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Naunhofer Nachrichten Orts blatt für Albrechtshain, Ammelshain, Belgershain, Beucha, Borsdorf, Eicha, Erdmannshatn, Fuchshain, Großsteinberg, Kleinsteinberg, Klinga, Köhra, Lindhardt, Pomßen, Staudnitz, Threna und Umgegend. Bezugspreis: Frei inS HauS durch Austräger Mk. 1.20 vierteljährlich. Frei inS HauS durch di« Poft Mk. 1.30 vierteljährlich. Mit einem Illustrierten SonntagSblatt und Landwirtschaftliche Beilage. Letztere alle t4 Tage. Verlag und Druck: Güuz L Eule, Naunhof. Redaktia«: Ang. Franz Hauschild, Naunhof. Unkündl-nngen: Für Inserenten der AmtShauptmann« schast Grimma 10 Psg. die fünfge« spaltene Zeile, an erster Stelle und für Auswärtige 12 Pfg. Bei Wiederholungen Rabatt. Die Naunhofer Nachrichten erscheinen jeden DicnSlag, Donnerstag und Sonnabend Nachmittag 6 Uhr mit dem Dalnm des nachfolgenden TageS. Schluß der Anzeigenannahme: Vormittags I > Uhr am Tage des ErjcheinenS. Nr. 24. Freitag, den 24. Februar 1905. 16. Jahrgang. 1 m ! . > «M^ I!,» ............. - . , , e. . . l . . 7-7— Fre ÜW 81a^gemein^eral8si1zunls. Graf Posadowskv zur Aus Wanderung der Industrie. In der Rede, mit der der Staatssekretär- Graf Posadowsky in die Debatte des Reichs tags über die neuen Handelsverträge eingriff, wies er am Schluffe auf die Vorhersage hin, welche sich anläßlich der Beratung des vor letzten und letzten Börsengesetzes in verschie denen amtlichen Berichten von Vertretern der Börsenkreise gefunden hätte: „Das Kapital werde aus Deutschland auswandern und mit ihm seine Besitzer." Die Börsengesetze seien durchgegangen, die befürchtete Maffenktuswan- derung, ja sogar individuelle Auswanderungen hätten aber nicht stattgefunden. So sei es auch jetzt; auch jetzt heiße es, wenn der neue Zolltarif in Kraft trete, werde die Industrie massenhaft über die Grenze gehen und im Auslande Filialen errichten. Da sei es doch interessant, aus den Urteilen von jenseits un serer Grenze genau dieselbe Vorhersage für die dortige Industrie zu vernehmen. Die ,Neue Korrespondenz^ berichte über eine Ver sammlung der österreichischen Malzfabrikanten, die einmütig waren in ihrer Enttäuschung über das Resultat der Verhandlungen, das für die österreichische Landwirtschaft und für die Malzindustrie eine schwere Schädigung bedeute. Man müsse zur Selbsthilfe greifen und init der Malzindustrie über die deutsche Grenze wandern. Graf Posadowsky fügte launig hinzu, wir könnten danach erleben, daß die österreichische Industrie nach Deutschland gehen und die deutsche Industrie nach Oester reich wandern werde! Südwestafrika. Nach Meldung des Generalleutnants von Trotha ist die zweite Kompagnie Feldregiments 1 nach Geitsabis zur Aufklärung vorgegaugen, wo am 13. d. Mts. die Telegraphenstation von einer Hottentotten-Bande angegriffen worden war. Nach ihrer Rückkehr soll am 21. d. Mts. ein Detachement unter Haupt mann von Zwehl, bestehend aus der 2. Kom pagnie Feldregiments 1, 10. Kompagnie Feld regiments 2 und Halbbatterie Stuhlmann von Gibion den Hudup aufwärts marschieren, um Nordbetanierbanden, die östlich Maltahöhe festgestellt worden sind, anzugreifen. Das Marine-Expeditionskorps kehrt schon im Monat März aus Südwestafrika in die Heimat zurück, und zwar in zwei Staffeln. Die erste Staffel besteht aus der dritten und vierten Kompagnie, zwei Drittel der Maschinen- kanonen-Abteilung und der halben Sanitäts- kolonne, zusammen 8 Offiziere, 4 Portepee unteroffiziere und 286 Mann. Sie tritt am 5. März die Heimreise von Swakopmund an. Die zweite Staffel, bestehend aus dem Stabe, 1. und 2. Kompagnie, Rest der Maschinen- kompagnie, der