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Material sind besonders stark in Anspruch ge nommen. Zuständigerseits wird bestätigt, daß monatlich rPtb 50 Batterien zu 6 Geschützen, dazu Protzen und Munition für mindestens I V2 Jahr fertiggestellt werden müßten. — Der Brüsseler Appellgerichtrhof hat das Urteil bestätigt, welches Leopold II. in seinem Prozeß um die Hinterlassenschaft der Königin Recht gibt. — Als Elsaß - Lothringen deutsch wurde, wanderten zahlreiche Elsässer nach Frank reich aus. Auch in der folgenden Zeit kam der Fall noch häufig vor, daß Elsaß-Lothringer über die Grenze zogen und die französische Staatsangehörigkeit erwarben. Jetzt zeigt sich die merkwürdige Tatsache, daß viele der Aus gewanderten wieder zurückkehren und wieder Deutsche werden. Im letzten Jahre sind nicht weniger als 142 Franzosen gewordene Elsässer wieder in den deutschen Untertanenverband getreten, da sie drüben in Frankreich nicht das gelobte Land fanden. Das zeigt besser als alles andere die fortschreitende Versöhnung mit der deutschen Herrschaft. — 5000 Arbeiter und Arbeiterinnen der Mailänder Kohlenwäschereien sind wegen unbefriedigten Mehrforderungen in den Ausstand getreten. — Ein Bombenattentat auf die mexikanische Gesandtschaft in Paris wird aus der französischen Hauptstadt gemeldet. Der Urheber, ein Spanier namens Garcia, der mit gänzlich unzulänglichen Mtteln anscheinend das Gesandtschaftsgebäude beschädigen wollte, ist für seine Tat schwer genug bestraft worden : er büßte beide Hände ein. Der Gesandte Mr. de Mier war zur Zeit der Explosion ausgegangen. — Der ungarische Reichstag ist soeben eröffnet worden. Die sozialdemokratische Partei beschloß, 50 000 Arbeiter nach dem Budapester Abgeordnetenhanse zu entsenden, um die Stadwerordneten an ihr Versprechen betreffs des allgemeinen Wahlrechts zu er innern. Sollte die Polizei den Massenaufzug verbieten, so wird Aufmarsch in Gruppen er folgen. — Der vom österreichischen Admiral von SpaunverfertigteBerichtderHullkommission wird am Mittwoch verlesen werden und Ruß land günstig sein. — Madrid. Eine Arbeiterkrisis herrscht in Katalonien, wo 150 000 Mann unfreiwillig feiern. Als Ursache wird der Verlust der ehe maligen Kolonien und der daraus hervorgehende Absatzmangel angegeben. — Eine Schul-Tragödie. Der 17- jährige Schüler der Alexander-Handelsschule in Moskau Wassili Sizow erschoß seinen Lehrer der englischen Sprache Staatsrat Mac Külanger und tötete sich dann selbst durch einen Schuß in den Kopf. — Endlich scheint sich der Schleier des Geheimnisses zu lüften, der bisher über dem Verschwinden des deutschen Marineattachees in Port Arthur, des Kapitänleutnantr Hentschel von Gilgenheimb, und seines fran zösischen Kameraden de Cuverville gelegen hatte. Laut Kölnischer Zeitung sind in Tschifu zwei chinesische Dschunkenführerverhaftet worden, die eingestanden haben, den deutschen und den französischen Militärattaches in Port Arthur von Gilgenheimb und de Cuverville über Bord geworfen zu haben. — Die russische Regierung hat den Putilowwerken für den Fall, daß in t 4 Tagen die Arbeiter nicht befriedigt werden, Annullierung der Bestellungen und deren Vergebung ins Ausland angedroht. — Nach einer japanischen Meldung vorn oberen Schaho suchen die Russen Kurokis rechte Flanke zu umgehen. Aus Stadt und Land. Naunhof, den 21. Februar 1905. Naunhos. Die Vortragsfolge zum heu tigen großen Militärkonzert nennt außerordent lich schöne Tonschöpfungen, deren Wiedergabe jedem Musikliebhaber zur Freude gereichen werden. Ohne Zweifel wird aber der heutige Abend den Beweis geben, daß Meister Matthey mit seiner Kapelle noch ebenso durch seine Lei stungen auf die Zuhörer wirken