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sehr gebräuchliches Heilmittel. Unter diesen gesegneten Quellen ist eine der be. rühmtcsten die der Beni Mcnad, unweit Algier an der Meeresküste, eine halbe Stunde außerhalb des Thores Bab-el-Oued. Diese Quelle besitzt die Kraft, die im nördlichen Afrika sehr häufigen Hautkrankheiten, die Quetschungen, Wunden und die meisten äußeren Verletzungen oder Krankheiten zu heilen. Die wunderbare Eigenschaft dieser Gewässer wird der Gegenwart eines unsichtbaren Riesen zugeschrieben, welcher die Macht hat, dem Opfer mehr oder weniger Werth zu geben. Der Brunnen besteht aus drei im Felsen auSge- Hauenen Wasserbecken, welche nach Nordwest gegen die bei stürmischer Witte rung den Einbruch drohenden Mceresfluthen durch eine brusthohe Mauer ge schützt sind. Er enthält ein sehr klares und reichliches Quellwasser, das ohne alle mineralische Bestandtheilc und ohne Geschmack ist. Zu jeder Tagesstunde ist der Brunnen von einer Menge Kranker, Männer und Weiber (die Letzteren in der Mehrzahl), umlagert, welche den Titanen, gegen Darbringung ihrer Opfer, um Wiederherstellung ihrer Gesundheit anflehen. Der dabei vorgeschricbene Rcligionsgebrauch ist folgender: der Opfer, bringende kniet neben einem der Wasserbecken nieder, schöpft Wasser in ein Gefäß und beginnt nun eine sorgfältige Abwaschung seiner Füße, Hände, so wie des kranken Theils; darauf zündet er eine Wachskerze an von ungefähr vier Zoll Höhe und der Stärke des kleinen Fingers und stellt sie auf den Rand des Brunnens neben ein glühendes Kohlenbecken, über welches er Weihrauch oder andere kostbare Wohlgerüche streut; zu gleicher Zeit hält er sein Gesicht oder den leidenden Theil über diese aromatische Gluth und empfängt so eine sakramentale Räucherung, die allein ihn reinigen darf. Nach dieser Cercmonic ergreift er eine Henne, fängt sie an zu schlachten, und sobald das arme Thier dem Verbluten nahe ist, läßt er eS loS- Bei den seinen Todcskampf begleiten den Zuckungen springt das Opfer in die Höhe, läuft in irgend einer zufällige» Richtung hin und stürzt zuweilen in das Meer. Nur in diesem Falle allein kann daS Opfer als erhört betrachtet werden ; in jedem anderen Fall muß der Kranke am folgenden Mittwoch, als an dem für diese Sühnopfer bestimmten Tage, die Cercmonie wiederholen. Kaum hat die Henne das Meerwasser geschluckt, so wird sie hcrauSgefilcht und bei dem Brunnen gerupft; darauf zieht sich der Opferer mit derselben und einer aus dem Brunnen gefüllten Flasche Wasser, das zu seinen weiteren Waschungen bestimmt ist, zurück. Vor kurzem noch hatten die bemittelteren Kranken die Gewobnhcit, den Körper des Opfers auf der Opfcrstclle liegen zu lassen, aber die Nachbarschaft eine» Postens alter Krieger, welche, wie die Füchse, auf Ken Zeitpunkt lauerten, wo die Pilger sich zurückzogen und die ge- opferten Hennen für sich in Anspruch nahmen, verleidete ihnen diese fromme Freigebigkeit gegen die den Brunnen bewohnende Gottheit. Was will auch überdies ein Geflügel für einen Riesen bedeuten? Die Reichen opfern aller- dings Hammel; aber der Schutzgeist des Brunnens gewinnt dabei nichts. Auch rächt er sich gewöhnlich durch die Weigerung, die zu ihm ihre Zuflucht nehmenden Kranken zu heilen. Die Acrmsten beschränken sich darauf, Eier zu opfern, welche sie in das Wasser des Brunnens tauchen und dann in das Meer werfen. Außer ihrer Heilkraft soll die Quelle der Beni Mcnad auch eine andere nicht weniger bewundcrnSwcrthc Eigenschaft besitzen, nämlich: den Frauen die verlorene Tugend wicderzugcben. Die Buhlerinnen auS Algier kommen häusig heraus, nm hier ihre Opfer niederzulegen und von diesem geweihten Wasser zu schöpfen, das die Töchter Eva's von den Sünden befreit. Die reinen und einfachen Wallfahrten zu gewissen verehrten Gräbern, denen man eine besondere Heilkraft zuschreibt, wie die von Sidi-Ferruch, Sidi-Abderrhaman und von Gurapah bei Budschia, stehen ebenfalls in sehr großem Ansehen. Zm Allgemeinen aber sehen die Araber und Mauren in ihrem Fatalismus und in ihrer Sorglosigkeit alles