Hälfte der Sanitätskolonne in Stärke von 10 Offizieren, 5 Portepee- Unteroffizieren und 176 Mann, wird am 20. März die Heimreise von Swakopmund an treten. Aus Deutsch-Südwestafrika wird ferner noch berichtet, daß die Zahl der Herero, die sich ergeben haben, noch nicht scbr erheblich ist. Auch sind es meist nur ältere oder kranke Leute, während die Krieger zu stolz sind um sich zu ergeben, wenngleich auch ihr Wider stand gebrochen ist. — Zu der Angelegenheit der in Not befindlichen nichtbeamteten Mit glieder der Entschädigungs-Kommission, also Farmer, wird mitgeteilt, daß ihnen jetzt amt licherseits eine entsprechende Vergütung ge währt werden soll. Das Mte von vornherein geschehen sollen! — Die Zahl der Buren, die im Transportwesen in Deutsch-Südwestafrika tätig sind, hat bereits das erste Tausend über schritten. Es sind zumeist junge Leute, von denen man annimmt, daß sie sich dereinst im Schutzgebiet niederlaffen werden. -- Ober bayerisches Zuchtvieh, 70 ausgewälte Exemplare, ist nach Hamburg unterwegs, um nach Süd westafrika eingeschifft zu werden. Friedensschlutz in Sicht? Der Korespondent des Reuterschen Bureaus meldet aus Petersburg nach London: Ungeachtet offizieller Ableugnungen erhielt ich aus einer sich hoher Gönnerschaft erfreuenden Quelle die Information, daß die Frage des Friedens vom Kaiser Nikolaus nicht allein formell erörtert, sondern daß man sich über die Bedingungen, auf Grund deren Rußland zum Friedensschluffe bereit sei, tatsächlich wie folgt geeinigt habe: Korea soll unter japanische Suzeränität kommen, Port Arthur und die Liautunghalbinsel an Japan abgetreten werden, Wladiwostok als neutraler Hafen nach dem System der offenen Tür erklärt werden, die chinesische Ostbahn unter eine neutrale internationale Kontrolle gestellt uud die Mandschurei bis Charbin hin auf als integrierender Teil des chinesischen Reichs zurückgegeben werden. Eine Schwierig keit liegt in der Erledigung der Frage der Entschädigung, worauf Japan besteht; es wird aber angenommen, daß diese Schwierigkeit nicht unüberwindlich sei. Obwohl es sehr gut möglich ist, daß Rußland eine weitere Schlacht wagen wird, ehe man zur Entscheidung gelangt, hält man doch, wie von glaubwürdigster Seite versichert wird, hier an der Meinung fest, das angesichts der inneren Lage uud der enormen Schwierigkeit, den Krieg fortzuführen, der Friede auf Grund der oben skizzierten Bedingungen abgeschlossen werden wird, wenn esgelingt, die Entschädigungs frage innerhalb eines verhältnismäßig kurzen Zeitraums zu ordnen. Der japanische Gesande in London, Vicomte Hayaschi erklärte einem Befrager, er hoffe nicht auf sofortigen Fricdensschluß. Es sei, wie er glaube, für Rußland unmöglich, Vor schläge zu machen, solange es eine ungeschlagene Armee südlich von Mukden besitze und ehe die Baltische Flotte versucht habe, die Seeherrschaft zurückzuerobern Die inneren Zustände Ruß lands würden übertrieben trübe dargestelt. Eins sei sicher daß der Frieden nur durch direkte Verhandlungen und nicht durch Ver mittlung herbeigeführt werden würde. Er hübe jedenfalls bisher keinerlei auf einen schleunigen Friedensschluß hindeutende Nach richten erhalten. Rußland. Aus zahlreichen Städten in den verschie densten Gegenden des weiten Zarenreiches liegen Nachrichten über das Umsichgreifen der Ausstandsbewegung vor. So ist in Kaluga ein Teil der Arbeiter in den Werkstätten der Eisenbahn Sysran-Wjasma nicht zur Arbeit gekommen. In Novo Radomsk ist ein all gemeiner Arbeiterausstand ausgebrochen. Die Verkäufer in den Ladengeschäften zu Jekate- rinoslaw sind in den Ausstand getreten. Sie verlangen zwölfstündige