wird, wie damals 1902. Naunhos. Die Mondfinsternis am vor. Sonntag abend war auch in unserer Stadt wie in der ganzen Gegend sehr gut zu be obachten, zumal der Himmel schön klar war. Die erste Berührung des Mondes mit dem Kernschatten der Erde erfolgte um 6 Uhr 52 Minuten abends, die größte, etwa vier Zehntel desMonddurchmessers einnehmende Verdunklung wurde gegen 8 Uhr erreicht; von 9 Uhr an konnte man den Mond wieder in voller Be leuchtung sehen. Verfinstert wurde die nörd liche Halbkugel des Mondes. Es war eine partielle oder teilweise Mondfinsternis, welche mit Ausnahme von Rord- und Südamerika und der östlichen Hälfte des Stillen Ozeans auf der ganzen Erde beobachtet werden konnte. Naunhof. Ter Andrang zu den säch sischen Seminaren ist wieder so groß, daß an manchen Anstalten 60 bis 70 Prozent der Angemeldeten znrttckgewiesen wurden. Z. B. von 5l in Oschqtz '23, von 98 in Franken berg 41, von 59 in Plauen 30, von 53 in Schneeberg 25, von 70 in Auerbach 42. Das sind nur einige Seminare, an den an deren ist es ebenso. Wie an anderer Stelle gesagt ist, wird die Regierung dein nächsten Landtage keine Vorlage über Reuerrichtung eines Seminars machen, obgleich eine solche recht wünschenswert wäre. Jedensfalls ver bieten finanzwirtschaftliche Gründe z. Zt. die Vorlage. Es könnte aber, trotzdem eine bal dige Verwirklichung also nicht zu erwarten ist, seitens unserer Stadt die Bitte erneuert wer den, Naunhof als sehr geeignete Heimat für ein Seminar in Erinnerung zu bringen. Eine entsprechende Eingabe ist schon früher gemacht worden, doch heißt cs auch hier: „Steter Tropfen höhlt den Stein." 1 Ueber den Aufenthalt des Königs in Altenburg am Freitag wird berichtet: König Friedrich August traf kurz nach halb 4 Uhr ein und wurde vom Herzog Ernst an der Bahn empfangen. Die Fürstlichkeiten be grüßten sich gegenseitig durch Kuß auf Mund und Wange. Der König wurde dann vom Herzog zum Residenzschloß geleitet. In den Straßen bewegten sich tausende von Menschen und begrüßten beide Fürste» mit jubelnden Hurrarufen. Auf dem Residenzschloß wurde der König von Prinzessin Therese begrüßt. Um halb 5 Uhr wurde eine Abordnung des Sächsischen Militärvereins empfangen. Im Schlosse fand um 5 Uhr Tafel im goldnen Saale statt, bei welcher der Herzog einen Trinkspruch auf den König ausbrachte, den dieser mit einem Trinkspruch auf den Herzog erwiderte. In den beiden Trinksprüchcn, wurde der Wunsch ge äußert, daß die Beziehungen, die zwischen den beiden Häusern bestanden haben, auch in Zu kunft bestehen möchten zum Segen der beiden Länder. Da» gegenseitige Gefolge wurde mit Dekorationen bedacht. Der König fuhr um 7 Uhr 35 Minuten wieder ab. Die Straßen waren alle reich beflaggt, die Aufnahme des Königs ist überaus herzlich gewesen. ff Die sächsische Regierung wird dem im Herbste dieses Jahres zusammentretenden Landtage keine Vorlage über die Errichtung eines neuen Lehrerseminars machen. Es ist deshalb auch noch keine Entschließung darüber gefaßt, in welchem Teile des Landes etwa künftig ein Seminar errichtet werden wird. Vielmehr wird diese Entschließung nach Maß gabe eines etwa hervortretenden Bedürfnisses der Zukunft überlassen. st Die öffentliche Auslosung der planmäßig am 30. September 1905 zur Rückzahlung gelangenden 3prozentigen Staatsschulden- kassenscheine vom Jahre 1855 wird am 27. Februar dieses Jahres vormittags von 11 Uhr an im Landhouse zu Dresden stattfinden. Die nach der Ziehungsliste vom 2. September 1904 ausgelosten, am 31. März dss. Js. fällig werdenden 3 prozentigen Staatsschulden kassenscheine von 1855, die im nämlichen Termine zahlbaren Zinsen dieser Staatspapier gattung und die Renten auf die 3 prozentigen