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Naunhofer Nachrichten : 13.10.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-10-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1787848183-190510134
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1787848183-19051013
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1787848183-19051013
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Naunhofer Nachrichten
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-10
- Tag 1905-10-13
-
Monat
1905-10
-
Jahr
1905
- Titel
- Naunhofer Nachrichten : 13.10.1905
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Tätigkeit in Zentralasten. Zu den kom merziellen Wettbewerb englischer und russischer Vertreter in Persien gesellte sich die Bekannt gabe neuer Eisenbahnprojekte von beiden Seiten, und jetzt tritt auch der Beherrscher des haupt sächlich in Frage kommenden „Pufferstaates", Afghanistan, mit eigenen Wünschen für sein Land hervor. Der Emir von Afghanistan richtete an die indische Regierung abermals die Forderung, ihm einen Hafen am Persischen Meerbusen abzutreten. Die afghanische Re gierung ist infolge verschärfter Maßnahme an der russisch-persischen Grenze bempht, den af ghanischen Handel nach Indien zu lenken. — Der „Newyork Herald" meldet: Ein reicher Einwohner von Newyork, der vor derhand ungenannt bleiben will, hat sich be reit erklärt, 50 000 Dollars zu einem Fonds beizusteuern, dessen Gründung Professor Beh ring besorgen soll, um sein Heilverfahren gegen die Schwindsucht sofort bekannt zu geben. Bedingung soll sein, daß ein Ausschuß von Aerzten, darunter ein von dem Geber der Summe berufener, das Verfahren als erfolg reich anerkennt. — Das Zentral-Hilfskomitee für Süd- Westafrika hat bisher 237 000 Mk. für Ansiedler und Soldafen sowie deren bedürftige Angehörige und Hinterbliebene verwendet. Für- letzteren Zweck bedarf das Komitee dringend weiterer Spenden, da die Gesuche stetig an wachsen. Unterstützungsgesuche sind zu richten an das obige Komitee, Berlin XV. 62, Kur- fürstenstraße 79, z. H. des Major z. D. Simons. ! — Den „Times" wird aus Kapstadt gemeldet: Ein Telegramm aus Upington be richtet, daß bei Schnitdrifft drei Transvaaler aus Deutsch-Südweftafrika init 200 Stück Vieh, das sie den Deutschen gestohlen hatten, festgenommen worden sind. Die Leute waren bewaffnet, obwohl sie angaben, Richtkombattanten zu sein. Das Vieh wurde den Deutschen ausgchändigt. Die feilte wurden im Gefängnis von Kcnhart untergebracht. Atts Stadt und Land. Naunhof, den 12. Oktober 1905. Naunhof. Gegenwärtig werden die Hauslisten für die das nächste Jahr zu er folgende Einschützungzur Staatseinkommensteuer ausgetragen. Die Ausfüllung der Liste hat nach dem Stande vom 12. Oktober stattzu finden, und sind innerhalb 10 Tagen vom Tage der Zustellung gerechnet, an die Stadt steuer-Einnahme abzuführen. Die Einreichung muß durch eine erwachsene Person erfolgen, welche nötigenfalls genügende Auskunft geben kann. Nauuhof. Der Königlich Sächsische Militär-Verein für Naunhof und Umgegend hielt am vergangenen Sonntag seine 2. dies jährige Hauptversammlung ab. Die Ver sammlung, von 50 Kameraden besucht, wurde 1/46 Uhr seitens des Vorstands durch Be grüßung der erschienenen Kameraden und durch ein auf Se. Map den König den hohen Protektor des