Arbeitszeit, Sonntags ruhe, bestimmte Kündigungsfrist und Ein führung einer Lebensversicherung. JnCharlom sind die Arbeiter in den Kornbranntwein niederlagen und in den Druckereien in den Ausstand getreten. Aus Warschau wird berichtet: Der Schüler streik nimmt große Dimensionen an. Fast alle Schulen Polens sind geschlossen. Vor den Schul lokalen sind Polizei-, Gendarmen- und Militärpatrouillen postiert; es wird über viele Zusammenstöße mit wehrlosen Kindern und über Verhaftungen berichtet. Auch die Volksschulen werden jetzt von der Ausstands bewegung erfaßt, nicht nur in Warschau son dern auch in den polnischen Landgemeinden. In den Bezirken Lomza, Plock und Siedlec haben die Bauern einer Reihe von dörflichen Gemeinden sich geweigert, ihre Kinder zur Schule zu schicken; sie wollen auch keine Bei träge mehr zur Erhaltung der Schulen zahlen, solange der Unterricht nicht in polnischer Sprache erfolgt. Infolgedessen mußten die Elementarschulen in Czerwone, Stawiski, Ro- giewice uud anderen Orten vorläufig ge schloffen werden. — Die Situation an der Wien—Warschau-Bahn verschlimmert sich mit jeder Stunde, ein allgemeiner Ausstand droht zum 1. März. Jin Einvernehmen mit dein General- Gouverneur hat der Kurator des Warschauer Lehrbezirks befohlen, alle Gymnasien und Realschulen bis auf weiteres zu schließen, mit Ausnahme einiger weniger Anstalten, wo vor wiegend Kinder orthodoxer Ruffen unterrichtet werden. Die Unruhen in Baku dauern fort. Die gegenseitige Erbitterung steigert sich bis zum Aeußersten. Die Leute auf den Straßen fallen übereinander her, viele werden getötet oder verivundet. In einzelnen Stadttheilen wird geplündert. Tie Häuser eines Stadtviertels stehen in Flammen. Die Lage der fried fertigen Einwohner ist schrecklich; es herrscht allgemeine Panik. Auch in Balakhanakh sind Unruhen ausgebrochen. Die in Baku stehen den Truppen sind offensichtlich unzureichend, um die Ordnung wieder herzustellen. Auf der Suche nach bürgerlichen Arbeiterfreunden. Als die Regierung durch die Munisizenz weiland König Georgs in den Stand gesetzt wurde, einer Anzahl Arbeiter die Reise nach Berlin zur Besichtigung der Ausstellung für Arbeiterwohlfahrt in Charlottenburg zu ermög lichen, konnten es sich die „Amtsblätter der Sozialdemokratie" nicht versagen, den Gefühlen der Anerkennung und Dankbarkeit in der die sen Lchimpforgaueu eigenen Weise Ausdruck zu geben. Auf dieselbe Tonart sind die Dankes- bezeugungen gestimmt, welche die sozialdemo kratische Amtspreffe an alle die richtet, die gemeint haben, den notleidenden Bergarbeiter familien mit Unterstützungen aufzuhelfen. Diese Presse entrüstet sich über die Stinnes- grnbe Graf Beust, welche 10 000 Mk. zur Verfügung stellt und die wegen willkürlichen Feierns innegehaltenen drei Schichtlöhne zurück vergüten will, soivie über die anderen drei Stinnesgruben, welche ebenfalls Summen zu Unterstützungszivecken überwiesen haben; es sind „Almosen, welche die Zechenbarone, nach dem sie über die Arbeiter gesiegt haben, ihnen hinwerfen, um sich noch als Wohltäter aus posaunen zu lassen." Sie entrüstet sich über die von den Städten Darmstadt, Mainz, Mannheim usw. bewilligten „paartausend Mk.", die sie „überaus schofle Beisteuern" nennt. Sie entrüstet sich über die, die geben, und über die, die nichts geben, so über Frankfurt, dessen Magistrat dem Beschluß der Stadt verordneten, den Familien der Streikenden 15 000 Mk. zu geben, sehr verständigerweise nicht beigetreten ist, und Breslau, das soeben auch einen gleichartigen Antrag abgelehnt hat, wird demnächst einige Artigkeiten zu erwarten haben. Nichts destoweniger geht