine kategorische Forderung, sofort zum Maire (Bürgermeister) geführt zu werden, wirkten. Der Ordnungs- Wächter betrachtet mich nun fast mit scheuer Ehrfurcht und fragt schließlich doch, sich dabei aber förmlich entschuldigend, nach einem Aus weis. Beleidigt schimpfend, reiche ich ihm meine abgegriffenen „Papiere" in Gestalt von Feld post, einem alten Urlaubsschein und einer „Carte d'identitee". — Er muß wissen — und zum Ueberfluß mache ich eine entsprechend« Bemerkung —, daß di« eigentlichen Militär papiere beim Regiment beziehungsweise bei der Kompagnie oder Kommandostelle liegen. Ohne die Fetzen richtig anzusehen, dankt er befrie digt und winkt mit der Würde eines Generals ab. Er rät mir, mich erst zu stärken. Dann will er mich mit Vergnügen bis zum Morgen bei sich zu Hause unterbringen, um den Maire nicht mehr zu stören. Ich erkläre mich einver standen! — Mich jovial untersagend, führt mich der Garde-Champstre erst in das Haus, aus dem ich Musik vernahm. Es ist ein Estaminet, welches über die Polizeistunde hinaus geschlossene Ge sellschaft unterhält. Mein Begleiter, der sich als „stellvertretender Maire" fühlt, scheint der Pro tektor zu sein. Die Gesellschaft, lauter Männer, verstummt bei unserem Eintritt. Einige der srohen Zecher begrüßen mit echt französischem Pathos den Garde-Champetre als ihren „Schutzpatron" und Saufkumpan. Die anderen Biertischhelden wen den mir ihrs Aufmerksamkeit zu Mit ihren glasigen, vom Alkohol und Rauch geröteten Äugen versuchen sie den ekligen Dunst in der Kneipe zu durchdringen. Blöde starren sie mich an und fragen endlich den Garde-ChampLtre, wen er da mitgebracht habe. Dieser hat bereits die Koryphäen der über nächtigen Snufgesell schäft flüsternd, mir aber doch verständlich, informiert. Laut wendH er sich nun an die Zechbrüder: „Das ist ein Lands mann, ein Gefreiter, der direkt von der Front kommt. Er ist den Deutschen, den verfluchten Boches, wieder entwischt, nachdem er ihr Kriegs gefangener war! — Zuerst dachte ich mir bei nahe sonst was, wo doch heute soviel Spione hcrumlaufen. Da ließ ich mir denn seine Pa piere zeigen. Natürlich hat unser Krieger tüch tig geschimpft — kann ich auch verstehen, wenn man für sein Vaterland Pulver gerochen hat —, aber auch ich tue meine Pflicht für unser Vater land. Das hat dann unser Kamerad auch ein gesehen und mir sofort feine Papiere vorgewie sen. Er will zum Bürgermeister, der ja jetzt auch den Sektionschef vertritt, oder zur Komman dantur, aber das hat bis morgen Zeit. Erst soll er sich mal richtig stärken und dann bei mir ausschlafen. Also los, bringt ihm zu essen und zu trinken, was er wünscht, und stoßen wir mit ihm an: ,Es lebe Frankreich!'" Mit lallenden Zungen krächzend und schrei end, wiederholt die fuselduftende Gesellschaft, auf mich eindringcnd und mir unter einem Sprüh regen von Geifer und Speichel beide Hände schüttelnd, den Schlachtruf ihres Leithammels der Obrigkeit: «Vivs la Francs — msrcks la prusss!» (Es lebe Frankreich, nieder mit Deutsch land!) Ich bitte mir ein Glas Wein aus und trinke wortkarg — Müdigkeit vorschützend — der Ta felrunde zu. Hunderten von Fragen entgehe ich beim Essen — man tischt mir zu meiner aufrichtigen Freude eine der delikaten französi schen Büchsenfleischpastcten auf —, indem ich meinen gesunden Appetit voll entwickele. So kann ich mich vorläufig am besten und unauffäl ligsten vor der Unterhaltung drücke,! und allzu neugierigen Fragen ausweichen. Ich entgehe aber nicht den drastischen und beleidigenden Witzen und Glossen über die Boches, die mein deutsches Ohr hören muß. . „Lache. Bajazzo!.." rufe ich mir innerlich zu. „Das ist zu verstehen, daß du ausgehungert bist, kein Wunder, wo die Boches doch selbst nichts mehr zu fressen haben, wie können sie daun noch Kriegsgefangene ernähren! — Du hast wohl zu Wasser und Brot noch Prügel bekom men, was?" spricht einer allen Ernstes, und be dauert mich. Es ist, wie mir mein Nebenmann wichtig zuflüstert, der stellvertretende Schulmei ster. — „Ich habe einen Herzfehler, sonst wäre ich auch an der Front, Kamerad!" entschuldigt sich dieser leise bei mir... Ich kenne mich aus! — Drückeberger! — „Noch eine ganze Büchse von der besten Pa stete und eine Flasche besten alten Bordeaux her und ein ganzes französisches Weißbrot! Ein französischer Krieger soll wieder einmal richtig fühlen, daß er zu Hause ist", kommandiert der Garde-Champtzlre. «Vivs la Francs — msrcks ls ?russs!» grölt ein anderer Biertischpatriot. Die letzten Worte schreit die ganze Korona mit und prostet mir immer wieder zu. Trinkfest mache ich mit und erzähle aus vieles Bitten endlich, um nicht aufzufallen, was diese Sorte Heimkrieger so gerne hört: vom französischen Vormarsch, von franzö sischen Erfolgen da und dort und vom französi schen Schneid... ei, wie da die vom Alkohol und vom Kreischen schon geröteten Fratzen noch mehr glühen und glänzen — alle sind plötzlich Soldaten gewesen und werfen sich, geschmeichelt ihre Sauerkrautschnurrbärte streichelnd, in Sie- gerpose: «L'sst la sirancs! Vivs la Francs!» schreien sie in Heller Begeisterung. Ich kann mir ein innerliches Lächeln nicht verkneifen, wenn ich mir die blöden Bisagen bei der späteren Feststellung, daß sie einem „Boche" das Beste geboten haben, vergegenwärtige... Aber der blutige Ernst der Situation ruft mich aus dem Reich frivoler Phantasie zurück. Eine innere Stimme warnt mich und mahnt eindring lich: Dein Leben gilt hier weniger als im schlimmsten Nahkampf. Vorsicht... und noch mals Vorsicht! Ein Glück, daß die um mich sitzenden Franz männer keine Gedanken lesen können. . Bei dieser Feststellung muß ich plötzlich laut und be lustigt lachen. Man lacht gepreßt und fragend mit. Geistesgegenwärtig motiviere ich meine Zwerchfellerschütterung init einer banalen und drastischen französischen Redensart. Die Sauf kumpane lachen und brüllen jetzt mit und lassen mich hochleben! Nun ists aber genug! — Ich brauche noch einige Stunden Ruhe und Sammlung. — Ruhe in einer französischen Baba! — Der Garde- Champetre willfahrt zuvorkommend meiner Bitte, aufzubrechen. In drolligem Befehlshaber ton gebietet er dem Wirt Schluß. Mst einem «Lu revoir!» verabschieden wir uns und ziehen von dannen... Von den physischen und psy-
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