Volltext Seite (XML)
398 gebrochenen Gliedes für unerläßlich erkannt wird, so geschieht die Operation, sofern jedoch der Leidende sich dazu verstehen will, mit einer barbarischen Ein- sachbeit in der ganzen Bedeutung deS Worts. Man läßt den Verwundeten niedersitzen, dann legt man unter den zu ampntircndcn Arm oder das Bein eine hölzerne Walze oder einen Block, dar« auf nimmt der Operateur ein Beil oder ein Aataghan und haut das Glied mit einem einzigen Hiebe ab. Statt des Verbandes und nm den Blutfluß zu hemmen, tauchen seine Gehiilfen den verstümmelten Theil sogleich in ein mit siedendem Pech gefülltes Gefäß. Man kann sich die furchtbaren Schmerzen vorstellen, welche diele grausame Operation oder, richtiger gesagt, diese Marter dem Kranken verursachen muß. Der Tod scheint bei solchem Verfahren un vermeidlich erfolgen zu müssen! und doch ist es wunderbarer Weise nicht ohne Beispiel geblieben, daß der Verwundete diese schreckliche Verstümmelung überlebt hat. Uebrigens giebt cS wenige Araber, die nicht einen gewißen Tod der zwei felhaften Aussicht auf Genesung und auf ein Leben, das sie nur mit dem Ver lust eines ihrer Glieder erkaufen können, bei weitem verziehen; nicht, weil sie den Schmerz fürchten: im Gegcntheil werden ihn wenig Menschen mit eben so ausdauerndem Stoizismus und dem Anschein nach vollkommener Unem pfindlichkeit ertragen; aber sie scheuen den Zorn Gottes, der ihnen strenge Rechenschaft abforden könnte, wenn sie ohne sein Geheiß über einen Theil dessen, was er geschaffen, verfügen wollten. Der Privat-Secrctair des Herrn von Bourmont, Merle, welcher während seiner Erpebition mit ihm in Afrika gewesen ist, war zu Sidi-Fcrruch Zeuge einer sehr charakteristischen Scene. Unter anderen verwundeten Muselmännern, die man vom Schlachtfclde auf nahm und in das unter den Zelten des französischen Lagers errichtete Feld- Lazareth trug, befand sich auch ein junger Araber aus der Umgegend von Algier, welchem eine geplatzte Haubitze das Bein zerschmettert hatte. Der Vater deS jungen Mannes, der von dem Unfall gehört, begicbt sich, auf die Gefahr hin, getövtct zu werden, zu unseren Vorposten, erhält die erbetene Erlaubniß, seinen Sohn zu besuchen, und eilt nach Torre-Chiba an sein Lager. Nach einer rüh renden ErkennungSsccnc, bei welcher indeß nicht eine Thräne wahrzunehmen war, nicht eine Klage laut wurde, hebt der alte Beduine mit fester Hand die Decke ein wenig von dem Bette auf, aus welchem der junge Mann ruhte, und betrachtet ruhig die schreckliche Wunde seines Sohnes. Ein Dolmetscher giebt ihm zu verstehen, daß man den anderen Tag die Amputation versuchen müsse, als das einzige Mittel, dem Verwundeten das Leben zu retten. Bei diesen Worten zeigte sich auf dem Gesicht deS alten Arabers ein lebhafter llnwillc; er erhob die Arme gegen den Himmel und richtete an seinen Sohn eine leiden schaftliche Aufforderung, welche dieser mit vieler Hingebung und Achtsamkeit zu vernehmen schien. — „Ich verbiete dir", sagte er zu ihm, „die vorgeschla gene Operation an dir vornehmen zu lassen, denn dies würde ein Verbrechen vor Gott scpn. Der Körper, den wir von ihm erhalten, ist eben'so wenig unser Eigenthum, als das uns von ihm verliehene Leben, und wir dürfen über keines von beiden nach unserer Willkür schalten. Einen Theil von unserem Körper abhauen, heißt, ihn entheiligen, und davon könen unsere Tage nicht abhängen, denn sie sind im voraus gezählt, und Allah hat den Menschen weder das Recht gegeben, sic abzukürzcn, noch die Macht, ihre Zahl zu vermehren." Abgesehen von der Verschiedenheit der Gefühle, welche die beiden Ant worten veranlaßten, ist eS nicht mit anderen Worten daS: „Yu'il mourür!" des alten Corneillcschen Horaziersk Wie dem auch seyn mag, der junge Araber unterwarf sich dem väterlichen Gebot; er weigerte