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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PrämmleralionS-Preis 22, Silbergr. (5 Thlr.) vierteljährlich, Z Lhlr. für dt^s ganze Jahr, ohne Erhöhung, in alle«» Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Präimmeraüonkn werden von jeder BuchbnndMng (in Berlin del Veit u. Eomp., Jäger,Iropc Nr. 25), so wie non allen König!. Post Acmier», angenommen. Literatur des Auslandes. .4/ 92. Berlin, Donnerstag den 1. August 1844 Griechenland. Neuere Forschungen des französischen Archäologen, Herrn Le Bas. Herr Philipp Le Bas, Mitglied der französischen Akademie der Inschriften, ist von der Regierung mit einer gelehrten Sendung nach Griechenland und Klein-Asien beauftragt. Französische Journale enthalten zwei neuere Briefe dieses geistreichen Alterthumsforschers, in welchen er in gedrängter Kürze über seine Forschungen im alten Karten und seine merkwürdigen Entdeckungen in teuer Gegend berichtet. Wir glauben, daß unseren Lesern mit einer Mit- theilung dieser Briefe um so mehr gedient sepn wird, als sich darin einige interessante, unter Anderem auch auf das alte griechische Theater sich be ziehende Wahrnehmungen befinden und überdies die Schreibart dieses Gelehrten frei von jenem Pedantismus der Auffassung und des Stpls ist, der so manche sonst verdienstvolle archäologische Berichte ungenießbar zu machen pflegt. „S»ra, 20. April I8It. „Ich habe Smyrna am 20. Februar unter sehr traurigen Auspizien ver lassen. In dem Augenblicke, wo wir uns auf den Weg machen wollten, als unsere Pscrde gesattelt warteten und unser Gepäck bereits aufgcladcu war, wurde Herr Landron °) von einem so heftigen Gehirnlciden ergriffen, daß er sich gcnöthigt sah, das Bett zu suchen, anstatt sich freudig ausS Pferd zu schwingen, um neue Länder und Meisterwerke zu schauen. Dies war am lbten oder l6ten. Ich wartete einige Tage, in der Hoffnung, es wäre nur ein Unwohlsepn ohne weitere Folgen; als sich aber das Uebel nur verschlimmerte, berieth ich mich mit meinem lieben Henri °°), und erlangte von seiner Freund schaft, daß er bei dem Kranken blieb und ihm seine Pflege Unter der Leitung eines geschickten Arztes widmete; indessen reiste ich nach Stratonicea ab. Die dreimonatliche Verlängerung, welche der Minister bewilligt hatte, schien mir nur in Berücksichtigung einer solchen Lage gewährt zu seyn, und ich konnte sie um so weniger ablehnen, als es sich meinerseits darum handelte, meine wichtige Entdeckung von Gerouthrä zu vervollständigen. Ich reiste also am 20sten ab und nahm den kürzesten Weg; ich wendete mich nach Guzzcl-Hiffar oder Moi», durch die oft überschwemmte Ebene des Kaistrus. Am zweiten Tage begann der heftige Regen von neuem, welcher mich fünf Wochen in Smyrna gefangen zurückgehalten hatte, und als die Nacht uns in der Umgegend von Tireh überraschte, waren wir nahe daran, uns mitten in den Sümpfen zu verirren, was uns alsdann gezwungen hätte, in der unangenehmsten Lage von der Welt zu übernachten. Glücklicherweise schickte uns die Vorsehung einen Führer, und wir konnten endlich das Ziel unserer Bestimmung erreichen. Mit Stillschweigen übergehe ich unser langes Umherirrcn wach einem Nachtlager, den Abend ohne Erfrischung, die Nacht in einem Stalle und noch schlimmere Dinge. Dergleichen Details würden mich zu weit führen. Am anderen Morgen dauerte der Regen fort. Was war zu thun? Tireh, wenn's auch an der Stelle des alten Tyrrha liegt, bot kein Denkmal dar, welches mich hätte zum Aufenthalt veranlassen können. Alvin war höchstens andert halb Tagereisen entfernt. Ich beschloß also, abzureisen, wie immer während dieser ganzen Exkursion, von meinem Dragoman Baptist Gaspar begleitet. Die einzige Intelligenz dieses ehemaligen Sakristan der Lazaristen in Konstan tinopel bestand darin, den Inhalt seiner Börse auf Kosten der meinigen zu vermehren, und er suchte seine unverschämte Spitzbüberei unter der heuch lerischen Maske einer frommen und reinen Seele zu verbergen. Ein großer Theil des Tages ward damit hingebracht, den Berg Mösogis zu erklimmen, ein steiler Spitzberg, auf dem unsere Rosse wohl zwanzigmal zusammenstürzten, wenn sie in den Schluchten zwischen den Seitenwänden unseres Weges nicht weiter konnten. Den übrigen Theil des TageS führte UNS der Weg über den Rücken der Bergkette, welche das Thal des KaistruS von dem des Mäander trennt, eine wilde, aber fruchtbare Gegend, welche ich von ganzem Herzen bewundert hätte, wäre der fatale Regen nicht gewesen, welcher ganz allein meinen Enthusiasmus bedeutend abkühlte. Da kein Anzeichen vorhanden war, daß er bald aufhören würde, die Nacht herannahte, Guzzel-Hiffar noch vier Stunden entfernt war und der Weg nur Schwierigkeiten und Gefahren dar bot, so beschlossen wir, in der Hütte eines Zöllners zu rasten, welche, mit ') Ein junger Architekt, welcher Herrn Le BaS als Zeichner begleitet. ") Herr