König!. Sachs. Militär-Vereins bundes ausgebrachtes Hoch, in welches die Anwesenden begeistert einstimmten, eröffnet. Aus dem vom Vorstande vorgetragenen Halb- jahrsbericht ist zu beinerken, daß im Laufe des Berichtshalbjahres 1 Kamerad verstorben ist, 4 teils durch Wegzug oder aus sonstigen Gründen ausgeschieden sind, 2 Kameraden wurden ausgenommen, so daß der Mitglieder ¬ bestand 157 beträgt. Der Bezirk Grimma zählt z. Zt. 52 Vereine mit einer Mitglieder zahl von 5213 (und ca. 132 Ehrenmitglieder). Zu Sachsens Militär-VereinS-Bund, der aus 26 Bezirken gebildet wird, gehören 1591 Vereine mit zusammen 190000 Mitgliedern. An Bundessteuer wurden vom Bezirk im Jahre 1904/05 Mk. 521,30 d. i. 10 Pfg. p. Mit glied bezahlt, im gleichen Zeiträume wurden aber an hilfsbedürftige Kaineraden des Bezirks Mk. 670 an Unterstützungen aus der Bundes- und der vom Bunde verwalteten Kaffen be willigt. Aus dem von Kassierer, Kamerad Hessel, vorgetragenen Halbjahresbericht ist zu bemerken, daß einer Einnahme von Mk. 472,55 eine Ausgabe von Mk. 3l4,78 gegenübersteht, es verbleibt demnach ein Plus von Mk. 157,77. Das gesamte Vereinsvermögen bezifferte sich ain 30. Sept, auf Mk. 1839,19. Nach Er ledigung weiterer interner Vereinsangclegen- heilen wurde die Versammlung mit einem Hoch auf die Kameradschaft ?6 Uhr ge schlossen. Abends i/?8 Uhr versammelten sich die Kameraden mit ihren Frauen und Fanlilien angehörigen zum Balle. Der Vorstand be grüßte die zahlreich Erschienenen, insbesondere einige Herren Ehrengäste und brachte hierbei ein Hoch auf Se. Maj. den König aus, wo rauf die Sachsenhymue gescheit bezw. gesungen wurde. In recht kameradschaftlicher Weise und fröhlicher Stimmung nahte der Schluß,. I Uhr, viel zu früh heran. Naunhof. Zu den Gerüchten über einen bevorstehenden Rücktritt des Ministers von Metzsch bemerkt die von den sächsischen Kon servativen inspirirte „Deutsche Tageszeitung": Wir sind in der Lage sestzustellen, daß aller dings vor Jahr und Tag Herr von Metzsch gelegentlich die Absicht bekundet hat, nach dein Landtage aus dem Amte zu scheiden. Damals waren seine gesundheitlichen Verhältnisse, die sich aber inzwischen wesentlich gebessert haben, die Veranlassung zu dieser Aeußerung. Neuer dings ist die Frage seines Rücktritts nicht er örtert worden, da keine Veranlassung dazu vorliegt." — Na also! Nauuhof. Zwei Wochen mit je vier Arbeitstageü stehen uns am Schluffe dieses Jahres bevor. Der l. Weihnachtsseiertag, sowie der NeujahrStag fallen auf Montag, der Hohenenjahrstag auf Sonnabend, es gibt also in zwei Wochen vier Feiertage. Naunhof. Der Leiter der berüchtigten spanischen Schatzschwindclbande, die seit etwa acht Jahren Deutschland mit verlockenden brieflichen Angeboten überschwemmt und von der, wie gemeldet, kürzlich erst wieder auch ein Naunhofer Herr einen Brief bekam, scheint endlich der Polizei in die Hände gefallen zu ein. Laut Meldungen auswärtiger Blätter nahm die spanische Polizei dieser Tage in einer der vornehmsten Straßen von Madrid einen vornehm gekleideten Schwindler fest, welcher der Leiter der Schatzschwindler zu sein cheint. Die Verhaftung erfolgte, als er mit einer Dame ein Automobil bestieg. In der vornehin eingerichteten Wohnung des Gauners anden die Polizisten 4 Schreiber und einen dureauchef und Papiere, aus denen zu ersehen ist, daß rund 80 