Staatsschuldenverschreibungen von 1878, 1887, 1892, 1894, 1897, 1899 und 1900 werden vom 15 März d. I. an gegen Rückgabe der zahlbaren Kapital- und Zinsscheine auSgezahlt. st Ueber das Amtsgeheimnis der Poft wurde eine neue Verfügung erlassen, in der ausgeführt wird, daß sich das Post geheimnis nicht nur auf den Inhalt der Post sendungen, Telegramme und telegraphischen Mitteilungen, sondern auch auf alle Tatsachen des postalischen, telegraphischen und telepho nischen Verkehrs zwischen zwei Personen er streckt, die dem Postbeamten bekannt gegeben worden seien. Als unter dem Schutze des Brief- und Telephongeheimnisses stehend, sei es beispielsweise verboten, Mitteilungen über den Inhalt von Postkarten, über Briefwechsel usw. dritten Personen zukommen zu lassen. Als dritte Personen seien auch jene Post- und Telegraphenbeamte anzusehen, die sich mit den Sendungen nicht zu befassen haben. Das diensttuende Personal soll sich der Einsicht in Karten möglichst enthalten. Ueber den bekannt gewordenen Inhalt sollen gegenseitig nur soweit Meldungen gemacht werden, wie es der Dienst erfordert. st Bon der Universität. Diejenigen Studierenden, welche die Annenschule zu Dres den besucht, bei ihrem Abgänge daselbst in den Leistungen mindestens die Zensur IIu erhalten haben und sich um das zu Ostern zu ver leihende „Stipendium alter Annenschüler" von 115 Mk. bewerben wollen, werden aufgefor dert, ihre Gesuche nebst Zeugnissen bis Ende März dieses Jahres an Herm Rektor Dr. Oertel in Dresden, Annenschule, einzureichen. st Professor Nikisch hat dem Ber liner Philharmonischen Orchester mitgeteilt, daß er durch seine neue Stellung am Leip ziger Stadttheater verhindert sei, in Zukunft mit dem Orchester Gastspielreisen auszuführen. st Aufsehen erregt in Dresden die Ver haftung des Musikdirektors Eilers, der bis vor kurzem noch Dirigent der Kapelle im städtischen Ausstellungspalast war. Er steht in dem dringenden Verdacht, eine Summe in Höhe von 50 000 Mark unterschlagen zu haben. Grimma. Am hiesigen Seminar waren 67 Schüler zur Aufnahmeprüfung angemeldet, darunter 2 für höhere Klaffen. Geprüft wurden 63, für reif befunden 55, ausgenommen 30. Die Ueberzähligen können sich beim Königlichen Kultusministerium melden, um an ein Seminar überwiesen zu werden, an dem ein Platz frei ist. Leipzig. Vom 1. April ab wird der elektrische Straßenbahnverkehr bis zu dem Dorfe Stahmeln erweitert, noch im Laufe dieses Jahres soll er bis Lützschena ausgedehnt werden. — Für das neue Rathaus stifteten die besoldeten Stadträte Leipzigs ein „Glücks- schiff" Leipzig. Mittels Revolvers hat sich am Sonntag abend im Coupö eines, in den Eilen burger Bahnhof einlaufenden Zuges, der 18 jährige Hausdiener D. aus Bernburg eine Kugel in die Brust gejagt. Noch lebend wurde er ins Krankenhaus gebracht. Nerchau. Das Direktorium des Ver eins sächsischer Gemeindebeamten zu Leipzig hat nrehrere Freistellen an den Beamtenschulen zu Nerchau und Geyer zu vergeben und nimmt Gesuche bis Ende dieses Monats entgegen. In Waldheim genehmigten die Stadt verordneten in ihrer letzten Sitzung die Er richtung eines Elektrizitätswerkes. Als BetriebS- kraft wurde eine Sauggasanlage gewählt. Die Kosten dieses Unternehmens sind auf 140000 Mark veranschlagt. Der vierjährige Sohn des Gutsbesitzers Ernst Hanke in Merkwitz bei Oschatz fiel am Mittwoch, als er Weidenzweige vom Rande eines im Garten seines Vaters befindlichen Tümpels holte, ins Wasser und ertrank. An derselben Stelle ist vor etwa 16 Jahren ein damals fünf Jahre alter Bruder des verun glückten Kindes ertrunken. Wegen Betrugs und Urkundenfälschung in Untersuchungshaft genommen wurde der Re dakteur des „Oschatzer Gemeinnützigen", Hans