sie treffende Unglück als eine Schickung der Vorsehung au, und überlassen eS dieser allein, sic von demselben wieder zu befreien; mit anderen Worten, sie lassen die Natur walten, „die", wie Montaigne sagt, „mit Zähnen und Klauen ausgestattet ist, um alle sic be- drohcndc Angriffe zu bestehen und ihre eigene Schöpfung, deren Auflösung sic zurückhält, unversehrt zu erbalten." Auch muß wohl in der That die Natur ein sehr mächtiger Arzt sepn; denn trotz jener stolzen Sorglosigkeit und der stoischen Verachtung der Arzneien scheinen bei den Arabern oder Mauren die Krankheiten nicht häufiger und die Sterblichkeit nicht größer zu sepn als bei jedem anderen Volke. Doch ist ihnen die Anwendung einiger einfachen Mittel bekannt und besonders machen sic von dcu Blättern deS Nachtschattens (nolnnum nigrum) und der Malve, deren Ab kochung ihnen zum Abwaschen der Wunden dient, häufig Gebrauch. Bei der Kur der Wunden wenden die Mauren aromatische Kräuter an, die sie zu Pul ver stoßen, mit Pfeffer und Salz bestreuen und in Brannntwcin aufweichen. Dieses seltsame Erweichungmittcl bringt eine Entzündung hervor, welche zu- wcilcn die Heilung befördert. ES ist ein homöopathisches Heilverfahren. Ost aber wird daS dadurch ohnedies schon entzündliche Fleisch dergestalt gereizt, daß der Brand hinzutritt und zugleich der Krankheit wie dem Kranken ein Ende macht. Eben so beliebt ist bei den Algeriern der Gebrauch einer Latwerge, aus den Blättern des lluclu^cl, (europäischen Hanfes) bestehend, welchem, nachdem er klein gestoßen worden, ein Pulver aus Zimmet, Muskatnuß, Ingwer und an- deren Gewürzen bcigemischt wird. Diese Arznei, welche sie msüjun nennen, nehmen sie bri der Abendmahlzeit ein und trinken zur Beförderung der Wir kung eine oder zwei Tassen Kaffee dazu. Seine Kraft als Heilmittel ist nicht genau ermittelt. So viel man weiß, erzeugt es eine vorübergehende, aber heftige, von krampfartigen Muskelbcwegungen begleitete Aufregung, die zur Genüge die durchgreifende Wirkung desselben beweisen. Dasjenige Heilmittel, zu welchem die Araber am liebsten ihre Zuflucht nehmen, ist der Aderlaß, der in ihren Augen als eine wahre Panacce gilt. Die Barbiere, die dafür ein Monopol besitzen, bedienen sich zu dieser Operation öfter des RasirmcsscrS als der Lanzette. Sie legen zu diesem Zweck eine starke Binde um den Hals des Kranken, so daß die Gefäße im Gesicht anschwellcn; dann führen sie mit leichter Hand und mit einer unglaublichen Schnelligkeit die Schneise des Messers längs der obersten Haut in der Gegend der Schläfe, so daß aus der solchergestalt gelheilten Epidermis eine Menge Bluttröpschen herauStretcn. Der Operateur nimmt dann cincn hölzernen Cplindcr und rollt ihn über den ausgeritzten Theil, um eine schnellere und stärkere Blutcntziehung zu bewirkcn. Dicsc Schröpfungen wenden sie nicht nur an den Schläfcn an, sondern auch an dem mittleren und Hinteren Theil der Beine und in den Gelenken der Arme. Es sind wahre Schröpfköpfe, nur mit dem Unterschiede, daß das Eilen hier die Stelle des Feuers vertritt. Sie ersetzen bis zu einem gewissen Grade die eigentlichen Aderlässe, können aber weder die kräftige Wirkung, noch die schnelle Hülfe wie diese gewähren. Um bei der Behandlung der Gehirnfieber den Vorschriften dcs Korans Folge zu leisten, wenden die Algerier eine Mcnge eben so erfinderischer Heil- mittel an, von denen wir hier einige anführen wollen. So heilen sie den Aussatz mit Einreibungen von verkalktem, zu Asche gebrannten und in Wein- cssig aufgelösten Rindshorn; — mit der Eintröpfelung von mit Buttcr ge mischtem Nindshirn in das leidende Ohr glauben sie die Taubheit zu heilen; — dem Aufstreichen der Galle von einer schwarzen Kuh auf den Rand der Augcnliedcr schreiben sie die Heilkraft der Augenübel zu (vielleicht haben sie daS Rezept hierzu jenem Engel entwendet, welcher dem Vater des Tobias daS Licht der Augen wiedergab); — die Kuhmilch ferner wenden sic glS ein un trügliches Mittel gegen die Gelbsucht an; — endlich halten sie den Urin dessel ben ThiercS bei Brustübcln für eines der heilkräftigsten