000 Personen mit den Schwindelbriefen bedacht worden sind. ff Das neue Ulanen-Regiment Nr. 21 ist gegenwärtig in Zeithain noch in der Neubildung begriffen, und wird erst Ende November in seine neue Garnison Chemnitz übersiedeln. ff Der frühzeitige starke Schnee fall im oberen Erzgebirge kommt den Land wirten sehr ungelegen. Hafer und Korn, so wie Kartoffeln sind noch einzuernten. Die zusammenhängende Schneedecke hatte am Sonntag am Fichtelberg eine Höhe von über 20 Centimeter und reichte fast bis nach Ritters- grün. Auf dem Fichtelberg gab es schon Schneewehen von über einen Meter Höhe. Die Fichten hatten vollständig winterliches Aussehen. Auch das obere Vogtland liegt schon unter Schnee. In der Gegend von Untersachsen berg liegt der Schnee im Tale 20, auf der Höhe 30 Zentimeter hoch und erschwert den Verkehr erheblich. Die gesamte Kartoffelernte und das Grummet liegen unter der Schnee decke begraben. ff Die königliche Jagd in Werms dorf findet am 30. Oktober statt. Se. Majestät der König fährt an diesem Tage früh bis Dahlen, von wo ans dann die Weiterreise mittels Wagens nach Wermsdorf erfolgt. Abends erfolgt die Rückfahrt über Dahlen nach Dresden. Grimma. Von den in der hiesigen Maschinenbauanstalt beschäftigten Formern legten 12 Mann die Arbeit nieder, da für einige Zeit abends bis um 7 statt bis um 6 Uhr gearbeitet werden sollte. Der Betrieb wird durch diese Arbeitsniederlegung nicht gestört. Leipzig. Ein Großfeuer vernichtete am Dienstag früh das Mühlenwerk in Gundorf, welches der Konsumverein Leipzig-Plagwitz von der Stadtgemeinde Leipzig gepachtet hat. Es ist eines der größten Mühlenwerke Sachsens. Ter Materialschaden beträgt über 10 000 Mk. Der Brand ist durch Selbstentzündung ent standen. Zur Bewältigung des Feuers wurde eine Dampfspritze aus Leipzig herbeigeholt. Leipzig. Der Reichsgerichtsrat Ewald, Mitglied des Strafsenats, ist zum großherzog lich hessischen Justizminister ernannt worden. In Wurzen mußte ein zum Besuch bei seinen Eltern weilender Seminarist aus Roch litz wegen Erkrankung an Typhus im Stadt- kraukenhause ausgenommen werden. Rochlitz. Die sechs typhuskranken Semi naristen vom hiesigen Seminar, die im Stadt krankenhause untergebracht sind, befinden sich den Umständen nach etwas wohler, so daß, wenn keine Zwischenfälle eintreten, Aussicht auf völlige Wiederherstellung der Erkrankten vorhanden ist. Im Juli l. I. wurde aus Meißen be richtet, daß dort von zwei in der Elbe badenden Knaben der eine ertrunken sei, der andere aber gerettet werden konnte. Die Röttung des einen Knaben vollbrachte der Schulknabe Richard Kurt Anneberg-Meißen. Aus den Heidelbeeren kommend, hatte er kaum den Weg am Elbufer in der Nähe des Steinbruchs gegenüber der Dampfschiffhaltestelle in Spaar betreten, als er Hilferufe von der Elbe her vernahm. Er ist kurz entschlossen an das Elbufer geeilt, hat Jackett und Hose von sich geworfen, ist dann in die Elbe gegangen und hat deu bereits be sinnungslosen Schulknaben Franz Neumann erreicht und an das Land gebracht. Anneberg bat die Rettung nur unternehmen können, weil er des Schwimmens mächtig ist, da sich Neumann bereits im tieferen Wasser befand. Der Vorgang ist zur Kenntnis der Behörde gelangt und diese hat nach Feststellung des Tatbestandes eine Auszeichnung Annebergs in Vorschlag gebracht. Wie eine im