Rößler. Er soll den Doktortitel, den er seit Anfang November seinem Namen hinzufügte, unrechtmäßiger Weise geführt haben. Tie Errichtung eines Amtsgerichts in Kötzschenbroda wird vom dortigen Ge meinderate angestrebt. Dresden. In seiner 60. Jahresver sammlung beschloß der Sächs. Schifferverein besonders, den Vorstand zu beauftragen, er möge bei der Königlichen StaatSregierung energisch gegen die von Preußen beabsichtigten Schiffahrtsabgaben auf der Elbe vorstellig werden, auch gegen die vom Oberpräsidenten der Provinz Sachsen beabsichtigte Einführung von Schiffstagebüchern zur Feststellung der Mindestgeschwindigkeit sprach sich die Ver sammlung aus. Die Röthaer Sparkasse hatte im vor. Jahre einen Reingewinn von 22867 Mark, davon sind 10 227 Mk. zu gemeinnützigen oder wohltätigen Zwecken verfügbar Von Zwickau ist der aus Silberstraße bei Wiesenburg gebürtige 28 Jahre alte Buch halter Krügel flüchtig. Er hat sich bei einer Zwickauer Bankfirma 1000 Mark erschwindelt, nachdem er vorher einen Brief gefälscht hatte. Der seit dem 11. Februar von Chem nitz flüchtige 17jährige Kaufmannslehrling Stoll, der von seinem Chef zur Einlösung eines Schecks über 3802,70 Mark nach der Reichsbank geschickt worden war und mit dem Jatfches Zeugnis. Roman von Ewald August König. 39 „Wenn Dein Geschäft neu aufblüht und Du in die Lage kommst, Erhard zu entschädigen, so glaube ich, daß Du es tun wirst," sagte sie zuversichtlich. „Ja, ich werde es tun," erwiderte er mit einem tiefen, schwe ren Atemzuge. „Aber ob ich es jemals vermag . . ." „Verliere den Mut nicht, lieber Papa, höre auf meinen Rat and auf meine Bitten, und eS wird, e- muß noch alles gut wer- den!" „Bist Du dessen so sicher?" fragte er zweifelnd „Ich weiß, daß Du ein tüchtiger Kaufmann bist, Papa, da raus setze ich mein Vertrauen. Wenn Lammschuh Dir die nötige Frist gibt, wenn Du mit Leib und Seele Dich wieder dem Ge schäft widmen willst, dann muß e» so kommen, wie ich eS Dir prophezeit habe." Wieder schüttelte er das Haupt, unentschlossen nagte er an der Unterlippe, seine Blicke schweiften noch immer unstet durch da» Zimmer, bi» sie endlich auf dem eisernen Geldschrank ruhen blieben. Große Geldsummen hatten dort früher gelegen, jetzt war der Schrank leer, der geringe Betrag, den er noch enthielt, wollte wenig bedeuten. Weshalb hatte er nicht auch das gefährliche Dokument aufbewahrt? Ja, weshalb? Weshalb hatte er eS nicht vernichtet? Wenn er jetzt diese Frage sich vorlegte, dann begriff er seinen Leichtsinn nicht Aber wie hätte er auch die Be fürchtung hegen können, daß e» ihm aus seinem stet» verschlosse nen Pulte gestohlen würde? Niemand, außer Erhard, hatte Kenntnis von diesem Schrift- stück gehabt, und dieser ehrenhaft denkende Mann griff nicht zu niedrigen Mitteln, um sich Beweise zu verschaffen, die er auf geradem Wege nicht finden konnte. „Willst Du eS versuchen?" fragte Klara, die den wechseln den Ausdruck seines umwölkten Gesichts unverwandt beobachtet hatte. Er fuhr aus seinem Brüten auf, die finsteren Schatten woll- ten von seiner Stirn nicht schwinden. „Ich, ich will eS versu chen," antwortete er mit einem Achselzucken, das deutlich bekun dete, wie gering sein Vertrauen war, „ich will zu dem Blut egel hingehen und sehen, ob ich ihn los werden kann." Sie trat wieder zu ihm und legte ihren Arm um seinen Nacken; er zuckte zusammen, als ihre Lippen seine Stirne be rührten. „Meine Segenswünschewerden Dich begleiten," sagte sie mit vibrierender Stimme, „gewinne wieder Mut und Vertrauen, lieber Papa, ich glaube, Du wirst später mir danken für mei- nen guten Rat." Er nickte, als ob er sagen wollte, er hoffe da- auch. „Weiß die Mutter, daß Du mir daS alles