Mussen, ehemaliger Zögling b„ Herrn Le Bas, welcher ihn begleiten wollte und auf eigene Kosten reist, dem glänzenden Namen eines Kaffeehauses geschmückt, kaum etwas mehr Schutz, als die freie Luft, barbot, wo uns aber der Rauch fast blind ge macht hätte. Am anderen Morgen endlich sah ich mein Ziel vor Augen, nachdem ich wenigstens dreißigmal denselben Sturzbach überschritten hatte, der in der Mitte einer sehr pittoresken Bergschlucht bahinbraust; gegen Mittag gelangte ich zum alten Trolles. Dort wiederum drei Tage Gefangenschaft; der Regen, der einen Augenblick aufgehört hatte, stürzte mit neuer Heftigkeit herab. In TralleS sammelte ich jedoch in der Pause zwischen zwei Regengüssen alle noch vorhandenen Inschriften und betrieb mein Geschäft als Archäolog mit ge. wohnter Gewissenhaftigkeit. Nachdem ich dem Pascha meinen Besuch abgestattet hatte, um einen „Cavas" zu erhalten — einen Gendarm zur Eskorte — welchen er mir mit der größten Freundlichkeit gewährte, wurde der Himmel klar, und ich eilte in die Mitte der Thaler und Gebirge Kariens. Meine Be gleitung ward nun durch besagten „Cavas", den braven Suleiman, vermehrt, ein ehemaliger Janitschar, der nicht recht wußte, wie er seinen Kopf auf den Schultern behalten halte, und sich für vergangene Leiden damit tröstete, daß er mit Baptist, unter der Bedingung einer brüderlichen Theilung, ein Bündniß schloß, sich auf meine Kosten zu mästen. Dabei war er ganz erfüllt von Er gebenheit und rügte cS sogleich mit seiner Peitsche, wenn etwa irgend ein Türke oder Christ sür den Bmzade, den Sohn des Fürsten (diesen Titel giebt mir der Ferman des Sultans), nicht alle Rücksichten und den vollkommenen Respekt hatte, wie ihn der Beherrscher der Gläubigen vorgeschrieben. Von Aldin wollt« ich mich auf dem geradesten Wege zum Thale des Marsyas begeben, doch nöthigtc mich die Ucberschwemmung der Flüsse zu einem Umweg von einer Tagereise. Ich verdanke diesem Umstand die Entdeckung einer Inschrift, welche alle Ungewißheit der Gelehrten über die Lage von Ala- banda aushebt, wo sich zur Zeit des Plinius das oberste Gericht von Karten befand. Vier Meilen von dort, in dem Thale Karpuli, erhebt sich, noch ganz aufrecht erhalten, eine ehemalige Stadt mit ihrer Akropolis, ihrem Theater, ihren Mauern, Gebäuden und Gräbern; Alles in Granit; ein imposantes Schauspiel! Doch welchen Namen trägt diese Stadt, die so vielen Stürmen trotzte? Nichts ist vorhanden, das ihn uns nennen könnte; unmöglich ist's, nur eine einzige Inschrift aufzufinden. Der größte Theil der Reisenden glaubt, cs sey Orthosia. Ich würde eher geneigt sepn, Alinda darin zu sehen, den Zufluchtsort der Königin Adda von Karlen, als Alexander Halikarnassus be lagerte; ich werde diese Meinung jedoch nur mit Vorbehalt äußern und ge statte Ihnen, bis auf weitere Belehrung davon zu glauben, was Sie wollen." „Alben, lv. Mai I8li. „Ich bin Ihnen die weitere Erzählung meiner letzten Reise in Klein-Asien schuldig; — wo aber war ich stehen geblieben? Ich hab' es ganz und gar vergessen. Zur Sicherheit will ich bei meiner Abreise von Trallcs wieder beginnen. Es war am 20. Februar. Der Regen hörte nicht auf und weissagte mir vielleicht unüberstcigbare Hindernisse; ich hatte noch mehrere große Flüsse zu passiren. Ganz unerwartet, durch einen glücklichen Zufall hörte er plötzlich auf, in dem Augenblicke, wo ich im Begriff war, die sumpfige Ebene zu durchwandern, welche der Mäander in zahllosen Krümmungen durchfließt. Es war mein Glück, denn trotz der Kraft meines Pferdes wäre ich ohne diese Gunst des Himmels große Gefahr gelaufen, in dem Schlamme irgend eines Morastes stecken zu bleiben, ehe ich das Ufer des Flusses erreichen konnte. Ich spare Ihnen die Details meiner Ueberfahrt auf einem dreieckige» Floß, dessen Unterlage aus schlecht verbundenen Lianen besteht und das dem Ueberfahrcnden um so weniger Sicherheit darbietet, da die Türken unter allen Schiffern die unerfahrensten und ungeschicktesten sind. Auf dem linken Ufer angekommcn, nahm ich zu meinem größten Mißvergnügen wahr, daß der direkte Weg nach dem Thal der Tschina, welches der Gegenstand meiner nächsten Untersuchungen seyn mußte, seit zwei Monaten nicht gangbar sey, und sah mich genöthigt, darauf zu resigniren und einen Umweg zu nehmen. Am Abend legten wir uns zu Jurtusch nieder (welch' ein Name!), am Eingang einer Bergschlucht, der wir am anderen Tage drei Stunden lang folgten. Wir frühstückten neben dein Zelte gutmüthiger Turkomanen. Hier könnte ich eine Episode cinschalten, womit ich Sie jedoch verschonen will, damit es nicht scheint, als wolle ich in die Fußstapfen des Herrn von Chateaubriand treten. Ein armes junges Weib, schön, bleich, von Fieber verzehrt, zu der ich hingesührt wurde, weil den Türken jeder Europäer ein Arzt ist. — Oeffnen Sie das „Reisebuch von Paris nach Jerusalem", lesen Sie, was dem berühmten Wanderer in gleicher Lage be-