amtlichen Teile des „Meißner Tageblatts" befindliche Bekanntmachung der Königlichen KreiShaupt- mannschast zu Dresden besagt, hat Anneberg eine Belohnung von 25 Mark erhalten. Wegen Tierquälerei war der Gutsbesitzer Meyer in Lonnewitz bei Oschatz vom Schöffen gericht zu fünf Wochen Gefängnis verurteilt worden. Er hatte sein Pferd, weil es beim Einspannen nicht anzog, derart geschlagen, daß es hinstürzte und blutete. Das Landgericht setzte die Strafe auf 2 Wochen herab. Das Oberlandesgericht, bei dem Meyer gegen das Urteil Berufung einlegte, ließ es bei der vo^n Landgericht verhängten Strafe bewenden. Eine aufregende Szene ereignete sich in Dresden ! in der Flemming-Straße. Das vierjährige Töchterchen des Händlers Schiller mar zum Dachfenster hinaus auf das Dach geklettert und hielt sich dort an der Dachrinne fest, bis es abstürzte. Man hatte jedoch unter dessen auf der Straße Milcher aufgespannt, in welche das Kind hineinfiel. Es blieb unversehrt. Dresden. Im Prozesse Lehleitner, der länger denn eine Woche die Gemüter gefesselt hat, ist nunmehr dar Urteil gefällt worden. Der unredliche Lebensversicherungsdirektor ist zu einem Jahre acht Monaten Gefängnis, 2000 Nik. Geldstrafe oder weiteren 200 Tagen Gefängnis, sowie zu drei Jahren Ehrverlust verurteilt morden. Weil sie zu einer Gerichtsverhandlung megen Beleidigung als Zeugin erscheinen sollte, hat sich in St. Michaelis bei Freiberg die im 64. Lebensjahre stehende Klöpplerin Juliane verw. Hübner aus Brand auf einer Halde das Leben genommen. Olbernhau. Durch Spielen mit Streich hölzchen in der Scheune hat ein 18 jähriger Knabe am Freitag vormittag in Rothenthal ein Schadenfeuer angerichtet, wodurch das Anwesen des Fabrikarbeiters Robert Uhlig, Wohnhaus, Hintergebäude und die neuerbaute Scheune völlig eingeäschert wurden. Die Familien, deren Mobiliar zum größten Teil gereitet werden konnte, sind durch den Brand obdachlos geworden. Hohenstein-Ernstthal. Einen recht flotten Geschäftsgang hat gegenwärtig die hiesige Deckenbranche zu verzeichnen. Seit einigen Jahren ist die Weberei nicht so be schäftigt gewesen als jetzt. Man glaubt, daß der Friedensschluß zwischen Rußland und Japan vielen Eindruck macht. Doch hört man in Weberkreisen viele Klagen über niedrige Löhne. Hauptsächlich unter den Hauswebern gehen die früheren, noch so leidlich gut ge wesenen Durchschnittslöhne fortgesetzt zurück. Jreiberg. Als ein Opfer der herrschen den Biehnot ist der hiesige Viehhändler Zwintscher zu betrachten, der sich vorgestern früh infolge Nahrungssorgen erhängte. Während er früher ein gutes Auskommen fand, ivar es im jetzt bei dem herrschenden Mangel an Schlacht vieh und den enorm hohen Preisen unmöglich etwas zu verdienen. Klingenthal. Am Sonnabend verun glückte, wie die „Klingenthaler Zeitung" meldet, auf dem Helenenschacht zu Eibenberg zu Beginn der Mittagschicht der Häuer Mikusch durch plötzlich herniedergehendes Gestein, einen so genannten Sargdeckel, tödlich. Der Verun glückte war buchstäblich zermalmt. Zweenfurth. Das im Grundbuch für Zweenfurth auf denNamen Dorothea Friederike Minna verehel. Höder geb. Andree eingetragene Hausgrundstück soll am 23. November 1905, Gefahrvolle Wege. Roman von Ewald August König. 