sagen wolltest?" fragte er. „Nein." „Dann sprich auch mit ihr nicht darüber, ihre ewigen Kla- gen und Vorwürfe machen mir daS Leben noch schwerer, wie es schon ist. Und nun laß mich gehen," fuhr er fort, während er seinen Rock zuknöpfte, „eS ist ein schwerer Gang und viel Vertrauen hege ich nicht, aber Deinetwegen will ich mein Ver sprechen einlösen." „Deinetwegen!" sagte Klara leise für sich, als sie die Treppe wieder hinaufstieg. „An seine eigene Ehre denkt er nicht mehr." Wie gerne hätte sie seinem Versprechen Vertrauen geschenkt! Sie konnte eS nicht, obgleich sie an die Hoffnung sich klammerte, daß er eS einlüsen werde. Sie erinnerte sich noch einmal seiner Worte, eS klang nickt» aus ihnen heraus, was zu der Hoffnung berechtigte, daß er die verlorene Tatkraft wiederfinden werde. Sie hatte nun ihre Pflicht getan; zwingen konnte sie den Vater nicht, und mit der Mutter darüber zu reden, war frucht- los. Kam aber das Ende mit Schrecken, dann sollte es Klara vor bereitet finden. Sie hatte noch vor kurzem erfahren, daß mittel lose Damen durch Anfertigung feiner Stickereien sich ein im- merhin nennenswerte» Einkommen verschafften, und auf diesem Gebiete war Klara Meisterin. Man hatte ihr auch da» Geschäftshaus genannt, in dem diese Stickereien gern gekauft wurden, sie war entschlossen, hinzugehen und ihre Arbeiten anzubieten. ES war freilich ein saurer Gang, aber er mußte gemacht werden, es war auch ein freudloses Dasein, den ganzen Tag vor dem Stickrahmen zu sitzen, aber besser, schon jetzt damit begin nen, al» abwarten, bi» Not und Elend dazu zwangen. Klara sagte der Mutter nicht» von ihrem Vorhaben; unter dem Vorwande, einen notwendigen AuSgang machen zu müssen, verließ sie da» HauS, um einige fertige Stickereien dem Kauf mann vorzulegen. Paul durfte davon nicht» erfahren, sie war überzeugt, daß sein Stolz sich dagegen sträuben und ihr die Ausführung ihrer Absichten verbieten würde. Sie erinnerte sich, daß man ihr gesagt hatte, der Kaufmann sei sehr verschwiegen, die Damen, die für ihn arbeiteten, dürf ten sich auf seine Diskretion verlassen, daS beruhigte sie, den noch war sie in fieberhafter Erregung, als sie da- Haus betrat. In dieser Erregung hatte sie Paul nicht bemerkt, der e» spä ter einem glücklichen Zufall zuschrieb, daß er gerade in dieser Stunde ihr entgegengekommen war. Er sah sie in den Laden hineingehen und blieb vordem Schau fenster stehen, um ihre Rückkehr zu erwarten. Zwischen den Stickereien, die im Hintergründe de» Schaufen sters hingen, war manche Lücke, dadurch wurde eS dem jun gen Herrn ermöglicht, seine Geliebte zu beobachten, und wa- er nun sah, verriet ihm ihre Absicht. Sie packte ihre Stickereien aus und zeigte sie dem alten Herrn, der ihr gegenüberstand; der Ausdruck seine» Gesicht ließ Befrie digung erkennen, er beriet mit einer Dame, die seine Schwester zu sein schien. Die beiden plauderten eine geraume Zeit mit Klara, dann überreichte der alte Herr ihr Geld, da» sie mit niedergeschlagenen Augen und hochroten Wangen in Empfang nahm. War e» schon so weit gekommen? Paul konnte nur mühsam den Schrei zurückdrängen, der ihm auf den Lippen schwebte. Schmerz und Entrüstung tobten in seinem Innern. Aber konnte, durfte er seiner Braut Borwürfe machen? So lange sie nicht öffentlich seine Braut war, hatte er keine Berech tigung dazu, und er kannte ihren entschlossenen Charakter, der sich in dem, was er für Recht hielt, keine Vorschriften machen ließ Sie hatten beide Aerger und Sorgen genug, e» war besser, er schwieg, wenn sie nicht aus eigenem Antrieb ihn in ihre Ab sichten einweihte. Ihr Erschrecken, als sie aus dem Laden herauStretcnd, ihn erkannte, bestätigte seine Vermutung. 123,20