man ans die Suche nach „bürgerlichen Arbeiterfreunden"; man erhofft etwas von der Abschreckungstheorie, indem man einige reiche Leute des kapitalistischen Klaffenstaats anden sozialdemokratischen Pranger stellt. Ein führendes Organ schreibt nämlich: „In Mannheim wimmelt es sozusagen von Millionären und in Darmstadt hätte z. B. der Stadtverordnete und Apothekerwarenfabrikant Merck, der auf 90 Millionen geschätzt wird, sich eigentlich schämen müssen, wenn er für sich allein nicht mehr gegeben hätte, als die 1000 Mk., die die ganze Stadt bewilligt bat. Er hat es indessen vorgezogen, überhaupt nichts zu spenden. In Mainz sitzen im Stadtrat ebenfalls schwer reiche Herren, die, wie Kom merzienrat Michel, über viele Millionen ver fügen . . . Uebrigens wollen wir noch kon statieren, daß der fünfzigfachc Millionär, Baron Heyl in Worms, der im Reichstag sich weidlich über die Praktiken des Kohlensyndikats ent rüstete und dabei sein eignes patriarchalisches Fabriksystem in den Himmel hob, auch zu denen gehört, die ihren Geldbeutel den Ruhr bergleuten verschloßen hielten." Wo bleiben denn aber die „schwer reichen Herren" der Sozialdemokratie, die sozialdemo kratischen Millionäre? Sollten Sie in der ihnen eigenen Bescheidenheit es vorgezogen haben, Mildtätigkeit im Verborgenen zu üben? Rundschau — Der Kaiser hat die Pläne zur Ent festigung Königsbergs genehmigt. — Prinz Friedrich Leopold von Preußen wird seine Reise nach Ostasien nächsten Sonntag nachmittag antreten. Er begibt sich zunächst nach Genua, um von dort zu Schiff die Fahrt fortzusetzen. — Nach einem Telegramm aus Dar es Salam ist die Neubaustrecke der Usainbara bahn durch den Prinzen Adalbert von Preußen feierlich eröffnet worden. — Im Reichstage hat Dr. Müller- Meiningen zur zweiten Beratung des Etats für das Reichsamt des Innern beantragt, die verbündeten Regierungen zu ersuchen, baldigst dafür zu sorgen, daß der Verkehr mit Auto mobilen auf öffentlichen Straßen, Plätzen und Wagen in einheitlicher Weise geregelt werde, unter gleichzeitiger Festsetzung und Kontrolle der Geschwindigkeit. — Die Budgetkommission des Reichstages beschäftigte sich mit dem Etat der Verwaltung der Reichseisenbahnen. Bei dieser Gelegenheit erklärte auf eine Anfrage des Abg. Graf von Oriola (natl.) über die Betriebsmittel- gemeinfchaft Minister v. Budde: Wenn der Chef der Reichseisenbahnverwaltung nicht schleunigst für neue Betriebsmittel sorge, werde der preußische Eisenbaynminister ihm die Be- triebsmittelgemeinschafl kündigen. Es sei ihm Ernst mit dieser Drohung. Der Minister- verbreitete sich außerdem über die Einschränkung von Freifahrtkarten für die Militärurlauber und bezeichnete diese als unmöglich im Inter esse der Einnahmen. Genehmigt wurden für den Bau einer Bahn von Metz über Vigy nach Anzelingen als vierte Rate 4 750 000 Mk., 1 Million Mark zur Verlegung der Bahnstrecke Straßburg — Mitte Rhein bei Kehl, ebenfalls als vierte Rate und der Rest des außerordentlichen Etats, der mit 16 442600 Mk. abschließt. - Im preußischen Abgeordneten hause kam es bei der zweiten Lesung des Kultusetats zwischen Mnisterialdirektor Althoff und Abg. Dr. Friedberg zu scharfen Ausein andersetzungen. — Der preußische Handelsminister warnt angesichts der großen Defizite der Breslauer und Bromberger Ausstellungen in einem Erlasse die Handiverskammern vor der Veranstaltung weiterer Handwerksausstellungen und stellt es den Regierungspräsidenten anheim, derartigen Projekten bei ihrem ersten Auftreten fortan energisch entgegenzutreten. — Fürstbischof Kopp in Breslau spendete weitere 2000 Mark für notleidende Bergleute im Ruhrrevier.