Mittel. Das Esels- Hirn cmpsehlcn sie znr gewöhnlichen Nahrung, um daS Gcdächtniß zu stärken, und das Horn seines HuscS, zu Asche gebrannt und, je nach den Umständen, mit Oel odcr Eselsmilch gemischt, heilt bald die fallende Sucht, bald den Kropf. Der Skorpion, zerstoßen und auf die Wunde gelegt, heilt seinen eigenen Stich; endlich wird der Zahn cincs Löwen als Schutzmittel gegen Krankheiten im Allgemeinen und gegen Zahnschmcrzcn insbesondere betrachtet; scinc Gallr hcilt das Kopfweh und sein Fleisch wird als Spezificum und Hauptmittel gegen Lähmung und Körpcrschwächc geschätzt. WaS die äußere Behandlung oder Chirurgie betrifft, so ist sie bei den Arabern eben nicht weiter vorgeschritten, als die eigentliche Medizin, oder um eS rccht zu sagen, ist sie erst noch im Entstehen begriffen. Auf dcn Schlacht feldern besteht ibr Verband in dem Auflegen von wollenen Wulsten oder Däuschchen auf die offene Wunde. Oft geschieht eS zwar, daß die so ver stopfte und gegen dcn Zutritt der Luft geschützte Wunde mit einer wunder« barcn Schnelligkeit zuheilt; aber noch öfter tritt in Folge der Entzündung, welche ein solches Heilverfahren unfehlbar hcrbciführcn muß, der Brand hinzu. Dir Wunden werden daher fast immer tödtlich, wenn sie auch anfangs von geringer Bedeutung waren. Zuweilen aber ersitzt bei den Arabern der In stinkt, was ihnen an Erfahrung und Einsicht abgeht. So, um ein gebrochenes Glied zu heilen, umgeben einige unter ihnen dasselbe mit einer Art von Werg kissen (Etoupade), das aus mit Eiweiß zusammcngeklcbtcn Kamcclhaarcn be steht und bei solchen so gefährlichen Wunden vortreffliche Dienste leistet- Auch kommen sie dem vcrletztcn Glicde mit cinem Bande von Schilfrohr zu Hülfe, das alle nur erwünschte Leichtigkeit und Elastizität besitzt, und dcn beschädigten Thcil vollkommen schützt, ohne ihn zu sehr zu pressen. Andere wenden bei der Kur der Brüche im Allgemeinen einen sehr fest- baltcnden, aus Kompressen und Binden bestehenden Verband an, dessen Er findung vor kurzcm eine Menge Chirurgen in der Akademie der Wissenschaften sich streitig machten. Diese Bandage wird in Wasser getaucht, in welches Mehl eingerührt ist, und erhalt dadurch, sobald sie trocken wird, eine solche Festigkeit, daß alle einzelne Theile, aus denen sie besteht, fest Zusammenhängen und cin Ganzes ausmachen. Zwar führt der Gebrauch derselben nur sehr sel ten cinc gründliche Heilung herbei: die meisten Verwundeten und Verletzten bleiben nach der Kur verunstaltet; Einige behalten durch ihr ganzes Leben fistclartigr Geschwüre, Andere werden das Opfer einer hinzutretenden Ent- zündung; sinnreicher aber konnte dieser Verband oder Apparat, um uns des Kunstausdrucks zu bedienen, nicht erdacht werden, und eS würde wahrscheinlich nur noch einiger Verbesserungen im Einzelnen bci der Zusammensetzung desselben bedürfen, um ganz befriedigende Resultate zu gewinnen. Doktor Scdillot, Stabs-Chirurg der Armee, erzählt in seiner liela- rinn <Io la campaxne üo Oonsrannne, wie er, nach der Einnahme der Stadt beauftragt, ciner Türkin, welcher ein Stück von einer Bombe den rechten Arm zerschmettert hatte, Hülfe zu leisten, seine chirurgische Arbeit schon zum größten Thcil von cinem arabischen Arzt verrichtet gefunden habe, welcher im Augenblick der Verwundung hcrbcigerufen worden war und seitdem die Stadt verlassen hatte. Diese Frau hatte den Arm in cinem aus dreizehn Brettchen von Palmenholz bestehenden Bruchbandc; diese Brettchen waren nur auf der einen Seite konvcr und auf der glattcn Seite mit einem Stück Hammelsill überzogen. Durch drei zwischen dcn Schicncn dcS Verbandes angebrachte Oeff- nungcn gingen eben so viele Riemen, welche dcn Verband nm daS gebrochene Glied zusammenziehen sollten unter Mitwirkung von drei wollenen Schnüren, versehen mit drei kleinen Nohrstäbchcn, welche die Dienste von Drehnadeln verrichteten und dcn nöthigcn Grad der Zusammenziehung möglich machten. Die Amputationen sind noch weit davon entfernt, bei dcn Arabern den selben Grad der Vollkommenheit erlangt zu haben. Wenn die Entfernung des