2 Mußte mau unter diesen Verhältnissen nicht mit Sicherheit voraussehen, daß das Bankhaus trotz aller Tüchtigkeit Walde mars schon bald ruiniert sein würde? Arnold Wallendorf und dessen Schwester, die Baronin von Raveuberg, waren die einzigen Erben; der Anfang des Rnins lag schon in der Notwendigkeit, daß die Hinterlassenschaft geteilt werden mußte, denn es war nicht wahrscheinlich, daß die Ba ronin ihr Erbteil dem verschwenderischen Bruder anvertraute. Das Haus sah sich voraussichtlich zur Liquidation genötigt, da mit das Vermögen flüssig wurde, und nach dieser Liquidation konnte Waldemar sich nach einer neuen Stelle nmschauen. Ein Geräusch weckte ihn aus seinem Grübeln; er wandte sich um. Arnold Wallendorf stand auf der Schwelle des Gemachs. Er mochte, wie Waldemar, etwa dreißig Jahre zählen, sein Wuchs war eher groß als klein zu nennen, sein fahles Gesicht zeigte die Spuren durchwachter Nächte. Eiu blouder Schnurrbart be schattete die Oberlippe, hinter den Gläsern des goldenen Lorg nons loderte in den tiefliegenden, blaßblauen Augen das Feuer verzehrender Leidenschaften, die Hand, die er dem Buchhalter reichte, war feucht und eiskalt. „Ich kann das schreckliche Un glück noch nicht fassen," sagte er mit heiserer Stimme. „Im er sten Augenblick, als ich die Leiche meines Vaters fand, dachte ich an die Möglichkeit eines Verbrechens." „Aber unser Hausarzt hat mir auch diesen Trost genommen, die Tatsache des Selbstmordes läßt sich nicht mehr bezweifeln. Sagen Sie mir die Wahrheit, sind wir bankerott?" „So weit ich die Sachlage kenne, nein!" erwiderte Walde mar. „Das Haus steht noch heute so fest, wie es je zuvor ge standen hat!" Arnold Wallendorf hielt eine geraume Weile den Blick for schend und durchdringend auf das ernste, ehrliche Antlitz des Buch halters geheftet, dann atmete er tief auf, eine schwere Last schien ihm von der Seele genommen zu sein. „Sie müssen's ja wissen," sagte er, „ich will hoffen, daß Ihre Behauptung sich bestätigt. Dann aber begreife ich diese Tat um so weniger." „Hat Ihr Herr Vater kein Schriftstück hinterlassen, daS über die Gründe Aufschluß gibt?" „Ich weiß es uicht, ich habe uoch nicht nachgeiehen," erwi derte Arnold, der an den Schreibtisch seines Vaters getreten war und mit seinen zitternden Händen in den Papieren wühlte, die auf demselben lagen. „Sie werden begreifen, daß alle meine Sinne betäubt waren, als ich so plötzlich vor der Leiche stand. Papa kam nicht zum Frühstück, ich hatte notwendig etwas mit ihm zu besprechen und wolltq ihn wecken. Die Tür des Schlaf- zimmers war nicht verschlossen, ich trat also ein und fand ihn in einer Ecke des Sofas mit dem Revolver in der Hand. Bor ihm auf dem Tische lagen einige Papiere; wie eS mir schien, telegraphische Depeschen, sie liegen noch dort, ich habe sie nicht berührt. Ich schloß das Zimmer zu und schickte zu Ihnen und zum Arzt; vor allen Dingen mußte festgestellt werden, ob hier ein Verbrechen oder ein Selbstmord vorlag. ES sollen gestern abend nach Geschäftsschluß noch Depeschen angekommen sein, die Papa offenbar erwartet haben muß, denn er ist gegen seine Ge wohnheit gestern nicht ausgegangen, ich vermute, daß sie uus Aufschluß geben können Wenn Sie die Güte haben wollen, mich hinauf zu begleiten, so wollen wir oben nachsehen." Waldemar nickte zustimmend. Langsam stiegen die beiden die breite, mit Teppichen belegte Treppe hinauf. „Ich kann mir nicht denken, daß jene