sich entschieden, die Amputation an sich vornehmen zu lassen, und erlag wenige Tage darauf dem in Folge der schweren Verwundung eingetretcncn Brande. Nach der denkwürdigen Schlacht von Sickack lagen eine Menge verwun deter Araber auf dem Schlachtfelde. Nachdem die Militair-Chirurgen zuvör derst den verwundeten Franzosen ihre Pflege gewidmet hatten, suchten sie mit ihrer Kunst auch den feindlichen Verwundeten beizuspringen. Bei Einigen waren die Wunden oder Knochcnbrüche io bedenklicher Art, daß sie die Ampu- tation unabwendbar erheischten. , „Man wird dir den Arm oder das Bein abnehmen", sagten unsere Chirurgen zu den Letzteren. — „Thut es", antworteten sie, ohne eine Miene zu verziehen, indem sie dieselben wegen ihrer bei den vorhergehenden Ver bänden mit Blut befleckten Schürzen für Henker ansahen. Das Mißverständniß gewahrend, ließ man eS sich angelegen sepn, die armen Leidenden über ihren Jrrthum aufzjuklärcn. „Behalte dein Bein, wenn du willst", sagte man ihnen; „man schlägt dir die Abnahme desselben vor, nicht um dich zu martern, sondern um dich zu retten. — „In diesem Fall will ich es behalten." — „Aber wenn du dir es nicht abnchmen läßt, so mußt du morgen sterben." — „Es mag geschehen. WaS in der Schrift steht, wird erfüllt werden. Wenn mir an meiner Wunde zu sterben bestimmt ist, so will ich wenigstens so sterben, wie mich Gott ge schaffen hat." Alle, ohne Ausnahme, gaben dieselbe Antwort. Man achtete ihren Willen. Drei Viertheile von ihnen unterlagen; aber bei Einigen gewann die Lebenskraft die Oberhand, und sie überlebten Wunden, die von Kunstverstän digen für tödtlich erklärt worden warewund die für europäische Constitutionen eS wahrscheinlich auch gewesen scpn würden. Wenn die Krankheit und der Schmerz an dem unerschütterlichen Fatalis mus des Arabers sich brechen, so findet der Tod ihn seinem religiösen Glauben eben so treu. So lange die Schmerzen und Qualen diesen eisenfesten Menschen noch nicht niedergeworfcn haben, so lange fährt er fort, seinen Arbeiten und seinen Vergnügungen mit eben solcher Ruhe nachzugehcn, als wenn er den Keim seiner nahen Auslösung noch gar nicht in sich spürte. Wenn seine Kräfte ihn zu verlassen anfangen, so fällt er auSgestrcckt auf den Boden hin, befiehltt seine Seele dem Schutz des Propheten, und das Gesicht gegen Morgen gewen det, stößt er den letzten Seufzer ans, ohne seit dem Tage der beginnenden Krankheit ein einziges Mal seine Kleider verlassen zu haben. Keine aufzu setzende Testaments-Bestimmung, keine zu erfüllende RcligionSpflicht beeinträch. tigen in dieser letzten Stunde die Ruhe seines Todeskampfes. Am häufigsten stirbt er, ohne an den Tod zu denken, und der Marabut, dessen quackial- bensche Heilmittel in der Regel den verhängnißvollcn Augenblick beschleunigt haben, ordnet in seiner doppelten Eigenschaft als geistlicher und zeitlicher tebik auch sein Leichcnbegängniß an. Polen. Anfänge der Buchdruckerkunst in Polen. *) Als im Jahre 1463 Mainz von Adolph von Nassau erobert wurde und die Gehiilfen Faust'S und Scheffer'S sich nach allen Seiten hin zerstreuten, gelangte Günther Zainer aus Reutlingen im Jahre 1465 nach Krakau, wahrscheinlich durch die damals blühende Akademie dahin gelockt, nnd druckte hier um das I. 1465 die „lßxpliinsrio in ps-ürerium" deS Kardinals Joannes de Turrecremata ab, das erste Buch, welches in Polen erschien. Daß der am Ende dieses Werkes durch „l>acix" bezeichnete Druckort nichts Anderes als Krakau bedeutet, darüber kann wohl jetzt kein Streit mehr obwalicu; eS dürfte auch der Umstand dafür sprechen, daß das Werk am häufigsten in Polen angetroffcn worden ist. Nachdem Zainer in Krakau noch einen Abdruck der Schriften des Augu stinus veranstaltet hatte, begab er sich mit seiner Druckerei nach Augsburg, wo er von 1468 bis 1478 sich einen großen Ruf erwarb. Nach Zainer erschien in Krakau Swicntopclk oder Swayboldus Fiol und druckte hier im Jahre 1490 die ersten slawischen Schritten. Er scheint, wenngleich er einer deutschen Familie, die auS Franken stammte, an. gehörte, in Lublin geboren zn scpn, und hier haben ihn vielleicht seine näheren Verbindungen mit den NuSniaken zu dem Entschlusse geführt, die Buchvruck.r- kunsi, die er in Deutschland auf seiner Wanderschaft — er war eigentlich ein „Sepdcnhafter" — kennen gelernt halte, auch auf die Schriften in der russischen Kirchensprache auszudchncn. Die zuerst von ihm gedruckten Werke sind der Omniogtosiük und der Ora^astorvlec. Die russischen Lettern schnitt Rudolph BorSdorf aus Braunschweig, der zuvor daS ihm von Fiol mitge- theilte Geheimniß getreulich zu bewahren versprechen mußte. Fiol blieb seiner Kunst wegen nicht ohne Anfechtungen. Am2l. November 1491 mußte er vor dem Bischof von Krakau erscheinen und zwei angesehene Bürger von Krakau als Bürgen stellen, daß er sich aus Krakau vor Abschluß einer über ihn verhängten Untersuchung nicht entfernen werde. Später mußte er einen ausführlichen Eid über seine Nechtgläubigkeit ablegen. Wahrscheinlich war er mit einigen in der Fremde aufgefaßten hussitischen Ansichten unvor. sichtiger Weise hervorgetreten. Nicht unwahrscheinlich ist eS aber auch, daß die Eiferer für die katholische Lehre das Drucken von slawischen Büchern über haupt verhindern wollten, denn damals erregte Alles, was in der Mutter- spräche über die Religion geschrieben wurde, wegen der mit Mühe unter drückten hussitischen Wirren, Mißtrauen und Furcht. Diese Angelegenheit, obgleich sie einen günstigen Ausgang für Fiol ge- nommen hatte, vertrieb ihn doch auS Krakau. Er begab sich nach Ungarn, wo er seine Kunst ungehindert auSüben zu können hoffte. Er wohnte 1511 in Lewtza und starb daselbst 1525, was sich aus dem Krakauer Stadt-Archiv unzweifelhaft ergiebt. ES scheint, daß Fiol außer den beiden erwähnten und heute sehr seltenen Werken — sie sind nur in Moskau, Berslau und Munkatsch in Ungarn zu finden — kein slawisches noch auch lateinisches Werk weiter abgcdruckt hat. Während einzelne auf Polen Bezug habende Schriften, z. B. die Statuten deS Königs Kasimir Jagiello, in Leipzig erschienen und einige Polen als Drucker im Auslande sich einen Namen erwarben, wie Wladyslaw Und Stanislaw in Spanien und Adam der Pole in Neapel, fehlte cS in Polen selbst noch an einer stehenden Druckerei. Eine solche legte zuerst Johann Haller, ein reicher Weinhändler und Kaufmann, in Krakau an, welcher am Ende deS I5ten Jahrhunderts auch eine eigene Buchhandlung eröffnete. Er hatte schon vorher, in den Jahren 1494 und 1495, bei George StuchS in Nürnberg zwei Krakauer Miffalen mit Bewilligung des Kardinals Friedrich Jagiello drucken lassen; auch druckten im Jahre >500 Wolfgang Steckel in Leipzig und KaSpar Hochfeder in Metz für ihn mehrere Bücher ab. Zwar zog Haller den Letzteren im Jahre 1503 nach Krakau, wo derselbe zuerff die Briefe des Plinius, dann auch andere Schriften abdruckte; doch erst nach dessen baldiger Rückkehr nach Metz, um 1505, legte Haller eine eigene Druckerei in Krakau an. Da er von Profession kein Drucker war, so hielt er sich fortwährend einen kundigen Vorsteher seiner Anstalt; auch beschäftigte er andere Druckereien mit den von ihm herauSgcgebenen Werken, und wußte, nachdem er mannigfache Privilegien von den Königen und Bischöfen erlangt hatte, alle Krakauer Buchhandlungen in einer gewissen Unterwürfigkeit zu er- hallen. Im Jahre 1508 wurde er Stadtrath, im Jahre 1512 einer der acht lebenslänglichen Präsivcnten der Stadt, bei welcher Gelegenheit er eine Mark Goldes dem städtischen Schatze schenkte; seitdem hieß er Dominus. Er besaß ') Nach der Literaturgeschichte Polen- von Wi-zntewski.