Depeschen auf die ge schäftlichen Angelegenheiten des Hauses Bezug haben sollten," sagte Waldemar, während sein Blick über die Statuetten und Gemälde schweifte, die das Treppenhaus und den Korridor schmückten, „ich vermute, daß es Privatangelegenheiten sind, und ich finde eine Bestätigung dieser Vermutung in der Verstim mung des alten Herrn, die Sie doch auch in der letzten Zeit bemerkt haben müssen." „In der Tat, er war seit einigen Monaten stets übel ge- launt,"autworteteAruold Wallendorf, „diese Verstimmung machte ihn ungerecht gegen mich und namentlich gegen seinen Bruder. Ich kannte den Gründ nicht und suchte ihn in Geschäftsverlusten, wollte auch mit Ihnen darüber reden, kam aber nicht dazu. Per sönliche Angelegenheiten? Welcher Art könnten sie gewesen sein? Die unglückliche Ehe meiner Schwester betrübte ihn so sehr nicht, zumal mein Schwager schon seit einem Jahre abwesend ist; Sie wissen ja, er machte eine Reise um die Welt, von der er hof fentlich nicht zurückkehren wird/' Er war stehen geblieben, glü- hender Haß loderte aus dem Blick, der die letzten Worte beglei tete. „Wir wollen diesen Weg nehmen," fuhr er fort, indem er eine Tür öffnete, „ich möchte nicht gern im Korridor dem neu gierigen Gesicht einer Magd begegnen." Sie durchwanderten auf weichen Teppichen einige hohe weite Zimmer, die mit allem erdenklichen Luxus geschmackvoll aus- gestattet waren, Prunkrüume, die der Verstorbene seit dem Tode seiner Frau nicht mehr benutzt hatte. „Hier sollte mir mein Nest gebaut werden, wenn ich heira- tete," sagte Arnold mit leisem Spott. „Ich konnte mich nicht dazu entschließen und ich glaube auch nicht, daß ich jemals den kühnen Entschluß fassen werde; ich will mein freier Herr blei ben." Weiter öffnete er eine Tür, die beiden traten nun in das Schlafgemach. Der erste Blick WaldeniarS fiel auf das Bett, auf dem die Leiche unter einer Decke lag. Er sah nur die Umrisse des Kör pers, die auf der düuuen, seidenen Decke sich abzeichneten; ein Gefühl des Grauens beschlich ihn, er wandte das Antlitz ab „Wollen Sie ihn noch einmal sehen?" fragte Arnold leise. „ES ist kein schöner Anblick." „Nein, nein," unterbrach Waldemar ihn rasch, „ich will mir daS Bild ungetrübt bewahren, das ich im Gedächtnis habe." Er trat an den Tisch, auf dem die Kassenschlüssel, Uhr und Ringe des Toten und verschiedene Papiere lagen. „Nehmen Sie die Schlüssel an sich," sagte Arnold, „Sie wer den ja nun doch die Leitung des Geschäfts übernekmen müssen, ich bin leider zu wenig darin eingeweiht. Ich denke, wir neh men die Papiere und verfügen uns damit in ein anderes Zim mer; ich bin zwar frei von jeder Gespensterfurcht, aber unheim lich ist eS mir hier doch." Waldemar schob die Schlüssel in die Tasche und raffte die Papiere zusammen. Schon nach dem Rückwege entdeckte er, daß unter ihnen ein versiegelter Brief sich befand, der an ihn adres siert war. In einem der eleganten Zimmer blieb Arnold Wallendorf stehen, um seinem Begleiter einen Sessel anzubieten. „Wys ent halten die beiden Depeschen?" fragte er erwartungsvoll „Ich verstehe ihren Inhalt nicht," erwiderte Waldemarr. „Die erste lautet: Keine Hoffnung mehr, alles verloren! Die-zweite Sofortige Deckung verlangt, schicken Sie vorab mi»desteus hun derttausend Pfund." i 125,20 /
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